AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2024:W152.2198375.2.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Walter KOPP über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX 2017, StA. Volksrepublik China, gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.01.2023, Zl. 1169724701-171195320, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden BF) ist minderjährig und Staatsangehöriger der Volksrepublik China. Seine Mutter ist XXXX , geb. XXXX , StA. Volksrepublik China, IFA: XXXX .
2. Verfahrensgang bezüglich der Mutter des BF:
2.1. Die Mutter des BF stellte in Österreich am 19.11.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.12.2013, Zl. 13 17.060-BAT, sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (§ 3 Abs. 1 AsylG 2005) als auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde die Mutter des BF gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Volksrepublik China ausgewiesen. Gegen diese Entscheidung wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
2.2. Die Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (im Folgenden BVwG) vom 05.05.2014, GZ: W137 2000110-1/3E, gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 leg.cit. „zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung“ an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA) zurückverwiesen.
2.3. Mit Bescheid des BFA vom 04.08.2014, Zl. IFA XXXX + VZ 1755468, wurde der Mutter des BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Volksrepublik China zulässig sei. Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage. Gegen diese Entscheidung wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
2.4. Die Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 05.08.2015, GZ: W137 2000110-2/2E, gemäß §§ 52 Abs. 2 Z 2 iVm Abs. 9 und 55 FPG sowie §§ 55 und 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
2.5. Mit Mandatsbescheid vom 06.09.2017, Zl. XXXX -171032153, wurde die Mutter des BF zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG in Schubhaft genommen. Am 08.09.2017 wurde sie wegen Haftunfähigkeit aus der Schubhaft entlassen. Am XXXX 2017 wurde der BF geboren.
2.6. Am 03.10.2018 stellte die Mutter des BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK.
2.7. Mit Verfahrensanordnung vom 18.02.2019 wurde das Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 zunächst unterbrochen. Das Verfahren des BF auf internationalen Schutz sei nämlich noch nicht abgeschlossen. Nunmehr wurde der Mutter des BF eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 AsylG 2005 im Hinblick auf den dem BF gewährten subsidiären Schutz erteilt.
3. Verfahrensgang bezüglich BF:
3.1. Der BF wurde am XXXX 2017 in Wien geboren und stellte durch seine gesetzliche Vertretung (Mutter) am 20.10.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
3.2. Am 20.10.2017 wurde er durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der Landespolizeidirektion Wien, erstbefragt. Dabei gab er durch seine gesetzliche Vertretung zu den Fluchtgründen befragt an, er könne aus familiären und gesetzlichen Gründen nicht nach China zurückkehren. Der BF sei nicht das erste Kind seiner Mutter und China verfolge eine „Ein-Kind-Politik“.
3.3. Im Rahmen einer am 25.04.2018 vor dem BFA vorgenommenen niederschriftlichen Einvernahme gab der BF durch seine gesetzliche Vertretung im Wesentlichen an, er könne nicht nach China zurückkehren. Sein Aufenthalt in China wäre illegal und er könne nicht in die Schule gehen. Es sei außerdem unklar, ob er von seiner Familie akzeptiert werde.
3.4. Mit Bescheid des BFA vom 28.05.2018, Zl. 1169724701-171195320, wurde unter Spruchpunkt I der Antrag des BF hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 sowie unter Spruchpunkt II der Antrag des BF hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Volksrepublik China gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen. Unter Spruchpunkt III wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in die Volksrepublik China zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde unter Spruchpunkt VI gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Begründend hielt die belangte Behörde fest, das Vorbringen zeige keinen Konnex zu Konventionsgründen auf. Der Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sei somit abzuweisen. Eine extreme Gefahrenlage und Gewaltanwendung gegenüber der Zivilbevölkerung gehe aus den Länderfeststellungen nicht hervor. Im Übrigen sei die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln und eine medizinische Basisversorgung grundsätzlich gewährleistet. Der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sei daher ebenfalls abzuweisen. Das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen überwiege die privaten und familiären Interessen des BF an einem Verbleib in Österreich. Es sei somit eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.
3.5. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass bei richtiger rechtlicher Subsumtion dem BF internationaler Schutz zu gewähren sei. Die Behörde habe sich unzureichend mit den Länderberichten auseinandergesetzt und den maßgeblichen Sachverhalt nicht ordnungsgemäß festgestellt.
3.6. Die Beschwerdevorlage langte am 15.07.2018 beim BVwG ein und wurde in Folge der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.
3.7. Mit Beschluss des BVwG vom 31.08.2022, GZ: W152 2198375-1/10E, wurde der Beschwerde stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG idgF zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen. Begründend führte das BVwG aus, dass die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen habe. Die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren seien von der Behörde in qualifizierter Weise unterlassen worden. Die belangte Behörde argumentierte, dass der BF über Familienangehörige in der Volksrepublik China verfüge und der Lebensunterhalt durch die Obsorge der Erziehungsberechtigten und das staatliche Sozialsystem gesichert sei. Ein leistungsfähiger Familienverband des BF wurde jedoch weder explizit festgestellt noch wurden Ermittlungen in diese Richtung vornommen. Die belangte Behörde begründete auch nicht, worauf sie diese – im Widerspruch zum Vorbringen der Mutter des BF stehenden – Annahmen stütze. In Anbetracht der vom BFA vorgenommenen Feststellungen zur Familienpolitik in der Volksrepublik China sei eine Teilhabe des BF als uneheliches Kind am chinesischen Sozialsystem fraglich und deshalb zu klären, wobei vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen selbst eine persönliche Verfolgung bzw. Gefährdung des BF nicht von vornherein auszuschließen sei. Die Frage, ob die Kindesmutter ohne staatliche und familiäre Unterstützung den BF versorgen könne, sei im erstinstanzlichen Verfahren nicht einmal ansatzweise geklärt worden. Die Behörde habe somit im konkreten Fall gegen die in § 18 AsylG 2005 determinierten Ermittlungspflichten verstoßen.
3.8. Der Beschluss wurde dem BFA am 02.09.2022 und der Mutter des BF am 06.09.2022 zugestellt.
3.9. Am 14.12.2022 wurde der BF zum Antrag auf internationalen Schutz vom BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte der BF durch seine gesetzliche Vertretung vor, dass, bis der BF ein bis zwei Jahre alt war, Kontakt zwischen den Kindeseltern bestanden habe, dieser jedoch abgebrochen sei. Die Kindermutter kenne weder den Nachnamen, die Adresse noch die Telefonnummer des Kindesvaters. Die Kindesmutter habe ab und zu Kontakt zu ihrer in China lebenden ehelichen Tochter, nicht jedoch zu ihrem Ehegatten. Sie habe weiters ab und zu Kontakt zu ihren in China lebenden Eltern und Geschwistern; diese seien zwar nicht zufrieden mit der Mutter des BF, würden jedoch ab und zu fragen, wie es ihr gehe. Ihr Bruder sei dem BF gegenüber negativ eingestellt und es bestehe kein Kontakt. Die Mutter des BF habe dreieinhalb Jahre die Grundschule besucht und ca. vier Jahre als Kellnerin bzw. in der Gastronomie in der Volksrepublik China gearbeitet. Der BF gehe derzeit in den Kindergarten. Er nehme keine Medikamente und gehe nicht regelmäßig zu Arzt. Der BF sei in Österreich auf die Welt gekommen und besitze keinerlei chinesische Dokumente. Es sei daher unmöglich für ihn eine Eintragung in das „Hukou“ zu bekommen. Es sei auch sicherlich nicht zu erwarten, dass der Ehegatte der Kindesmutter den BF akzeptiere. Die Kindesmutter habe eine schlechte Ausbildung und lebe schon seit über zehn Jahren im Ausland, weshalb sie in China keine Arbeit finden würde. Bei einer Rückkehr würde der BF kein „Hukou“ und keine Sozialleistungen bekommen; es wäre ihm auch unmöglich die Schule zu besuchen. Er könne daher auch im Erwachsenenalter nicht legal heiraten oder eine legale Arbeit finden.
3.10. Mit Schriftsatz vom 28.12.2022 übermittelte der BF eine ergänzende Stellungnahme zur Einvernahme am 14.12.2022 und brachte vor, dass der BF im Falle einer Rückkehr bzw. Neuansiedlung als uneheliches Kind sowohl Repressalien seitens der Regierung, der konservativen chinesischen Gesellschaft als auch der Familie der Mutter befürchte. Aufgrund der Minderjährigkeit des BF sei die entscheidende Behörde dazu angehalten, bei der Prüfung des Antrags das Kindeswohl als oberste Priorität zu beachten. Es gebe in China zwar gesetzliche Regelungen, die eine geänderte Familienpolitik vorsehen würden, faktisch seien diese jedoch noch nicht umgesetzt. Diese würden außerdem nur für verheiratete Paare gelten. Alleinstehende Frauen hätten keine Möglichkeit legal Kinder zu bekommen und hätten uneheliche Kinder keine Möglichkeit für „legal“ erklärt zu werden. Es gebe keine Berichte zur Stellung von verheirateten Müttern, die außerhalb der Ehe mit anderen Partnern Kinder bekommen würden. Die Rechte von Frauen seien in der patriarchalisch veranlagten chinesischen Gesellschaft allgemein unterdrückt. Ledige Mütter seien noch mehr Stigmata ausgesetzt und von Diskriminierung am Arbeitsmarkt betroffen. Die Mutter des BF verfüge außerdem über eine schlechte Ausbildung. Anspruch auf staatliche Unterstützung habe die Mutter des BF nicht. Sie würde im Fall einer Rückkehr nicht nur massive Schwierigkeiten haben, sich in der Gesellschaft wieder einzugliedern, sondern aufgrund des unehelichen Kindes auch keine Möglichkeit haben am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Der BF sei in China rechtlich nicht existent und habe weder Zugang zu Sozialleistungen wie Gesundheitsvorsorge, Bildung, Identitätsnachweisen oder Pensionsleistungen. Er könne keine Schule besuchen, kein Eigentum erwerben, sich nicht offiziell für eine Stelle bewerben, nicht heiraten oder legal eine Familie gründen.
3.11. Das BFA wies dann erneut den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit Bescheid vom 24.01.2023,Zl. 1169724701-171195320, gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I), erkannte dem BF jedoch gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III). Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass es glaubhaft sei, dass der BF in China kein Hukou und somit auch keine chinesischen Dokumente bekommen würde. Der BF sei in China keiner asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt und wäre eine solche auch zukünftig nicht zu befürchten. Kinder ohne Hukou würden zwar als Bürger zweiter Klasse behandelt werden, eine solche Diskriminierung könne jedoch nicht als asylrelevante Bedrohung iSd GFK gewertet werden. Der als Fluchtgrund vorgebrachte Sachverhalt stünde nicht mit einem der Konventionsgründe in Zusammenhang. Eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in die Volksrepublik China würde für den BF jedoch eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder könne für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen. Der BF habe als am XXXX 2017 geborenes Kind ohne Hukou keinen Zugang zu Gesundheits- oder Bildungsdiensten, somit keinen rechtlichen Anspruch auf Bildung, Gesundheitsversorgung, einen formalen Beruf, die Möglichkeit legal zu heiraten, etc.
3.12. Mit Schriftsatz vom 21.02.2023 wurde gegen Spruchpunkt I des im Spruch angeführten Bescheides fristgerecht Beschwerde an das BVwG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhoben. Dem BF drohe im Falle einer Rückkehr Verfolgung iSd GFK aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der unehelichen, im Ausland geborenen Kinder („black children“/nicht registrierte Kinder). Nach Art. 10 Abs. 1 lit. d der Statusrichtlinie haben zwei Voraussetzungen kumulativ vorzuliegen, um eine „bestimmte soziale Gruppe“ zu definieren. Das erforderliche unabänderliche Merkmal, das vom BF nicht geändert werde könne, ergebe sich aus seinem Alter und dem „Kind sein“. Der Fakt, dass der BF nicht in China, sondern als uneheliches Kind in Österreich geboren wurde, könne ebenfalls nicht geändert werden. Kinder, die diese Merkmale/Hintergründe ausweisen würden, würden sich nicht im „Hukou-System“ registrieren lassen können und würden rechtlich nicht existieren, weshalb ihnen kein Zugang zu Gesundheits- und Bildungsdiensten zustehe und kein Anspruch auf Bildung, Gesundheitsversorgung, einen formalen Beruf und eine legale Heirat zukomme. Sie würden deshalb von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig („Bürger/Kinder zweiter Klasse“) betrachtet und würden eine klar abgrenzbare Identität vom Rest der Gesellschaft aufweisen. Da sich die Diskriminierungshandlungen gegen uneheliche im Ausland geborene, nicht im „Hukou-System“ registrierte Kinder häufen würden, liege eine Verfolgung iSd Art. 9 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie vor. Es könne jedenfalls von einem ungerechtfertigten Eingriff von erheblicher Intensität und von einer asylrelevanten Verfolgung iSd der GFK bzw. Statusrichtlinie ausgegangen werden. Das Argument der Behörde, dass die vorgebrachten Diskriminierungen/Befürchtungen des BF keine Asylrelevanz begründen würden, sei insbesondere aufgrund der von der Behörde festgestellten Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK nicht haltbar.
Es wurde beantragt eine mündliche Beschwerdeverhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhalts und zur Erörterung der Rechtsfragen anzuberaumen, falls nicht alle zu Lasten des BF gehenden Rechtswidrigkeiten des angefochtenen Bescheides in der Beschwerde geltend gemacht wurden, diese amtswegig aufzugreifen und den angefochtenen Bescheid – allenfalls nach Verfahrensergänzung – zur Gänze zu beheben und dem BF den Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zuzuerkennen, in eventu die ordentliche Revision zuzulassen.
3.13. Die Beschwerdevorlage langte am 24.02.2023 am BVwG ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Feststellungen zur Person des BF:
Der minderjährige BF namens XXXX wurde am XXXX 2017 in Österreich geboren. Er ist chinesischer Staatsangehöriger. Er ist der uneheliche Sohn der chinesischen Staatsangehörigen XXXX , geb. XXXX , IFA XXXX .
Der BF leidet an keiner Krankheit und nimmt keine Medikamente regelmäßig ein.
1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:
Der BF ist in der Volksrepublik China rechtlich nicht existent und kann keine Eintragung in das „Hukou-System“ erlangen. Es ist ihm daher nicht möglich, chinesische Dokumente ausgestellt zu bekommen. Der BF hat weiters keinen Zugang zu Gesundheits- und Bildungsdiensten; er hat keinen rechtlichen Anspruch auf Bildung, Sozialleistungen, Gesundheitsversorgung, einen formalen Beruf oder eine legale Heirat. Kinder bzw. Personen ohne Eintragung in das „Hukou-System“ werden von der Gesellschaft als Bürger zweiter Klasse angesehen.
1.3. Zur maßgeblichen Lage im Herkunftsstaat:
Bereits das BFA traf zur Lage in der Volksrepublik China die folgenden Feststellungen, wobei sich das BVwG diesen anschließt:
COVID-19, inkl. Informationskontrolle
Letzte Änderung: 12.07.2022
Im Dezember 2019 begann sich die COVID-19-Pandemie in der Stadt Wuhan auszubreiten (BS 23.2.2022). Zunächst versuchten die Behörden den Ausbruch der Pandemie zu vertuschen. Bereits Ende Dezember 2019 wurde in privaten WeChat-Gruppen über eine neue Lungenkrankheit in Wuhan diskutiert. Erst am 23. Januar – nachdem Millionen Reisende die Stadt verlassen hatten, wurde ein Lockdown über Wuhan verhängt, obwohl China der WHO bereits am 3. Januar von einer neuen mysteriösen Lungenkrankheit in Wuhan berichtet hatte. Die „Verschweige-Politik“ trug wesentlich zur landes- und weltweiten Verbreitung des Virus bei. Nach über einem Monat des Zauderns änderten sich Beijings Maßnahmen, Chinas Führung erkannte COVID-19 als klare Gefahr für die nationale Sicherheit und erklärte einen „Volkskrieg“ gegen das Virus. Harsche Lockdown-Bestimmungen von Ende Januar an und teilweise bis in den April 2020 führten dann tatsächlich zu einer erfolgreichen Eindämmung des Virus in China. Gleichzeitig wurden Spitalskapazitäten rasant ausgebaut und auf Gemeindeebene ein extrem engmaschiges Überwachungssystem implementiert. Während quer durch China fast die gesamte Bevölkerung strikt zu Hause in Quarantäne blieb und der öffentliche Verkehr stillgelegt war, nahm die Ansteckungsrate abrupt ab. Öffnungsschritte erfolgten oft nach einem Monat. Im Mai war das Virus weitestgehend unter Kontrolle (OIIP 3.2022).
Um diese Kontrolle auch zu wahren, wurde ein umfassendes „Tracking“-System etabliert – die Bevölkerung musste mehrere Apps downloaden und ständig QR-Codes vorweisen – teilweise 14 Tage Quarantäne mussten bei Reisen zwischen verschiedenen Provinzen eingehalten werden, und zwar in zentralisierten Stellen unter konstanter Überwachung, oftmals wurden bei nur wenigen positiven Fällen ganze Millionenstädte kurzfristigen Masentestungen unterzogen (OIIP 3.2022).
Ein Großteil des Jahres 2020 war damit von den Bemühungen des Regimes, um Schadensbegrenzung geprägt - im Hinblick auf die Kritik, den Ausbruch falsch gehandhabt zu haben und die Pandemie nicht eingedämmt zu haben. Beides gelang: Das Regime verhinderte systematische Nachforschungen über den Ursprung des Virus und brachte die Ausbreitung von COVID-19 durch einen harten Lockdown, Reisebeschränkungen, Quarantänemaßnahmen und Massentests unter Kontrolle (BS 23.2.2022).
Die Abriegelungsmaßnahmen stärkten die Kontrolle der Partei über die gesellschaftlichen Organisationen. COVID-19 erleichterte nicht nur die Ausweitung der Kontrolle der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) über die Gesellschaft, sondern begünstigte auch die Bereitstellung digitaler öffentlicher Dienstleistungen. Die Regierung informierte ihre Bürger gut über ihre Eindämmungsmaßnahmen und antwortete im Allgemeinen auf Anfragen und Beschwerden der Bürger. Chinas Bürger, die kein Smartphone besitzen, sahen sich jedoch mit strengen Einschränkungen beim Zugang zu fast allen öffentlichen Dienstleistungen konfrontiert, einschließlich des Zugangs zu Supermärkten (BS 23.2.2022).
COVID-19-Maßnahmen wie Kontrollpunkte, Gesundheits-App-Einschränkungen und COVID-19-bedingte Lockdowns schränken die Bewegungsfreiheit ein (USDOS 12.4.2022). Lokale Regierungen setzen mobile "Gesundheitscode"-Apps zur Bekämpfung von COVID-19 ein, die allerdings Menschen auf Grundlage willkürlicher oder undurchsichtiger Kriterien den Zugang zu Flug- und Zugreisen, medizinischen Einrichtungen und anderen öffentlichen Dienstleistungen und Räumen verwehren (FH 28.2.2022).
Insgesamt wurden in China mit Stand 7.6.2022 2.100.607 Fälle mit COVID-19-Infektionen und 14.612 damit verbundene Todesfälle festgestellt (JHU 7.6.2022). Die offiziellen Coronadaten bilden wohl nur einen Teil der Wahrheit ab (TAZ 3.4.2022).
Um die Auswirkungen des Lockdowns insbesondere auf kleine und mittlere Unternehmen abzumildern, sagte die Regierung Steuerermäßigungen und andere indirekte Subventionen und erleichterte den Zugang zu günstigen Krediten zu (BS 23.2.2022). Da China seit dem ersten Lockdown keine weiteren landesweiten Lockdowns anordnete, Produktion und wirtschaftliches Leben bereits im Mai 2020 weitgehend normalisiert waren, Exporte von Medizingütern und Elektronik boomten, kehrte Chinas Wirtschaft schneller zum Wachstum zurück als die seiner Mitbewerber (OIIP 3.2022).
