AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W150.2159588.2.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. KLEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geb. XXXX .1998, StA. Afghanistan, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, FN 525828b, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 01.09.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird bezüglich Spruchpunkt I. als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX , geb. geb. XXXX .1998, gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 05.01.2024 erteilt.
IV. Der Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden auch: „BF“) reiste spätestens am 08.01.2016 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte an diesem Tage einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, dass es in Afghanistan keine Sicherheit gebe. Die Familie des BF habe entschieden nach Europa zu gehen und der Beschwerdeführer sei einfach mitgegangen. Niemand in der Familie wäre jemals bedroht worden. Der Vater hätte ein Autogeschäft gehabt und es sei allen Mitgliedern der Familie gut gegangen.
2. Am 15.04.2016 fand eine Befragung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden auch: „BFA“ oder „belangte Behörde“) statt. Der BF gab an, wonach seine Eltern und Geschwister in Afghanistan leben würden. Sein Vater besitze zwei Häuser in XXXX und ein Bekleidungsgeschäft. Des Weiteren hätten seine Eltern Felder und eine Landwirtschaft geerbt. Der Beschwerdeführer sei regelmäßig mit seiner Familie in XXXX in telefonischem Kontakt. Der BF schilderte, von unbekannten Männern mit einem Messer bedroht worden zu sein. Bei diesem Vorfall wäre er verletzt und die Tageslosung des Bekleidungsgeschäftes wie auch sein Handy gestohlen worden. Ungefähr zwei Monate später hätten zwei bis drei Männer versucht, ihn zu entführen. Der Beschwerdeführer gab Weiters an, demzufolge seine Familie nicht aufgrund dieser Vorfälle das Land verlassen hätte, sondern vielmehr, da Deutschland die Grenzen geöffnet habe und dort alle Flüchtlinge willkommen seien. Der Vater des Beschwerdeführers hätte die Entscheidung getroffen, Afghanistan aus wirtschaftlichen Gründen zu verlassen und der BF sei schlichtweg mitgekommen.
3. Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 31.05.2016, Zl. 16- XXXX , setzte das BFA das Verfahren hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß §§ 3 Abs. 1 iVm 2Abs. 1 Z 13 AsylG, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, bis zur Klärung der Vorfrage gemäß § 38 AVG aus.
4. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer vom LG INNSBRUCK am 18.08.2016, Zl. 027 HV 72/2016y, wegen des Verbrechens des § 201 Abs. 1 und 2 StGB (Vergewaltigung) und des Vergehens gemäß § 107 Abs. 1 und 2 StGB (gefährliche Drohung) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von sieben Jahren rechtskräftig verurteilt.
Als erschwerend wurden hiebei wörtlich „die besonders brutale Vorgangsweise, der Einsatz der Tatmittel der Gewalt und der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben sowie die Vollziehung sowohl des Vaginal- als auch des Anal- und Oralverkehrs“ ebenso gewertet, wie das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen.
Der Milderungsgrund des Einräumens möglicher Delinquenz in Verbindung mit Reue, welcher neben dem Alter von unter 21 Jahren, der unterstellten Unbescholtenheit und der zum Tatzeitpunkt alkoholbedingt als eingeschränkt gewerteten Zurechnungsfähigkeit, wurde seitens des vom BF am Rechtsmittelweg angerufenen OLG INNSBRUCK, in seinem Urteil vom 21.12.2016, Zl. 6 Bs 326/16s, als unzutreffend korrigiert, zumal die seitens des Beschwerdeführers rechtfertigend behauptete starke Alkoholisierung in casu ebenso definitiv ausgeschlossen werden könne, wie der daraus resultierende angebliche Erinnerungsverlust (vgl. Seite 242 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).
5. Mit Bescheid vom 10.05.2017, Zl. XXXX , wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte es dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen diesen eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, wonach seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Zugleich stellte das Bundesamt fest, demzufolge der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 03.03.2016 verloren habe (Spruchpunkt IV.) und verhängte über selbigen ein unbefristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt V.). Die Behörde stellte fest, wonach keine Frist für eine freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.) und erkannte der Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII).
6. Gegen den Bescheid des Bundesamtes erhob der BF, mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 26.05.2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden auch: „BVwG“). Begründend führte er im Wesentlichen aus, wonach er Afghanistan aus wohlbegründeter Furcht verlassen habe, zumal er in Afghanistan von maskierten Männern überfallen und dabei am Oberschenkel mit einem Messer verletzt sowie ausgeraubt worden wäre. Der Beschwerdeführer sei dann erneut von unbekannten Männern angegriffen worden, die auch versucht hätten, ihn zu entführen. Im Falle einer Rückkehr wäre das Leben des BF aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage und der individuellen Situation in Afghanistan gefährdet. Seine Abschiebung sei zudem unzulässig, da eine Abschiebung Art. 2 und Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) verletzten würde.
7. Mit Erkenntnis des BVwG vom 06.06.2017, W252 2159588-1/2E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen.
Zum Antrag auf Asyl hielt das BVwG in der rechtlichen Begründung zusammenfassend fest, demzufolge der Beschwerdeführer nicht aufgrund einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, sondern vielmehr – wie auch in weiterer Folge alle anderen seiner Kernfamilienmitglieder, welche aufgrund der von Deutschlands Bundeskanzlerin Merkel geöffneten Landesgrenzen aus Afghanistan Richtung Mitteleuropa ausgereist wären, um ein besseres Leben führen zu können – aus rein wirtschaftlichen Motiven heraus sein Heimatland verlassen habe.
Hinsichtlich des Antrags auf subsidiären Schutz wies das BVwG darauf hin, wonach dem BF – unter Berücksichtigung der Länderberichte, seiner persönlichen Lebensumstände und der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan – eine innerstaatliche Fluchtalternative in MAZAR-E SHARIF zumutbar sei.
Die ordnungsgemäß zugestellte Entscheidung erwuchs in weiterer Folge in Rechtskraft.
8. Am 15.07.2020 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der aufrechten Strafhaft den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Zur Begründung seiner Folgeantragstellung verwies der BF im Rahmen seiner Ersteinvernahme auf seine am 23.06.2020 erfolgte Taufe. Daraus resultierend würde nunmehr in Afghanistan die Todesstrafe auf ihn warten. Seine ursprünglich im ersten Rechtsgang ins Treffen geführten Fluchtgründe halte er weiterhin aufrecht; „sonst habe ich keine Gründe“ (Seite 32 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Im Falle seiner Rückführung befürchte der Beschwerdeführer hingerichtet zu werden. Als Beweismittel legte er seinen Taufschein vor.
9. Im Rahmen der in weiterer Folge am 20.08.2020 vor der belangten Behörde durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme brachte der BF, auf die Frage, warum er einen neuerlichen Asylantrag stelle, vor, demzufolge er seine Religion geändert habe. Ursprünglich gebürtiger Moslem, gehöre er nunmehr auch offiziell dem Christentum an.
Anlässlich seiner Ersteinvernahme wäre er zudem gestresst gewesen und „habe nicht gut aufgepasst“ (Seite 83 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes), weshalb er versehentlich seine Schulbildung mit zwölf Jahren beziffert hätte, anstatt mit neun. Eigentlich könne er weder gut schreiben noch lesen, dennoch sei es ihm mittlerweile gelungen, erfolgreich ein A1-Zertifikat zu erwerben, welches er nunmehr als Beweismittel für seine Integrationsbemühungen vorlege.
Uneingeschränkt gesund, habe der BF – abgesehen von der zuvor gemachten Einschränkung – im Verfahren bisher immer stets die Wahrheit gesagt.
Ausschlaggebend für seine gegenständliche Folgeantragstellung aus dem Stande der Strafhaft wäre seine eingangs erwähnte Zuwendung zur christlichen Religion. Bereits in Afghanistan „war ich müde von meinem alten Glauben, vom Islam“ (Seite 85 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Die in dessen Rahmen idealisierten Elemente von Mord und Gewalt hätten ihn schon in seinem Heimatland abgestoßen, weshalb „ich kein Muslim mehr sein wollte“ (Seite 85 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Noch vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsland „habe ich mich für das Christentum interessiert, aber nicht die Möglichkeit gehabt, meinen Glauben zu wechseln (Seite 85 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).“ Erst in Österreich sei ihm in der Strafhaftanstalt endlich die Möglichkeit eröffnet worden, seinem starken inneren Bedürfnis auch in der Praxis folgen zu können – eine Option, die ihm noch in Freiheit befindlich und vor Begehung seiner Straftat mangels Zugang zu geeignet scheinenden Helfern als nicht erreichbar erschienen wäre. Während im Islam der Name Gottes dazu missbraucht werde, um zu morden und Krieg zu führen, sei dies im Christentum in wohltuender Weise anders. „Ich habe Gott gesucht und habe Gott jetzt gefunden. Das war es“ (Seite 87 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).
Konkret hätte sich der Genannte, wie bereits erwähnt, schon in Afghanistan für das Christentum interessiert, aber erst in der Haftanstalt wäre ihm durch einen Freund die Möglichkeit eröffnet worden, die Glaubensinhalte näher zu studieren. Jener Freund habe ihn Unterlagen in Form von vier Zetteln überreicht, in denen auszugsweise das Wirken Jesu wiedergegeben gewesen sei. „Die werden evangelische Zettel genannt“ (Seite 87 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).
Wenngleich sich dieses prägende Ereignis im Jahre 2018 zugetragen hätte, welches im Ergebnis seinen Wunsch nach Konversion zum Christentum zusätzlich bekräftigt habe, so „habe ich auch in Afghanistan vorgehabt, dass ich nach Europa komme und meinen Glauben wechsle“ (Seite 87 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Besonders angesprochen an der christlichen Glaubenslehre hätte ihn dabei das Prinzip der Vergebung der Sünden. Aufgrund dieses zentralen Elements sei die Wahl des Beschwerdeführers endgültig auf das Christentum gefallen; von der islamischen Religion habe er sich schon lange davor in seiner Heimat endgültig abgewandt. So hätte er sich auch gegen den Willen seines Vaters geweigert, die Moschee zu besuchen und trete erschwerend hinzu, dass der Koran ausschließlich auf Arabisch verfasst und somit für den Genannten unverständlich sei; „es gibt in ganz Afghanistan keinen Koran auf Dari, den man verstehen kann“ (Seite 91 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).
Im ersten Rechtsgang wäre sein Abfall vom muslimischen Glauben und seine Zuwendung zum Christentum seinerseits nur deshalb nie erwähnt worden, da der BF „ängstlich“ gewesen sei und nicht gewusst habe, „was ich bei der Einvernahme sagen sollte“ (Seite 89 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).
Aktiv begonnen, die Kirche zu besuchen, hätte er erst nach seiner Inhaftierung im Strafvollzug ab Juni 2018; davor habe ihn die Anwesenheit vieler Landsleute abgeschreckt. So sei es ihm ursprünglich seit seiner Einreise ins Bundesgebiet im Jänner 2016 angesichts seiner Angst und seinen mangelnden Sprachkenntnissen nicht gelungen, einen Zugang zu der seinerseits noch in der Heimat favorisierten Religion zu finden. „Ich wusste nicht, wie ich zum Christentum komme“ (Seite 89 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).
Obgleich er weder in Dari noch in Deutsch gut lesen könne, studiere er anhand eines in seinem Besitz befindlichen zweisprachigen Bibelexemplars die wesentlichen Glaubensinhalte seiner neuen religiösen Überzeugung. Auch wenn das gesamte Buch insgesamt äußerst interessant und lehrreich wäre, so würden den Beschwerdeführer doch ganz besonders jene Stellen ansprechen, in denen Jesus Wunder vollbracht und Sündern ihre Verfehlungen vergeben habe.
