VwGH 2011/08/0223

VwGH2011/08/022319.10.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des C S in N, vertreten durch Dr. Josef Sailer, Rechtsanwalt in 2460 Bruck/Leitha, Schlossmühlgasse 14, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Burgenland vom 19. Juli 2011, Zl. LGS-Bgld./KP1/0566/2011, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §24 Abs1;
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §36 Abs2;
AlVG 1977 §36 Abs3;
AlVG 1977 §36a Abs3 Z2;
AlVG 1977 §24 Abs1;
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §36 Abs2;
AlVG 1977 §36 Abs3;
AlVG 1977 §36a Abs3 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid widerrief die belangte Behörde den Anspruch des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe für im angefochtenen Bescheid näher angeführte Zeiträume (Februar 2008 bis Jänner 2009), bemaß den Notstandshilfebezug für die Zeit vom 1. bis 9. Februar 2009 neu (Kürzung von bisher EUR 28,92 täglich auf EUR 13,93 täglich) und verpflichtete den Beschwerdeführer zum Ersatz der unberechtigt empfangenen Leistung in Höhe von EUR 6.470,30.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am 9. Jänner 2008 die Zuerkennung der Notstandshilfe beantragt. Im Zuerkennungsantrag habe er erklärt, dass er selbständig erwerbstätig sei und die Gewerbeberechtigung zurückgelegt habe. Aus wirtschaftlichen Gründen habe er die Trafik mit 31. Dezember 2007 geschlossen und die Schließung bei den österreichischen Tabakwerken kundgetan. Das Unternehmen habe nunmehr vier Monate Zeit, einen neuen Betreiber zu finden. Vor Ablauf der vier Monate könne er nicht abgemeldet werden.

Dem Beschwerdeführer sei ab dem Tag der Geltendmachung (9. Jänner 2008) Notstandshilfe zuerkannt worden.

Am 4. Februar 2009 habe der Beschwerdeführer einen Folgeantrag auf Zuerkennung der Notstandshilfe eingebracht. Dabei habe er erklärt, dass die Gewerbeberechtigung zurückgelegt worden sei und er nicht mehr selbständig erwerbstätig sei.

Mittels Überlagerungsmeldung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger sei der regionalen Geschäftsstelle der Umstand bekannt gegeben worden, dass von Jänner 2008 bis Dezember 2009 eine GSVG-Pflichtversicherung aufgrund einer selbständigen Erwerbstätigkeit vorgelegen sei. Dazu habe der Beschwerdeführer am 5. November 2010 vor der regionalen Geschäftsstelle erklärt, dass er in den Jahren 2008 und 2009 kein Einkommen aus der Selbständigkeit erzielt habe. Die Einkommensteuererklärung sei aufgrund des Zwangsausgleiches erstellt worden. Aus der Insolvenzdatei gehe hervor, dass das Unternehmen im Dezember 2007 geschlossen worden sei; dieser Beschluss sei am 18. Jänner 2008 kundgemacht worden.

Aus dem Einkommensteuerbescheid 2008 sei ersichtlich, dass der Beschwerdeführer in diesem Jahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR 16.992,82 erzielt habe. Diese Einkünfte seien um Sonderausgaben (EUR 1.460,--) und außergewöhnliche Belastungen (EUR 243,--) zu verringern, sodass ein Einkommen in Höhe von EUR 15.289,82 verbleibe. Der im Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Verlustabzug in Höhe von EUR 12.960,-- stelle einen Hinzurechnungsbetrag gemäß § 36a AlVG dar, sodass insoweit das Einkommen nicht zu verringern sei. Eine weitere Verringerung des Einkommens würde noch die Einkommensteuer bewirken; zumal diese im Einkommensteuerbescheid mit einem Minusbetrag ausgewiesen sei, sei von einem Einkommen in Höhe von EUR 15.289,82 jährlich (monatlich: EUR 1.256,70) auszugehen.

Aus dem Einkommensteuerbescheid 2009 sei ersichtlich, dass der Beschwerdeführer in diesem Jahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR 8.496,41 erzielt habe. Diese Einkünfte seien um Sonderausgaben (EUR 1.495,70) und außergewöhnliche Belastungen (EUR 1.388,44) zu verringern; weiter sei die Einkommensteuer (EUR 69,48) abzuziehen, sodass ein Jahreseinkommen von EUR 5.542,79 (monatlich: EUR 455,57) verbleibe.

Die GSVG-Pflichtversicherung für die Jahre 2008 und 2009 sei bis auf den Zeitraum vom 1. bis 31. Jänner 2008 zwischenzeitig von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft storniert worden, weil das Einkommen der jeweiligen Jahre aus dem Sanierungsgewinn und nicht aus selbständiger Tätigkeit stamme.