Zero-Covid Strategie
China hält an seiner Zero-Covid Strategie fest. Nach vereinzelten lokalen Ausbrüchen im Jahr 2021, die alle noch mit strikten lokalen Lockdowns und Reiseeinschränkungen unter Kontrolle gebracht werden konnten, breitete sich seit dem Frühjahr 2022 die wesentlich ansteckendere Omikron Variante rasant im ganzen Land aus. Selbst Millionenmetropolen wie Shanghai oder Shenzhen bekamen harte Maßnahmen mit einem Lockdown verordnet. Transportverbindungen in betroffene Gebiete werden in der Regel temporär gesperrt (WKO 3.2022).
Für ganz Shanghai wurde ein Lockdown am 1. April verhängt (Falter 25.4.2022). Die Menschen durften nur zum Massentest kurz auf die Straße. Die Versorgung mit dem Allernötigsten hing von Essenspaketen der Regierung ab. Diese kamen jedoch nicht überall ausreichend an (TAZ 3.4.2022). Die Nahrungsmittelversorgung brach über mehrere Wochen zusammen. Positive Fälle wurden durch die Polizei in Quarantänezentren gebracht (TAZ 3.5.2022). Viele dieser Zentren sind schlecht ausgestattet, die hygienischen Bedingungen mangelhaft und das Personal überlastet. Es sollen auch mehrere Menschen gestorben sein, nachdem sie wegen der Einschränkungen keine dringende medizinische Hilfe erhalten konnten (Falter 25.4.2022; vgl. TAZ 3.5.2022). Die Härte einiger Maßnahmen, wie die Trennung von Kindern von ihren Eltern, löste einen Aufschrei aus und zwang die lokalen Behörden, einige der Beschränkungen wieder zu lockern (Falter 25.4.2022). Auch COVID 19 positive Neugeborene waren von den Eltern getrennt worden (TAZ 3.4.2022). Ab 1. Juni 2022 kam es zu schrittweisen Lockerungen der rigiden Maßnahmen (TAZ 31. 5. 2022).
Chinas Impfungsrate liegt bei über 85 %. Dies wurde durch die Einführung eines digitalen Impfpasssystems erreicht. Aber ältere Menschen besuchen Einrichtungen, die einen Impfpass erfordern, in einem geringeren Ausmaß, sodass mehr als die Hälfte der über 70-Jährigen in Shanghai ungeimpft blieben. Außerdem sind die Impfprogramme stark auf Arbeitgeber und Schulen ausgerichtet (Falter 25.4.2022). Die Impfrate ist zwar hoch, aber auf chinesische Impfstoffe beschränkt, die weniger effektiv sind. Die Durchseuchung in China bleibt überaus niedrig. So ist nicht klar, wann und wie China von der „Zero-COVID“-Strategie abweichen wird können, zumal die Strategie als großer Erfolg der Regierung verkauft wird (OIIP 3.2022).
Kontrolle der Information, Medien und sozialen Medien
Den Behörden ist es zwar weitgehend gelungen, das COVID-19-Virus einzudämmen, aber sie nutzen die Pandemie aus, um eine verstärkte Überwachung und Kontrolle des Verhaltens der Bürger zu rechtfertigen und diejenigen zu bestrafen, die unabhängige Informationen liefern und Kritik am Umgang der Regierung mit der Pandemie äußern (FH 28.2.2022). Wissenschaftler, die von der offiziellen Darstellung der COVID-19-Pandemie abweichen, sehen sich Schikanen, Zensur und in einigen Fällen Eingriffen durch Universitäten und Polizei ausgesetzt (USDOS 12.4.2022).
Die Zentrale Propagandaabteilung der KPCh wies die Medien an, sich strikt an die von den offiziellen Stellen bereitgestellten Informationen zu halten. In den Anweisungen wurde davor gewarnt, über Themen im Zusammenhang mit dem COVID-19-Ausbruch, der offiziellen Reaktion und internationalen Untersuchungen sowie über das Ansehen der Partei und der Beamten, Gesundheit und Sicherheit im Allgemeinen und auswärtige Angelegenheiten zu berichten (USDOS 12.4.2022). Bürger-Journalisten, die über den Zusammenbruch medizinischer Einrichtungen in der Stadt Wuhan berichteten, wo sich COVID-19 im Herbst 2019 auszubreiten begann, sind verschwunden (BS 23.2.2022).
Die Regierung ist bestrebt, die vollständige Kontrolle über öffentliche und private Kommentare im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 auszuüben, und untergräbt die lokalen und internationalen Bemühungen, über die Ausbreitung des Virus zu berichten. Informationen über COVID-19 in den chinesischen sozialen Medien wurden seit dem frühesten Erscheinen des Ausbruchs streng überwacht. Die beliebten Livestreaming- und Nachrichten-Plattformen setzten die Zensurprotokolle fort (USDOS 12.4.2022).
China baute am Narrativ, es sei das in der Bekämpfung der Pandemie erfolgreichste Land und man könne von seiner autoritären Antwort lernen. Studien zeigen, dass die chinesische Führung erfolgreich dabei war, die eigene Bevölkerung von diesem Narrativ zu überzeugen, Misserfolge anderer Staaten halfen dabei. Die Glorifizierung des chinesischen Gesundheitssektors und die effektive Antwort auf das Virus wurde nationalistisch verwertet. Kritik am ursprünglichen Vorgehen wurde schnell ins unpatriotische Eck gestellt. Insgesamt wurde die KPCh durch die Pandemie gestärkt (OIIP 3.2022).
Quellen:
BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069707/country_report-2022_CHN.pdf , Zugriff 20.4.2022
Falter (25.4.2022): Corona in China: warum die Probleme mit der Null-Covid-Politik auch uns angehen, https://cms.falter.at/blogs/athurnher/2022/04/25/corona-in-china-warum-die-probleme-mit-der-null-covid-politik-auch-uns-angehen/ , Zugriff 2.6.2022
FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - China, https://www.ecoi.net/en/document/2068722.html , Zugriff 11.3.2022
JHU - Johns-Hopkins-University (7.6.2022): COVID-19 Dashboard by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University, https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/dashboards/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6 , Zugriff 7.6.2022
OIIP - Österreichisches Institut für internationale Politik (3.2022): Der Umgang Chinas mit der COVID-Krise und Auswirkungen auf die Stabilität des Regimes, https://www.oiip.ac.at/cms/media/kurzanalyse-1-china_corona-krise_stabilitaet_chinesische-regierung-1.pdf , Zugriff 7.6.2022
TAZ (31.5.2022): Ende des Lockdowns in Shanghai, Öffnung nach Albtraum, https://taz.de/Ende-des-Lockdowns-in-Shanghai/ !5858525/, Zugriff 2.6.2022
TAZ (3.5.2022): Schanghai im Lockdown, Die gebrochene Stadt, https://taz.de/Schanghai-im-Lockdown/ !5844629/, Zugriff 2.6.2022
TAZ (3.4.2022): Zwei Tüten Chips gegen Kohl, https://taz.de/Lockdown-in-Chinas-Metropole-Shanghai/ !5843126/, Zugriff 2.6.2022
USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: China (Includes Hong Kong, Macau, and Tibet) - China, https://www.ecoi.nhowever , the government did not enforce these laws effectively, and et/en/document/2071133.html, Zugriff 14.4.2022
WKO - Wirtschaftskammer Österreich / Außenwirtschaft Austria (3.2022): Wirtschaftsbericht China, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/china-wirtschaftsbericht.pdf , Zugriff 18.5.2022
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Letzte Änderung: 09.06.2022
Unabhängige Menschenrechtsinstitutionen gibt es in China nicht. Die bestehenden strengen Regeln für NGOs machen deren Registrierung de facto unmöglich (AA 11.10.2021). Es werden nur NGOs mit einer nicht-politischen Agenda vom Regime toleriert (BS 23.2.2022).
Die Politik der KPCh und die Regierungsvorschriften verlangen, dass alle beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Organisationen offiziell bei der Regierung registriert und von ihr genehmigt werden müssen. Diese Vorschriften verhindern die Gründung autonomer politischer, menschenrechtlicher, religiöser, spiritueller, arbeitsrechtlicher und anderer Organisationen, von denen die Regierung annimmt, dass sie ihre Autorität in irgendeinem Bereich in Frage stellen könnten. Gesetze und Verordnungen verbieten Organisationen ausdrücklich die Ausführung politischer oder religiöser Aktivitäten, und Organisationen, die sich nicht daran halten, müssen mit strafrechtlichen Sanktionen rechnen (USDOS 12.4.2022).
Die Regierung hält damit strenge Kontrollen über zivilgesellschaftliche Organisationen aufrecht (USDOS 12.4.2022). Die Rolle der Zivilgesellschaft wird von der Kommunistischen Partei nur in kleinteiliger Organisationsform bzw. in Bereichen wie Umwelt und Wohlfahrt zugelassen, wenn kein sozialer Aktivismus in Form von öffentlicher Kritik an Behörden, KP oder Politiken geübt wird. Laut offiziellen chinesischen Angaben gibt es (mit einer sehr breiten Definition) mehr als 460.000 registrierte NGOs im Land. Nur ein sehr kleiner Teil davon kann als "unabhängig" qualifiziert werden (ÖB 12.2021).
Alle inländischen NGOs müssen sich beim Ministerium für zivile Angelegenheiten in einer von drei Kategorien registrieren lassen: als soziale Gruppe, als soziale Organisation oder als Stiftung. Dazu müssen sie auch einen offiziell zugelassenen Sponsor finden, der als ihre "professionelle Aufsichtsstelle" fungiert. Die Suche nach einem Sponsor gestaltet sich oft herausfordernd, da der Sponsor zivil- oder strafrechtlich für die Aktivitäten der NGO verantwortlich gemacht werden kann und die Sponsorenschaft mit aufwendigen Berichtspflichten verbunden ist (USDOS 12.4.2022; vgl. BS 23.2.2022). Dies schränkt die Autonomie der NGOs stark ein, ein unabhängiges Arbeiten ist es damit nicht gestattet (BS 23.2.2022).
Alle Organisationen sind außerdem zur Meldung ihrer Finanzierungsquellen, einschließlich ausländischer Förderungen, verpflichtet (USDOS 12.4.2022). Unabhängige NGOs erhalten keine staatliche Unterstützung und es besteht keine "Spendenkultur" für solche Organisationen. Ebenso ist das Sammeln von Spenden verboten. 2017 trat ein eigenes Gesetz zur Kontrolle von ausländischen NGOs sowie von Finanzierungen aus dem Ausland für heimische NGOs in Kraft ("Foreign NGO Activity Management Law"). Demnach müssen alle Finanzierungen durch ausländische NGOs von den chinesischen Sicherheitsbehörden vor Erhalt genehmigt werden (ÖB 12.2021). Ausländische NGOs dürfen in China nur gewisse Aktivitäten in Partnerschaft mit offiziellen Stellen ausüben (ÖB 12.2021; vgl. USDOS 12.4.2022).
Die wenigen staatlichen chinesischen Organisationen, die sich mit Menschenrechten befassen, sind im Sinne der Information über und Werbung für das staatliche Konzept der Menschenrechtspolitik aktiv. So ist das Führungspersonal der Society for Human Rights Studies gleichzeitig Personal des Informationsamts des Staatsrats (AA 11.10.2021).
Die Staatsorgane greifen weiterhin hart gegen Menschenrechtsverteidiger durch (Al 29.3.2022). Viele von ihnen und andere politisch engagierte Bürgerinnen wurden aufgrund haltloser, weit gefasster und vage formulierter Anschuldigungen festgenommen und über längere Zeit in Haft gehalten (Al 29.3.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Ohne Zugang zu ihren Familien und zu Rechtsbeiständen ihrer Wahl sowie ohne wirksame Mechanismen für faire Gerichtsverfahren sind viele Menschenrechtsverteidigerinnen während ihrer Haft dem Vernehmen nach Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt. Häufig überwachen, drangsalieren und schüchtern die Behörden die betroffenen Personen auch nach ihrer Freilassung ein und begrenzen ihre Bewegungsfreiheit (Al 29.3.2022).
Geschäftslizenzen oder Anwaltslizenzen zahlreicher Anwälte, die sensible Fälle wie die Verteidigung von prodemokratischen Dissidenten, Hauskirchenaktivisten, Falun-Gong-Anhängern oder Regierungskritikern übernommen hatten, werden von der Regierung aufgehoben oder ausgesetzt. Einem Bericht zufolge haben seit 2016 mehr als 40 Anwälte aufgrund ihrer Menschenrechtsarbeit ihre Zulassung verloren. Die Behörden nutzen das jährliche Lizenzprüfungsverfahren, das von der Allchinesischen Anwaltsvereinigung verwaltet wird, um die Erneuerung der Lizenzen von Berufsanwälten zu verweigern oder zu verzögern. Im Oktober 2021 veröffentlichte die Vereinigung neue Richtlinien, die es Anwälten untersagen, öffentlich über Fälle zu sprechen, Pressekonferenzen und Petitionen zu organisieren und offene Briefe zu veröffentlichen (USDOS 12.4.2022).
Politische Menschenrechtsorganisationen arbeiten aus diesen Gründen vor allem vom Ausland aus oder, sofern noch möglich, aus Hongkong (ÖB 12.2021). Mit der Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes in Hongkong und den daraus resultierenden schwierigeren Arbeitsbedingungen haben auch Amnesty International und Human Rights Watch 2021 Hongkong verlassen (ÖB 12.2021; vgl. HKFP 25.10.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.10.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China (Stand: Juli 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2062877/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Juli_2021%29%2C_11.10.2021.pdf , Zugriff 14.3.2022
AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; China 2021, https://www.ecoi.net/en/document/2070239.html , Zugriff 26.4.2022
BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069707/country_report-2022_CHN.pdf , Zugriff 13.5.2022
HKFP - Hong Kong Free Press (25.10.2021): Rights NGO Amnesty International to close its Hong Kong offices citing security law, https://hongkongfp.com/2021/10/25/breaking-rights-ngo-amnesty-international-to-close-its-hong-kong-offices-citing-security-law/ , Zugriff 26.4.2022
ÖB Peking [Österreich] (12.2021): Asylländerbericht Volksrepublik China
USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: China (Includes Hong Kong, Macau, and Tibet) - China, https://www.ecoi.net/en/document/2071133.html , Zugriff 13.5.2022
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 20.07.2022
Im März 2004 wurde der Schutz der Menschenrechte in der Verfassung als „Grundprinzip“ verankert, doch die Anpassung der Gesetze an die neue Verfassungsbestimmung verläuft schleppend (ÖB 12.2021). Menschenrechte werden im ideologischen System des Sozialismus chinesischer Prägung nicht als universal geltende Individualrechte und Freiheitsansprüche gegen Staatswillkür und Behördenunrecht verstanden. Sie werden streng beschränkt auf ein Konzept verordneter kollektiver Wohlfahrt und Sicherheit, die „Menschenrechtsverwirklichung durch wirtschaftlichsoziale und technologische Entwicklung der Gesellschaft“ (AA 11.10.2021).
Die Menschenrechtslage in China hat sich seit dem Amtsantritt Xi Jinpings 2012/13 kontinuierlich verschlechtert (AA 11.10.2021; vgl. Al 29.3.2022). Die Wahrung der inneren, sozialen Stabilität und der Machterhalt der KPCh bleibt oberste Prämisse und rote Linie. Vor diesem Hintergrund geht die chinesische Führung kompromisslos gegen jene vor, die als Bedrohung dieser Prioritäten angesehen werden. Unverändert hart bleibt das Vorgehen der chinesischen Führung daher gegen alle, die als Bedrohung angesehen werden, wie vor allem regierungskritische Blogger, Kunstschaffende, Bürgerrechtsaktivisten, Menschenrechtsanwälte, Militärgegner, Petitionäre und Mitglieder nicht anerkannter Religionsgemeinschaften (AA 11.10.2021).
Es gibt weiterhin besorgniserregende Verletzungen rechtsstaatlicher Mindeststandards in ganz China. Es gibt glaubwürdige Berichte, dass Angehörige der Sicherheitskräfte schwerwiegende und tiefgreifende Misshandlungen begehen. Der Regierung werden u.a. erzwungenes Verschwindenlassen, Folter und unrechtmäßige Tötungen, willkürliche Inhaftierungen, politische Gefangene, schwerwiegende Einschränkungen der Meinungs-, Medien- und Versammlungsfreiheit - inklusive physischer Angriffe und strafrechtlicher Verfolgung von Journalisten, Anwälten, Dissidenten sowie deren Familienangehörigen, gezielte Gewalt gegen Angehörige nationaler und ethnischer Minderheiten sowie Zwangssterilisationen und Zwangsabtreibungen angelastet (USDOS 12.4.2022).
Willkürliche Verhaftungen oder Hausarrest ohne gerichtliche Verfahren kommen häufig vor (AA 11.10.2021). Außergerichtliche Formen der Inhaftierung sind nach wie vor weit verbreitet, wobei die Inhaftierten im Allgemeinen in Isolationshaft gehalten werden (FH 28.2.2022).
Vor und während besonderer Jubiläumsfeiertage, der Parteikongresse und sonstiger wichtiger politischer Ereignisse werden Kritiker der Regierung oder der Partei regelmäßig in ihrer Freiheit systematisch präventiv eingeschränkt, indem sie vorübergehend in Haft genommen oder der Stadt verwiesen werden. Einschüchterungsmaßnahmen umfassen u. a. Hausarrest, willkürliche Haft in sog. schwarzen Gefängnissen („black jails“ bzw. „legal education center“), Berufsverbote und Druck auf Familienangehörige durch Bedrohungen bis hin zur „Sippenhaft“. Flankiert wird dies durch Verordnungen und Gesetze in den letzten Jahren (u. a. Gesetz zum Management von internationalen NGOs, Wohlfahrtsgesetz, Verordnung über die Regulierung von religiösen Angelegenheiten) (AA 11.10.2021).
Häufig kommt es zu Übergriffen lokaler Amtspersonen bzw. von denen beauftragter Dritter. Dies betrifft im Schwerpunkt die Überwachung politisch Andersdenkender auf lokaler Ebene. Zumeist handelt es sich um Demonstranten bei Fällen mit wirtschaftlichem Hintergrund (illegale Landnahme, Korruption etc.). Petenten, die Vergehen von lokalen Behörden anzeigen wollen, werden häufig von angeheuerten Schlägertrupps aufgegriffen und ohne Kontakt zur Außenwelt in Gefängnissen festgehalten (AA 11.10.2021).
Menschenrechtsanwälte und politisch engagierte Bürger berichten über Schikanen und Einschüchterungen, unfaire Gerichtsverfahren, willkürliche und lange Inhaftierungen ohne Kontakt zur Außenwelt sowie Folter und andere Misshandlungen, wofür der alleinige Grund war, dass sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und andere Menschenrechte in Anspruch genommen hatten (Al 29.3.2022).Seit der offiziellen Abschaffung des Systems der "Umerziehung durch Arbeit" werden Menschenrechtsaktivisten nicht mehr in administrativer Haft angehalten, sondern systematisch auf Basis von Strafrechtstatbeständen wie Staatsgefährdung, Separatismus, Volksverhetzung, oder gemeiner Vergehen oder Verbrechen verurteilt, womit der Anschein der Rechtsstaatlichkeit erweckt werden soll. Aufgrund der vagen Tatbestände, des Zusammenhalts der einzelnen Institutionen und des Mangels an unabhängiger engagierter anwaltlicher Vertretung, kann ein strafrechtsrelevanter Sachverhalt relativ leicht "geschaffen" werden (ÖB 12.2021).
In der autonomen Region Xinjiang setzt die Regierung weiterhin eine Kampagne der politischen Indoktrination und der zwangsweisen kulturellen Assimilierung der dort lebenden Muslime um. Dabei wird von willkürlichen Masseninhaftierungen und Folter berichtet. Tausende uigurische Kinder wurden von ihren Eltern getrennt (AI 29.3.2022). In den tibetischen Gebieten schränken die Behörden die Religions-, Meinungs-, Bewegungs- und Versammlungsfreiheit weiterhin stark ein (HRW 13.1.2022).