Seine christliche Überzeugung steigere generell sein Wohlbefinden im Vergleich zu früher und besuche der BF auch regelmäßig die Heilige Messe. Daneben fühle er sich der „Lege Maria“ (sic! – vgl. Seite 91 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes) sehr verbunden und nehme an deren Veranstaltungen teil. Zudem versuche der Priester in der Haftanstalt, die Glaubensinhalte zu erklären. Wenngleich er die auf Deutsch vorgetragenen Passagen der Messen bloß in Teilen verstehe, bemühe sich der Beschwerdeführer auch den Rest inhaltlich zu erfassen.
Abschließend „gebe ich zu, dass ich einen Fehler gemacht habe“ (Seite 93 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes), jedoch ersuche der Beschwerdeführer dennoch darum, weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen. Nach seiner Entlassung aus der Strafhaft wolle er sich um Integration bemühen und anpassen.
Als Beweismittel wurden unter einem vorgelegt:
Taufschein der Pfarre XXXX , datiert vom XXXX .2020;
ÖSD Zertifikat A1, Note „bestanden“, datiert vom XXXX .2018;
Therapiebestätigung „Forensische Einzeltherapie“ der JA XXXX , datiert vom 04.10.2019;Therapiebestätigung „Alkoholmodul“ der JA XXXX , datiert vom XXXX .2018;
Empfehlungsschreiben des Gefangenenseelsorgers der JA XXXX , datiert vom XXXX .2020.
10. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten sowie der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I. und II.). Unter einem wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.).
11. Gegen diese Entscheidung erhob der rechtsfreundlich vertretene BF fristgerecht Beschwerde und brachte zusammenfassend vor, demzufolge es ihm keineswegs, wie seitens der belangten Behörde begründend ausgeführt, an einer inneren Überzeugung hinsichtlich des Christentums mangle, was auch der als Beweismittel beigelegten Stellungnahme des Gefängnisseelsorgers zu entnehmen sei. Die Erstinstanz hätte insgesamt zu wenig den Umstand berücksichtigt, wonach der Beschwerdeführer schlichtweg aus mangelnden Deutsch- wie auch Lesekenntnissen heraus gewisse religiöse Themenkreise nicht verstehe. Wichtiger als das Wissen um konkrete Glaubensinhalte wären aber ohnehin die treibenden Beweggründe, welche hinter dem Religionswechsel vom Islam zum Christentum stehen würden. Die Einschätzung des Bundesamtes, laut welcher es sich in der Person des BF in Wahrheit um einen Scheinkonvertiten handle, welcher sowohl die wöchentlichen Messebesuche wie auch die Taufe als reine Formalakte interpretieren und obendrein den Gefängnisseelsorger in Bezug auf seine wahre Motivation täuschen würde, sei verfehlt. Insgesamt wäre diese Beweiswürdigung im Ergebnis nicht nachvollziehbar und daher korrekturbedürftig. Ebenso vertrete die Erstinstanz in ihrer Sichtweise unzulässigerweise den Standpunkt, demzufolge es sich bei dem nunmehr ins Treffen geführten Sachverhalt des Übertritts zum Christentum um keinen neuen Sachverhalt handle, zumal der Genannte zwischenzeitlich offiziell getauft worden sei. Im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan müsse der BF mit massiven Verfolgungshandlungen rechnen.
Es wurde daher beantragt1. den Antrag des BF auf internationalen Schutz einer inhaltlichen Prüfung zu unterziehen;2. in eventu den angefochtenen Bescheid der Erstbehörde zu beheben und zur inhaltlichen Entscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen;3. eine mündliche Verhandlung gem. § 24 Abs. 1 VwGVG anzuberaumen (unter Ladung eines Dolmetschers der Sprache Dari).
Dem Schriftsatz beigelegt war ein Schreiben des Gefangenenseelsorgers, datiert vom XXXX .2020. Darin bestätigt der Verfasser die aktive Teilnahme des BF an den wöchentlich in der Haftanstalt abgehaltenen Heiligen Messe seit Juni 2018 und der damit parallel – ebenfalls im selben Monat und Jahr begonnenen sowie im Wochenrhythmus abgehaltenen – Taufvorbereitung (Katechese). Der Beschwerdeführer hätte sich hiebei „freundlich und interessiert“ gezeigt, wenngleich dieser keine abgeschlossene Schulbildung und einen Mangel am Deutschkenntnissen aufweisen würde. Er sei aber bemüht, letztere zu verbessern und sich zu integrieren. Bei einer künftigen Wohnungssuche würde die katholische Seelsorge in seinem Fall nach erfolgter Verbüßung der Strafhaft ebenso Hilfestellung leisten wollen, wie auch bei der Suche nach Arbeit. Positiv angemerkt wurde auch die Mitarbeit des Genannten im Rahmen der einmal pro Woche stattfindenden „Legion Mariens“ – Apostolatsgruppe. Dies werde seitens des Gefängnisseelsorgers als „sehr intensive Auseinandersetzung mit dem Glauben der römisch-katholischen Kirche“ und deren Praxis interpretiert. Zudem würde es der Verfasser des Schreibens ausdrücklich begrüßen, wenn sein Schützling in Österreich bleiben dürfte, zumal dieser seinen Fehler einsehe, sein Leben „total geändert“ hätte und außerdem dessen Schwester mit ihrer Familie auch in WIEN leben würde.
12. Mit Schriftsatz vom 13.11.2020 erstattete der BF über seine rechtsfreundliche Vertretung eine als „Nachtrag“ bezeichnete Beschwerdeergänzung. Darin wolle er „folgende Sachen klarstellen:“ So würden sowohl seine Schwester als auch sein Cousin mittlerweile in WIEN leben und hätten ihn diese auch schon in der Haftanstalt besucht. Der Umstand, dass er anlässlich seiner Asylantragstellung als Religionszugehörigkeit „Moslem“ angegeben habe, sei nicht gleichzusetzen mit einer inneren Überzeugung. Vielmehr hätte er nur seine offizielle Konfession genannt, ähnlich einem Taufscheinchristen hierzulande, der in Wahrheit gar nicht religiös wäre. Tatsächlich habe der Beschwerdeführer nicht zuletzt auch aufgrund der religiösen Zwänge des Scharia-Islams Afghanistan verlassen. Wie bereits vorgebracht, hätte der Genannte aus Angst vor anderen Moslems erst in der Strafhaft über einen Seelsorger den Mut gefunden, sich aktiv dem Christentum anzunähern. Die Tatsache, derzufolge er nicht in der Lage sei, mit Bibeldetails aufzuwarten, wäre nicht dazu geeignet, Rückschlüsse in Bezug auf seine Glaubensüberzeugung zu ziehen; dies könne sein Seelsorger zweifellos besser beurteilen als jemand der ihn nicht kenne. Sein Glaubensübertritt stelle kein gesteigertes Vorbringen, sondern vielmehr einen neuen Sachverhalt dar. So hätte er nie behauptet, in Afghanistan einer gezielten individuellen Verfolgung ausgesetzt zu sein, jedoch wäre er nunmehr im Falle einer Rückkehr von der Todesstrafe bedroht, wenn bekannt würde, dass er zwischenzeitlich zum Christentum konvertiert sei. Dies wolle er gerne in einer mündlichen Verhandlung im Detail näher darlegen.
13. In weiterer Folge übermittelte der Beschwerdeführer am 17.11.2020 über seine rechtsfreundliche Vertretung eine schriftliche Stellungnahme einer Mitarbeiterin des XXXX , in welcher dem BF seine Teilnahme an einem einmonatigen Programm zur Erarbeitung beruflicher Perspektiven nach seiner Entlassung aus der Strafhaft bestätigt wird. Selbiger hätte im Verlauf dieses Projekts seine Bereitschaft zur Erweiterung seiner Deutschkenntnisse und Computerfertigkeiten bekundet. Insgesamt habe man den Genannten „als sehr engagierten jungen Mann“ erlebt.
14. Am 15.04.2021 erreichte das BVwG im Rahmen eines als „Urkundenvorlage“ bezeichneten Schriftsatzes ein Schreiben der aktuell in Österreich lebenden Schwester des Beschwerdeführers. Darin schildert diese, demzufolge der BF schon in Afghanistan den Islam „ablehnte und zu entkommen versuchte.“ Für die nach wie vor in Afghanistan lebende Familie, konkret Vater, Onkel und Bruder, würde der Beschwerdeführer hingegen nunmehr als Verräter und „Schande“ betrachtet werden. Eine Rückkehr in sein Heimatland wäre für diesen daher sehr gefährlich, da nach der Scharia die Todesstrafe für den Wechsel vom Islam zu einer anderen Religion vorgesehen sei – eine Vorgangsweise, die von den vor Ort lebenden Angehörigen vermeintlich begrüßt werden würde. Deshalb ersuche die Verfasserin des Briefes darum, ihren Bruder weiterhin in Österreich zu belassen.
15. In weiterer Folge beantragte der BF mit Schreiben vom 15.07.2021 die Bewilligung einer Verfahrenshilfe für das Beschwerdeverfahren.
Mit Beschluss des BVwG vom 29.07.2021, Zl. W150 2159588-2/13Z, wurde selbiger Antrag abgewiesen.
16. Mit Schreiben vom 26.07.2021 übermittelte der Beschwerdeführer ein Empfehlungsschreiben eines ehrenamtlich in der JA XXXX seelsorgerisch tätigen Privaten. Inhaltlich wurde auf dessen gepflegtes Erscheinungsbild und einwandfreies Benehmen verwiesen und der persönlichen Überzeugung des Verfassers, derzufolge sich der BF im Falle der Asylgewährung „weiter gut in die Gesellschaft integrieren wird.“
17. Am 03.08.2021 fand vor dem BVwG im Beisein eines Dolmetschers für DARI, des Beschwerdeführers, dessen rechtsfreundlichen Vertretung, zweier Zeugen und einer Vertreterin der belangten Behörde eine mündliche Verhandlung statt.
Uneingeschränkt gesund könne der BF alle an ihn gerichteten Fragen wahrheitskonform beantworten.
In XXXX als Angehöriger der tadschikischen Volksgruppe geboren und aufgewachsen, habe er in beiden Rechtsgängen stets die Wahrheit gesagt. „Dann bin ich leider ins Gefängnis gegangen“ (Seite 5 der Verhandlungsschrift vom 03.08.2021) – ein Umstand, der primär auf übermäßigen Alkoholkonsum zurückzuführen sei, obwohl er bloß „ein gutes normales Leben haben wollte“ (Seite 5 der Verhandlungsschrift vom 03.08.2021).
Erst ab dem Jahr 2018 hätte der Beschwerdeführer begonnen, sich für das Christentum zu interessieren. Konfrontiert mit seiner Aussage vom 20.08.2020, derzufolge er sich bereits in Afghanistan für das Christentum interessiert und vorgehabt hätte, in Europa die Religion zu wechseln, bestritt der BF vehement, jemals ein derartiges Vorbringen erstattet zu haben. Wenngleich in eine muslimische Familie hineingeboren, habe er selbst nie eine Religion gehabt. Die anderslautenden Passagen früherer Protokolle und Niederschriften wären vermutlich Fehler der involvierten Dolmetscher gewesen.
Seit seinem Konfessionswechsel hätte sich sein Leben zum Positiven geändert. So wäre er früher von seinem Vater dazu gezwungen worden, den Koran zu lesen, was er jedoch aufgrund seiner Leseschwäche nur mit Schwierigkeiten zu bewerkstelligen vermocht habe. Zudem hätte sich der Beschwerdeführer in der Moschee als Kind vor den Gelehrten mit ihren schwarzen Haaren, dunklen Augen und langen Bärten gefürchtet. „Das ist jetzt anders“ (Seite 8 der Verhandlungsschrift vom 03.08.2021). Seine Lieblingsstelle in der Bibel sei jene, in der Jesus den Sündern ihre Untaten vergebe. Auch das „Vater unser“ gefalle ihm sehr, ebenso wie die zehn Gebote.