Es sei davon auszugehen, dass Arbeitslosigkeit vorgelegen sei, da der Gewerbebetrieb mit 31. Dezember 2007 geschlossen worden sei und der Beschwerdeführer ab diesem Zeitpunkt keine selbständige Tätigkeit entfaltet habe. Bei dem vorliegenden Sanierungsgewinn werde sohin keine Nachwirkung der selbständigen Tätigkeit angenommen. Diese Einkünfte hätten demnach keine Auswirkungen auf die Anspruchsvoraussetzung "Vorliegen von Arbeitslosigkeit".

Beim Bezug der Notstandshilfe wirke sich das Einkommen aber aus, zumal ein Sanierungsgewinn aus einem Gewerbebetrieb aus steuerlichen Gründen entstanden sei. Gemäß § 5 Notstandshilfeverordnung sei das eigene Einkommen des Leistungswerbers auf den Bezug der Notstandshilfe im jeweiligen Jahr in Anrechnung zu bringen. Es sei daher das Einkommen aus den Einkommensteuerbescheiden der Jahre 2008 und 2009 auch auf den Bezug der Notstandshilfe dieser Jahre anzurechnen.

Aus dem monatlichen Einkommen im Jahr 2008 von EUR 1.256,70 ergebe sich ein täglicher Anrechnungsbetrag, welcher höher sei als der ab 1. Februar 2008 zustehende Grundbetrag an Notstandshilfe (einschließlich Familienzuschlägen). Daher sei das Vorliegen von Notlage zu verneinen, der Notstandshilfebezug mit 1. Februar 2008 einzustellen und für die im angefochtenen Bescheid näher bezeichneten Zeiträume (bis 31. Jänner 2009) zu widerrufen gewesen.

Für den Zeitraum vom 1. Februar 2009 bis 9. Februar 2009 gebühre - ausgehend vom Grundbetrag an Notstandshilfe (samt drei Familienzuschlägen) - nach Berücksichtigung des monatlich anrechenbaren Einkommens im Jahr 2009 Notstandshilfe in Höhe von EUR 13,93 täglich.

Da sich die Zuerkennung des Leistungsbezuges nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausgestellt habe, sei der Notstandshilfebezug einzustellen und zu widerrufen gewesen. Die Rückforderung sei berechtigt, weil sich aufgrund des nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheides ergeben habe, dass die Leistung nicht oder nicht im gewährten Umfang gebühre. Aus der Neubemessung der Notstandshilfe bzw. dem Widerruf der Notstandshilfe sei ein Überbezug in Höhe von insgesamt EUR 8.927,34 entstanden. Unter Berücksichtigung von bereits erfolgten Aufrechnungen (Nachzahlung von Beihilfen zur Deckung des Lebensunterhaltes samt Kursnebenkosten sowie Arbeitslosengeldbezug vom 1. März bis 26. April 2011) sei noch ein Betrag von EUR 6.470,30 zur Rückzahlung offen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 33 Abs. 2 AlVG ist Voraussetzung für die Gewährung der Notstandshilfe unter anderem, dass sich der Arbeitslose in einer Notlage iSd § 33 Abs. 3 AlVG befindet.

Nach § 33 Abs. 3 AlVG liegt Notlage vor, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist.

Gemäß § 36 Abs. 2 AlVG sind bei der Beurteilung der Notlage die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen selbst sowie der mit dem Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegattin zu berücksichtigen.

Nach § 36 Abs. 3 AlVG ist das Einkommen des Arbeitslosen zu berücksichtigen: Das in einem Kalendermonat erzielte und ohne Auswirkung auf den Leistungsanspruch in diesem Kalendermonat gebliebene Einkommen des Arbeitslosen ist im Folgemonat nach Abzug des zur Erzielung des Einkommens notwendigen Aufwandes auf die Notstandshilfe anzurechnen. Ausgenommen ist ein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit, das den der Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG für den Kalendermonat entsprechenden Betrag nicht übersteigt.

Gemäß § 36a Abs. 1 AlVG ist bei der Feststellung des Einkommens u.a. für die Anrechnung auf die Notstandshilfe nach den folgenden Absätzen vorzugehen:

Einkommen (iSd AlVG) ist nach § 36a Abs. 2 AlVG das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 zuzüglich u.a. den Hinzurechnungen gemäß Abs. 3 leg.cit. Nach § 36a Abs. 3 Z 2 AlVG sind dem Einkommen nach § 2 Abs. 2 EStG u.a. die Beträge nach § 18 Abs. 6 EStG 1988 (Verluste, die in einem vorangegangenen Jahr entstanden sind (Verlustabzug)), soweit sie bei der Ermittlung des Einkommens abgezogen wurden, hinzuzurechnen.

Gemäß § 24 Abs. 1 AlVG ist das Arbeitslosengeld einzustellen, wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt; es ist neu zu bemessen, wenn sich eine für das Ausmaß des Arbeitslosengeldes maßgebende Voraussetzung ändert.