China ist der Inbegriff eines Überwachungsstaates: Kameras hängen an jeder Straßenecke und Bots [Computerprogramme] überwachen jeden Winkel des Internets. Gesichtserkennungssysteme identifizieren die von der Kamera erfassten Personen und erfassen sofort ihre ethnische Zugehörigkeit und Parteimitgliedschaft. Der Staat sammelt biometrische Daten und verwendet sie gegen Uiguren und andere, die der Illoyalität verdächtigt werden. Chinas Überwachung ist so allgegenwärtig, dass die Bürger sich selbst zensieren, selbst in intimen Gesprächen und an privaten Orten [siehe dazu auch soziale Medien im Kapitel Meinungs- und Pressefreiheit] (TD 30.4.2021).
Die chinesischen Behörden nutzen Technologien, um die Bevölkerung im ganzen Land zu kontrollieren. Im Zuge der Armutsbekämpfung sammeln die Kader nicht nur detaillierte persönliche Informationen über arme Menschen - einschließlich ihres Einkommens, ihrer Behinderungen und ihrer Kontonummern sowie der Gründe für ihre Armut -, sondern es werden auch die GPS-Standorte der Kader erfasst, um sicherzustellen, dass sie ihre Aufgaben gewissenhaft erfüllen (HRW 8.4.2021).
China hat 2014 ein "Sozialkreditsystem" zur Kontrolle des Verhaltens jedes in China tätigen Unternehmens, jeder Privatperson und aller Organisationen beschlossen. Das komplexe Regulierungsinstrument sollte ursprünglich 2020 landesweit eingeführt werden, funktioniert bis jetzt aber keinesfalls lückenlos und setzt je nach Provinz unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte (HO 7.2.2022). Die Regierung führt zwei verschiedene Typen von Sozialkreditsystemen ein. Das erste ist das Sozialkreditsystem zur Kontrolle von Unternehmen. Das zweite, das Sozialkreditsystem für Personen, wird je nach geografischem Standort unterschiedlich umgesetzt. Es gibt weiterhin Dutzende von unterschiedlichen Sozialkreditsystemen, die je nach lokaler, provinzieller und nationaler Ebene unterschiedlich betrieben werden. Diese Systeme sammeln riesige Datenmengen von Unternehmen und Einzelpersonen. Häufig sind dies Informationen über schulische Leistungen, Verkehrsverstöße, Präsenz in sozialen Medien, Freundschaften, die Einhaltung von Geburtenkontrolle, Beschäftigungsleistungen und Konsumgewohnheiten. Industrie- und Wirtschaftsexperten merken an, dass das Sozialkreditsystem in seiner jetzigen Form nicht dazu verwendet wird, Unternehmen oder Einzelpersonen wegen ihrer politischen oder religiösen Überzeugungen zu verfolgen, und wiesen darauf hin, dass das Land bereits über andere Instrumente, um Unternehmen und Einzelpersonen ins Visier zu nehmen, verfügt (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.10.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China (Stand: Juli 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2062877/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Juli_2021%29%2C_11.10.2021.pdf , Zugriff 2.5.2022
AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; China 2021, https://www.ecoi.net/en/document/2070239.html , Zugriff 6.5.2022
FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - China, https://www.ecoi.net/en/document/2068722.html , Zugriff 16.5.2022
HO - Heise Online (7.2.2022): Sozialkreditsystem in China: Unterstützung, Überwachung oder Steuerung?, https://www.heise.de/tp/features/Sozialkreditsystem-in-China-Unterstuetzung-Ueberwachung-oder-Steuerung-6351274.html , Zugriff 2.5.2022
HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - China, https://www.ecoi.net/en/document/2066482.html , Zugriff 6.5.2022
HRW - Human Rights Watch (8.4.2021): China’s Techno-Authoritarianism Has Gone Global, https://www.hrw.org/news/2021/04/08/chinas-techno-authoritarianism-has-gone-global , Zugriff 15.6.2022
ÖB Peking [Österreich] (12.2021): Asylländerbericht Volksrepublik China
TD - The Diplomat (30.4.2021): China’s Paper Tiger Surveillance State,The CCP’s pervasive surveillance apparatus is a sign not of strength, but of fragility, https://thediplomat.com/2021/04/chinas-paper-tiger-surveillance-state/ , Zugriff 15.6.2022
USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: China (Includes Hong Kong, Macau, and Tibet) - China, https://www.ecoi.net/en/document/2071133.html , Zugriff 14.4.2022
Relevante Bevölkerungsgruppen
Familienplanungspolitik, inkl. "black children"
Letzte Änderung: 22.07.2022
Anmerkung: Wie in den unten angeführten Quellen ersichtlich ist, wurden mit Einführung der Drei-Kind-Politik im Jahr 2021 zwar auch die Strafzahlungen für "überzählige Kinder" abgeschafft, doch findet sich die Politik im Umsetzungsprozess, der regional unterschiedlich verläuft. Zusätzlich sind viele der Personen, deren Geburt vor der Abschaffung nicht registriert werden konnten, weiterhin unregistriert. Aus diesem Grund werden die zwar rechtlich bereits obsoleten, allerdings faktisch noch relevanten Regelungen zur Geburtenbeschränkung dargelegt:
Ab den späten 1970er-Jahren erlaubte die Politik nur ein Kind pro Familie. Für ethnische Minderheiten und Familien am Land galten bereits seit Längerem bestimmte Ausnahmen. 2016 wurde allen Familien erlaubt, zwei Kinder zu bekommen (DFAT 22.12.2021). Seit Juni 2021 sieht die Familienplanungspolitik vor, dass eine verheiratete Frau drei Kinder bekommen darf (AA 11.10.2021; vgl. USDOS 12.4.2022). Die Nationale Gesundheitskommission gab bekannt, dass alle nach dem 31.5.2021 geborenen Kinder unter die Drei-Kind-Politik fallen (BAMF 9.8.2021). Die Einführung der Drei-Kind-Politik ist eine Maßnahme der chinesischen Regierung als Reaktion auf die rapide Überalterung der Bevölkerung. Die Umsetzung erfolgt auf regionaler und lokaler Ebene, Änderungen der Politik werden allerdings prinzipiell nicht rückwirkend angewendet (ÖB 12.2021).
Nach den vorherigen Varianten der Familienplanungspolitik mussten Eltern für Kinder, die über die Geburtenbeschränkungen hinaus geboren wurden, eine Geldstrafe zahlen - eine "social maintenance fee" ["soziale Unterhaltsgebühr"] (UKHO 5.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Die Strafen für die Überschreitung der zulässigen Kinderzahl wurden nicht einheitlich vollstreckt und variierten je nach Provinz. Sie konnten das Zehnfache des Jahreseinkommens einer Person erreichen. Diejenigen, die über die finanziellen Mittel verfügten, zahlten häufig die Gebühr, um sicherzustellen, dass ihre Kinder Zugang zu staatlichen Dienstleistungen und Rechten hatten. (USDOS 12.4.2022).
"Black children", unregistrierte Kinder
Wurde die Geldstrafe nicht bezahlt, konnte das Kind nicht im Hukou registriert werden. Dies bedeutet, dass es rechtlich nicht existiert und keinen Zugang zu Sozialleistungen wie Gesundheitsversorgung und Bildung hat (UKHO 5.2022) sowie zu Identitätsnachweisen oder Pensionsleistungen hat (USDOS 12.4.2022). Diese "black children", also illegal geborene Kinder, sind auch anfällig für Missbrauch und Menschenhandel (ÖB 12.2021).
Laut der Volkszählung 2020 wurden rund 12 Millionen Kinder im Zeitraum von 10 Jahren in China nicht registriert, wobei davon auszugehen ist, dass die tatsächliche Zahl um einiges höher liegt (ÖB 12.2021). Kinder ohne Eintragung im Hukou-Register (heihaizi) stellen in China ein erhebliches soziales Problem dar. Sie können kein Eigentum erben oder erwerben, keinen Versicherungsschutz für medizinische oder soziale Zwecke erhalten oder die Schule besuchen. Als Erwachsene können sie sich nicht für Stellen bewerben, heiraten oder legal eine Familie gründen (UNSW 4.2020; vgl. UKHO 5.2022).
Im Jahr 2016 wies die nationale Regierung bereits alle Lokalregierungen an, Kinder im Hukou zu registrieren, auch wenn sie "außerplanmäßig" geboren wurden (DFAT 22.12.2021). Nach Ende der Ein-Kind-Politik soll es für vormals "illegale", "überzählige" Kinder möglich sein, sich registrieren zu lassen. Gemäß der Stellungnahme des Büros des Staatsrates zur Lösung des Hukou-Registrierungsproblems besteht auch für nicht eheliche Kinder und „überzählige“ Kinder das Recht auf Hukou-Registrierung. Probleme liegen allerdings in der Rechtsdurchsetzung und -umsetzung (AA 11.10.2021). Obwohl illegal geborene Kinder an sich das Recht auf Registrierung, Aufenthaltskarte (hukou) und Zugang zum staatlichen Bildungs- und Gesundheitssystem haben, wurde ihnen das jedoch häufig von den regionalen/lokalen Behörden verwehrt. Die Einhebung der Strafzahlungen ist eine nicht unbedeutende Einnahmequelle für die Behörden (ÖB 12.2021).
Stückweise Umsetzung der neuen Politik
Nach der Einführung der geänderten Familienplanungspolitik im August 2021 gibt es keinen Gesetzesartikel mehr, der Paare, die außerhalb der Politik Kinder bekommen, zur Zahlung einer sozialen Unterhaltsgebühr verpflichtet (UKHO 5.2022). Mit der Änderung werden außerdem die Strafen abgeschafft, die Arbeitnehmern bei Verstößen gegen die Geburtenbeschränkungen am Arbeitsplatz drohten, einschließlich der Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Somit gibt es nun nach nationalem Recht keine Strafen mehr, wenn man vier oder mehr Kinder hat (NPC Observer 24.8.2021).
Die neue 3-Kind-Politik muss jedoch noch offiziell umgesetzt werden. Der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses muss zunächst das Bevölkerungs- und Familienplanungsgesetz überarbeiten, bevor die verschiedenen ständigen Ausschüsse der Provinzen in ganz China ihre Verordnungen aktualisieren und anschließend die Umsetzung des neuen Gesetzes ankündigen. Daneben gibt es eine Reihe von damit zusammenhängenden Verfahren und Verordnungen, die sich noch auf die derzeitige 2-Kind-Regelung beziehen und daher aktualisiert werden müssen, bevor die 3-Kind-Politik umgesetzt ist (UKHO 5.2022).
Die Provinz Guangdong erlaubt z. B. in ihrer neu eingeführten Richtlinie zur Geburtenregistrierung bereits die Registrierung aller Geburten - einschließlich außerehelicher Geburten. Sie hat bereits die Einhebung der "sozialen Unterhaltsgebühr" eingestellt. Die Gesundheitskommission der Provinz Guangdong bestätigte, dass die am 1. Mai 2022 in Kraft getretene Richtlinie der Provinz zur Geburtenregistrierung vorsieht, dass die Menschen keine Genehmigung mehr für Geburten beantragen müssen. Um sicherzustellen, dass das Bevölkerungsmonitoring alle erfasst, erlaubt die Richtlinie die Geburtenregistrierung für Geburten außerhalb der Ehe und hebt die Beschränkungen für die Registrierung im Hukou für Paare auf. Auch andere Provinzen und Städte haben bereits damit begonnen, ihre Geburtenregelungen zu überarbeiten, um die Drei-Kind-Politik umzusetzen (China.Org 7.5.2022).
Mit Stand Dezember 2021 berichtet das australische Außenministerium, das die Umsetzung von Ort zu Ort unterschiedlich ist und eine Bestrafung für außerplanmäßige Kinder immer noch möglich sei, doch viel unwahrscheinlicher als in der Vergangenheit. Die Wahrscheinlichkeit der Durchsetzung oder der Verhängung von Strafen bei Nichteinhaltung, sowohl vor als auch nach der Einführung der neuen Vorschriften, ist von Ort zu Ort unterschiedlich. Es sind allerdings keine Hinweise bekannt, dass Verstöße gegen die Familienplanungsgesetze in China noch streng bestraft oder Menschen wegen Nichtzahlung dieser Gebühren inhaftiert wurden (DFAT 22.12.2021).
Uneheliche Kinder
Unehelich geborene Kinder können ebenfalls als "außerplanmäßig" betrachtet werden (DFAT 22.12.2021). Das Gesetz erwähnt nur die Rechte verheirateter Paare, was bedeutet, dass unverheiratete Frauen nicht berechtigt sind, Kinder zu bekommen. Allerdings verbietet die Familienplanungspolitik ledigen/unverheirateten Frauen nicht explizit, Kinder zu bekommen (UKHO 5.2022). Es gibt kein Gesetz, das außereheliche Kinder für illegal erklärt, aber auch keines, das sie für legal erklärt (Forbes India 21.3.2022). Viele lokale Regierungen interpretieren die Geburt unehelicher Kinder als Verletzung der Familienplanungspolitik. Rechtlich stellt sie eine Grauzone dar (TST 1.9.2021).
Den Müttern konnten "soziale Unterhaltsgebühren" auferlegt werden und den Kindern legale Dokumente wie Geburtsurkunden und die Hukou- Registrierung verweigert werden. Die lokalen Regierungen setzten diese Vorschriften nur selten um (UKHO 5.2022). Sofern die "soziale Unterhaltsgebühr" bezahlt wurde, hat auch ein unehelich geborenes Kind Zugang zu den staatlichen Leistungen, insbesondere Schule, Sozialversicherung, etc. (ÖB 28.5.2020).
Mit der Einführung der Drei-Kind-Politik wurde die "soziale Unterhaltsgebühr" abgeschafft, allerdings weist eine begrenzte Zahl an Quellen darauf hin, dass alleinstehende Frauen weiterhin mit Geldstrafen belegt werden können, wenn sie ein Kind außerhalb der Ehe zur Welt bringen (UKHO 5.2022; vgl. GT 5.3.2022). Die Umsetzung ist auf lokaler Ebene uneinheitlich (USDOS 12.4.2022).
Auf der gesetzlichen Ebene enthält das Ehegesetz pauschal ein Diskriminierungsverbot für nicht ehelich geborene Kinder. Bei der Umsetzung dieser gesetzlichen Bestimmung gibt es deutliche Unterschiede zwischen Großstädten und ländlichen Provinzgegenden, eine landesweite einheitliche Praxis ist noch nicht zu erkennen. Nicht ehelich geborene Kinder folgen in aller Regel der Hukou-Registrierung der Mutter, wobei ein Abstammungsnachweis vorgelegt werden muss. Es gibt Hinweise, wonach vereinzelt nach wie vor eine Eheurkunde vorgelegt werden muss (AA 11.10.2021). Uneheliche Kinder sind somit rechtlich gesehen ehelichen Kindern formal gleichgestellt (Art. 5 des Ehegesetzes der Volksrepublik China). Sofern die Voraussetzungen der Hukou-Registrierung erfüllt sind, können Institutionen wie Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, öffentlicher Nahverkehr, etc. keinerlei Diskriminierung mehr praktizieren. Im Rahmen der Verstädterung und damit einhergehenden Anonymisierung der Gesellschaft nimmt kaum noch jemand Notiz davon, ob Kinder ehelich oder unehelich sind (ÖB 12.2021).
Mütter, die außerhalb einer Ehe ein Kind bekommen, haben allerdings weiterhin keine Ansprüche auf staatliche Leistungen und Schutz wie Mutterschutzurlaub oder staatliche medizinische Vorsorge (Forbes India 21.3.2022; vgl. UKHO 5.2022). Da die Familienplanungspolitik nur verheiratete Paare erwähnt, verlangen viele lokale Regierungen vor der Gewährung von Leistungen eine Heiratserlaubnis (UKHO 5.2022). Geschiedene oder verwitwete Mütter haben Anspruch darauf (The Economist 4.12.2021). Die Provinzen Guangdong und Shanghai haben ihre Anforderungen geändert, sodass Frauen nun nicht mehr den Nachweis einer Heirat erbringen müssen, um Mutterschaftsleistungen zu erhalten (UKHO 5.2022). Staatliche Stellen veröffentlichen außerdem Überlegungen, zumindest ein Kind pro unverheirateter Mutter offiziell zu erlauben (GT 5.3.2022).
Weitere Maßnahmen zur Steigerung des Bevölkerungswachstums
Die chinesische Regierung ermutigt Familien, mehr Kinder zu bekommen, und zwar aus einer Reihe von Gründen, von denen die meisten wirtschaftlicher Natur sind (UKHO 5.2022). Die Fertilitätsrate in China ist stark gefallen in den letzten Dekaden und liegt bei 1,3. Doch ist dies nur zum Teil auf die Ein-Kind-Politik zurückzuführen. Einen wichtigen Anteil stellen sozioökonomische Faktoren dar (PMC 31.3.2022). Viele junge Chinesen entscheiden sich aufgrund des Drucks der Lebenserhaltungskosten und des Wandels des traditionellen Lebensstils gegen Kinder (DFAT 22.12.2021). Die Regierung hat einige Maßnahmen angekündigt, um die hohen Kosten für Kinder zu mildern, wie Steuerreduktionen, Wohnbeihilfen, Kinderbetreuung und die Reduktion von Ausbildungskosten (RFA 10.2.2022; vgl. The Diplomat 18.3.2022).
Die Regierung fordert außerdem nun eine Reduzierung von Abtreibungen, die nicht "medizinisch notwendig" sind (Al 29.3.2022; vgl. RFA 10.2.2022). Kritiker bringen vor, dass Frauen wieder zur Erreichung von Bevölkerungszielen der Regierung benutzt werden. Zuvor wurden Abtreibungen propagiert und erzwungen, jetzt sind sie unerwünscht (RFA 10.2.2022).
Im Ausland geborene Kinder
Fälle einer staatlich gelenkten Entziehung von Kindern, die im Ausland, entgegen der familienplanungsrechtlichen Vorschriften, gezeugt wurden, sind gesetzlich nicht vorgesehen und nicht bekannt (AA 11.10.2021). Bei Geburten im Ausland werden die Kinder so gezählt, als wären sie in China geboren, und es gelten die Richtlinien des Ortes, an den sie in China zurückkehren (DFAT 22.12.2021).