In Österreich habe er begonnen Alkohol zu trinken, was auch die Ursache für seine Straftaten gewesen wäre; Schweinefleisch esse er seit seiner Inhaftierung „auch immer ohne Unterbrechung“ (Seite 9 der Verhandlungsschrift vom 03.08.2021). Den Konsum von Alkohol versuche er demgegenüber immerhin insoweit einzuschränken, als dass er dadurch nicht die Kontrolle über sein Handeln verliere. Auf Vorhalt, demzufolge er in der Haftanstalt ausschließlich muslimisch rituelle Halalkost zum Essen bestelle, bestritt der Genannte dies jemals selbst veranlasst zu haben; vielmehr wäre dies automatisch von den Verantwortlichen der Haftanstalt so eingeteilt worden, er habe es lediglich nicht aktiv ändern lassen.
In Afghanistan würden neben seinen beiden Eltern auch noch drei Brüder und drei Schwestern leben sowie auch der Rest der gesamten Verwandtschaft, abgesehen von einer in Österreich lebenden Schwester, einem Cousin in der Schweiz und einem Onkel in Dänemark. Ein paar nicht näher genannte Angehörige würden zudem in Deutschland wohnen.
Selbst ledig und kinderlos habe er nur in seinem Herkunftsland einmal eine Freundin gehabt. Bildungsmäßig könne er nur auf eine bloß fünfjährige Schulbildung in seinem Herkunftsland verweisen; zudem hätte er die Ausbildung eines Erzeugers künstlicher Blumen absolviert, Berufspraxis aber dann als Kleidungshändler erworben. In Österreich habe der BF zudem in der Justizvollzugsanstalt ein A1 – Zertifikat erlangt.
Das Haus seiner Eltern verfüge über neun Zimmer auf insgesamt zwei Stockwerken.
Im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland befürchte der Beschwerdeführer die faktische Unmöglichkeit, seine neue Religion, die nunmehr alles für ihn bedeuten würde, in der Praxis ausüben zu können. Seit 2020 sei er auch Mitglied in der „Legion Mariens“. Mitinhaftierte Landsleute hätten ihn angekündigt, in Afghanistan dafür zur Rechenschaft ziehen zu wollen.
Auf die Frage nach dem nächsten christlichen Fest vermochte er das unmittelbar bevorstehende Hochfest Mariä Aufnahme in den Himmel (Mariä Himmelfahrt am 15. August) nicht zu nennen. Erst auf präzise Nachfrage zur Marienverehrung und damit verbundenen Festen konnte er zwei der insgesamt 16 röm.-kath. Marienfeste nennen: „Einer davon heißt auch der Mariafeiertag, das ist am 08.12. Im August ist der Feiertag von Maria.“ (Seite 13 der Verhandlungsschrift vom 03.08.2021).
Seine Straftat bereue er sehr und bete er zu Gott, dass sein Vergewaltigungsopfer „ihr Leben noch einmal in Griff bekommt“ (Seite 14 der Verhandlungsschrift vom 03.08.2021). Hinsichtlich seiner zweiten Straftat, aufgrund er ebenfalls rechtskräftig verurteilt worden ist, konkret jener der Morddrohung gegenüber einer weiteren Frau, könne sich der BF nicht erinnern, was seiner Ansicht nach vermutlich auf den seinerzeitigen übermäßigen Konsum von Alkohol zurückzuführen sei.
Im Rahmen der Beichte habe er einem Priester von seiner Straftat erzählt, dieser habe sodann zum lieben Gott gebetet „und damit meine ich, ist mir verziehen worden“ (Seite 15 der Verhandlungsschrift vom 03.08.2021).
Die fünf Voraussetzungen für eine gültige Beichte wären ihm aktuell – ebenso wie der Begriff der „Todsünde“ nicht erinnerlich, aber sei ihm durchaus bewusst, etwas Schlimmes getan zu haben, was er nunmehr bereuen würde.
Abschließend wolle er sich bei allen bedanken, insbesondere bei Jesus Christus für seine Errettung. Auch entschuldige er sich für seine Straftaten und beabsichtige in Hinkunft ein gesetzeskonformes Leben in Österreich zu führen.
Der als Zeuge nominierte Gefängnisseelsorger brachte vor, den Beschwerdeführer seit Juni 2018 zu kennen. Im Rahmen wöchentlicher Seelsorgeeinheiten hätte er diesen erstmalig gesehen. Zudem habe der BF über zwei Jahre hindurch an der wöchentlichen Katechese teilgenommen. Dies stelle eine intensive Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben dar. Auch sei dies aus seiner Sicht als ein Akt besonderen Mutes zu qualifizieren, zumal andere Muslime diesen Schritt nicht positiv bewerten würden.
Vor der Taufe des Beschwerdeführers wäre es nicht möglich gewesen, diesen zuvor beichten zu lassen, aber hätten dafür eine Einführung und Erklärung stattgefunden. Insgesamt habe man dann die Beichte schon einige Male vollzogen. Er sei subjektiv absolut davon überzeugt, dass der BF aus Überzeugung dem Christentum beigetreten wäre, denn ansonsten würde dieser wohl nicht so regelmäßig weiterhin an den wöchentlichen Zeremonien teilnehmen. Zudem habe er zu Beginn ausdrücklich darauf hingewiesen, wonach eine Konversion nicht zwangsläufig ein Bleiberecht bedeute. Ob oder inwieweit dieser aktuell noch muslimische Gebote einhalte, entziehe sich seiner Kenntnis.
Die ebenfalls als Zeugin geladene Schwester des Beschwerdeführers gab an, ein Monat vor diesem nach Österreich gekommen zu sein. Ihre weiterhin in Afghanistan lebende Familie, zu denen sie nach wie vor Kontakt habe, wisse von anderen zwischenzeitlich abgeschobenen ehemaligen Strafgefangenen vom Glaubenswechsel ihres Bruders, was vor allem ihrer Mutter große Sorgen bereiten würde. Innerhalb der Familie hätte sich diese Neuigkeit wie ein Lauffeuer verbreitet und würde der Mutter die Schuld für diesen als Schande empfundenen Schritt des BF gegeben werden.
Noch in Afghanistan habe sich ihr Bruder für das Christentum stark interessiert gezeigt, insbesondere während des Fastenmonats Ramadan, zumal er weder täglich beten noch das Fastenritual vollziehen hätte wollen, wie es etwa vom gemeinsamen Vater verlangt worden sei. Stattdessen hätte er es vorgezogen, regelmäßig heimlich zu essen und trinken. Zudem wären wiederholt seine Augen gerötet gewesen, wobei er zur selben Zeit aus dem Mund nach Alkohol gerochen habe.
Als Beweismittel wurde abschließend noch eine Bestätigung über die Teilnahme an einem 16-stündigen Erste Hilfe Grundkurs vorgelegt.
18. Mit Erkenntnis vom 23.08.2021, GZ. W150 2159588-2/23E, wies das BVwG die Beschwerde des BF in allen Punkten als unbegründet ab und erklärte die Revision als nicht zulässig. Begründend führte dabei das BVwG im Wesentlichen aus, dass
Es weder im gegenständlichen Verfahren hervorgekommen sei, noch es der Beschwerdeführer glaubhaft darzutun vermochte, wonach in der Zwischenzeit seit der Entscheidung des BVwG vom 06.06.2017 Umstände eingetreten wären, aufgrund derer dem BF in Afghanistan aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder ihm im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Der Beschwerdeführer sei jung, gesund und arbeitsfähig, sodass er im Herkunftsstaat zumindest durch einfache Arbeit das nötige Einkommen erzielen könnte, um sich eine Existenzgrundlage zu schaffen. Zudem könne er Rückkehrhilfe ebenso in Anspruch nehmen, wie sich der Unterstützung diverser Kernfamilienmitglieder wie Eltern, Bruder und weiterer Angehöriger wie etwa Onkeln und Cousins bedienen.
In Bezug auf die nunmehr im Zuge der gegenständlichen Folgeantragstellung erstmalig präsentierte Konversion zum Christentum sei aus nachstehenden Gründen auszuführen, wonach es sich hiebei um keinerlei nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Rechtsgangs neu entstandenen Sachverhalt (mit glaubhaften Kern) handle. In einer Zusammenschau erweise sich die anlässlich der Folgeantragstellung zentral in den Mittelpunkt des Vorbringens gestellte Zuwendung des Beschwerdeführers zum Christentum aus ehrlicher innerer Überzeugung nicht einmal ansatzweise als glaubhaft. Beim Übertritt des BF vom Islam zum Christentum handle es sich augenscheinlich um eine Scheinkonversion, welche rein aus taktischen Motiven heraus vorgenommen worden sei, um sich nach Verbüßung der aktuellen Strafhaft einer drohenden Abschiebung nach Afghanistan zu entziehen und der keinerlei tatsächliche Ergebenheit in Bezug auf die entsprechende christliche Lehre zugrunde liege.
Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sei sohin inhaltlich beizupflichten, demzufolge in casu kein neuer oder geänderter Sachverhalt mit glaubhaften Kern vorliege, welcher nach Abschluss des Erstverfahrens entstanden wäre.
Weiters verwies das BVwG feststellend bezüglich der Lage in Afghanistan auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes zu Afghanistan (Stand: 21.07.2020), also zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde.
Rechtlich wurde dazu ausgeführt, dass „Sache des Beschwerdeverfahrens“ vor dem BVwG die Frage sei, ob die seinerzeitige Zurückweisung zu Recht erfolgt sei. Das BVwG habe diesfalls zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt sei, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen früheren Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten sei. Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrags auf Grund geänderten Sachverhalts habe - von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen - im Beschwerdeverfahren nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen (vgl. VwGH 23.09.2020, Zl. Ra 2020/14/0175).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei als Vergleichsbescheid derjenige Bescheid heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. VwGH 15.11.2000, Zl. 2000/01/0184; VwGH 16.07.2003, Zl. 2000/01/0440; VwGH 26.07.2005, Zl. 2005/20/0226; VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0783; vgl. weiters Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E 104 zu § 68 AVG).
Im vorliegenden Fall sei hinsichtlich des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz den BF betreffend die Frage der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten als Vergleichsentscheidung das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.06.2017, W252 2159588-1/2E, heranzuziehen gewesen.
19. Dagegen erhob der BF innerhalb offener Frist Beschwerde an den VfGH und ao. Revision an den VwGH.
20. Der VfGH behob in weiterer Folge (E 3632/2021-16 v. 15.12.2021) das oben unter Punkt 18. genannte Erkenntnis des BVwG, insoweit es die Beschwerde gegen die Abweisung der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen hatte.
21. Mit Urteil des BG HOLLABRUNN vom 16.02.2022, 003 U 7/2022k, wurde der BF wegen des Vergehens nach § 83 Abs. 1 StGB (Körperverletzung) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von drei Monaten rechtskräftig verurteilt.
22. Der VwGH wies mit Beschluss vom 24.02.2022, Ra 2021/18/0336-14 die a.o. Revision des BF gegen die Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache, zurück, erklärte im Übrigen die Revision als gegenstandslos geworden und stellte das Verfahren ein.
23. Der BF wurde am 01.04.2022 vorzeitig aus der Strafhaft entlassen.
24. Am 28.04.2022 legte die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, FN 525828b, Vollmacht, einschließlich Zustellvollmacht vor.
25. Am 23.05.2022 legte der Bewährungshelfer des BF, Herr XXXX , Neustart, Vollmacht (ohne Zustellvollmacht) vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers/Asylfolgeantrag:
1.1.1. Der Beschwerdeführer ist ein afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an.
In XXXX geboren wuchs der BF dort gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern im afghanischen Familienverband im familieneigenen Haus auf. Er lebte dort bis zu seiner Ausreise.
Der Beschwerdeführer besuchte mehrere Jahre die Schule in seinem Herkunftsstaat und war anschließend als Verkäufer im familieneigenen Geschäft tätig.
Bereits wenige Wochen nach seiner illegalen Einreise ins Bundesgebiet beging der BF ein seitens der Strafgerichtbarkeit als besonders brutal und grausam gewertetes Verbrechen in Kombination mit einem Vergehen, in deren Verlauf zwei junge Frauen massiv geschädigt worden sind und aufgrund dessen der Genannte rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von sieben Jahren verurteilt worden ist.