Nach § 25 Abs. 1 AlVG ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Nach Satz 3 leg.cit. ist der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz auch dann zum Ersatz der unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte; in diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen.

Die Bestimmungen der §§ 24 und 25 AlVG sind gemäß § 38 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

2. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe im Jahr 2008 ein reales Einkommen von EUR 2.329,82 gehabt. Am 10. Februar 2009 habe er eine Stelle bei der K GmbH angetreten und habe aus dieser unselbständigen Tätigkeit im Jahr 2009 einen Verdienst in Höhe von EUR 15.808,25 erzielt. Er sei sorgepflichtig für drei Kinder und seine Ehefrau, die sich im zu beurteilenden Zeitraum nach der Geburt ihres zweiten Kindes in Karenz befunden habe. Im Jahr 2008 sei er keiner Beschäftigung nachgegangen, er und seine Familie seien auf die Notstandshilfe angewiesen gewesen, um den notwendigen Lebensunterhalt decken zu können. Die Familie besitze kein Vermögen, habe jedoch auch heute noch beträchtliche Schulden. Abgesehen vom Karenzgeld der Ehefrau habe die Familie im zu beurteilenden Zeitraum über kein Einkommen verfügt. Bei den in den Einkommensteuerbescheiden ausgewiesenen Einkünften aus Gewerbebetrieb handle es sich um kein "Vermögen", welches dem Beschwerdeführer zugekommen oder zu seiner Verfügung gestanden sei. Diese Beträge resultierten als lediglich fiktives Einkommen aus dem im Zuge des Zwangsausgleiches durchgeführten Schuldenerlass. Der Beschwerdeführer wäre nicht in der Lage gewesen, seine Familie ohne die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu ernähren und zu versorgen. Er habe sich in einer Notlage befunden, sodass die nunmehr auferlegte Rückzahlungsverpflichtung nicht gerechtfertigt sei.

3. Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung über den Widerruf und die Rückforderung eines Notstandshilfebezuges an den Spruch des Einkommensteuerbescheides gebunden, wobei diese Regelung der Erleichterung des praktischen Vollzuges des AlVG in Bezug auf die dort geregelten Geldleistungen dient (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2009, Zl. 2006/08/0033, mwN).

Gemäß § 36a Abs. 3 Z 1 AlVG ist der im Einkommensteuerbescheid - für das Kalenderjahr 2008 - ausgewiesene Verlustabzug (§ 18 Abs. 6 EStG 1988) dem Einkommen hinzuzurechnen.

Dem Vorbringen in der Beschwerde, die in den Einkommensteuerbescheiden steuerrechtlich als gewerbliche Einkünfte ausgewiesenen (der Höhe nach nicht bestrittenen) Beträge seien dem Beschwerdeführer nicht zugeflossen, es handle sich hiebei um fiktives Einkommen aus dem im Zuge des Zwangsausgleiches durchgeführten Schuldenerlass, ist zu erwidern, dass in Anbetracht der dargestellten Bindung an den Spruch der Einkommensteuerbescheide auch ein reiner Buchgewinn als Einkommen zur Anrechnung herangezogen werden kann. Das Ergebnis der Veranlagung zur Einkommensteuer kann als Gradmesser dafür dienen, dass der Notstandshilfe beziehende Beschwerdeführer über eine höhere Wirtschaftskraft verfügt als eine Person ohne anzurechnendes Einkommen. Der Umstand, dass in Einzelfällen, insbesondere beim Zusammentreffen von Sanierungsgewinnen mit akkumulierten Verlustvorträgen der Gesichtspunkt tatsächlicher Verfügbarkeit von Barmitteln in den Hintergrund tritt, vermag weder die Sachlichkeit der Regelung an sich in Zweifel zu ziehen, noch einen Vollzugsfehler der belangten Behörde zu begründen (vgl. das - ebenfalls einen Sanierungsgewinn betreffende - hg. Erkenntnis vom 30. April 2002, Zl. 2002/08/0014).

Es waren sohin die selbständigen Einkünfte des Beschwerdeführers entsprechend den Einkommensteuerbescheiden (unter Hinzurechnung des Verlustausgleiches) auf seinen Notstandshilfeanspruch anzurechnen, sodass der Notstandshilfeanspruch für den Zeitraum bis (einschließlich) Jänner 2009 (rückwirkend) einzustellen und für den Zeitraum 1. bis 9. Februar 2009 neu zu bemessen war.

Gegen die Rückforderung der demnach unberechtigt empfangenen Beträge nach § 25 Abs. 1 dritter Satz AlVG bestehen keine Bedenken.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Damit erübrigt sich auch eine gesonderte Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Wien, am 19. Oktober 2011

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