[Anmerkung: Zu Zwangsmaßnahmen der Familienplanung an Uiguren in Xinjiang siehe Ethnische Minderheiten: Uiguren]
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.10.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China (Stand: Juli 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2062877/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Juli_2021%29%2C_11.10.2021.pdf , Zugriff 28.4.2022
AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; China 2021, https://www.ecoi.net/en/document/2070239.html , Zugriff 28.4.2022
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (9.8.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw32-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4 , Zugriff 28.4.2022
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (22.12.2021): DFAT Country Information Report People's Republic of China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2067346/country-information-report-china-22122021.pdf , Zugriff 27.4.2022
The Diplomat (18.3.2022): China Continues to Underdeliver in Its Plans to Combat the Low Birth Rate, https://thediplomat.com/2022/03/china-continues-to-underdeliver-in-its-plans-to-combat-the-low-birth-rate/ , Zugriff 12.7.2022
The Economist (4.12.2021): Single mums in China want the same treatment as married ones, https://www.economist.com/china/2021/12/04/single-mums-in-china-want-the-same-treatment-as-married-ones , Zugriff 12.7.2022
FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068722.html , Zugriff 28.4.2022
Forbes India (21.3.2022): Unwed and unwanted, Chinese single mothers fight for rights, https://www.forbesindia.com/article/lifes/unwed-and-unwanted-chinese-single-mothers-fight-for-rights/74585/1 , Zugriff 12.7.2022
China.Org (7.5.2022): Guangdong nutzt Geburtenregistrierung nicht mehr zur Geburtenbeschränkung, http://german.china.org.cn/txt/2022-05/07/content_78205627.htm , Zugriff 17.6.2022 [Anmerkung bei dieser Quelle handelt es sich um ein staatliches Medium des HKS]
GT - Global Times (5.3.2022): Political advisor proposes to allow unmarried women aged over 30 with one child to gain access to maternity leave, insurance, https://www.globaltimes.cn/page/202203/1254010.shtml , Zugriff 12.7.2022 [Anmerkung bei dieser Quelle handelt es sich um ein staatliches Medium des HKS]
NPC Observer (24.8.2021): NPCSC Codifies Three-Child Policy, Expands Legal Aid & Updates Military Service Law and Physicians Law, https://perma.cc/WJW6-KAY3 , Zugriff 17.6.2022
TST - The Sixth Tone (1.9.2021): China Wants Larger Families. Unless You’re a Single Mom, https://www.sixthtone.com/news/1008362/china-wants-larger-families.-unless-youre-a-single-mom ., Zugriff 12.7.2022
ÖB Peking [Österreich] (12.2021): Asylländerbericht Volksrepublik China
ÖB Peking [Österreich] (28.5.2020): Auskunft des Vertrauensanwaltes
PMC - Population Health Metrics (31.3.2022): China’s fertility change: an analysis with multiple measures, https://pophealthmetrics.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12963-022-00290-7 , Zugriff 13.7.2022
RFA - Radio Free Asia (10.2.2022): China orders 'interventions' to prevent teen and single-parent abortions, https://www.rfa.org/english/news/china/abortion-curbs-02102022131719.html , Zugriff 12.7.2022
UKHO - United Kingdom Home Office [UK] (5.2022): Country Policy and Information Note China: Contravention of the Population and Family Planning law, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073314/CHN_CPIN_Contravention_of_national_population_and_family-planning_laws.pdf , Zugriff 17.6.2022
USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: China (Includes Hong Kong, Macau, and Tibet) - China, https://www.ecoi.net/en/document/2071133.html , Zugriff 28.4.2022
UNSW - University of New South Wales (4.2020): Migration, urbanisation, climate change and children in China—issues from a child rights perspective,https://www.researchgate.net/publication/353475115_Migration_urbanisation_climate_change_and_children_in_China-issues_from_a_child_rights_perspective_Research_Team#pf31 , Zugriff 18.6.2022
Kinder
Letzte Änderung: 22.07.2022
Die Staatsbürgerschaft wird von den Eltern abgeleitet. Die Eltern müssen ihre Kinder innerhalb eines Monats nach der Geburt gemäß dem nationalen Haushaltsregistrierungssystem anmelden. Kinder, die außerhalb der politischen Quoten oder von alleinstehenden Frauen geboren wurden, konnten oft nicht registriert werden und erhielten auch keine anderen rechtlichen Dokumente wie z. B. die Hukou-Aufenthaltsregisitrierung. Nicht registrierte Kinder haben keinen Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen, einschließlich zu Bildungs- und Gesundheitsdiensten, Identitätsregistrierung oder Pensionsleistungen [siehe zu nicht registrierten Kindern - "black children" sowie unehelichen Kindern das Kapitel Familienplanungspolitik, inkl. "black children"] (USDOS 12.4.2022).
Jeder Chinese wird in seinem Heimatort registriert und kann nur dort soziale Dienste, medizinische Versorgung und Bildung in Anspruch nehmen. Wer umzieht, hat kein Recht auf diese Leistungen. Für Städte können temporäre Wohngenehmigungen gekauft werden. Doch sie sind für viele nicht erschwinglich (Plan International o.D.). Für nicht an ihrem Meldesitz ansässige Kinder von Wanderarbeiter bestehen mit ausreichenden Mitteln Möglichkeiten, diese in private Schulen zu schicken und private Krankenversorgung zu organisieren (ÖB 12.2021). Mehr als neun Millionen Kinder bleiben jedes Jahr auf dem Land zurück, wenn ihre Eltern als Wanderarbeiter in die Städte ziehen. Im besten Fall kümmern sich die Großeltern um sie. Im schlimmsten Fall sind sie auf sich gestellt. Diese Kinder werden leicht Opfer von Missbrauch (Plan International o.D.). Die chinesische Hilfsorganisation New Citizen Program berichtet, dass 26,7 Millionen Kinder von Wanderarbeitern im Alter von 6-14 Jahren in China getrennt von ihren Eltern leben (China.Table 16.1.2022). Nach schweren Fällen von Vernachlässigung und Selbstmorden wurde den in den Dörfern von Migrantenarbeitern zurückgelassenen Kindern verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet ("left-behind children") (ÖB 12.2021).
Geschlechtsspezifische Abtreibungen sowie die Aussetzung und Vernachlässigung von Mädchen sind zwar zurückgegangen, stellen aber weiterhin ein Problem dar (USDOS 12.4.2022).
Kinderarbeit (unter 16 Jahren) ist in China gesetzlich verboten und für Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren nur eingeschränkt zulässig. China hat die UN-Konventionen 138 (Minimum Age Convention) und 182 (Worst Forms of Child Labour Convention) ratifiziert. In der Praxis ist Kinderarbeit allerdings immer noch ein großes gesellschaftliches Problem. Oftmals werden Kinder in Heimarbeit beschäftigt. Zuverlässige Zahlen über das Ausmaß der Kinderarbeit in China liegen nicht vor (AA 11.10.2021).
Kinderhandel ist nach wie vor ein ernstes Problem. Regelmäßig wird über Verschleppung und Verkauf von Kindern aus armen Regionen im Landesinnern berichtet. Kriminelle Ringe verbringen sie als billige Arbeitskräfte in Fabriken, zwingen sie in die organisierte Bettelei oder verkaufen sie zu illegalen Adoptionen oder zur Heirat. Die chinesische Regierung hat der Bekämpfung des Menschenhandels innerhalb Chinas in den letzten Jahren verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet (AA 11.10.2021).
Das gesetzliche Mindestalter für einvernehmlichen Geschlechtsverkehr beträgt 14 Jahre. Personen, die Mädchen unter 14 Jahren zu Prostitution gezwungen haben, können zu einer Haftstrafe von zehn Jahren bis lebenslang verurteilt werden. Für Kunden ist der kommerzielle Geschlechtsverkehr mit Mädchen unter 14 Jahren mit Haftstrafen ab einem Ausmaß von fünf Jahren strafbar (USDOS 12.4.2022).
Internationalen Medienberichten zufolge wurden bis zu 30.000 Kinder nordkoreanischer Frauen in China, von denen die meisten verschleppt und mit chinesischen Ehepartnern verheiratet wurden, nicht registriert, weil ihr nordkoreanischer Elternteil keine Papiere besaß, sodass die Kinder de facto staatenlos sind. Diesen Kindern ist der Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen, einschließlich zu Bildungs- und Gesundheitsdiensten, verweigert, obwohl das Gesetz die Staatsbürgerschaft für Kinder vorsieht, bei denen mindestens ein Elternteil die Staatsbürgerschaft der Volksrepublik China besitzt. Berichten zufolge haben chinesische Väter ihre Kinder manchmal nicht registriert, um den illegalen Status ihrer nordkoreanischen Partnerin nicht preiszugeben (USDOS 12.4.2022).
Durch die Inhaftierung von schätzungsweise einer Million oder mehr Uiguren, ethnischen Kasachen, Kirgisen und anderen Muslimen in Xinjiang sind zahlreiche Kinder ohne ihre Bezugspersonen geblieben. Die Regierung brachte die Kinder von Inhaftierten in Waisenhäusern oder staatlichen Internaten unter, wo sie u.a. mit der KPCh-Ideologie indoktriniert wurden [siehe Kapitel Ethnische Minderheiten Uiguren] (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.10.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China (Stand: Juli 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2062877/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Juli_2021%29%2C_11.10.2021.pdf , Zugriff 28.4.2022
China.Table (16.1.2022): Millionen Wanderarbeiter-Kinder von den Eltern getrennt, https://table.media/china/news/millionen-wanderarbeiter-kinder-von-den-eltern-getrennt/ , Zugriff 12.7.2022
ÖB Peking [Österreich] (12.2021): Asylbericht Volksrepublik China
Plan International (o.D.): Kinder in China, https://www.plan.de/patenschaft-asien/patenschaft-china/kinder-in-china.html , Zugriff 12.7.2022
USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: China (Includes Hong Kong, Macau, and Tibet) - China, https://www.ecoi.net/en/document/2071133.html , Zugriff 28.4.2022
Bewegungsfreiheit und Meldewesen (Hukou)
Letzte Änderung: 22.07.2022
Das Gesetz sieht eine innerstaatliche Bewegungsfreiheit, die Möglichkeit von Auslandsreisen und die Möglichkeit einer Rückkehr vor. Doch werden diese Rechte nicht eingehalten. Die Behörden verschärfen die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit vor wichtigen Jubiläen oder während der Nationalfeiertage ausländischer Staaten, bei Besuchen ausländischer Würdenträger oder großen politischen Ereignissen, um Demonstrationen vorzubeugen. Für Regierungsangestellte, auch pensionierte, insbesondere aus dem Militär, gelten Reisebeschränkungen ins Ausland. Im Laufe des Jahres 2021 wurden viele Anwälte, Künstler, Schriftsteller und Aktivisten zeitweise an der Ausreise gehindert. Die Behörden verhinderten auch die Ausreise einiger Familienmitglieder von Aktivisten, einschließlich ausländischer Familienangehöriger (USDOS 12.4.2022).
Die lokalen Regierungen setzen ein Social Credit System ein, mit dem die Vertrauenswürdigkeit der Bürger anhand einer Vielzahl von Daten bewertet wird, sowie obligatorische "Gesundheitscode" Mobil-Apps, welche die COVID-19 Ausbreitung bekämpfen sollen, um Menschen den Zugang zu Flug- und Bahnreisen, medizinischen Einrichtungen und anderen öffentlichen Dienstleistungen und Räumen auf der Grundlage willkürlicher oder undurchsichtiger Kriterien zu verweigern. Millionen von Menschen sind von den staatlichen Einschränkungen beim Zugang zu Auslandsreisen und Reisepässen betroffen, wobei Uiguren und Tibeter am stärksten betroffen sind (FH 28.2.2022).
In der Tibetischen Autonomen Region gibt es starke Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, die ethnische Tibeter unverhältnismäßig stark betreffen. Hindernisse wie Truppeneinsätze, Kontrollpunkte, Straßensperren, erforderliche bürokratische Genehmigungen und Reisepassbeschränkungen behindern die Bewegungsfreiheit sowohl innerhalb der tibetischen Gebiete als auch zwischen diesen Gebieten und der Außenwelt. Die verstärkte staatliche Kontrolle umfasste strengere Reisebeschränkungen und die Notwendigkeit von Genehmigungen für die Einreise in bestimmte Gebiete, insbesondere in der Nähe der internationalen Grenzen im Süden (FH 28.2.2022b).
Uiguren sind innerhalb Xinjiangs und außerhalb der Region drakonischen Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit ausgesetzt. Obwohl die Verwendung von "Inlandspässen", die eine lokale behördliche Genehmigung für Reisen in ein anderes Gebiet erforderten, 2016 eingestellt wurde, führten die Behörden weiterhin Identitätskontrollen bei Personen durch, die Städte und öffentliche Straßen betraten oder verließen. In Xinjiang betreiben Sicherheitsbeamte Kontrollpunkte, die den Zugang zu öffentlichen Plätzen, einschließlich Märkten und Moscheen, verwalten und von den Uiguren verlangen, ihren nationalen Personalausweis zu scannen, sich einer Gesichtserkennungsprüfung zu unterziehen und ihr Gepäck einer Sicherheitskontrolle wie am Flughafen zu unterziehen. Für Han-Chinesen gelten solche Beschränkungen in diesen Bereichen nicht (USDOS 12.4.2022).
Uiguren, insbesondere in Xinjiang, berichten von großen Schwierigkeiten bei der Genehmigung von Passanträgen. Häufig werden ihnen Pässe für Reisen ins Ausland verweigert. Seit 2016 forderten die Behörden die Bewohner Xinjiangs auf, ihre Reisepässe abzugeben, oder teilten den Bewohnern mit, dass keine neuen Reisepässe verfügbar seien. Ausländischen Familienmitgliedern uigurischer Aktivisten, die im Ausland leben, wird ebenfalls die Einreise verweigert. Zum Teil ist dies auf die COVID-19-Reisebeschränkungen zurückzuführen, andererseits bestanden Beschränkungen bereits vor der Pandemie. Die Behörden weigern sich, Pässe für im Ausland lebende Uiguren zu erneuern (USDOS 12.4.2022).
Meldewesen: Haushaltsregistrierung - Hukou
Grundsätzlich wird jeder chinesische Staatsangehörige in einem Haushaltsregister (Hukou) geführt, ausgenommen sind jedoch „überzählige“ Kinder, die während der Politik der 1-, später 2- bzw. 3-Kind-Familie geboren wurden. Für Kinder mit doppelter Staatsangehörigkeit ist die Eintragung in den Hukou des chinesischen Elternteils nicht verpflichtend (AA 11.10.2021). Die Meldekarte des "Hukou-Systems" ist weiterhin nötig für die (legale) Aufnahme einer Arbeit oder den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen. Chinesen, die keinen für ihre Zwecke gültigen Hukou haben (z.B. minderjährige Wanderarbeiter, welche offiziell noch nicht arbeiten dürften), verwenden mitunter gefälschte "Hukou-Karten" oder solche von Verwandten (ÖB 12.2021). Ein Umzug bzw. eine Umregistrierung in einer anderen Region ist nur im Rahmen der gesetzlichen Regelungen des Hukousystems (Haushaltsregistrierungssystem) möglich (ÖB 28.5.2020; vgl. NMoFA 1.7.2020). Für die großen Städte, wie Peking oder Shanghai, ist es schwierig, eine Hukou Registrierung zu erlangen, da es vorgegebene Quoten für neue Bewohner gibt (DFAT 22.12.2021).
Seit 2016 wurde eine Hukou-Eintragung schrittweise auch für ca. 100 Mio. Wanderarbeiter eingeführt (AA 11.10.2021). Trotz der erklärten Verpflichtung der Regierung, das Hukou-System (Haushaltsregistrierung) zu reformieren, verhindert es nach wie vor, dass rund 290 Millionen Binnenmigranten in den Städten, in denen sie arbeiten, die vollen legalen Rechte als Einwohner genießen. Nach den jüngsten Teilreformen hat die große Mehrheit der Migranten immer noch nicht die gleichen Rechte oder den vollen Zugang zu denselben sozialen Dienstleistungen wie die Stadtbewohner, wie zum Beispiel die Ausbildung für ihre Kinder in den lokalen Schulen (FH 28.2.2022).
Ausweichmöglichkeiten
Repressionen erfolgen landesweit nicht einheitlich. Da wegen der Größe des Landes und der historisch gewachsenen Strukturen Einfluss und Kontrolle der Zentralregierung in den einzelnen Landesteilen unterschiedlich stark ausgeprägt sind, treten staatliche oder dem Staat zurechenbare Übergriffe in den Regionen unterschiedlich häufig auf. Daher kann es im Einzelfall möglich sein, durch einen Ortswechsel Repressalien auszuweichen. Allerdings ist ein Umzug in einen anderen Landesteil durch die restriktive Registrierungspraxis („Hukou“-System) nur schwer möglich (Verlust des Zugangs zu Bildung und Sozialleistungen). Für Personen aus ländlichen Gebieten ist es schwierig, legal in eine Stadt zu ziehen (AA 11.10.2021). Ein Untertauchen, also eine nicht registrierte Niederlassung in einen anderen Landesteil als jenem des Melde-Wohnorts, ist schwierig. Sowohl bei Inlandsflügen als auch bei Zugfahrten wird systematisch die Identität überprüft, auch Zugtickets können nur mit Personalausweis gekauft werden und sind nicht übertragbar. Kraftfahrzeuge mit Kennzeichen von außerhalb der Stadt oder der Provinz und deren Passagiere werden systematisch überprüft. Es besteht ein sehr effizientes System der Überwachung durch Nachbarschaftskomitees. In der Tibetischen Autonomen Region und in Xinjiang besteht eine besonders strenge Überwachung unter anderem durch das System der kollektiven Bestrafung von Dorfgemeinschaften und starken Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, wonach Personen, die ihr Dorf oder ihre Region verlassen wollen, hierfür Genehmigungen einholen müssen, welche teilweise nur für bestimmte andere Regionen ausgestellt werden. In Xinjiang werden darüber hinaus in von Uiguren bewohnten Gegenden an Straßensperren Identitätskontrollen – vor allem von jungen männlichen Uiguren – durch die bewaffnete Volkspolizei und die Volksbefreiungsarmee durchgeführt (ÖB 12.2021). Nach Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amtes gibt es davon ausgehend insbesondere für aus politischen Gründen Verfolgte keine sichere Ausweichmöglichkeit innerhalb Chinas (AA 11.10.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.10.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China (Stand: Juli 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2062877/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Juli_2021%29%2C_11.10.2021.pdf , Zugriff 3.5.2022
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (22.12.2021): DFAT Country Information Report People’s Republic of China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2067346/country-information-report-china-22122021.pdf , Zugriff 2.5.2022
FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068722.html , Zugriff 2.5.2022
FH - Freedom House (28.2.2022b): Freedom in the World 2022 - Tibet, https://www.ecoi.net/en/document/2072101.html , Zugriff 3.5.2022
NMoFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs (1.7.2020): Country of origin information report China
ÖB Peking [Österreich] (28.5.2020): Auskunft des Vertrauensanwaltes
ÖB Peking [Österreich] (12.2021): Asylländerbericht Volksrepublik China
USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: China (Includes Hong Kong, Macau, and Tibet) - China, https://www.ecoi.net/en/document/2071133.html , Zugriff 2.5.2022
Grundversorgung und Wirtschaft
Letzte Änderung: 22.07.2022
Allgemeine Wirtschaftsleistung
Mit der Öffnung Chinas gegenüber dem Westen schaffte das Land, ausgelöst durch wirtschaftliche Reformen, in den letzten vier Jahrzehnten den Aufstieg zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt (Darimont 2020). Die Wirtschaftsreformen gingen mit jährlichen BIP-Wachstumsraten von etwa 10 % von 1978 bis 2010 und - mit Ausnahme von zwei Höchstständen in den Jahren 1988 und 1989 (18 %) sowie 1994 und 1995 (24 %) - mit einem relativ niedrigen Inflationsniveau einher. Die Wachstumsraten sind nach der globalen Finanzkrise von 2008 bis 2010 und der darauf folgenden globalen Rezession zurückgegangen. Der Lebensstandard hat sich deutlich verbessert, und die Zahl der absolut Armen ist stetig zurückgegangen. Dieser Gesamterfolg wird durch die zunehmende ungleiche Verteilung des Wohlstands getrübt. Die städtischen Einkommen sind heute mehr als dreimal so hoch wie die Einkommen auf dem Land. Der Gini-Index zeigt, dass China sogar nach den Standards anderer Schwellenländer nun eine der ungleichsten Gesellschaften der Welt ist (BS 23.2.2022).
Der 14. Fünfjahresplan, der die zentrale Grundlage für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung Chinas bildet und im März 2021 vom Nationalen Volkskongress beschlossen wurde, strebt die Transformation Chinas in einen modernen sozialistischen Staat mit einer hochqualitativen und von Innovation getriebenen Wirtschaftsentwicklung an. Bis 2035 soll das verfügbare Einkommen ausgehend vom Niveau des Jahres 2020 verdoppelt und China somit zu einer „high income society“ werden (ÖB 12.2021; vgl. WKO 3.2022).
Erreicht werden soll das durch das Modell der „dualen Zirkulation“, welches verstärkt auf Herstellung, Vertrieb und Konsum von Produkten im Inland setzt. Gleichzeitig sollen chinesische Unternehmen durch technologische Innovation in der globalen Wertschöpfungskette aufsteigen. China will in Schlüsselindustrien wie künstliche Intelligenz, Quanteninformatik, Halbleitertechnologie sowie Gen- und Biotechnik künftig eine Vorreiterrolle einnehmen und strebt langfristig einen hohen Grad an technologischer Autarkie an (ÖB 12.2021; vgl. WKO 3.2022). Auch der private Konsum spielt eine zunehmend große Rolle für das Wirtschaftswachstum. In den letzten Jahren wurde der Privatkonsum einerseits durch höhere Ausgaben für Sozialleistungen und Lohnsteigerungen geschürt, andererseits durch Arbeitsplatzschaffungsmaßnahmen und Steuersenkungen (WKO 3.2022).