1.1.2. Weder ist im gegenständlichen Verfahren hervorgekommen noch vermochte es der Beschwerdeführer glaubhaft darzutun, wonach in der Zwischenzeit seit der Entscheidung des BVwG vom 06.06.2017 Umstände eingetreten wären, aufgrund derer dem BF in Afghanistan aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder ihm im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Der Beschwerdeführer ist jung, gesund und arbeitsfähig, sodass er im Herkunftsstaat zumindest durch einfache Arbeit das nötige Einkommen erzielen könnte, um sich eine Existenzgrundlage zu schaffen. Zudem kann er Rückkehrhilfe ebenso in Anspruch nehmen, wie sich der Unterstützung diverser Kernfamilienmitglieder wie Eltern, Bruder und weiterer Angehöriger wie etwa Onkeln und Cousins bedienen.
1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat
1.2.1 Dazu wurde unter Heranziehung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation des Bundesamtes zu Afghanistan (Stand: 21.07.2020) im Bescheid festgestellt:
Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan, Stand 21.07.2020:
„Länderspezifische Anmerkungen
COVID-19:
Stand 21.7.2020
Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.
Aktueller Stand der COVID-19 Krise in Afghanistan
Berichten zufolge, haben sich in Afghanistan mehr als 35.000 Menschen mit COVID-19 angesteckt (WHO 20.7.2020; vgl. JHU 20.7.2020, OCHA 16.7.2020), mehr als 1.280 sind daran gestorben. Aufgrund der begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der begrenzten Testkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt zu wenig gemeldet (OCHA 16.7.2020; vgl. DS 19.7.2020). 10 Prozent der insgesamt bestätigten COVID-19-Fälle entfallen auf das Gesundheitspersonal. Kabul ist hinsichtlich der bestätigten Fälle nach wie vor der am stärksten betroffene Teil des Landes, gefolgt von den Provinzen Herat, Balkh, Nangarhar und Kandahar (OCHA 15.7.2020). Beamte in der Provinz Herat sagten, dass der Strom afghanischer Flüchtlinge, die aus dem Iran zurückkehren, und die Nachlässigkeit der Menschen, die Gesundheitsrichtlinien zu befolgen, die Möglichkeit einer neuen Welle des Virus erhöht haben, und dass diese in einigen Gebieten bereits begonnen hätte (TN 14.7.2020). Am 18.7.2020 wurde mit 60 neuen COVID-19 Fällen der niedrigste tägliche Anstieg seit drei Monaten verzeichnet – wobei an diesem Tag landesweit nur 194 Tests durchgeführt wurden (AnA 18.7.2020).
Krankenhäuser und Kliniken berichten weiterhin über Probleme bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kapazität ihrer Einrichtungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19. Diese Herausforderungen stehen im Zusammenhang mit der Bereitstellung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA), Testkits und medizinischem Material sowie mit der begrenzten Anzahl geschulter Mitarbeiter - noch verschärft durch die Zahl des erkrankten Gesundheitspersonals. Es besteht nach wie vor ein dringender Bedarf an mehr Laborequipment sowie an der Stärkung der personellen Kapazitäten und der operativen Unterstützung (OCHA 16.7.2020, vgl. BBC-News 30.6.2020).
Maßnahmen der afghanischen Regierung und internationale Hilfe
Die landesweiten Sperrmaßnahmen der Regierung Afghanistans bleiben in Kraft. Universitäten und Schulen bleiben weiterhin geschlossen (OCHA 8.7.2020; vgl. RA KBL 16.7.2020). Die Regierung Afghanistans gab am 6.6.2020 bekannt, dass sie die landesweite Abriegelung um drei weitere Monate verlängern und neue Gesundheitsrichtlinien für die Bürger herausgeben werde. Darüber hinaus hat die Regierung die Schließung von Schulen um weitere drei Monate bis Ende August verlängert (OCHA 8.7.2020).
Berichten zufolge werden die Vorgaben der Regierung nicht befolgt, und die Durchsetzung war nachsichtig (OCHA 16.7.2020, vgl. TN 12.7.2020). Die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus unterscheiden sich weiterhin von Provinz zu Provinz, in denen die lokalen Behörden über die Umsetzung der Maßnahmen entscheiden. Zwar behindern die Sperrmaßnahmen der Provinzen weiterhin periodisch die Bewegung der humanitären Helfer, doch hat sich die Situation in den letzten Wochen deutlich verbessert, und es wurden weniger Behinderungen gemeldet (OCHA 15.7.2020).
Einwohner Kabuls und eine Reihe von Ärzten stellten am 18.7.2020 die Art und Weise in Frage, wie das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) mit der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie im Land umgegangen ist, und sagten, das Gesundheitsministerium habe es trotz massiver internationaler Gelder versäumt, richtig auf die Pandemie zu reagieren (TN 18.7.2020). Es gibt Berichte wonach die Bürger angeben, dass sie ihr Vertrauen in öffentliche Krankenhäuser verloren haben und niemand mehr in öffentliche Krankenhäuser geht, um Tests oder Behandlungen durchzuführen (TN 12.7.2020).
Beamte des afghanischen Gesundheitsministeriums erklärten, dass die Zahl der aktiven Fälle von COVID-19 in den Städten zurückgegangen ist, die Pandemie in den Dörfern und in den abgelegenen Regionen des Landes jedoch zunimmt. Der Gesundheitsminister gab an, dass 500 Beatmungsgeräte aus Deutschland angekauft wurden und 106 davon in den Provinzen verteilt werden würden (TN 18.7.2020).
Am Samstag den 18.7.2020 kündete die afghanische Regierung den Start des Dastarkhan-e-Milli-Programms als Teil ihrer Bemühungen an, Haushalten inmitten der COVID-19-Pandemie zu helfen, die sich in wirtschaftlicher Not befinden. Auf der Grundlage des Programms will die Regierung in der ersten Phase 86 Millionen Dollar und dann in der zweiten Phase 158 Millionen Dollar bereitstellen, um Menschen im ganzen Land mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die erste Phase soll über 1,7 Millionen Familien in 13.000 Dörfern in 34 Provinzen des Landes abdecken (TN 18.7.2020; vgl. Mangalorean 19.7.2020).
Die Weltbank genehmigte am 15.7.2020 einen Zuschuss in Höhe von 200 Millionen US-Dollar, um Afghanistan dabei zu unterstützen, die Auswirkungen von COVID-19 zu mildern und gefährdeten Menschen und Unternehmen Hilfe zu leisten (WB 10.7.2020; vgl. AN 10.7.2020).
Auszugsweise Lage in den Provinzen Afghanistans
Dieselben Maßnahmen – nämlich Einschränkungen und Begrenzungen der täglichen Aktivitäten, des Geschäftslebens und des gesellschaftlichen Lebens – werden in allen folgend angeführten Provinzen durchgeführt. Die Regierung hat eine Reihe verbindlicher gesundheitlicher und sozialer Distanzierungsmaßnahmen eingeführt, wie z.B. das obligatorische Tragen von Gesichtsmasken an öffentlichen Orten, das Einhalten eines Sicherheitsabstandes von zwei Metern in der Öffentlichkeit und ein Verbot von Versammlungen mit mehr als zehn Personen. Öffentliche und touristische Plätze, Parks, Sportanlagen, Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen sind geschlossen; die Dienstzeiten im privaten und öffentlichen Sektor sind auf 6 Stunden pro Tag beschränkt und die Beschäftigten werden in zwei ungerade und gerade Tagesschichten eingeteilt (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).
Die meisten Hotels, Teehäuser und ähnliche Orte sind aufgrund der COVID-19 Maßnahmen geschlossen, es sei denn, sie wurden geheim und unbemerkt von staatlichen Stellen geöffnet (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).
In der Provinz Kabul gibt es zwei öffentliche Krankenhäuser die COVID-19 Patienten behandeln mit 200 bzw. 100 Betten. Aufgrund der hohen Anzahl von COVID-19-Fällen im Land und der unzureichenden Kapazität der öffentlichen Krankenhäuser hat die Regierung kürzlich auch privaten Krankenhäusern die Behandlung von COVID-19-Patienten gestattet. Kabul sieht sich aufgrund von Regen- und Schneemangel, einer boomenden Bevölkerung und verschwenderischem Wasserverbrauch mit Wasserknappheit konfrontiert. Außerdem leben immer noch rund 12 Prozent der Menschen in Kabul unter der Armutsgrenze, was bedeutet, dass oftmals ein erschwerter Zugang zu Wasser besteht (RA KBL 16.7.2020; WHO o.D).
In der Provinz Balkh gibt es ein Krankenhaus, welches COVID-19 Patienten behandelt und über 200 Betten verfügt. Es gibt Berichte, dass die Bewohner einiger Distrikte der Provinz mit Wasserknappheit zu kämpfen hatten. Darüber hinaus hatten die Menschen in einigen Distrikten Schwierigkeiten mit dem Zugang zu ausreichender Nahrung, insbesondere im Zuge der COVID-19-Pandemie (RA KBL 16.7.2020).
In der Provinz Herat gibt es zwei Krankenhäuser die COVID-19 Patienten behandeln. Ein staatliches öffentliches Krankenhaus mit 100 Betten, das vor kurzem speziell für COVID-19-Patienten gebaut wurde (RA KBL 16.7.2020; vgl. TN 19.3.2020) und ein Krankenhaus mit 300 Betten, das von einem örtlichen Geschäftsmann in einem umgebauten Hotel zur Behandlung von COVID-19-Patienten eingerichtet wurde (RA KBL 16.7.2020; vgl. TN 4.5.2020). Es gibt Berichte, dass 47,6 Prozent der Menschen in Herat unter der Armutsgrenze leben, was bedeutet, dass oft ein erschwerter Zugang zu sauberem Trinkwasser und Nahrung haben, insbesondere im Zuge der Quarantäne aufgrund von COVID-19, durch die die meisten Tagelöhner arbeitslos blieben (RA KBL 16.7.2020; vgl. UNICEF 19.4.2020).
In der Provinz Daikundi gibt es ein Krankenhaus für COVID-19-Patienten mit 50 Betten. Es gibt jedoch keine Auswertungsmöglichkeiten für COVID-19-Tests – es werden Proben entnommen und zur Laboruntersuchung nach Kabul gebracht. Es dauert Tage, bis ihre Ergebnisse von Kabul nach Daikundi gebracht werden. Es gibt Berichte, dass 90 Prozent der Menschen in Daikundi unter der Armutsgrenze leben und dass etwa 60 Prozent der Menschen in der Provinz stark von Ernährungsunsicherheit betroffen sind (RA KBL 16.7.2020).
In der Provinz Samangan gibt es ebenso ein Krankenhaus für COVID-19-Patienten mit 50 Betten. Wie auch in der Provinz Daikundi müssen Proben nach Kabul zur Testung geschickt werden. Eine unzureichende Wasserversorgung ist eine der größten Herausforderungen für die Bevölkerung. Nur 20 Prozent der Haushalte haben Zugang zu sauberem Trinkwasser (RA KBL 16.7.2020).