Das Wachstum der letzten Jahre stützt sich auf die steigende Bedeutung des Dienstleistungssektors, der 2021 54,9 % zum BIP beigetragen hat. Dabei dominieren der Informationstechnologiesektor (+17,2 %), der Transportsektor (+12,1 %) sowie der Einzelhandelssektor (+11,3 %). Aber auch der Hotel- und Cateringsektor erlebt mit einem Wachstum von +14,5 % nach zwei Covid geprägten Jahren wieder einen starken Aufschwung. Trotz vereinzelter lokaler Ausbrüche und den damit verbundenen Reisebeschränkungen konnte sich der chinesische Inlandstourismus 2021 signifikant erholen und erreichte zeitweise bereits das Vorkrisenniveau. Auf die Industrie sind 2021 38,4 % entfallen (WKO 3.2022).
Dank der durch strenge Maßnahmen bewirkten raschen Eindämmung der Covid-19-Pandemie konnte Chinas Wirtschaft 2020 die Produktionseinbrüche überwinden und ein Wachstum von +2,3 % verzeichnen (WKO 3.2022). Dieser Trend konnte sich auch 2021 fortsetzen, sodass China letztes Jahr ein Wachstum von +8,1 % verzeichnen konnte (WKO 3.2022; vgl. WB 12.4.2022). Die Regierung stützte das Wirtschaftswachstum durch Maßnahmen wie breite öffentliche Ausgaben, Eingriffe in die Zinspolitik, Erleichterungen im Eigentumssektor und Steuerreduzierungen (WB 8.6.2022). Für 2022 strebt die chinesische Regierung ein Wirtschaftswachstum von ca. 5,5 % an – das niedrigste aller bisher ausgegebenen Wachstumsziele aber gleichzeitig auch ein ehrgeiziges Ziel, zumal die meisten Experten für heuer ein Wachstum von lediglich 5 % und sogar darunter erwarten (WKO 3.2022).
Nach einem starken Start im Frühjahr 2022 unterbrach der größte Covid-19-Ausbruch seit zwei Jahren und die ausgedehnten Lockdowns in Teilen Chinas von März bis Mai die Normalisierung des Wirtschaftswachstums. Allerdings wurden zusätzliche Stimulusmaßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft durch die Regierung angekündigt (WB 8.6.2022).
Arbeitsmarkt
Die Zahl der Erwerbstätigen in China erreichte im Jahr 2019 0.774 Milliarden Menschen. Im Jahr 2020 kamen 11.86 Millionen neue Arbeitsplätze in den Städten hinzu (IOM 2021). Chinas Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter schrumpft seit 2012 kontinuierlich (ÖB 12.2021). Mittel- bis langfristig stellt die rasch alternde Bevölkerung des Landes das größte Wachstumshindernis für China dar. Um diesen Entwicklungen gegenzusteuern, hat China 2021 offiziell eine Drei-Kind-Politik proklamiert (WKO 3.2022).
Die Meldekarte (Hukou) ist weiterhin nötig für die (legale) Aufnahme einer Arbeit. Eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt in den ländlichen Regionen ist oft sehr schwierig (ÖB 12.2021). Mehr als 60 Prozent der Bevölkerung leben im urbanen Umfeld (CIA 10.5.2022).
Für den Zeitraum 2021-2025 proklamierte die Regierung im 14. Fünfjahresplan die Schaffung 55 Mio. neuer Arbeitsplätze, vor allem im Dienstleistungsbereich und durch die Förderung innovativen Unternehmertums. Hierzu sind eine proaktive Arbeitsmarktpolitik, die Entwicklung einer „innovativen Kultur“, die Förderung von Innovation insbesondere im Bereich Wissenschaft und Technologie, und der Aufbau von groß angelegten Trainingsprogrammen geplant. Weiterhin sollen vulnerable Bevölkerungsgruppen wie Menschen mit Behinderung, arme Familien und Wanderarbeiter, besondere Aufmerksamkeit erfahren (ÖB 12.2021).
Grundversorgung
Nach offiziellen Angaben ist es China in den letzten 40 Jahren gelungen über 700 Mio. Menschen aus der absoluten Armut zu holen. Umfassende Fördermittel der Zentral- sowie Lokalregierungen insbesondere in ländlichen Regionen Chinas haben erheblich zur Armutsbekämpfung beigetragen (alleine 2020: 500 Milliarden CNY/72 Milliarden USD) (ÖB 12.2021). Das landesweite verfügbare Pro-Kopf-Einkommen lag 2020 bei 32.189 CNY, was einen realen Anstieg von 1,2 Prozent gegenüber 2019 bedeutet (IOM 2021). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Der Lebensstandard der Bevölkerung steigt kontinuierlich an (AA 11.10.2021). Allerdings kam es in den letzten Jahren zu einem rasanten Anstieg der Nahrungsmittelpreise (ÖB 12.2021).
Sozialversicherungssystem, Pensionsversicherung
Die meisten sozialen Leistungen sind zudem an die Wohnrechtsregistrierung (hukou) gekoppelt, befindet sich diese auf dem Land, ist mit einem noch niedrigeren Niveau an staatlicher Hilfeleistung zu rechnen. Die Meldekarte (Hukou) ist weiterhin nötig für den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen. Bis 2020 haben mehr als 100 Mio. Chinesen, die ohne städtischen Hukou bereits „ständig“ in Städten leben, Zugang zu sozialen Leistungen wie medizinischer Versorgung und Bildung erhalten. 2013 verfügten nur 36 % der Stadtbewohner über einen städtischen Hukou mit Zugang zu sozialen Leistungen, dieser Prozentsatz wurde bis Ende 2019 auf 44,4 % erhöht. Die Maßnahmen betreffen jedoch nicht einmal die Hälfte der geschätzten 290 Mio. Wanderarbeiter (ÖB 12.2021).
Das chinesische Sozialversicherungssystem deckt folgende Gruppen ab:
Senioren: Personen über 60 Jahre, arbeitsunfähig, ohne Einkommen, ohne Unterhaltszahlungen und Beihilfe oder deren Angehörige sie nicht unterstützen können.
Waisen ohne Verwandtschaft.
Ausgesetzte Babys und Kinder, deren biologische Eltern nicht auffindbar sind (IOM 2021).
Um Arbeitslosenhilfe zu beantragen, muss man ein Jahr in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben und den Arbeitsplatz unfreiwillig verloren haben. Eine Registrierung erfolgt beim lokalen Sozialversicherungsbüro. Dazu benötigt man ein Ausweisdokument sowie den Beleg der Kündigung der Arbeitgeber. Die Auszahlungen entsprechen normalerweise dem Mindestlohn der jeweiligen Region (IOM 2021).
Das Pensionsantrittsalter liegt bei Männern bei 60 Jahren, bei Frauen bei 50 bzw. 55 Jahren (öffentlich Bedienstete). Frühpension sowie eine Aufschiebung des Pensionsantrittes ist möglich, sofern die Voraussetzung einer Teilnahme am Arbeitsmarkt von 15 Jahren erfüllt ist. In Fällen von Schwerarbeit ist ein Pensionsantritt auch unter 15 Arbeitsjahren möglich. Aufgrund der rasant alternden Bevölkerung steht das chinesische Pensionssystem vor besonderen Herausforderungen. Waren 2016 16,7% der chinesischen Bevölkerung älter als 60 Jahre, liegt der Anteil 2021 bereits bei 18,7 %. Damit ist zu befürchten, dass das chinesische Pensionssystem damit an seine Kapazitätsgrenzen stößt (ÖB 12.2021).
Das seit 2014 bestehende Programm zur Sicherung des Existenzminimums ("di bao") ähnelt der Sozialhilfe. Dafür ist eine lokale Wohnmeldung ("Hukou-System") vorausgesetzt, weshalb die Millionen Wanderarbeiter in Städten in der Regel keinen oder nur eingeschränkten Anspruch haben. Ein nationales Gesetz ist seit Jahren in Planung, bisher jedoch nicht verabschiedet, da unklar ist, wie eine überregionale Bedarfsprüfung angesichts der Mobilität der Bevölkerung und der Größe des Landes bewerkstelligt werden kann. Die Höhe des "di bao" wird regional festgelegt und beträgt in Städten durchschnittlich 373 RMB (ca. 52 EUR) und auf dem Land 203 RMB (28 EUR) (ÖB 12.2021).
Angesichts des niedrigen Niveaus der Sozialleistungen bleibt die familiäre Solidarität in Notfällen und im Pensionsalter eine entscheidende Stütze. In China wird erwartet, dass Kinder ihre Eltern im Alter maßgeblich finanziell unterstützen (ÖB 12.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.10.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China (Stand: Juli 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2062877/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Juli_2021%29%2C_11.10.2021.pdf , Zugriff 18.5.2022
BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069707/country_report-2022_CHN.pdf , Zugriff 18.5.2022
CIA - Central Intelligence Agency (10.5.2022): The World Factbook - China, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/china/#people-and-society , Zugriff 19.5.2022
Darimont, Barbara (2020): Wirtschaftspolitik der Volksrepublik China, Springer Fachmedien Verlag
IOM - Internationale Organisation für Migration / Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (2021): Länderinformationsblatt China 2021, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2021_China_DE.pdf , Zugriff 18.5.2022
ÖB Peking [Österreich] (12.2021): Asylländerbericht Volksrepublik China
WB - World Bank (8.6.2022), China Economic Update – June 2022, https://www.worldbank.org/en/country/china/publication/china-economic-update-june-2022 , Zugriff 8.7.2022
WB - World Bank (12.4.2022): China, Overview, Context, https://www.worldbank.org/en/country/china/overview#1 , Zugriff 19.5.2022
WKO - Wirtschaftskammer Österreich / Außenwirtschaft Austria (3.2022): Wirtschaftsbericht China, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/china-wirtschaftsbericht.pdf , Zugriff 18.5.2022
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 22.07.2022
In China gibt es kein System niedergelassener Ärzte. Die Krankenversorgung konzentriert sich daher auf die Krankenhäuser. In den großen Städten finden sich sehr große Klinikzentren mit modernster Ausstattung, wohingegen auf dem Land die Versorgung noch sehr einfach sein kann. Die Hygiene entspricht nicht europäischen Standards (AA 8.7.2022). In den größeren Städten ist eine medizinische Versorgung durch moderne, gut ausgestattete Kliniken gewährleistet (BMeiA 8.7.2022). Auch in nahezu allen kleineren Städten sind Krankenhäuser, die eine Grundversorgung abdecken, zu finden (IOM 2020). Die Pflege und Verpflegung der Patienten erfolgt in den Kliniken überwiegend durch die Familie (LH 14.08.2020). Die medizinische Infrastruktur auf dem Land ist allerdings weiterhin lückenhaft und leistungsschwach (AA 11.10.2021). Das chinesische Gesundheitssystem hält nicht mit der wirtschaftlichen Entwicklung Schritt. Gemäß Vergleichszahlen der OECD sind für 1.000 Einwohner 2,7 Krankenschwestern/-pfleger sowie zwei Ärzte verfügbar (HB 19.2.2020). Medikamente sind generell landesweit gut erhältlich (IOM 2020).
China verkündete Ende 2014, die Abdeckung von 95 Prozent der Bevölkerung mit grundlegender Krankenversicherung erreicht zu haben. In der Praxis bestehen jedoch große Unterschiede in Qualität und Umfang der Absicherung (ÖB 12.2021). Die finanzielle Absicherung im Krankheitsfall ist nach wie vor ungenügend. Obwohl 95 % der Bevölkerung über verschiedene Krankenversicherungsregime abgesichert sind, stellen für Bezieherinnen und Bezieher durchschnittlicher und niedriger Einkommen Krankheiten, die intensive ärztliche und/oder therapeutische Behandlungen erfordern, eine nach wie vor enorme, häufig existenzbedrohende finanzielle Belastung dar (AA 11.10.2021).
Ärztliche Behandlungskosten müssen von Patienten im Voraus bezahlt werden. Die meisten Versicherten erhalten eine Kostenerstattung bei jährlichen Kosten bis 1.300 RMB (170 EUR), darüber hinausgehende Kosten müssen selbst getragen werden. Bedienstete von Staatsbetrieben erhalten nahezu kompletten Kostenersatz. Obwohl die chinesische Regierung kontinuierlich mehr in das Gesundheitswesen investiert, ist die Abdeckung oft ungenügend. Besonders im ländlichen Raum müssen häufig arme Familien ihre gesamten Ersparnisse für Behandlungen kranker Familienmitglieder aufwenden. Auch die staatlichen Krankenhäuser müssen sich weitgehend selbst finanzieren, und tun dies vor allem durch extensives Verschreiben überteuerter Medikamente (ÖB 12.2021).
Grundsätzlich wird es allen chinesischen Staatsbürger ermöglicht, am Ort ihrer Haushaltsregistrierung Leistungen der nationalen Grundkrankenversicherung in Anspruch zu nehmen. Das gilt nach erfolgter Registrierung auch für chinesische Staatsbürger, die aus dem Ausland zurückgekehrt sind. Dabei werden von der Krankenversicherung in der Regel eine medizinische Grundversorgung in für den Wohnort designierten Krankenhäusern abgedeckt. Dabei können medizinische Leistungen nur dann bezogen werden, wenn eine Hukou-Registrierung besteht (ÖB 13.8.2020).
Die Meldekarte (Hukou) ist weiterhin nötig für den (legalen) Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen (ÖB 12.2021). Die Systeme der sozialen Sicherheit in China sind Anreize für die Landbewohner, in die städtischen Zentren zu ziehen. Das Haushaltsregistrierungssystem, das die Land-Stadt-Migration einschränken, sowie die nationale Stadtentwicklungsstrategie, die das Wachstum der Städte begrenzen soll, förderten indirekt eine Vorort-Urbanisierung der ländlichen Gebiete (UNDESA 2021).
2014 hat China begonnen das Hukou-System schrittweise zu reformieren. In den meisten Städten in Zentral und Westchina wurden die Hukou-Beschränkungen bereits aufgehoben, in Ostchina haben insb. second-tier und third-tier Städte ihre Registrierungsanforderungen gelockert. In den großen Metropolen Peking, Shanghai und Guangzhou wurde ein Punktesystem anhand von bestimmten Kriterien eingeführt (Ausbildung, Beschäftigung, Leistungen, etc.), welches ein offenes und transparentes Registrierungssystem sicherstellen soll. Bis 2020 haben mehr als 100 Mio. Chinesen, die ohne städtischen Hukou bereits „ständig“ in Städten leben, Zugang zu sozialen Leistungen wie medizinischer Versorgung erhalten. Allerdings wird die Zahl der Wanderarbeiter auf 290 Mio. geschätzt. Chinesen, die keinen für ihre Zwecke gültigen Hukou haben, verwenden mitunter gefälschte Hukou-Karten oder solche von Verwandten (ÖB 12.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (8.7.2022): China: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/china-node/chinasicherheit/200466#content_3 , Zugriff 8.7.2022
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.10.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China (Stand: Juli 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2062877/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Juli_2021%29%2C_11.10.2021.pdf , Zugriff 4.5.2022
BMeiA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (8.7.2022), https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/china/ , Zugriff 8.7.2022
HB - Handelsblatt (19.2.2020): Coronavirus offenbart gravierende Mängel an Chinas Gesundheitssystem, https://www.handelsblatt.com/politik/international/krankenversorgung-coronavirus-offenbart-gravierende-maengel-an-chinas-gesundheitssystem/25561166.html?ticket=ST-1039047-CrBiznv23udUClzvzT0p-ap4 , Zugriff 4.5.2022
IOM - Internationale Organisation für Migration / Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (2020): Länderinformationsblatt China 2020, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2020_China_DE.pdf , Zugriff 4.5.2022
LH - Landesärztekammer Hessen (14.08.2020): Hessisches Ärzteblatt, Einsatz als beratender Arzt in China, https://www.laekh.de/heftarchiv/ausgabe/artikel/2020/maerz-2020/einsatz-als-beratender-arzt-in-china , Zugriff 4.5.2022
ÖB Peking [Österreich] (13.8.2020): Auskunft des Vertrauensanwaltes
ÖB Peking [Österreich] (12.2021): Asylländerbericht Volksrepublik China
UNDESA - United Nations Department of Economic and Social Affairs (2021): World Social Report 2021, https://www.un.org/development/desa/dspd/wp-content/uploads/sites/22/2021/05/World-Social-Report-2021_web_FINAL.pdf , Zugriff 4.5.2022
Dokumente
Letzte Änderung: 22.07.2022
In ganz China ist die Herstellung oder Beschaffung gefälschter oder formal echter, aber inhaltlich unwahrer Dokumente verschiedenster Art seit Langem verbreitet (AA 11.10.2021). Gefälschte Dokumente und die Kriminellen, die sie erstellen, sind äußerst raffiniert (DFAT 22.12.2021).
Gemäß verschiedener Angaben ist es möglich, durch entsprechende Kompensationsleistungen, auf falsche Identitäten bezogene Dokumente, die von autorisierten Stellen hergestellt und ausgestellt werden, zu erhalten (BW 26.10.2019; vgl. NMoFA 1.7.2020). Bankauszüge, akademische Zeugnisse, Arbeitsnachweise und andere Dokumente lassen sich viel leichter durch Betrug erstellen als Pässe oder nationale Personalausweise (DFAT 22.12.2021).
Grundsätzlich erfolgen lückenlose, automatisierte Kontrollen an den Grenzkontrollstellen (ÖB 12.2021). Die Regierung weiß, wann Menschen über Luft- und Seehäfen einreisen oder das Land verlassen. Sie verwendet künstliche Intelligenz, Gesichtserkennungssoftware und biometrische Datenbanken, um die Identität von Passagieren zu überprüfen, und Identitätsdokumente auf Betrug zu überprüfen. Verschiedene Regierungsbehörden können Daten in die Datenbanken eingeben, einschließlich von Steuer-, Zoll-, Polizei- und Justizbehörden. Es ist schwierig oder unmöglich, Identitätsdokumente zu fälschen, die in der Praxis an der Grenzkontrolle verwendet werden könnten, Technologie und Algorithmen (eher als ein menschlicher Beamter, der für Bestechung anfällig sein könnte) können die Entscheidungen treffen. Selbst wenn ein Mensch das Dokument überprüft, wäre es für einen einfachen Bürger schwierig, Grenzschutzbeamte zu bestechen, aufgrund der Wachsamkeit gegenüber Korruption und der beruflichen und vergleichsweise gut bezahlten Stellung der Beamten der öffentlichen Sicherheit (DFAT 22.12.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.10.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China (Stand: Juli 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2062877/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Juli_2021%29%2C_11.10.2021.pdf , Zugriff 12.4.2022
BW - Bitter Winter (26.10.2019): Chinese Refugees: Seeking Asylum in Italy, https://bitterwinter.org/chinese-refugees-seeking-asylum-in-italy/ , Zugriff 12.4.2022
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (22.12.2021): DFAT Country Information Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2067346/country-information-report-china-22122021.pdf , Zugriff 12.4.2022
NMoFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (1.7.2020): Country of origin information report China, https://coi.euaa.europa.eu/administration/netherlands/PLib/2020_07_MinBZ_NLMFA_COI_Report_China_Algemeen_Ambtsbericht_China.pdf , Zugriff 12.4.2022
ÖB Peking [Österreich] (12.2021): Asylländerbericht Volksrepublik China
(Länderinformation der Staatendokumentation: China, Version 4, vom 22.07.2022)
Mit welchen konkreten Folgen (Geldstrafe, Verweigerung Registrierung, sonstige behördliche Anordnungen bzw. Eingriffe) müssen unverheiratete Frauen mit Kind aufgrund des Umstandes einer außerhalb Chinas erfolgten unehelichen Geburt des Kindes, China-weit realistischer Weise rechnen?
Wie hoch sind allfällige Geldstrafen und welche Sanktionen sind bei Nicht-Zahlung vorgesehen?
Für den Fall, dass in einer Provinz mit erheblichen Diskriminierungen bzw. Sanktionen gegen uneheliche Kinder bzw. deren Eltern zu rechnen ist, besteht für die Betroffenen e ine realistische Möglichkeit für eine Registrierung in einer anderen Provinz Chinas, wo dies nicht der Fall ist?
Kann der Umstand der unehelichen Geburt im Nachhinein durch eine Eheschließung folgenlos saniert werden?