Wirtschaftliche Lage in Afghanistan
Verschiedene COVID-19-Modelle zeigen, dass der Höhepunkt des COVID-19-Ausbruchs in Afghanistan zwischen Ende Juli und Anfang August erwartet wird, was schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft Afghanistans und das Wohlergehen der Bevölkerung haben wird (OCHA 16.7.2020). Es herrscht weiterhin Besorgnis seitens humanitärer Helfer, über die Auswirkungen ausgedehnter Sperrmaßnahmen auf die am stärksten gefährdeten Menschen – insbesondere auf Menschen mit Behinderungen und Familien – die auf Gelegenheitsarbeit angewiesen sind und denen alternative Einkommensquellen fehlen (OCHA 15.7.2020). Der Marktbeobachtung des World Food Programme (WFP) zufolge ist der durchschnittliche Weizenmehlpreis zwischen dem 14. März und dem 15. Juli um 12 Prozent gestiegen, während die Kosten für Hülsenfrüchte, Zucker, Speiseöl und Reis (minderwertige Qualität) im gleichen Zeitraum um 20 – 31 Prozent gestiegen sind (WFP 15.7.2020, OCHA 15.7.2020). Einem Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO (FAO) und des Ministeriums für Landwirtschaft, Bewässerung und Viehzucht (MAIL) zufolge sind über 20 Prozent der befragten Bauern nicht in der Lage, ihre nächste Ernte anzubauen, wobei der fehlende Zugang zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und die COVID-19-Beschränkungen als Schlüsselfaktoren genannt werden. Darüber hinaus sind die meisten Weizen-, Obst-, Gemüse- und Milchverarbeitungsbetriebe derzeit nur teilweise oder gar nicht ausgelastet, wobei die COVID-19-Beschränkungen als ein Hauptgrund für die Reduzierung der Betriebe genannt werden. Die große Mehrheit der Händler berichtete von gestiegenen Preisen für Weizen, frische Lebensmittel, Schafe/Ziegen, Rinder und Transport im Vergleich zur gleichen Zeit des Vorjahres. Frischwarenhändler auf Provinz- und nationaler Ebene sahen sich im Vergleich zu Händlern auf Distriktebene mit mehr Einschränkungen konfrontiert, während die große Mehrheit der Händler laut dem Bericht von teilweisen Marktschließungen aufgrund von COVID-19 berichtete (FAO 16.4.2020; vgl. OCHA 16.7.2020; vgl. WB 10.7.2020).
Am 19.7.2020 erfolgte die erste Lieferung afghanischer Waren in zwei Lastwagen nach Indien, nachdem Pakistan die Wiederaufnahme afghanischer Exporte nach Indien angekündigt hatte um den Transithandel zu erleichtern. Am 12.7.2020 öffnete Pakistan auch die Grenzübergänge Angor Ada und Dand-e-Patan in den Provinzen Paktia und Paktika für afghanische Waren, fast zwei Wochen nachdem es die Grenzübergänge Spin Boldak, Torkham und Ghulam Khan geöffnet hatte (TN 20.7.2020).
Einreise und Bewegungsfreiheit
Die Türkei hat, nachdem internationale Flüge ab 11.6.2020 wieder nach und nach aufgenommen wurden, am 19.7.2020 wegen der COVID-19-Pandemie Flüge in den Iran und nach Afghanistan bis auf weiteres ausgesetzt, wie das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur mitteilte (TN 20.7.2020; vgl. AnA 19.7.2020, DS 19.7.2020).
Bestimmte öffentliche Verkehrsmittel wie Busse, die mehr als vier Passagiere befördern, dürfen nicht verkehren. Obwohl sich die Regierung nicht dazu geäußert hat, die Reisebeschränkungen für die Bürger aufzuheben, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern, hat sich der Verkehr in den Städten wieder normalisiert, und Restaurants und Parks sind wieder geöffnet (TN 12.7.2020).
Quellen:
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AnA – Andolu Agency (18.7.2020): Afghanistan: Virus cases hit low as testing declines, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/afghanistan-virus-cases-hit-low-as-testing-declines/1914895 , Zugriff 20.7.2020
Arab News (10.7.2020): Coronavirus-hit Afghanistan gets $200 million World Bank grant, https://www.arabnews.com/node/1702656/world , Zugriff 20.7.2020
BBC – News (30.6.2020): Coronavirus overwhelms hospitals in war-ravaged Afghanistan, https://www.bbc.com/news/world-asia-53198785 , Zugriff 20.7.2020
DS – Daily Sabah (19.7.2020): Turkey suspends flights to Iran, Afghanistan amid COVID-19 outbreak, https://www.dailysabah.com/business/transportation/turkey-suspends-flights-to-iran-afghanistan-amid-covid-19-outbreak , Zugriff 20.7.2020
FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (16.7.2020): Afghanistan Revised humanitarian response Coronavirus disease 2019 (COVID-19) May–December 2020, https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-revised-humanitarian-response-coronavirus-disease-2019-covid-19-may , Zugriff 20.7.2020
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PT – Pakistan Today (17.9.2020): Trade with Afghanistan increased 25pc despite Covid-19, NA told, https://profit.pakistantoday.com.pk/2020/07/17/trade-with-afghanistan-increased-25pc-despite-covid-19-na-told/ , Zugriff 20.7.2020
RA KBL – Rechtsanwalt in Kabul (16.7.2020): Antwortschreiben, per Mail
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TN – Tolonews (18.7.2020b): Health Ministry’s COVID-19 Strategy Questioned, https://tolonews.com/health/health-ministry%E2%80%99s-covid-19-strategy-questioned , Zugriff 20.7.2020
TN – Tolonews (12.7.2020): Afghanistan Faces Catastrophe if Health Measures Not Heeded: AIMA, https://tolonews.com/health/afghanistan-faces-catastrophe-if-health-measures-not-heeded-aima , Zugriff 20.7.2020
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TN – Tolo News (5.4.2020): 300-Bed Hospital Opened for COVID-19 Patients in Herat, https://tolonews.com/health/300-bed-hospital-opened-covid-19-patients-herat , Zugriff 20.7.2020
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WB – World Bank (10.7.2020): World Bank: $200 Million for Afghanistan to Protect People, Support Businesses Amid COVID-19, https://reliefweb.int/report/afghanistan/world-bank-200-million-afghanistan-protect-people-support-businesses-amid-covid , Zugriff 20.7.2020
WFP – World Food Programme (15.7.2020): Afghanistan: Countrywide Weekly Market Price Bulletin, Issue 9 (Covering 2nd week of July 2020), https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-countrywide-weekly-market-price-bulletin-issue-9-covering-2nd-week , Zugriff 15.7.2020
WFP – World Food Programme (5.2020): WFP Afghanistan Country Brief May 2020, https://docs.wfp.org/api/documents/WFP-0000116792/download/ , Zugriff 20.7.2020
WHO – World Health Organization (20.7.2020): Coronavirus disease (COVID-19) Dashboard, https://covid19.who.int/?gclid=EAIaIQobChMIjryr5qHb6gIVkakYCh3mbwOQEAAYASABEgIpyPD_BwE , Zugriff 20.7.2020
WHO – World Health Organization (o.D.): Afghanistan - Hospital and laboratory services http://www.emro.who.int/afg/programmes/hospital-and-laboratory-services.html , Zugriff 20.7.2020
UNICEF (19.4.2020): Female-headed households bear the brunt of Covid-19 as livelihood gaps increase, https://www.unicef.org/afghanistan/stories/female-headed-households-bear-brunt-covid-19-livelihood-gaps-increase , Zugriff 20.7.2020
Stand 29.6.2020
Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.
Berichten zufolge, haben sich mehr als 30.000 Menschen in Afghanistan mit COVID-19 angesteckt (WP 25.5.2020; vgl. JHU 26.6.2020), mehr als 670 sind daran gestorben. Dem Gesundheitsministerium zufolge, liegen die tatsächlichen Zahlen viel höher; auch bestünde dem Ministerium zufolge die Möglichkeit, dass in den kommenden Monaten landesweit bis zu 26 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert werden könnten, womit die Zahl der Todesopfer 100.000 übersteigen könnte. Die COVID-19 Testraten sind extrem niedrig in Afghanistan: weniger als 0,2% der Bevölkerung – rund 64.900 Menschen von geschätzten 37,6 Millionen Einwohnern – wurden bis jetzt auf COVID-19 getestet (WP 25.6.2020).
In vier der 34 Provinzen Afghanistans – Nangahar, Ghazni, Logar und Kunduz – hat sich unter den Sicherheitskräften COVID-19 ausgebreitet. In manchen Einheiten wird eine Infektionsrate von 60-90% vermutet. Dadurch steht weniger Personal bei Operationen und/oder zur Aufnahme des Dienstes auf Außenposten zur Verfügung (WP 25.6.2020).
In Afghanistan sind landesweit derzeit Mobilität, soziale und geschäftliche Aktivitäten sowie Regierungsdienste eingeschränkt. In den größeren Städten wie z.B. Kabul, Kandahar, Mazar-e Sharif, Jalalabad, Parwan usw. wird auf diese Maßnahmen stärker geachtet und dementsprechend kontrolliert. Verboten sind zudem auch Großveranstaltungen – Regierungsveranstaltungen, Hochzeitsfeiern, Sportveranstaltungen – bei denen mehr als zehn Personen zusammenkommen würden (RA KBL 19.6.2020). In der Öffentlichkeit ist die Bevölkerung verpflichtet einen Nasen-Mund-Schutz zu tragen (AJ 8.6.2020).
Wirksame Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung von COVID-19 scheinen derzeit auf keiner Ebene möglich zu sein: der afghanischen Regierung zufolge, lebt 52% der Bevölkerung in Armut, während 45% in Ernährungsunsicherheit lebt (AF 24.6.2020). Dem Lockdown folge zu leisten, "social distancing" zu betreiben und zuhause zu bleiben ist daher für viele keine Option, da viele Afghan/innen arbeiten müssen, um ihre Familien versorgen zu können (AJ 8.6.2020).
Gesellschaftliche Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Auswirkungen
In Kabul, hat sich aus der COVID-19-Krise heraus ein "Solidaritätsprogramm" entwickelt, welches später in anderen Provinzen repliziert wurde. Eine afghanische Tageszeitung rief Hausbesitzer dazu auf, jenen ihrer Mieter/innen, die Miete zu reduzieren oder zu erlassen, die aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nicht arbeiten konnten. Viele Hausbesitzer folgten dem Aufruf (AF 24.6.2020).
Bei der Spendenaktion „Kocha Ba Kocha“ kamen junge Freiwillige zusammen, um auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu reagieren, indem sie Spenden für bedürftige Familien sammelten und ihnen kostenlos Nahrungsmittel zur Verfügung stellten. In einem weiteren Fall startete eine Privatbank eine Spendenkampagne, durch die 10.000 Haushalte in Kabul und andere Provinzen monatlich mit Lebensmitteln versorgt wurden. Außerdem initiierte die afghanische Regierung das sogenannte „kostenlose Brot“-Programm; bei dem bedürftige Familien – ausgewählt durch Gemeindeälteste – rund einen Monat lang mit kostenlosem Brot versorgt werden (AF 24.6.2020). In dem mehrphasigen Projekt, erhält täglich jede Person innerhalb einer Familie zwei Stück des traditionellen Brots, von einer Bäckerei in der Nähe ihres Wohnortes (TN 15.6.2020). Die Regierung kündigte kürzlich an, das Programm um einen weiteren Monat zu verlängern (AF 24.6.2020; vgl. TN 15.6.2020). Beispielsweise beklagten sich bedürftige Familien in der Provinz Jawzjan über Korruption im Rahmen dieses Projektes (TN 20.5.2020).
Weitere Maßnahmen der afghanischen Regierung
Schulen und Universitäten sind nach aktuellem Stand bis September 2020 geschlossen (AJ 8.6.2020; vgl. RA KBL 19.6.2020). Über Fernlernprogramme, via Internet, Radio und Fernsehen soll der traditionelle Unterricht im Klassenzimmer vorerst weiterhin ersetzen werden (AJ 8.6.2020). Fernlehre funktioniert jedoch nur bei wenigen Studierenden. Zum Einen können sich viele Familien weder Internet noch die dafür benötigten Geräte leisten und zum Anderem schränkt eine hohe Analphabetenzahl unter den Eltern in Afghanistan diese dabei ein, ihren Kindern beim Lernen behilflich sein zu können (HRW 18.6.2020).