Quellenlage/Quellenbeschreibung:
In öffentlich zugänglichen Quellen wurden im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche auf Deutsch und Englisch einige Informationen gefunden. Eine ausgewogene Auswahl wird entsprechend den Standards der Staatendokumentation im Folgenden zur Verfügung gestellt.
Eine ausführliche Quellenbeschreibung zu einigen der verwendeten Quellen findet sich unter http://www.ecoi.net/5.unsere-quellen.htm . Als allgemein bekannt vorausgesetzte Quellen werden i.d.R. nicht näher beschrieben. Als weniger bekannt erkannte Quellen werden im Abschnitt „Einzelquellen“ näher beschrieben.
Informationen zur Fragestellung mit Bezug auf sogenannten „black children“, also „illegal“ geborener Kinder, finden sich auch im Länderinformationsblatt China, LIB_CHINA_2017_11_16_KE (2), im Abschnitt 17.2. Ein-Kind-Politik. In den Kapiteln 18. Bewegungsfreiheit und 20. Grundversorgung und Wirtschaft“ wird auf die Handhabe restriktiver Registrierungspraxis des „Hukou-Systems“ eingegangen.
Darüber hinaus wurde aufgrund der rechtsspezifischen Art der Fragestellungen diese an eine externe Stelle zur Recherche übermittelt. Informationen zu Vertrauensanwälten (VA) der Österreichischen Botschaften (ÖB) finden sich auf dem Quellenblatt der Staatendokumentation auf www.staatendokumentation.at .
Zusammenfassung:
Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass nach dem Gesetz und in der Praxis finanzielle und administrative Sanktionen für Geburten vorgesehen sind, welche die gesetzlich vorgegebenen Grenzen überschreiten und/oder anderweitigen Vorschriften entgegenlaufen. Ein Verstoß gegen solche Auflagen, etwa durch Frauen, die unverheiratet ein Kind zur Welt bringen, wird von staatlicher Seite mit hohen Strafzahlungen sanktioniert.
Bei Verstößen wird eine Sozialunterhaltsabgabe erhoben. Die Höhe der Sozialunterhaltsabgabe ist in den vom Staatsrat erlassenen Measures for Administration of Collection of Social Maintenance Fees („Verwaltungsmaßnahmen zur Sozialunterhaltsabgabe“) geregelt. Diese richtet sich nach dem jeweiligen jährlich verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen der Stadt-bzw. dem jährlichen Pro-Kopf-Nettoeinkommen der Landbewohner in der jeweiligen Provinz, wobei des Weiteren auch das tatsächliche Einkommensniveau der Betroffenen und die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden können. Unterschiedliche Fallgruppen, darunter auch die Gruppe der Kindern von Nichtverheirateten, werden mit Bezug auf die Sanktionen mitunter unterschiedlich behandelt. Die konkrete Höhe der Sozialunterhaltsabgabe, welche durch jedem Elternteil separat zu entrichten ist, wird gemäß Artikel 3 der Verwaltungsmaßnahmen zur Sozialunterhaltsabgabe auf Provinzebene, bzw. auf Ebene der autonomen Regionen und regierungsunmittelbaren Städten festgelegt. Die genaue Höhe dieser Sozialunterhaltsabgaben werden jeweils auf lokaler Ebene bewertet und festgelegt und variieren von Provinz zu Provinz sehr stark.
Darüber hinaus können weitere Sanktionen erfolgen. So sind Arbeitgeber im privaten Sektor gemäß Art. 42 des Familienplanungsgesetzes verpflichtet, Disziplinarmaßnahmen zu ergreifen. Doch obwohl das nationale Arbeitsvertragsgesetz gegenüber den Provinzverordnungen vorrangig ist und somit Provinzregelungen, welche eine Kündigung zulassen oder vorschreiben, nicht angewendet werden dürften, entscheiden in der Praxis in einem Rechtsstreit die lokalen Gerichte entsprechend den lokalen Gesetzen und Verordnungen, sodass dort, wo die Provinzverordnungen dies zulassen, davon ausgegangen werden muss, dass Kündigungen vor Ort auch tatsächlich ausgesprochen und gerichtlich durchgesetzt werden. Die Gesetzeslage sieht darüber hinaus vor, dass Staatsbedienstete bei Verstößen gegen das Familienplanungsgesetz mit den höchstmöglichen Verwaltungssanktion zu belegen sind.
Nach nationalem chinesischen Recht haben Kinder, welche vor dem 1. 1.2016 geboren wurden, ein Recht auf Registrierung in das Hukou und somit Zugang zu Gesundheits-und Bildungsdiensten. Einige Provinzen verbieten den lokalen Behörden, die Zahlung von Sozialunterhaltsabgaben als Voraussetzung für die Annahme eines Antrags auf einen Hukou zu fordern. Jedoch variiert in der Praxis die Umsetzung dieser Gesetze und Vorschriften (einschließlich jener der Provinzen) auf lokaler Ebene.
Kann zur Legalisierung eines Kindes eine solche Sozialunterhaltsabgabe nicht erlegt werden, wird das Kind als „black child“ oder „Heihaizi“ bezeichnet. Diese haben keinen rechtlichen Anspruch auf Bildung, Gesundheitsversorgung, einem formalen Beruf, können nicht legal heiraten und leben im eigenen Land praktisch als Bürger zweiter Klasse. Menschen ohne eine Hukou-Registrierung stellen gemäß nachfolgend zitierter Quellen die wahrscheinlich verwundbarste Gruppe in der chinesischen Gesellschaft dar. Aufgrund dieser Umstände sind „black children“ oft in Syndikaten des organisierten Verbrechens in der Prostitution, dem Drogenhandel, Erpressung usw. tätig. In einigen Fällen werden Kinder ihren Eltern weggenommen. Auch wird berichtet, dass einige Eltern diese Kinder auf dem Schwarzmarkt verkaufen. Die Verwaltung des Hukou-Systems wurde dezentralisiert, weswegen es deutliche lokale Unterschiede bei den entsprechenden Regulierungen gibt.
Für Angaben zu der Höhe der Sozialunterhaltsabgaben, wie auch Disziplinarmaßnahmen und sonstige Benachteiligungen siehe Einzelquellen.
Alleinstehende Frauen können Strafen/Sanktionen für das erste uneheliche Kind vermeiden, indem sie innerhalb von 60 Tagen nach der Geburt des Babys heiraten. Sollten die Eltern dem nicht nachkommen, wird von jedem Elternteil ein Bußgeld eingehoben.
Einzelquellen:
Das britische Innenministerium, UK-Home Office, beschreibt in seinen Länderrichtlinien und Informationshinweisen zu China mit Bezug auf Verstöße gegen nationale Bevölkerungs-und Familienplanungsgesetze, die Situation einer alleinstehenden Frau, welche über wenige Verbindungen, geringe Geldmittel und keine Unterstützung verfügt, als schwierig.
Alleinerziehende Mütter verfügen über keine Krankenversicherung, da diese ihre Kinder „außerhalb des Gesetzes“ geboren haben. Krankenhäuser verlangen Geld für die Behandlungen und können alleinerziehende Personen auch wegweisen.
Viele alleinerziehende Mütter gebären außerhalb medizinischer Einrichtungen, mit den damit verbundenen Komplikationen für Mutter und Kind. Für alleinstehende Mütter stellt es sich herausfordernd dar, Geburtsurkunden für Neugeborene zu erhalten. Kinder, welche außerhalb der gesetzlichen Richtlinien geboren wurden, haben keinen Anspruch auf Hukou und die Gesundheits-und Bildungsdienste, welche von der Registrierung angeboten werden.
Die vielleicht größte Hürde, welcher alleinerziehende Mütter in China gegenüberstehen, stellt nach der Geburt des Kindes eine legale Registrierung oder die Bereitstellung eines Hukou dar. Dazu wird eine Geburtsurkunde, welche die Angaben zum Vater beinhaltet, benötigt.
Nach nationalem Recht haben Kinder, welche vor dem 1.1.2016 geboren wurden, ein Recht auf Registrierung in das Hukou und somit Zugang zu Gesundheits-und Bildungsdiensten. Einige Provinzen verbieten den lokalen Behörden, die Zahlung von Sozialabgaben als Voraussetzung für die Annahme eines Antrags auf einen Hukou zu verlangen. Kinder, deren unbefugte Geburt früher hätte nicht registriert werden können, können nun unabhängig davon, ob ihre Eltern die entsprechenden Gebühren bezahlt haben per Gesetz einen Hukou beantragen.
In der Praxis variiert die Umsetzung dieser Gesetze und Vorschriften (einschließlich jener der der Provinzen) auf lokaler Ebene. Eltern, denen die Registrierung unter Verstoß gegen Landesvorschriften oder nationales Recht verweigert wird, stehen theoretisch Rechtsmittel zur Verfügung, um ihre Rechte geltend zu machen. Diese liegen dann jedoch den den allgemeinen Bedingungen für den Schutz vor Machtmissbrauch durch Beamte. Die chinesischen Behörden haben den öffentlichen Widerstand gegen die Familienplanungspolitik als provozierend und provokant angesehen und behandelt Petenten als politische Gegner.
(…)
‘In the case of unmarried couples, it can be avoided if the mother and father of the child marry within 60 days of the birth. Alternatively, they must pay a penalty that can range from a few thousand to tens of thousands of pounds –depending on where you live and how much you earn. For a single woman with few connections, little money, and no support, just the process leading up to and after the birth –not to mentionthe hardship of the actual labour –can be painful.
(…)
‘Once you’ve proved that you are married and within legal rights to have a child (not violating the two-child policy) you can “establish a record" at a local hospital, allowing you to start the official process of tests and scans. ‘The bills can be paid by health insurance or social security. But for single mothers, any medical insurance is defunct, since you are having a child “outside the law". If you cannot provide a birth permit, the money has to come out of your own pocket. Some hospitals may even turn you away. Little wonder then, that many unmarried mothers in China abandon their babies.
(…)
Although China’s Marriage Law states that children born outside of marriage have the same rights as thoseborn to married parents, children born out of wedlock continue to be considered to be “outside of policy" under the two-child policy. Single mothers must pay social compensation fees and all medical expenses associated with giving birth. State subsidies for maternal and child services are available only with the permission of family-planning authorities, who require a proof of marriage. As a consequence, many single mothers give birth outside of medical facilities with associated complications for both mother and child. Single mothers can find it difficult to obtain birth certificates. Children born outside of policy are not eligible for hukou and the health and education services that registration provides.
(…)
‘Perhaps the biggest hurdle that single mothers in China face actually comes after the birth: legally registering your child, or getting him/her a hukou. Without these registration documents your child isn't entitled to any state benefits, such as free education, health care, or even a job as an adult. Without a hukou, a person can't travel on trains, use internet cafes, or even buy a mobile phone SIM card. And to obtain it? You need a birth certificate, which requires details of the father (Hubei province is the exception ...’
(…)
‘The hukou (or household registration) system ties access to services including health and education to an individual’s place of birth or, in some circumstances, their parent’s place of birth. According to national law, children born before 1 January 2016 have a right to household registration and access to health and education services. Some provinces, including Fujian, Shandong and Zhejiang, prohibit local authorities from requiring payment of social compensation fees as a prerequisite for accepting an application for a hukou. Children whose unauthorised birth might previously have gone unregistered are now by law able to apply for a hukou irrespective of whether their parents have paid the relevant fees.’
(...)
UK Home Office: Country Policy and Information Note China (11.2018): Contravention of national population and family-planning laws, https://www.ecoi.net/en/file/local/1450729/1226_1542206099_china-family-planning-cpin-v3-0.pdf , Zugriff 7.12.2018
Das US-Außenministerium (US Department of State) berichtet in seinem Jahresbericht zur Menschenrechtslage in China vom 20.4.2018, dass durch die Kommunistische Partei Chinas das Recht der Eltern auf Anzahl der Kinder einschränkt und Familienplanungseinheiten von der Provinz-bis zur Dorfebene nutzt, um Bevölkerungsgrenzen und -verteilungen durchzusetzen. Eine Zwei-Kind-Politik wurde ab Januar 2016 offiziell eingeführt. Durch das Bevölkerungs-und Familienplanungsgesetzwird es Ehepaaren erlaubt, zwei Kinder zu haben und es erlaubt Paaren, die Erlaubnis für ein drittes Kind bei den Behörden zu beantragen, wenn die in den lokalen und provinziellen Vorschriften festgelegten Bedingungen erfüllt werden. In einigen Provinzen müssen Paare eine Genehmigung einholen und sich registrieren, bevor ein Kind in die Welt gesetzt werden darf.
Nach dem Gesetz und in der Praxis erwachsen finanzielle und administrative Sanktionen für Geburten, welche die Geburtenlimits überschreiten oder anderweitig gegen Vorschriften verstoßen. Durch die Nationale Kommission für Gesundheit und Familienplanung wurde angekündigt, dass sie weiterhin Geldbußen, sogenannte „Sozialabgaben", für Verstöße gegen erlassene Richtlinien verhängen werde. Das Gesetz sieht vor, dass jede Frau mit einer nicht genehmigten Schwangerschaft die Sozialversicherungsbeiträge absetzen oder bezahlen muss, welche das das 10-fache des jährlich verfügbaren Einkommens einer Person erreichen können. Die genaue Höhe der Gebühr variiert von Provinz zu Provinz sehr stark.
Alleinstehende Frauen können Strafen/Sanktionen vermeiden, indem sie innerhalb von 60 Tagen nach der Geburt des Babys heiraten.
Personen, welche über finanzielle Mittel verfügen, zahlen oft die Gebühr, so dass deren Kinder, welche unter Verletzung der gesetzlichen Geburtsbeschränkungen zur Welt gekommen sind, Zugang zu einem breiten Spektrum an staatlichen Sozialleistungen und -rechten haben. Einige Eltern umgehen die Zahlung einer solchen „Sozialleistung“. Indem sie gesetzwidrig geborene Kinder bei Freunden oder Verwandten verstecken.
Kinder, welche von alleinerziehenden Müttern oder unverheirateten Paaren geboren wurden, gelten als "außerhalb der Richtlinie" und unterliegen den sogenannten „Sozialunterhaltskosten“ und haben eine Aberkennung von Rechtsdokumenten, wie Geburtsdokumenten und der Aufenthaltserlaubnis "Hukou" zur Folge.
Beamte auf allen Ebenen könnten Belohnungen oder Strafen erhalten, die davon abhängen, ob sie die von ihrem Verwaltungsgebiet festgelegten Bevölkerungsziele erreicht haben oder nicht.
In einigen Provinzen wie Hubei, Hunan und Liaoning gibt es noch immer Vorschriften, die Frauen, die gegen die Familienplanungsrichtlinie verstoßen, zum Schwangerschaftsabbruch verpflichten. Andere Provinzen wie Guizhou, Jiangxi, Qinghai und Yunnan behielten Bestimmungen bei, welche "Abhilfemaßnahmen", also einen offiziellen Euphemismus für Abtreibung, vorschreiben, um Schwangerschaften zu behandeln, die gegen geltende Richtlinie verstoßen.(…)
Coercion in Population Control:
There were reports of coerced abortions and sterilizations, though government statistics on the percentage of abortions that were coerced during the year was not available. The CCP restricts the rights of parents to choose the number of children they have and utilizes family planning units from the provincial to the village level to enforce population limits and distributions. A two-child policy was officially implemented as of January 2016. The Population and Family Planning Law permits married couples to have two children and allows couples to apply for permission to have a third child if they meet conditions stipulated in local and provincial regulations. State media claimed the number of coerced abortions had declined in recent years in the wake of loosened regulations, including the implementation of the two-child policy. Citizens are subject to hefty fines for violating the law, while couples who have only one child receive a certificate entitling them to collect a monthly incentive paymentand other benefits that vary by province--from approximately six to 12 yuan (one to two dollars) per month up to 3,000 yuan ($450) for farmers and herders in poor areas. Couples in some provinces are required to seek approval and register before a child is conceived.
Under the law and in practice, there are financial and administrative penalties for births that exceed birth limits or otherwise violate regulations. The National Health and Family Planning Commission announced it would continue to impose fines, called “social compensation fees," for policy violations. The law, as implemented, requires each woman with an unauthorized pregnancy to abort or pay the social compensation fee, which can reach 10 times a person’s annual disposable income. The exact amount of the fee varied widely from province to province. Those with financial means often paid the fee so that their children born in violation of the birth restrictions would have access to a wide array of government-provided social services and rights. Some parents avoided the fee by hiding children born in violation of the law with friends or relatives. In localities with large populations of migrant workers, officials specifically targeted migrant women to ensure that they did not exceed birth limitations. Minorities in some provinces, however, were entitled to higher limits on their family size.
The law maintains that “citizens have an obligation to practice birth planning in accordance with the law" and also states that “couples of child-bearing age shall voluntarily choose birth planning contraceptive and birth control measures to prevent and reduce unwanted pregnancies." After the transition to a two-child limit, the available mix of contraceptives shifted from mainly permanent methods like tubal ligation or IUDs toward other reversible methods.
Single women are entitled to reproductive rights, and their children are entitled to the same rights as those born to married parents, according to both the Civil Law and Marriage Law. Since the national family planning law mentions only the rights of married couples, local implementation was inconsistent, and unmarried persons must pay for contraception. Children born to single mothers or unmarried couples are considered “outside of the policy" and subject to the social compensation fee and the denial of legal documents, such as birth documentsand the “hukou" residence permit. Single women can avoid those penalties by marrying within 60 days of the baby’s birth.
As in prior years, population control policy continued to rely on social pressure, education, propaganda, and economic penalties, as well as on measures such as mandatory pregnancy examinations and, less frequently, coerced abortions and sterilizations. Officials at all levels could receive rewards or penalties based on whether or not they met the population targets set by their administrative region. With the higher birth limit, and since most persons wanted to have no more than two children, it was easier to achieve population targets, and the pressure on local officials was considerably less than before. Those found to have a pregnancy in violation of the law or those who helped another to evade state controls could face punitive measures, such as onerous fines or job loss.
Regulations requiring women who violate the family planning policy to terminate their pregnancies still exist and were enforced in some provinces, such as Hubei, Hunan, and Liaoning. Other provinces, such as Guizhou, Jiangxi, Qinghai, and Yunnan, maintained provisions that require “remedial measures," an official euphemism for abortion, to deal with pregnancies that violate the policy.
The law mandates that family planning bureaus administer pregnancy tests to married women of childbearing age and provide them with basic knowledge of family planning and prenatal services. Under the law schools are required to provide adolescent and sexual health education at an appropriate level, but in practice information is quite limited. Some provinces fined women who did not undergo periodic state-mandated pregnancy tests.
Family planning officials face criminal charges and administrative sanction if they are found to violate citizens’ human or property rights, abuse their power, accept bribes, misappropriate or embezzle family planning funds, or falsely report family planning statistics in the enforcement of birth limitation policy. Forced abortion is not specifically listed as a prohibited activity. The law also prohibits health-care providers from providing illegal surgeries, ultrasounds todetermine the sex of the fetus that are not medically necessary, sex-selective abortions, fake medical identification, and fake birth certificates. By law citizens may submit formal complaints about officials who exceed their authority in implementing birth-planning policy, and complaints are to be investigated and dealt with in a timely manner.
(…)
Single women can avoid those penalties by marrying within 60 days of the baby’s birth.
(…)
USDOS –US Department of State (20.4.2018): Country Report on HumanRights Practices 2017 –China, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430188.html , Zugriff am 16.10.2018
Die SPD-nahe deutsche Friedrich Ebert Stiftung berichtet im Jänner 2017:
(…)
Menschen ohne Hukou-Registrierung sind die wahrscheinlich verwundbarste Gruppe in der chinesischen Gesellschaft. Ein überdurchschnittlich hohes Risiko besteht hier für junge Mädchen oder die Kinder nicht dokumentierter Migranten.
(…)
Die Ausstellung einer Geburtsurkunde erfordert normalerweise eine Heiratsurkunde, ohne die sie von der Einschätzung der jeweiligen Behörde abhängt. Damit schwebt über unehelichen Kindern das Damoklesschwert, keine Hukou-Registrierung zu bekommen, was ihnen den Zugang zu Schulbildung, sozialer Sicherung und öffentlichen Dienstleistungen weitgehend verwehrt.