Die großen Reisebeschränkungen wurden mittlerweile aufgehoben; die Bevölkerung kann nun in alle Provinzen reisen(RA KBL 19.6.2020). Afghanistan hat mit 24.6.2020 den internationalen Flugverkehr mit einem Turkish Airlines-Flug von Kabul nach Istanbul wieder aufgenommen; wobei der Flugplan aufgrund von Restriktionen auf vier Flüge pro Woche beschränkt wird (AnA 24.6.2020). Emirates, eine staatliche Fluglinie der Vereinigten Arabischen Emirate, hat mit 25.6.2020 Flüge zwischen Afghanistan und Dubai wieder aufgenommen (AnA 24.6.2020; vgl. GN 9.6.2020). Zwei afghanische Fluggesellschaften Ariana Airlines und der lokale private Betreiber Kam Air haben ebenso Flüge ins Ausland wieder aufgenommen (AnA 24.6.2020). Bei Reisen mit dem Flugzeug sind grundlegende COVID-19-Schutzmaßnahmen erforderlich (RA KBL 19.6.2020). Wird hingegen die Reise mit dem Auto angetreten, so sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Zwischen den Städten Afghanistans verkehren Busse. Grundlegende Schutzmaßnahmen nach COVID-19 werden von der Regierung zwar empfohlen – manchmal werden diese nicht vollständig umgesetzt (RA KBL 19.6.2020).
Seit 1.1.2020 beträgt die Anzahl zurückgekehrter Personen aus dem Iran und Pakistan: 339.742; 337.871 Personen aus dem Iran (247.082 spontane Rückkehrer/innen und 90.789 wurden abgeschoben) und 1.871 Personen aus Pakistan (1.805 spontane Rückkehrer/innen und 66 Personen wurden abgeschoben) (UNHCR 20.6.2020).
Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus Pakistan
Die Grenze zu Pakistan war fast drei Monate lang aufgrund der COVID-19-Pandemie gesperrt. Mit 22.6.2020 erhielt Pakistan an drei Grenzübergängen erste Exporte aus Afghanistan: frisches Obst und Gemüse wurde über die Grenzübergänge Torkham, Chaman und Ghulam Khan nach Pakistan exportiert. Im Hinblick auf COVID-19 wurden Standardarbeitsanweisungen (SOPs – standard operating procedures) für den grenzüberschreitenden Handel angewandt (XI 23.6.2020). Der bilaterale Handel soll an sechs Tagen der Woche betrieben werden, während an Samstagen diese Grenzübergänge für Fußgänger reserviert sind (XI 23.6.2020; vgl. UNHCR 20.6.2020); in der Praxis wurde der Fußgängerverkehr jedoch häufiger zugelassen (UNHCR 20.6.2020).
Pakistanischen Behörden zufolge waren die zwei Grenzübergänge Torkham und Chaman auf Ansuchen Afghanistans und aus humanitären Gründen bereits früher für den Transithandel sowie Exporte nach Afghanistan geöffnet worden (XI 23.6.2020).
Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus dem Iran
Die Anzahl aus dem Iran abgeschobener Afghanen ist im Vergleich zum Monat Mai stark gestiegen. Berichten zufolge haben die Lockerungen der Mobilitätsmaßnahmen dazu geführt, dass viele Afghanen mithilfe von Schmugglern in den Iran ausreisen. UNHCR zufolge, gaben Interviewpartner/innen an, kürzlich in den Iran eingereist zu sein, aber von der Polizei verhaftet und sofort nach Afghanistan abgeschoben worden zu sein (UNHCR 20.6.2020).
Quellen:
AF - Asia Foundation (24.6.2020): Afghanistan’s Covid-19 Bargain, https://asiafoundation.org/2020/06/24/afghanistans-covid-19-bargain/ , Zugriff 26.6.2020
AJ - al-Jazeera (8.6.2020): Afghan schools, universities to remain closed until September, https://www.aljazeera.com/news/2020/06/afghan-schools-universities-remain-closed-september-200608062711582.html , Zugriff 26.6.2020
AnA – Andolu Agency (24.6.2020): Afghanistan resumes international flights amid COVID-19, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/afghanistan-resumes-international-flights-amid-covid-19/1888176 , Zugriff 26.6.2020
GN – Gulf News (9.6.2020): COVID-19: Emirates to resume regular passenger flights to Kabul from June 25, https://gulfnews.com/uae/covid-19-emirates-to-resume-regular-passenger-flights-to-kabul-from-june-25-1.71950323 , Zugriff 26.6.2020
HRW - Human Rights Watch (18.6.2020): School Closures Hurt Even More in Afghanistan, https://www.hrw.org/news/2020/06/18/school-closures-hurt-even-more-afghanistan , Zugriff 26.6.2020
JHU -John Hopkins Universität (26.6.2020): COVID-19 Dashboard by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University (JHU), https://coronavirus.jhu.edu/map.html , Zugriff 26.6.2020
RA KBL – Rechtsanwalt in Kabul (19.6.2020): Antwortschreiben per Mail, liegt bei der Staatendokumentation auf.
TN – Tolonews (15.6.2020): Govt Will Resume Bread Distribution: Palace, https://tolonews.com/afghanistan/govt-will-resume-bread-distribution-palace , Zugriff 29.6.2020
TN – Tolonews (15.6.2020): Poor Claim ‘Unjust’ Bread Distribution in Jawzjan, https://tolonews.com/afghanistan/poor-claim-%E2%80%98unjust%E2%80%99-bread-distribution-jawzjan , Zugriff 29.6.2020
UNHCR – (20.6.2020): Border Monitoring Update COVID-19 Response 14-20 June 2020, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/77302 , Zugriff 26.6.2020
WHO – World Health Organization (25.3.2020): Coronavirus disease 2019 (COVID-19) Situation Report –65, https://www.who.int/docs/default-source/coronaviruse/situation-reports/20200325-sitrep-65-covid-19.pdf?sfvrsn=2b74edd8_2 , Zugriff 16.4.2020
WP - Washington Post (25.6.2020): Coronavirus sweeps through Afghanistan’s security forces, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistan-coronavirus-security-forces-military/2020/06/24/0063c828-b4e2-11ea-9a1d-d3db1cbe07ce_story.html , Zugriff 26.6.2020
XI – Xinhua (23.6.2020): Pakistan receives 1st Afghan export since COVID-19 pandemic, http://www.xinhuanet.com/english/2020-06/23/c_139159139.htm , Zugriff 26.6.2020
Stand: 18.5.2020
Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.
In 30 der 34 Provinzen Afghanistans wurden mittlerweile COVID-19-Fälle registriert (NYT 22.4.2020). Nachbarländer von Afghanistan, wie China, Iran und Pakistan, zählen zu jenen Ländern, die von COVID-19 besonders betroffen waren bzw. nach wie vor sind. Dennoch ist die Anzahl, der mit COVID-19 infizierten Personen relativ niedrig (AnA 21.4.2020). COVID-19 Verdachtsfälle können in Afghanistan aufgrund von Kapazitätsproblem bei Tests nicht überprüft werden – was von afghanischer Seite bestätigt wird (DW 22.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; NYT 22.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Auch wird die Dunkelziffer von afghanischen Beamten höher geschätzt (WP 20.4.2020). In Afghanistan können derzeit täglich 500 bis 700 Personen getestet werden. Diese Kapazitäten sollen in den kommenden Wochen auf 2.000 Personen täglich erhöht werden (WP 20.4.2020). Die Regierung bemüht sich noch weitere Testkits zu besorgen – was Angesicht der derzeitigen Nachfrage weltweit, eine Herausforderung ist (DW 22.4.2020).
Landesweit können – mit Hilfe der Vereinten Nationen – in acht Einrichtungen COVID-19-Testungen durchgeführt werden (WP 20.4.2020). Auch haben begrenzte Laborkapazitäten und -ausrüstung einige Einrichtungen dazu gezwungen Testungen vorübergehend einzustellen (WP 20.4.2020). Unter anderem können COVID-19-Verdachtsfälle in Einrichtungen folgender Provinzen überprüft werden: Kabul, Herat, Nangarhar (TN 30.3.2020) und Kandahar. COVID-19 Proben aus angrenzenden Provinzen wie Helmand, Uruzgan und Zabul werden ebenso an die Einrichtung in Kandahar übermittelt (TN 7.4.2020a).
Jahrzehntelange Konflikte in Afghanistan machen das Land anfällig für den Ausbruch von Krankheiten: nach wie vor ist Polio dort endemisch (als eines von drei Ländern weltweit) (WP 20.4.2020) außerdem ist das Gesundheitssystem fragil (AnA 21.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Beispielsweise mangelt es an adäquaten Medikamenten für Patient/innen, die an COVID-19 erkrankt sind. Jedoch sind die wenigen Medikamente, die hierfür zur Verfügung stehen, kostenfrei (ARZ KBL 7.5.2020). Der landesweite Mangel an COVID-19-Testkits sowie an Isolations- und Behandlungseinrichtungen verdeutlichen diese Herausforderung (AnA 21.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Landesweit stehen 10.400 Krankenhausbetten (BBC 9.4.2020) und 300 Beatmungsgeräte zur Verfügung (TN 8.4.2020; vgl. DW 22.4.2020; QA 16.4.2020). 300 weitere Beatmungsgeräte plant die afghanische Regierung zu besorgen. Weiters mangelt es an geschultem Personal, um diese medizinischen Geräte in Afghanistan zu bedienen und zu warten (DW 22.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Engpässe bestehen bei den PPE (personal protective equipment), persönlichen Schutzausrüstungen für medizinisches Personal; außerdem wird mehr fachliches Personal benötigt, um Patient/innen auf den Intensivstationen zu betreuen (ARZ KBL 7.5.2020).
Aufgrund der Nähe zum Iran gilt die Stadt Herat als der COVID-19-Hotspot Afghanistans (DW 22.4.2020; vgl. NYT 22.4.2020); dort wurde nämlich die höchste Anzahl bestätigter COVID-19-Fälle registriert (TN 7.4.2020b; vgl. DW 22.4.2020). Auch hat sich dort die Anzahl positiver Fälle unter dem Gesundheitspersonal verstärkt. Mitarbeiter/innen des Gesundheitswesens berichten von fehlender Schutzausrüstung – die Provinzdirektion bestätigte dies und erklärtes mit langwierigen Beschaffungsprozessen (TN 7.4.2020b). Betten, Schutzausrüstungen, Beatmungsgeräte und Medikamente wurden bereits bestellt – jedoch ist unklar, wann die Krankenhäuser diese Dinge tatsächlich erhalten werden (NYT 22.4.2020). Die Provinz Herat verfügt über drei Gesundheitseinrichtungen für COVID-19-Patient/innen. Zwei davon wurden erst vor kurzem errichtet; diese sind für Patient/innen mit leichten Symptomen bzw. Verdachtsfällen des COVID-19 bestimmt. Patient/innen mit schweren Symptomen hingegen, werden in das Regionalkrankenhaus von Herat, welches einige Kilometer vom Zentrum der Provinz entfernt liegt, eingeliefert (TN 7.4.2020b). In Hokerat wird die Anzahl der Beatmungsgeräte auf nur 10 bis 12 Stück geschätzt (BBC 9.4.2020; vgl. TN 8.4.2020).
Beispiele für Maßnahmen der afghanischen Regierung
Eine Reihe afghanischer Städte wurde abgesperrt (WP 20.4.2020), wie z.B. Kabul, Herat und Kandahar (TG 1.4.2020a). Zusätzlich wurde der öffentliche und kommerzielle Verkehr zwischen den Provinzen gestoppt (WP 20.4.2020). Beispielsweise dürfen sich in der Stadt Kabul nur noch medizinisches Personal, Bäcker, Journalist/innen, (Nahrungsmittel)Verkäufer/innen und Beschäftigte im Telekommunikationsbereich bewegen. Der Kabuler Bürgermeister warnte vor "harten Maßnahmen" der Regierung, die ergriffen werden, sollten sich die Einwohner/innen in Kabul nicht an die Anordnungen halten, unnötige Bewegungen innerhalb der Stadt zu stoppen. Die Sicherheitskräfte sind beauftragt zu handeln, um die Beschränkung umzusetzen (TN 9.4.2020a).
Mehr als die Hälfte der afghanischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze (WP 22.4.2020): Aufgrund der Maßnahmen sorgen sich zehntausende Tagelöhner in Kabul und Herat um ihre Existenz. UNICEF zufolge, arbeiten allein in Kabul mindestens 60.000 Kinder, um das Familieneinkommen zu ersetzen (TG 1.4.2020). Offiziellen Schätzungen zufolge können z.B. in Herat-Stadt 150.000 Tagelöhner aufgrund des Lockdowns nicht arbeiten und haben somit kein Einkommen. Weil es in Herat an Ressourcen mangelt, um Hunderttausende zu ernähren, nimmt die Bevölkerung die Bedrohung durch das Virus nicht ernst. Zwar hat die Bevölkerung anfangs großzügig gespendet, aber auch diese Spenden werden weniger, nachdem die langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen auf Unternehmen sichtbar werden (NYT 22.4.2020).
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die International Organization for Migration (IOM) unterstützen das afghanische Ministerium für öffentliche Gesundheit (MOPH) (WHO MIT 10.5.2020; vgl. IOM 11.5.2020); die WHO übt eine beratende Funktion aus und unterstützt die afghanische Regierung in vier unterschiedlichen Bereichen während der COVID-19-Krise (WHO MIT 10.5.2020): 1. Koordination; 2. Kommunikation innerhalb der Gemeinschaften 3. Monitoring (durch eigens dafür eingerichtete Einheiten – speziell was die Situation von Rückkehrer/innen an den Grenzübergängen und deren weitere Bewegungen betrifft) und 4. Kontrollen an Einreisepunkten – an den 4 internationalen Flughäfen sowie 13 Grenzübergängen werden medizinische Kontroll- und Überwachungsaktivitäten durchgeführt (WHO MIT 10.5.2020; vgl. IOM 11.5.2020).
Taliban und COVID-19
Ein Talibansprecher verlautbarte, dass die Taliban den Konflikt pausieren könnten, um Gesundheitsbehörden zu erlauben, in einem von ihnen kontrollierten Gebiet zu arbeiten, wenn COVID-19 dort ausbrechen sollte (TN 2.4.2020; vgl. TD 2.4.2020). In der nördlichen Provinz Kunduz, hätten die Taliban eine Gesundheitskommision gegründet, die direkt in den Gemeinden das öffentliche Bewusstsein hinsichtlich des Virus stärkt. Auch sollen Quarantänezentren eingerichtet worden sein, in denen COVID-19-Verdachtsfälle untergebracht wurden. Die Taliban hätten sowohl Schutzhandschuhe, als auch Masken und Broschüren verteilt; auch würden sie jene, die aus anderen Gebieten kommen, auf COVID-19 testen (TD 2.4.2020). Auch in anderen Gebieten des Landes, wie in Baghlan, wird die Bevölkerung im Rahmen einer Informationsveranstaltung in der Moschee über COVID-19 informiert. Wie in der Provinz Kunduz, versorgen die Taliban die Menschen mit (Schutz)material, helfen Entwicklungshelfern dabei zu jenen zu gelangen, die in Taliban kontrollierten Gebieten leben und bieten sichere Wege zu Hilfsorganisationen, an (UD 13.3.2020).
Der Umgang der Taliban mit der jetzigen Ausnahmesituation wirft ein Schlaglicht auf den Modus Operandi der Truppe. Um sich die Afghanen in den von ihnen kontrollierten Gebieten gewogen zu halten, setzen die Taliban auf Volksnähe. Durch die Präsenz vor Ort machten die Islamisten das Manko wett, dass sie kein Geld hätten, um COVID-19 medizinisch viel entgegenzusetzen: Die Taliban können Prävention betreiben, behandeln können sie Erkrankte nicht (NZZ 7.4.2020).
Aktuelle Informationen zu Rückkehrprojekten
IOM Österreich unterstützt auch derzeit Rückkehrer/innen im Rahmen der freiwilligen Rückkehr. Aufgrund des stark reduzierten Flugbetriebs ist die Rückkehr seit April 2020 nur in sehr wenige Länder tatsächlich möglich. Neben der Reiseorganisation bietet IOM Österreich dabei, wie bekannt, Unterstützung bei der Ausreise am Flughafen Wien Schwechat an (IOM AUT 18.5.2020).
IOM Österreich bietet derzeit, aufgrund der COVID-19-Lage, folgende Aktivitäten an:
Qualitätssicherung in der Rückkehrberatung (Erarbeitung von Leitfäden und Trainings)
Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr und Reintegration im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten (Virtuelle Beratung, Austausch mit Rückkehrberatungseinrichtungen und Behörden, Monitoring der Reisemöglichkeiten) (IOM AUT 18.5.2020).
Das Projekt RESTART III – Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems und der Reintegration freiwilliger Rückkehrer/innen in Afghanistan“ wird bereits umgesetzt. Derzeit arbeiten die österreichischen IOM-Mitarbeiter/innen vorwiegend an der ersten Komponente (Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems) und erarbeiten Leitfäden und Trainingsinhalte. Die Unterstützung der freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan ist derzeit aufgrund fehlender Flugverbindungen nicht möglich. IOM beobachtet die Situation und steht diesbezüglich in engem Austausch mit den zuständigen Rückkehrberatungseinrichtungen und den österreichischen Behörden (IOM AUT 18.5.2020)
Mit Stand 18.5.2020, sind im laufenden Jahr bereits 19 Projektteilnehmer/innen nach Afghanistan zurückgekehrt. Mit ihnen, als auch mit potenziellen Projektteilnehmer/innen, welche sich noch in Österreich befinden, steht IOM Österreich in Kontakt und bietet Beratung/Information über virtuelle Kommunikationswege an (IOM AUT 18.5.2020).
Informationen von IOM Kabul zufolge, sind IOM-Rückkehrprojekte mit Stand 13.5.2020 auch weiterhin in Afghanistan operativ (IOM KBL 13.5.2020).
Quellen:
AnA – Andalous (21.4.2020): COVID-19 rips through fragile Afghan health system, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/covid-19-rips-through-fragile-afghan-health-system-/1812821 , Zugriff 23.4.2020
ARZ KBL – Arzt in Kabul (7.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail; liegt bei der Staatendokumentation auf.
BBC (9.4.2020): Coronavirus: The porous borders where the virus cannot be controlled, https://www.bbc.com/news/world-asia-52210479 , Zugriff 9.4.2020
DW – Deutsche Welle (22.4.2020): Coronavirus: Tough times ahead as Afghanistan struggles to manage pandemic, https://www.dw.com/en/coronavirus-tough-times-ahead-as-afghanistan-struggles-to-manage-pandemic/a-53207173 , Zugriff 23.4.2020
IOM AUT – International Organization for Migration in Austria (27.3.2020): Antwortschreiben per E-Mail.
IOM KBL – International Organization for Migration Kabul Chapter (13.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail.
IOM – International Organization for Migration (11.5.2020): Return of Undocumented Afghans - Weekly Situation Report (03-09 May 2020), https://afghanistan.iom.int/sites/default/files/Reports/iom_afghanistan-return_of_undocumented_afghans-_situation_report_03-09_may_2020.pdf , Zugriff 13.5.2020
NYT – New York Times (22.4.2020): Afghanistan’s Next War, https://www.nytimes.com/interactive/2020/04/22/magazine/afghanistan-coronavirus.html?searchResultPosition=3 , Zugriff 24.4.2020
NZZ – Neue Züricher Zeitung (7.4.2020): Die Taliban, dein Freund und Helfer, https://www.nzz.ch/international/afghanistan-die-taliban-betreiben-corona-praevention-ld.1550115 , Zugriff 9.4.2020
TG – The Guardian (1.4.2020): 'No profit, no food': lockdown in Kabul prompts hunger fears, https://www.theguardian.com/global-development/2020/apr/01/no-profit-no-food-lockdown-in-kabul-prompts-hunger-fears , Zugriff 2.4.2020
TG – The Guardian (1.4.2020a): Afghanistan braces for coronavirus surge as migrants pour back from Iran, https://www.theguardian.com/global-development/2020/apr/01/afghanistan-braces-for-coronavirus-surge-as-migrants-pour-back-from-iran , Zugriff 2.4.2020
TN – Tolonews (9.4.2020): 40 New COVID-19 Cases in Afghanistan, Total 484, https://tolonews.com/health/40-new-covid-19-cases-afghanistan-total-484 , Zugriff 9.4.2020
TN – Tolonews (9.4.2020a): Andarabi: All Kabul Roads Will be Blocked, https://tolonews.com/afghanistan/andarabi-all-kabul-roads-will-be-blocked , Zugriff 9.4.2020
TN – Tolonews (8.4.2020): Only '300' Ventilators in Afghanistan to Treat COVID-19: MoPH, https://tolonews.com/index.php/afghanistan/only-300-ventilators-afghanistan-treat-covid-19-moph , Zugriff 9.4.2020
TN – Tolonews (8.4.2020a): Kabul Clinic Shut Down After Doctor Dies from COVID-19, https://tolonews.com/index.php/health/amiri-medical-complex%E2%80%99s-activities-suspended-health-ministry , Zugriff 9.4.2020
TN – Tolonews (7.4.2020): Number of COVID-19 Cases in Afghanistan: 367, https://tolonews.com/health/number-covid-19-cases-afghanistan-367 , Zugriff 8.4.2020
TN – Tolonews (7.4.2020a): Coronavirus Testing Lab Opens in Kandahar: Officials, https://tolonews.com/health/coronavirus-testing-lab-opens-kandahar-officials , Zugriff 8.4.2020
TN – Tolonews (7.4.2020b): 41 Health Workers Test Positive for Coronavirus in Herat, https://tolonews.com/afghanistan/41-health-workers-test-positive-coronavirus-herat , Zugriff 8.4.2020
UD – Undark (2.4.2020): With Taliban Help, Afghanistan Girds for a Virus, https://undark.org/2020/04/02/afghanistan-covid-19/ , Zugriff 8.4.2020
WHO MIT – Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Mazar-e Sharif (10.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail; liegt bei der Staatendokumentation auf.
WP – Washington Post (20.4.2020): More than a dozen staff members in Afghanistan’s presidential palace test positive for coronavirus, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistan-coronavirus-presidential-palace/2020/04/20/5836a856-8308-11ea-81a3-9690c9881111_story.html , Zugriff 24.4.2020
Politische Lage
Letzte Änderung: 18.5.2020
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).
Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).
Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).
Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019). Die unabhängige afghanische Wahlkommission (Afghanistan’s Independent Election Commission) hat mehr als vier Monate nach der Präsidentschaftswahl in Afghanistan Mohammed Ashraf Ghani zum Sieger erklärt (DW 18.2.2020). Der amtierende Präsident erhielt 50,64% der Stimmen, wie die Kommission verlautbarte (DW 18.2.2020; vgl. REU 25.2.2020; UNGASC 17.3.2020). Da Ghani im ersten Durchgang die Präsidentschaftswahl bereits gewonnen hat, ist keine Stichwahl mehr notwendig (DW 18.2.2020). CEO bzw. Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, kam den Resultaten zufolge auf 39,52% (DW 18.2.2020; vgl. REU 25.2.2020). Die Präsidentenwahl hatte am 28. September stattgefunden. Nach monatelangem, erbittertem Streit um die Richtigkeit von Hunderttausenden von Stimmen waren nur noch 1,8 Millionen Wahlzettel berücksichtigt worden. Hingegen lag die Zahl der registrierten Wähler bei 9,6 Millionen. Afghanistan hat eine geschätzte Bevölkerung von 35 Millionen Einwohnern (DW 18.2.2020).