(…)
Alleinerziehende Mütter sehen sich mit Vorurteilen und mit großem sozialem Druck seitens ihrer Familien konfrontiert. Zudem sind Unternehmen oft nicht bereit sie einzustellen. Solche Schwierigkeiten schrecken viele Frauen von einer Existenz als alleinerziehender Mutter ab.
(…)
Den Hukou erbte man von der Mutter und hatte im späteren Leben gewöhnlich wenig Gelegenheit, ihn zu ändern. In der planwirtschaftlichen Periode war das hukou-System die administrative Grundlage für eine rigorose Zweiteilung der Gesellschaft in Land-und Stadtbewohner, wobei die Städter soziale Privilegien genossen.
(...)
Die im Hukou-System institutionalisierte Trennung zwischen städtischen und ländlichen Bürgern und zwischen verschiedenen Sozialräumen hat Chinas wachsende Binnenmigration Dynamiken unterworfen, welche sonst eher von internationalen Migrationsregimen bekannt sind. Vor allem Metropolen wie Peking und Shanghai schotten sich gegen eine formalisierte Zuwanderung aus dem ländlichen Raum ab.
(...)
Die Verwaltung des Hukou-Systems wurde während der Reformperiode dezentralisiert, weswegen es deutliche lokale Unterschiede bei den entsprechenden Regulierungen gibt.
(…)
FES –Friedrich Ebert Stiftung (1.2017): Chinas gesellschaftliche Transformation, Jänner 2017, http://library.fes.de/pdf-files/iez/13075.pdf , Zugriff 7.12.2018
Die kanadische Asylbehörde „Immigrations-und Flüchtlingsausschuss“ (IRBC) berichtet am 20.10.2016 über die Folgen von Kindesgeburten außerhalb der Familienplanungsrichtlinien. So deuten Informationen darauf hin, dass die Behörden auch 2015 weiterhin Geburtenkontrollen durchführten und die Politik der Geburtenbeschränkungen des Landes strenge Zwangselemente in Recht und Praxis beibehalten haben. Finanzielle-, wie auch administrative Strafen für nicht autorisierte Geburten sind strikt. Eine Geburt von Kinder, die außerehelich oder ohne staatliche Genehmigung geboren worden sind, führt zu harten, meist wirtschaftlichen Sanktionen. Auch wird in diesem Zusammenhang berichtet, dass Maßnahmen wie Zwangsabtreibungen und Sterilisationen sowie die Beschlagnahmung von Eigentum ergriffen werden können In einigen Fällen werden Kinder ihren Eltern weggenommen.
Disziplinarmaßnahmen erwachsen auch jenen Personen, welche ein „nicht genehmigtes Kind" hatten oder Personen in diesem Zusammenhang unterstützten, in Form von Verlust des Arbeitsplatzes oder Degradierung, Verlust von Beförderungsmöglichkeiten, Ausschluss aus der Kommunistischen Partei Chinas (eine Mitgliedschaft stellt eine inoffizielle Anforderung für bestimmte Arbeitsplätze dar) und anderen administrativen Strafen. In einigen Fällen kam es zur Vernichtung von Privateigentum.
Die häufigste Sanktionierung erfolgt in Form von Geldstrafen. Diese Geldbußen werden als „Sozialunterhaltskosten“ oder „Sozialentschädigungskosten“ bezeichnet. Diese Gebühren werden auf lokaler Ebene bewertet und festgelegt und kann je nach Einkommen, Familienstand und dadurch erwachsenen Gesamtanzahl von Kindern sehr hoch ausfallen.
(…)
2. Consequences of Having Children Born outside the Family Planning Policy
Sources indicate that authorities were continuing to impose controls on births in 2015. Country Reports 2015 states that "the country's birth-limitation policies retained harshly coercive elements in law and practice. The financial and administrative penalties for unauthorized births were strict". In the executive summary of an August 2015 report, the Norwegian Country of Origin Information Centre (Landinfo), an "independent body within the Norwegian Immigration Authorities" that collects, analyses and presents country of origin information for use by decision makers in residency and asylum cases (Norway n.d.),likewise states that having "[c]hildren born out of wedlock or without government permit result[s] in harsh, mostly economic, sanctions". Sources report that measures which may be imposed include forced abortions and sterilisations, as well as the confiscation of property. The Landinfo report adds that in some cases children have been taken away from their parents. Country Reports 2015 further indicates that other disciplinary measures for those who had an "unapproved child," or assisted others to do so, consist of "job loss or demotion, loss of promotion opportunity, expulsion from the CCP [Chinese Communist Party] (membership is an unofficial requirement for certain jobs), and other administrative punishments, including in some cases the destruction of private property. According to Landinfo, "[f]ines are the most common sanction". Sources indicate that these fines are known as "social maintenance fees" or "social compensation fees"). Country Reports 2015 adds that these fees "are set and assessed at the local level". The Landinfo report states that the fines "can be hefty, depending on income, marital status and the child's number in the line".
(…)
Immigration and Refugee Board of Canada (20.10.2016): China: Treatment of "illegal" or "black" children born outside the family planning policy; whether unregistered children are denied access to education, health care and other services; information on punitive measures taken against parents who violated family planning policy before and/or after policy changes effective January 2016, http://www.refworld.org/topic ,50ffbce4c9,50ffbce4f9,5821da784,0,,,.html, Zugriff 15.10.2018
Blasting News, ein unabhängiges globales Magazin, beschriebt in einem Bericht vom 16.11.2016, dass „Heihaizi“ oder "Black Child" die Bezeichnung eines Kindes ist, welches außerhalb der inzwischen aufgelösten Ein-Kind-Politik Chinas geboren worden ist. Einem sog. „black child“ wird ein Hukou -ein juristisches Dokument, das als Ausweis dient, der einer Sozialversicherungsnummer sehr ähnlich ist, mit der man staatliche Leistungen in Anspruch nehmen kann -vorenthalten.
Wenn der Status eines Kindes legalisiert werden soll, muss eine hohe Geldstrafe bezahlt werden, welche von der Regierung als "Sozialunterhaltsgebühr" bezeichnet wird. Kann diese „Abgabe“ nicht erlegt werden, wird das Kind als „black child“ bezeichnet.
„Black children“ haben kein Recht auf Bildung, sind der Gesundheitsversorgung, einem formalen Job oder einer legalen Ehe beraubt und leben praktisch als Bürger zweiter Klasse in ihrem eigenen Land.
Aufgrund dieser Umstände sind „Heihaizi“ oder „black children“ oft in Syndikaten des organisierten Verbrechens in der Prostitution, dem Drogenhandel, Erpressung usw. tätig. Auch wird berichtet, dass einige Eltern diese Kinder auf dem Schwarzmarkt verkaufen.
Im Dezember 2015 kündigte die chinesische Regierung Pläne zur Reform des starren Hukou-Systems an. Da jedoch über 13 Millionen dieser so genannten „black children“ im ganzen Land am Rande der Gesellschaft leben, könnte es eine Weile dauern, bis das Leben dieser Menschen rehabilitiert ist.
Heihaizior"Black Child"is the label branded on a kid born outside of China's now defunct one-childpolicy which was put to an end in 2015.The Communist Party of China is credited for preventing at least 400 million births under this draconian family planning rule, inadvertently booming the country's economy which has been steadily rising since the 1980's.
But who are these so-called "Black Children"? What purpose do they have in life? Frankly, not much. A Black Childis deprived of a Hukou-a legal document that serves as an identification quite similar to a social security number through which one can avail government benefits.
If you want to legalize your child, you have to pay a hefty fine which the government calls a "social maintenance fee." Unable to do so will see your child be termed as a "black child".
'Black children' lead miserable lives
Lives of these children are often miserable. They do not have a right to pursue education, are deprived of health care, a formal job or a legal marriage, living for all intents and purposes, as second-class citizens in their own country. "I was born here, but I don't have any of the rights of a Chinese person," said one suchHeihaizi."Whatever I do, I'm blocked and have difficulties. There is nothing in China that proves whether I exist or not. I began to see that my life was entirely different from those aroundme, and it was because I had no Hukou," she told AFP.
Her motheradded: "She used to cry and tell me,'Mom, I just want to go to school,' but there was no way for her to do so.
We'd have to go to the neighbours to beg for some medicine if she was sick."
A life of crime
As a result of these dire and unforgiving circumstances, the Heihaizioften resort to transgression, working with organized crime syndicates in prostitution, drugs trafficking, extortion, etc. It is no secret as well that some parents sell these children on the black market for money.
‘Black Child’ as being ‘deprived of a Hukou -a legal document that serves as identification quite similar to a social security number through which one can avail government benefits.’ Adding:‘If you want to legalize your child, you have to pay a hefty fine which the government calls a “social maintenance fee." Unable to do so will see your child be termed as a “black child".
An ageing population
And with the population ageing rapidly, the working class is slowly shrinking. According to the estimations of the United Nations, China will have 440 million people over the age of sixty by 2050. The number of people of working age is dropping by millions every year.
In December 2015, the Chinese government announcedplans to reform the rigid Hukousystem. But with over 13 million of these so-called "black children" living miserably on the fringes of society all around the country, it could be a while before the lives of these miserable people are rehabilitated.
BN -Blasting News (16.11.2016): ‘Heihaizi -China's miserable black children’,
http://uk.blastingnews.com/world/2016/11/heihaizi-china-s-miserable-black-children , Zugriff 15.10.2018
Bericht des Vertrauensanwalts der Österreichischen Vertretungsbehörde:
(…)
Uneheliche Kinder sind rechtlich gesehen ehelichen Kindern formal gleichgestellt (Art. 5 des Ehegesetz der Volksrepublik China).
Beschränkungen können sich hauptsächlich aus den Regelungen der Familienplanung, den Haushaltsregistrierungssystem („Hukou“) und darüber hinaus aus kulturellen Benachteiligungen in der Praxis ergeben.
1. Familienplanungsregelungen
Nach Artikel 18 des Population and Family Planning Law of the People's Republic of China („Familienplanungsgesetz“, erlassen vom Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses, zuletzt geändert 01.01.2016) darf jedes Ehepaar zwei Kinder haben. Als Verstöße gegen das Familienplanungsgesetz werden angesehen:
a. Kinder von nicht verheirateten Eltern
b. Kinder außerhalb der Ehe bei Verheirateten Eltern
c. Mehr als zwei Kinder innerhalb einer Ehe.
Bei Verstößen wird eine Sozialunterhaltsabgabe erhoben. Darüber hinaus sind weitere Verwaltungssanktionen möglich.
a. Sozialunterhaltsabgabe
Für Kinder, die unter Verstoß gegen das Familiengesetz geboren werden, ist von jedem Elternteil mit chinesischer Staatsangehörigkeit jeweils eine Sozialunterhaltsabgabe (engl. auch „Social Maintenance Fee“) zu entrichten (Art. 41 Familienplanungsgesetz).
Bürger, die nicht innerhalb der festgelegten Frist den vollen Betrag der Sozialunterhaltsabgabe entrichten, müssen gemäß den einschlägigen staatlichen Vorschriften jeweils einen zusätzlichen Aufschlag zahlen. Der Zahlungsanspruch kann durch das Gericht auf Antrag der Behörde für Familienplanung vollstreckt werden.
Die Höhe der Sozialunterhaltsabgabe ist in den vom Staatsrat erlassenen Measures for Administration of Collection of Social Maintenance Fees („Verwaltungsmaßnahmen zur Sozialunterhaltsabgabe“, in Kraft getreten am 01.09.2002) geregelt. Sie richtet sich nach dem jeweiligen jährlichen verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen der Stadtbewohner bzw. dem jährlichen Pro-Kopf-Nettoeinkommens der Landbewohner am jeweiligen Ort, wobei des Weiteren auch das tatsächliche Einkommensniveau der Betroffenen und die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden können. Die Fallgruppen a) Kinder nicht Verheirateter, b) Kinder Verheirateter außerhalb der Ehe und c) Kinder über 2 hinaus werden im Hinblick auf die Sanktionen mitunter unterschiedlich behandelt.
Die konkrete Höhe der Sozialunterhaltsabgabe, die von jedem Elternteil separat zu entrichten ist, wird gemäß Artikel 3 der Verwaltungsmaßnahmen zur Sozialunterhaltsabgabe auf Provinzebene, bzw. auf Ebene der autonomen Regionen und regierungsunmittelbaren Städten festgelegt.
b. Verwaltungssanktionen
Über die Sozialunterhaltsabgabe hinaus regelt Art. 42 Familienplanungsgesetz, dass gegen Staatsbedienstete bei Verstößen gegen das Familienplanungsgesetz weitere Sanktionen verhängt werden können, ohne diese näher zu spezifizieren. Die Einzelheiten werden in Rechtsverordnungen auf Provinzebene geregelt. Die entsprechend zuständige lokale Verwaltung hat hier bei der Wahl der Sanktionen oft Ermessen.
Das Familienplanungsgesetz enthält auch die Bestimmung, dass bei Arbeitnehmern im privaten Sektor die zuständige Einheit, gemeint ist der Arbeitgeber, verpflichtet sei, hier Disziplinarmaßnahmen zu ergreifen, ohne dass auf nationaler Gesetzesebene konkrete Sanktionen geregelt wären.
Eine Kündigung des Arbeitsvertrags ist nach unserem Rechtsverständnis von dieser allgemeinen Regelung nicht gedeckt, da das (nationale) Arbeitsvertragsgesetz die Kündigungsgründe abschließend aufführt. Das nationale Arbeitsvertragsgesetz ist gegenüber den Provinzverordnungen hierarchisch vorrangig, so dass auch die Provinzregelungen, die eine Kündigung zulassen oder vorschreiben, nicht angewendet werden dürften. In einem Rechtsstreit entscheiden jedoch in der Praxis die lokalen Gerichte entsprechend den lokalen Gesetzen und Verordnungen, so dass dort, wo die Provinzverordnungen dies zulassen, davon ausgegangen werden muss, dass dort Kündigungen auch tatsächlich durchgeführt und gerichtlich durchgesetzt werden.
Eine Gehaltskürzung ist auf der Grundlage der Familienplanungsregelungen mit gleicher Begründung ebenfalls (theoretisch) nicht möglich.
Es ist davon auszugehen, dass mit Disziplinarmaßnahme in der Regel Maßnahmen im Arbeitsverhältnis gemeint sind. So wird beispielsweise in der Regel der mitunter nach lokalen Vorschriften über den gesetzlichen Mutterschutz hinaus gewährte Sonderurlaub für Mütter vor bzw. nach der Geburt in den Fällen von Verstößen gegen das Familienplanungsgesetz nicht gewährt. Auch können freiwillige Zusatzleistungen des Arbeitgebers gestrichen werden. Auch Auszeichnungen und Belobigungen könnten unterlassen bleiben.
Die geschilderten Regelungen haben aufgrund der enthaltenen Ermächtigungen für Regelungen auf der Provinzebene in den unterschiedlichen Regionen unterschiedliche Auswirkungen, die mitunter erheblich voneinander abweichen können. Auf die angefragten Regionen wird im Folgenden im Einzelnen eingegangen.
(…)
(bb) Verwaltungssanktionen
Gegen Staatsbedienstete sind für Verstöße gegen die Familienplanungsverordnung der Provinz nicht näher spezifizierte Sanktionen vorgesehen.
Für Beschäftigte des privaten Sektors soll entsprechend der Arbeitgeber Disziplinarmaßnahmen verhängen.
Des Weiteren dürfen Kosten für Schwangerschaft, Geburt und Wochenbettbei den Betroffenen nicht von den Sozialversicherungssystemen getragen werden. Sie haben auch keinen Anspruch auf Kinderbetreuungsbeihilfen und Zuschüsse für Problemlagen (Art. 41 der Familienplanungsverordnung in der Provinz Hubei).
(...)
2. Haushaltsregistrierung (Hukou)
Die Haushaltsregistrierung, auf Chinesisch „Hukou“ genannt, spielt in der Volksrepublik China eine große Rolle und eine fehlende Registrierung kann mitunter erhebliche negative Konsequenzen haben, beispielsweise Nichtaufnahme in öffentlichen Schulen, fehlende staatliche Krankenversicherung, etc..
Nach Artikel 7 der Registrierungsordnung im Hukousystem der Volksrepublik China (in Kraft getreten am 09.01.1958) muss jedes Kind innerhalb von einem Monat am jeweiligen Wohnort registriert werden.
Eine Genehmigung der Familienplanungsbehörde ist zwar für die Registrierung im Hukousystem nicht vorgeschrieben. In der Vergangenheit gab es bei vielen lokalen Behörde die Praxis bei Kindern, die außerhalb einer Ehe geboren wurden, eine entsprechende Bescheinigung der Familienplanungsbehörde (z.B. über die Zahlung der Sozialunterhaltsabgabe) zu verlangen, bevor sie im Hukousystem registriert wurden. Dieser Praxis wurde mit der am 25.12.1988 in Kraft getretenen Mitteilung des Ministeriums für öffentliche Sicherheit und der Familienplanungskommission zur Stärkung der Geburtsregistrierungausdrücklich abgeholfen und Beschränkungen bei der Registrierung untersagt. Die Verwaltung darf den Eltern zwar anlässlich der Hukouregistrierung von Kindern eine Belehrung wegen Verstößen gegen das Familienplanungsgesetz erteilen, die Eintragung jedoch nicht behindern.
Uneheliche Kinder können nach der Stellungnahme des Generalbüros des Staatsrates zur Lösung des Problems hinsichtlich Hukou-Registrierung für Personen ohne Hukou (in Kraft getreten am 31.12.2015) vom Vater oder der Mutter zum Hukousystem angemeldet werden, wobei die Abstammung entsprechend nachzuweisen ist. Mit dem Familienplanungssystem ist das Hukousystem demnach nicht mehr gekoppelt und im Hinblick aufdie Registrierung bestehen keine erheblichen Nachteile.
3. Sonstige Benachteiligungen
Abgesehen von der dargestellten Politik der Familienplanung (Vormals Ein-Kind-Politik, nun Zwei-Kind-Politik) und den damit verbundenen finanziellen Abgaben und Einschränkungen im Arbeitsverhältniss der Eltern ist die rechtliche Diskriminierung der Kinder aufgrund der formalen und ausdrücklichen Gleichstellung begrenzt.
Sofern die Voraussetzungen der Hukou-Registrierung erfüllt sind, können Institutionen wie Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, öffentlicher Nahverkehr, etc. keinerlei Diskriminierung mehr praktizieren.
Im privaten Umfeld befindet sich China im Umbruch. Die Notwendigkeit der in den 70er Jahren eingeführten (staatlichen) Familienplanung wird zum größten Teil in der Bevölkerung nicht als moralische Pflicht gesehen, sondern, wenn überhaupt, als pragmatische Beschränkung. Ein Verstoß dagegen wird folglich nicht (mehr) als moralischer Makel angesehen und eine emotionale Verurteilung ist damit oft gar nicht mehr verbunden –eher ein beschränktes Mitgefühl im Hinblick auf die Konsequenzen und Kosten, die als „selbst verursacht“ eingestuft werden.
Im Rahmen der Verstädterung und damit einhergehenden Anonymisierung der Gesellschaft, nimmt kaum noch jemand Notiz davon, ob Kinder ehelich oder unehelich sind.
Alleinerziehende bekommen weniger Häme ab, als in Europa. Sie fallen in der Gesellschaft auch weniger als Belastung (z.B. für die Sozialsysteme) auf, da es keine umfassende soziale Absicherung gibt.
Zwar gibt es sprachlich auch im Chinesischen die Bezeichnung „Bastard“ für ein uneheliches Kind. Diese Bezeichnung wird jedoch oft nicht mehr als persönlich vorwerfbarer Makel verstanden. Auf dem Lande mag dies bei gewachsenen Sozialbindungen anders aussehen. Hier wird es vorkommen, dass sich von traditionell ausgerichteten Mitgliedern der Gemeinschaft Vorbehalte gegen uneheliche Kinder ausbilden. Diese betreffen aber fast ausschließlich die Mitglieder dieser eng gewachsenen Gemeinschaft.
Für die Gruppe von aus dem Ausland zurück gekehrten Menschen treten die gewachsenen Sozialstrukturen ohnehin in den Hintergrund, sofern sie nicht mehr als Teil einer solchen Gemeinschaft angesehen werden.
Die Ausführungen zu den sonstigen Benachteiligungen beruhen auf den Beobachtungen des Autors in China in den letzten 10 Jahren und sind für eine Verallgemeinerung vollständig ungeeignet.
(…)
ÖB Bejing (4.12.2018): Auskunft des Vertrauensanwaltes, per E-Mail
(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation CHINA, Lage unverheirateter Mütter und unehelicher Kinder, welche außerhalb von China geboren wurden, rechtliche Folgen bei Rückkehr, Strafsätze, vom 10.12.2018)2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht aufgrund der vorliegenden Akten unter Einbeziehung von Abfragen öffentlicher Datenbanken (Melderegister, Fremdenregister und GVS-Informationssystem) durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.
2.1. Zur Person des BF:
Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit des BF, seines Geburtsortes sowie seiner gesetzlichen Vertretung ergeben sich aus den gleichbleibenden und glaubwürdigen Angaben der gesetzlichen Vertretung des BF vor dem BFA (siehe AS 7, 82f, 210ff) in Zusammenschau mit der vorgelegten österreichischen Geburtsurkunde, Nr. XXXX /2017, (siehe AS 17) sowie dem Auszug aus dem Geburtseintrag, Nr. XXXX /2017 (siehe AS 19).
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF sind ebenfalls aus den Angaben der gesetzlichen Vertretung des BF vor dem BFA abzuleiten (siehe AS 212) und stützen sich zudem auf den Umstand, dass keine medizinischen Unterlagen vorgelegt wurden, aus welchen körperliche Beeinträchtigungen bzw. regelmäßige medizinische Behandlungen abzuleiten wären.
2.2. Zu den Fluchtgründen des BF:
Der BF brachte, befragt zu seinen Fluchtgründen, durch seine gesetzliche Vertretug vor dem BFA glaubwürdig und nachvollziehbar vor, dass er als uneheliches, im Ausland geborenes Kind keinen Anspruch auf eine Eintragung in das Hukou im Herkunftsstaat habe. Daraus resultierend könne er keine chinesischen Dokumente beantragen und habe er im Herkunftsstaat keinerlei rechtlichen Anspruch auf Leistungen aus Gesundheits- oder Bildungsdiensten (siehe AS 83f, 212f). Die gesetzliche Vertretung befürchte weiters, dass der BF als uneheliches Kind von ihrer Familie nicht akzeptiert werde (siehe AS 83f, 212).
Wie den Länderfeststellungen zu entnehmen ist, ist die Ein-Kind-Politik der Volksrepublik China zwar überholt und wurde seit 2016 von der Zwei-Kind-Politik bzw. seit 31.05.2021 von der Drei-Kind-Politik verdrängt. Unehelich geborene Kinder werden als "außerplanmäßig" betrachtet. Das Gesetz erwähnt nur die Rechte verheirateter Paare, was bedeutet, dass unverheiratete Frauen nicht berechtigt sind, Kinder zu bekommen (vgl. „Familienplanungspolitik, inkl. „black children“). Kinder, die außerhalb der politischen Quoten oder von alleinstehenden Frauen geboren wurden, konnten oft nicht registriert werden und erhielten auch keine anderen rechtlichen Dokumente wie z. B. die Hukou-Aufenthaltsregistrierung (vgl. „Kinder“).
Die Meldekarte des "Hukou-Systems" ist weiterhin nötig für die (legale) Aufnahme einer Arbeit oder den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen. (vgl. „Bewegungsfreiheit und Meldewesen (Hukou)“). Wird ein Kind nicht im Hukou registriert, bedeutet dies, dass es rechtlich nicht existiert und keinen Zugang zu Sozialleistungen wie Gesundheitsversorgung und Bildung sowie zu Identitätsnachweisen oder Pensionsleistungen hat. Diese "black children", also illegal geborene Kinder, sind auch anfällig für Missbrauch und Menschenhandel. Kinder ohne Eintragung im Hukou-Register (heihaizi) stellen in der Volksrepublik China ein erhebliches soziales Problem dar. Sie können kein Eigentum erben oder erwerben, keinen Versicherungsschutz für medizinische oder soziale Zwecke erhalten oder die Schule besuchen. Als Erwachsene können sie sich nicht für Stellen bewerben, heiraten oder legal eine Familie gründen (vgl. „Familienplanungspolitik, inkl. „black children“).
Nach nationalem chinesischen Recht haben Kinder, welche vor dem 1.1.2016 geboren wurden, ein Recht auf Registrierung in das Hukou und somit Zugang zu Gesundheits- und Bildungsdiensten. Der BF ist jedoch am XXXX 2017 geboren und hat daher – wie auch bereits das BFA feststellte – keinen Anspruch auf eine Registrierung in das Hukou.
Das von der gesetzlichen Vertretung des BF geschilderte Fluchtvorbringen steht sohin im Einklang mit dem Inhalt der zur Beurteilung herangezogenen Länderfeststellungen, weshalb dem Fluchtvorbringen Glauben zu schenken ist.
2.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat, die bereits vom BFA getroffen wurden, wobei sich das BVwG diesen anschließt, stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das BVwG kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht ebenfalls kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in der Volksrepublik China zugrunde gelegt werden konnten. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem BVwG von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch Einzelrichter:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz; BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF, entscheidet das BVwG über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz; BVwGG), BGBl I 10/2013 idgF, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz; VwGVG), BGBl I Nr. 22/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl 51/1991 idgF, mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl 194/1961 idgF, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl 173/1950 idgF, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl 29/1984 idgF, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem BVwG gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß Abs. 2 leg.cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
Gemäß Abs. 5 leg.cit. sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt.
3.3. Zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten:
Gemäß § 2 Z 17 AsylG 2005 ist der Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder – im Falle der Staatenlosigkeit – der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine befristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.
Gemäß § 75 Abs. 24 AsylG 2005 ist auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15.November 2015 gestellt haben, § 3 Abs. 4 AsylG 2005 nicht anzuwenden.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, im Folgenden GFK), iVm Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 ist Flüchtling, wer sich (infolge von vor dem 1. Jänner 1951 eingetretenen Ereignissen/diese Worte in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK sind gemäß Art. 1 Abs. 2 des oben genannten Protokolls als nicht enthalten anzusehen) aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich (infolge obiger Umstände/diese Worte in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK sind ebenfalls gemäß Art. 1 Abs. 2 des oben genannten Protokolls als nicht enthalten anzusehen) außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Art. 9 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung), im Weiteren: Statusrichtlinie, sieht vor: Um als Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A GFK zu gelten, muss eine Handlung (Abs. 1) aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (lit. a), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Buchstabe a beschriebenen Weise betroffen ist (lit. b).
Gemäß Art. 9 Abs. 2 der Statusrichtlinie können als Verfolgung iSd Abs. 1 unter anderem die folgenden Handlungen gelten: die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt (lit. a), gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden (lit. b), unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung (lit. c), die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung (lit. d), die Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Art. 12 Abs. 2 fallen (lit. e), und Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind (lit. f). Es muss gemäß Art. 2 lit. d eine Verknüpfung zwischen den in Art. 10 genannten Gründen und den in Abs. 1 des vorliegenden Artikels als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen bestehen (Art. 9 Abs. 3 der Statusrichtlinie).
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die „begründete Furcht vor Verfolgung“. Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiverweise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine „Verfolgungsgefahr“, wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorherigen Aufenthalts zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende bzw. pro futuro zu erwartende Verfolgungsgefahr dar.
Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als „Verfolgung“ im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (vgl. Art. 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie). Ob dies der Fall ist, haben die Asylbehörde bzw. das BVwG im Einzelfall zu prüfen und in einer die nachprüfende Kontrolle ermöglichenden Begründung darzulegen (vgl. VwGH 16.12.2021, Ra 2021/18/0387, mwN).
Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist also, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht (vgl. VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn der Asylwerber daher im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, ob er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des Verwaltungsgerichts) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 03.09.2021, Ra 2021/14/0108, mwN).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 18.03.2021, Ra 2020/18/0450, mwN).
3.3.1. Gemäß Art. 10 Abs. 1 lit. d der Statusrichtlinie gilt eine Gruppe insbesondere dann als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn einerseits die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und andererseits die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird.
Der BF kann weder sein Geburtsdatum noch den Umstand, dass er ein uneheliches Kind ist, ändern. Daraus resultiert, dass sich der BF nicht im Hukou eintragen lassen kann. Wie festgestellt, handelt es sich bei der chinesischen Gesellschaft um ein konservatives patriarchalisches System indem Personen ohne Hukou-Eintragung als Bürger zweiter Klasse angesehen werden. Der BF hat sohin das Merkmal „unehelich, nach dem 01.01.2016 geboren zu sein und daher nicht Hukou-eintragungsfähig zu sein“ mit anderen Mitgliedern seiner sozialen Gruppe gemein und wird von der umgebenden Gesellschaft als andersartig, nämlich aufgrund der fehlenden Hukou-Eintragung als Bürger zweiter Klasse angesehen.
UNHCR hielt dazu fest, dass „Kinder, die unter Missachtung einer vorgeschriebenen Familienplanungspolitik oder in unerlaubten ehelichen Gemeinschaften geboren werden“ eine soziale Gruppe begründen (UNHCR, RICHTLINIEN ZUM INTERNATIONALEN SCHUTZ: Asylanträge von Kindern im Zusammenhang mit Artikel 1 (A) 2 und 1 (F) des Abkommens von 1951 bzw. des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, 22.12.2009, Rz. 50).
Der BF gehört sohin der sozialen Gruppe der „unehelichen, im Ausland nach dem 01.01.2016 geborenen Kinder“ an.
3.3.2. Aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe des BF wird diesem – wie festgestellt – von der Volksrepublik China die Eintragung in das Hukou verwehrt. Aufgrund dieser Nicht-Eintragung hat der BF gravierende soziale und wirtschaftliche Benachteiligungen zu erdulden, die einer massiven Bedrohung der Lebensgrundlage gleichgestellt sind.
Nach ständiger Rechtsprechung sind Benachteiligungen auf sozialem, wirtschaftlichem oder religiösem Gebiet, sofern sie aus asylrelevanten Motiven erfolgen, für die Bejahung der Flüchtlingseigenschaft dann ausreichend, wenn sie eine solche Intensität erreichen, die einen weiteren Verbleib des Asylwerbers in seinem Heimatland unerträglich machen, wobei bei der Beurteilung dieser Frage ein objektiver Maßstab anzulegen ist (vgl. VwGH 22.06.1994, 93/01/0443). Ein völliger Entzug der Lebensgrundlage stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine solche Intensität dar, womit diesem Asylrelevanz zukommen kann (VwGH 24.03.1999, 98/01/0380; 13.05.1998, 97/01/0099). Daraus ergibt sich, dass ein wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Nachteil grundsätzlich als Verfolgung zu qualifizieren sein wird, wenn durch das Vorliegen des Nachteils die Lebensgrundlage massiv bedroht ist.
Art. 9 der Statusrichtlinie zufolge können zwar „bloße“ Diskriminierungen in der Regel noch nicht als Verfolgung angesehen werden, weil eine Handlung lediglich dann als Verfolgungshandlung anzusehen ist, wenn sie aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend ist, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 der EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder eine Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen vorliegt, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist. Allgemeine Benachteiligungen, wie etwa allgemeine Geringschätzung durch die Bevölkerung, Schikanen, gewisse Behinderungen in der Öffentlichkeit, sind hinzunehmen (vgl. VwGH 07.11.1995, 95/20/0080; 23.05.1995, 94/20/0808). Jedoch ist eben eine stetige und anhaltende Diskriminierung durch ihre Kumulierung in der Regel als Verfolgung zu werten. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Diskriminierungsmaßnahmen Konsequenzen mit sich bringen, welche den Betroffenen in hohem Maße benachteiligen würden, etwa die ernstliche Einschränkung des Rechts, den Lebensunterhalt zu verdienen oder die Verhinderung des Zugangs zu üblicherweise verfügbaren Bildungseinrichtungen (BVwG 30.08.2023, L508 2256065-1/3E, mwN).
Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass – wie vorangehend dargelegt – eine asylrelevante Verfolgung unter den sonstigen Voraussetzungen auch dann vorliegen kann, wenn es durch einzelne Maßnahmen in Summe zu einem Entzug der Lebensgrundlage des Betroffenen kommt (zB. VwGH 17.09.2003, 2000/20/0535; 22.05.1996, 95/01/0305; 24.11.1999, 98/01/0652; 24.03.1999, 98/01/0380; 17.06.1992, 91/01/0207).
Die Intensität der dem BF im Herkunftsstaat drohenden Diskriminierungen wurden bereits vom BFA richtigerweise als ausreichend eingestuft, um die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu begründen. Wie festgestellt – resultiert aus der Verwehrung der Eintragung in das Hukou für den BF im Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.
Nach ständiger Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofs sind bei der Behandlung von Anträgen auf internationalen Schutz von Minderjährigen, unabhängig davon, ob diese unbegleitet sind oder gemeinsam mit ihren Eltern oder anderen Angehörigen leben, zur Beurteilung der Sicherheitslage einschlägige Herkunftsländerinformationen, in die auch die Erfahrungen in Bezug auf Kinder Eingang finden, bei entsprechend schlechter, volatiler allgemeiner Sicherheitslage jedenfalls erforderlich (vgl. UNHCR, Richtlinien zum Internationalen Schutz: Asylanträge von Kindern im Zusammenhang mit Artikel 1 [A] 2 und 1 [F] des Abkommens von 1951 bzw des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, 22.12.2009, Rz. 74). Bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte in den Herkunftsländerinformationen hat sich das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich mit der Situation von Minderjährigen auseinanderzusetzen. Dementsprechend hat der Verfassungsgerichtshof wiederholt hervorgehoben, welche Bedeutung die Länderfeststellungen im Hinblick auf Minderjährige haben (vgl. zB. VfGH 09.06.2017, E484/2017 ua; 11.10.2017, E1803/2017 ua; 25.09.2018, E1463/2018 ua; 26.02.2019, E3837/2018 ua; 13.03.2019, E1480/2018 ua; 26.06.2019, E2838/2018 ua, E5061/2018 ua und E1846/2019 ua; 26.06.2020, E810/2020 ua; 24.11.2020, E3039/2020 ua).
Bei der Beurteilung der Intensität von Verfolgungshandlungen ist zudem auf die Minderjährigkeit eines Asylwerbers Rücksicht zu nehmen (vgl. zB. VwGH 26.06.1996, 95/20/0427; 15.03.2016, Ra 2015/19/0180, mwN).
Gemäß Übereinkommen über die Rechte des Kindes (BGBl. Nr. 7/1993 idF BGBl. Nr. 437/1993), im Folgenden UN-Kinderrechtskonvention, kommt jedem Kind das Recht auf Leistungen der sozialen Sicherheit einschließlich der Sozialversicherung (Art. 26 Abs. 1 leg.cit .), das Recht auf einen der körperlichen, geistigen, seelischen, sittlichen und sozialen Entwicklung angemessenen Lebensstandard (Art. 27 Abs. 1 leg.cit .) sowie das Recht auf Bildung (Art. 28 Abs. 1 leg.cit .) zu. Diese Rechte kommen dem BF mangels Eintragung in das Hukou nicht zu.
Das Wohl des Kindes ist von Gerichten bei Maßnahmen, die Kinder betreffen, vorrangig zu berücksichtigen (Art. 3 UN-Kinderrechtskonvention; Art. 1 Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern, BGBl. I Nr. 4/2011, im Folgenden BVG Kinderrechte). Der Grundsatz des Kindeswohls verlangt, dass die Schädigung aus der Sicht des Kindes beurteilt wird. Dabei ist auch zu prüfen, inwieweit die Rechte oder Interessen des Kindes beeinträchtigt sind oder sein werden. Misshandlung, die im Fall eines Erwachsenen nicht das Ausmaß von Verfolgung erreicht, kann im Fall eines Kindes durchaus Verfolgung bedeuten. Diskriminierung kann in bestimmten Situationen Verfolgung gleichkommen, wenn die befürchtete oder erlittene Behandlung Konsequenzen haben könnte, die das betroffene Kind in substantiellem Maße benachteiligen würden. Kinder in einer vielleicht als unüblich angesehenen familiären Situation, einschließlich zum Beispiel uneheliche, unter Verletzung familienpolitischer Zwangsvorschriften oder infolge einer Vergewaltigung geborene Kinder, können Misshandlung und massiver Diskriminierung ausgesetzt sein (vgl. UNHCR, Richtlinien zum Internationalen Schutz: Asylanträge von Kindern im Zusammenhang mit Artikel 1 [A] 2 und 1 [F] des Abkommens von 1951 bzw des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, 22.12.2009, Rz. 10ff).
Die sozioökonomischen Bedürfnisse von Kindern sind oft zwingender als die von Erwachsenen, insbesondere wegen ihrer Abhängigkeit von Erwachsenen und ihrer besonderen Entwicklungsbedürfnisse. Daher kann das Vorenthalten wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte für die Beurteilung des Antrags eines Kindes ebenso relevant sein wie die Verweigerung bürgerlicher und politischer Rechte. Es ist wichtig, nicht bestimmten Verletzungen automatisch mehr Bedeutung beizumessen als anderen, sondern die Auswirkungen eines Schadens für das Kind in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. Die Verletzung eines Rechts kann oft mit weiteren Nachteilen für das Kind einhergehen; so kann zum Beispiel die Verweigerung des Rechts auf Bildung oder auf einen angemessenen Lebensstandard das Risiko erhöhen, andere Formen der Schädigung, einschließlich Gewalt und Missbrauch, zu erleiden (vgl. UNHCR, Richtlinien zum Internationalen Schutz: Asylanträge von Kindern im Zusammenhang mit Artikel 1 [A] 2 und 1 [F] des Abkommens von 1951 bzw des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, 22.12.2009, Rz. 14)
Insbesondere unter Berücksichtigung des Kindeswohls und des jungen Alters des BF führen die aus der fehlenden Registrierung in das Hukou resultierenden diskriminierenden Maßnahmen durch die Volksrepublik China jedenfalls in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte des Betroffenen. Im gegenständlichen Fall stehen die dem BF im Herkunftsstaat drohenden Diskriminierungen in direktem Zusammenhang mit der Zugehörigkeit des BF zur sozialen Gruppe der „unehelichen, im Ausland nach dem 01.01.2016 geborenen Kinder“ und stellen demnach eine Verfolgung iSd Art. 9 Abs. 1 lit. b iVm Art. 9 Abs. 2 lit. b der Statusrichtlinie dar. Es liegt sohin eine asylrelevante Verfolgung des BF aufgrund eines GFK-Grundes in seinem Herkunftsstaat vor.
Eine Inanspruchnahme des Schutzes durch die Volksrepublik China ist für den BF schon deswegen auszuschließen, weil die Verfolgung gerade von dieser ausgeht. Eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht nicht, weil die diesbezüglichen gesetzlichen Normen für das gesamte Staatsgebiet der Volksrepublik China gelten.
Da auch keine Hinweise auf das Vorliegen von Endigungs- oder Ausschlussgründen vorliegen, ist dem BF gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem betroffenen Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Aufgrund der am 20.10.2017 erfolgten Antragstellung kommt dem Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 4 iVm § 75 Abs. 24 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu, die drei Jahre gilt.
3.4. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts Anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
Im vorliegenden Beschwerdefall ergibt sich bereits aus dem Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes und dem Vorbringen des BF während des erstinstanzlichen Verfahrens, dass ihm der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist. Die mündliche Erörterung lässt daher eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher unterbleiben.
Zu B)
3.5. Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 1985/10 idgF (VwGG), hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idgF ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Hiebei ist einerseits darauf zu verweisen, dass der gegenständliche Fall ohnedies maßgeblich auf der Tatsachenebene zu beurteilen war. Im Übrigen weicht das Erkenntnis anderseits nicht von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ab bzw. ist die Rechtslage eindeutig.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
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