Wochenlang stritten der amtierende Präsident Ashraf Ghani und sein ehemaliger Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah um die Macht in Kabul und darum wer die Präsidentschaftswahl im vergangenen September gewonnen hatte. Abdullah Abdullah beschuldigte die Wahlbehörden, Ghani begünstigt zu haben, und anerkannte das Resultat nicht (NZZ 20.4.2020). Am 9.3.2020 ließen sich sowohl Ghani als auch Abdullah als Präsident vereidigen (NZZ 20.4.2020; vgl. TN 16.4.2020). Nach monatelanger politischer Krise (DP 17.5.2020; vgl. TN 11.5.2020), einigten sich der afghanische Präsident Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah auf eine Machtteilung: Abdullah wird die Friedensgespräche mit den Taliban leiten und Mitglieder seines Wahlkampfteams werden ins Regierungskabinett aufgenommen (DP 17.5.2020; vgl. BBC 17.5.2020; DW 17.5.2020).
Anm.: Weitere Details zur Machtteilungsvereinbarung sind zum Zeitpunkt der Aktualisierung noch nicht bekannt (Stand: 18.5.2020) und werden zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben (BBC 17.5.2020).
Präsidentschafts- und Parlamentswahlen
Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für 5 Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.4.2019).
Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.4.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.3.2019).
Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 13.3.2019, Casolino 2011).
Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle einnehmen kann, muss sich zunächst noch erweisen. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist, doch nutzt das Parlament auch seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 2.9.2019).
Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21. Oktober 2018 – mit Ausnahme der Provinz Ghazni – Parlamentswahlen statt (AA 15.4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28. September 2019 statt (RFE/RL 20.10.2019).
Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 20. und 21.10.2018 gaben etwa vier Millionen der registrierten 8,8 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Die Wahl war durch Unregelmäßigkeiten geprägt, darunter Betrug bei der Wählerregistrierung und Stimmabgabe, Einschüchterung der Wähler, und einige Wahllokale mussten wegen Bedrohungen durch örtliche Machthaber schließen. Die Taliban und andere Gruppierungen behinderten die Stimmabgabe durch Drohungen und Belästigungen (USDOS 13.3.2019).
Wegen Vorwürfen des Betruges und des Missmanagements erklärte Anfang Dezember 2018 die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Die beiden Wahlkommissionen einigten sich in Folge auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen (TN 12.12.2018). Die Provinzergebnisse von Kabul wurden schließlich am 14.5.2019, fast sieben Monate nach dem Wahltag, veröffentlicht. In einer Ansprache bezeichnete Präsident Ghani die Wahl als „Katastrophe“ und die beiden Wahlkommissionen als „ineffizient“ (AAN 17.5.2019).
Politische Parteien
Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 29.5.2018). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004) oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004; USDOS 29.5.2018). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (MPI 27.1.2004).
Das kaum entwickelte afghanische Parteiensystem weist mit über 70 registrierten Parteien eine starke Zersplitterung auf (AA 2.9.2019). Die politischen Parteien haben ihren Platz im politischen System Afghanistans noch nicht etablieren können (DOA 17.3.2019). Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien (AA 2.9.2019; vgl. AAN 6.5.2018, DOA 17.3.2019). Ethnische Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen spielen traditionell eine größere Rolle als politische Organisationen (AA 2.9.2019).
Das derzeitige Wahlsystem ist personenbezogen, die Parteien können keine Kandidatenlisten erstellen, es sind keine Sitze für die Parteien reserviert und es ist den Parteien untersagt, Fraktionen im Parlament zu gründen. Der Parteivorsitz wird nicht durch parteiinterne Abläufe bestimmt, sondern wird eher wie ein partimoniales Erbgut gesehen, das von einer Generation an die nächste, vom Vater zum Sohn, übergeben wird. Die Menschen vertrauen den Parteien nicht und junge, gebildete Leute sind nicht gewillt, solchen Parteien beizutreten (DOA 17.3.2019).
Friedens- und Versöhnungsprozess
Die afghanischen Regierungskräfte und die Amerikaner können die Taliban, die über rund 60 000 Mann verfügen, nicht besiegen. Auch die Islamisten sind nicht stark genug, um die Regierungstruppen zu überrennen, obwohl sie rund die Hälfte des Landes kontrollieren oder dort zumindest präsent sind. In Afghanistan herrscht fast zwei Jahrzehnte nach dem Sturz des Taliban-Regimes durch die USA eine Pattsituation (NZZ 20.4.2020). Das lang erwartete Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban wurde Ende Februar 2020 unterzeichnet (AJ 7.5.2020; vgl. NPR 6.5.2020) – die afghanische Regierung war an dem Abkommen weder beteiligt, noch unterzeichnete sie dieses. Diesem Abkommen zufolge hätten noch vor den für 10.03.2020 angesetzten inneren Friedensgesprächen, von den Taliban bis zu 1.000 Gefangene und von der Regierung 5.000 gefangene Taliban freigelassen werden sollen. Zum einen, verzögern die Unstimmigkeiten zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung über Umfang und Umsetzungstempo des Austauschs, die Gespräche (AJ 7.5.2020) [ Anm.: 800 Taliban-Gefangene entließ die afghanische Regierung, während die Taliban 100 der vereinbarten 1.000 Sicherheitskräfte frei ließen – (NPR 6.5.2020)], Andererseits stocken die Verhandlungen auch aufgrund des innerpolitischen Disputes zwischen Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah, die beide die Präsidentschaft für sich beanspruchten. Die Taliban haben seit dem unterzeichneten Abkommen im Februar mehr als 4.500 Angriffe verübt. Die von dieser Gewalt am stärksten betroffenen Provinzen sind auch jene Provinzen, die am stärksten von COVID-19-Fällen betroffen sind (AJ 7.5.2020). In den innerafghanischen Gesprächen wird es um die künftige Staatsordnung, eine Machtteilung und die Integration der Aufständischen gehen (NZZ 20.4.2020).
Das Abkommen mit den US-Amerikanern
Das Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban enthält das Versprechen der US-Amerikaner, ihre noch rund 13.000 Armeeangehörigen in Afghanistan innerhalb von 14 Monaten abzuziehen. Auch die verbliebenen nichtamerikanischen NATO-Truppen (Stand Ende 2019: rund 6.700 Mann) sollen abgezogen werden. In den ersten 135 Tagen nach der Unterzeichnung werden die US-Amerikaner ihre Truppen in Afghanistan auf 8.600 Mann reduzieren. Der Abzug der ausländischen Truppenangehörigen, von denen die meisten Beratungs- und Ausbildungsfunktionen wahrnehmen, ist abhängig davon, ob die Taliban ihren Teil der Abmachung einhalten. Sie haben im Abkommen zugesichert, terroristischen Gruppierungen wie etwa al-Qaida keine Zuflucht zu gewähren. Die Taliban verpflichteten sich weiter, innerhalb von zehn Tagen nach Unterzeichnung, Gespräche mit einer afghanischen Delegation aufzunehmen (NZZ 20.4.2020; vgl. USDOS 29.2.2020).
Quellen:
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Sicherheitslage
Letzte Änderung: 22.4.2020
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 17.3.2019). Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren. Nichtsdestotrotz, hat die afghanische Regierung wichtige Transitrouten verloren (USDOD 12.2019).
Der Konflikt in Afghanistan befindet sich nach wie vor in einer "strategischen Pattsituation", die nur durch Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban gelöst werden kann (SIGAR 30.1.2020). Die afghanische Regierung führte zum ersten Mal persönliche Gespräche mit den Taliban, inhaltlich wurde über den Austausch tausender Gefangener verhandelt; bis dahin hatten die beiden Seiten sich nur per Videokonferenz unterhalten (BBC 1.4.2020). Ein erster Schritt Richtung inner-afghanischer Verhandlungen, welcher Teil eines zwischen Taliban und US-Amerikanern unterzeichneten Abkommens ist (TD 2.4.2020). Die Gespräche fanden vor dem Hintergrund anhaltender Gewalt im Land statt (BBC 1.4.2020).
Für den Berichtszeitraum 8.11.2019-6.2.2020 verzeichnete die UNAMA 4.907 sicherheitsrelevante Vorfälle – ähnlich dem Vorjahreswert. Die Sicherheitslage blieb nach wie vor volatil. Die höchste Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle wurden in der südlichen Region, gefolgt von den nördlichen und östlichen Regionen, registriert, die alle samt 68% der Zwischenfälle ausmachten. Die aktivsten Konfliktregionen waren in den Provinzen Kandahar, Helmand, Nangarhar und Balkh zu finden. Entsprechend saisonaler Trends, gingen die Kämpfe in den Wintermonaten – Ende 2019 und Anfang 2020 – zurück (UNGASC 17.3.2020).
Die Sicherheitslage im Jahr 2019
Die geographische Verteilung aufständischer Aktivitäten innerhalb Afghanistans blieb, im Vergleich der beiden Jahre 2018 und 2019, weitgehend konstant. Im Jahr 2019 fanden auch weiterhin im Süden und Westen Afghanistans weiterhin schwere Kampfhandlungen statt; feindliche Aktivitäten nahmen zu und breiteten sich in größeren Gebieten des Nordens und Ostens aus. Der Resolute Support (RS) Mision (seit 2015 die Unterstützungsmission der NATO in Afghanistan) zufolge, waren für das Jahr 2019 29.083 feindlich-initiierte Angriffe landesweit zu verzeichnen. Im Gegensatz waren es im Jahr 2018 27.417 (SIGAR 30.1.2020). Mit einer hohen Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen – speziell in den südlichen, nördlichen und östlichen Regionen – blieb die Sicherheitslage vorerst volatil, bevor ein Zeitraum der Reduzierung der Gewalt registriert werden konnte. Die UNAMA (Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan) registrierte für das gesamte Jahr 2019 10.392 zivile Opfer, was einem Rückgang von 5% gegenüber 2018 entspricht (UNGASC 17.3.2020).
Seit Ende des Jahres 2019 haben Angriffe durch regierungsfeindliche Elemente erheblich zugenommen. Im September 2019 fanden die afghanischen Präsidentschaftswahlen statt, in diesem Monat wurde auch die höchste Anzahl feindlicher Angriffe eines einzelnen Monats seit Juni 2012 und die höchste Anzahl effektiver feindlicher Angriffe seit Beginn der Aufzeichnung der RS-Mission im Januar 2010 registriert. Dieses Ausmaß an Gewalt setzte sich auch nach den Präsidentschaftswahlen fort, denn im Oktober 2019 wurde die zweithöchste Anzahl feindlicher Angriffe in einem Monat seit Juli 2013 dokumentiert. Betrachtet man jedoch das Jahr 2019 in dessen Gesamtheit, so waren scheinbar feindliche Angriffe, seit Anfang des Jahres, im Zuge der laufenden Friedensgespräche zurückgegangen. Nichtsdestotrotz führte ein turbulentes letztes Halbjahr zu verstärkten Angriffen feindlicher Elemente von insgesamt 6% und effektiver Angriffe von 4% im Jahr 2019 im Vergleich zu den bereits hohen Werten des Jahres 2018 (SIGAR 30.1.2020).
Zivile Opfer
Für das Jahr 2019 registrierte die Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) als Folge des bewaffneten Konflikts 10.392 zivile Opfer (3.403 Tote und 6.989 Verletzte), was einen Rückgang um 5% gegenüber dem Vorjahr, aber auch die niedrigste Anzahl an zivilen Opfern seit dem Jahr 2013 bedeutet. Nachdem die Anzahl der durch ISKP verursachten zivilen Opfer zurückgegangen war, konnte ein Rückgang aller zivilen Opfer registriert werden, wenngleich die Anzahl ziviler Opfer speziell durch Taliban und internationale Streitkräfte zugenommen hatte. Im Laufe des Jahres 2019 war das Gewaltniveau erheblichen Schwankungen unterworfen, was auf Erfolge und Misserfolge im Rahmen der Friedensverhandlungen zwischen Taliban und den US-Amerikanern zurückzuführen war. In der ersten Jahreshälfte 2019 kam es zu intensiven Luftangriffen durch die internationalen Streitkräfte und Suchaktionen der afghanischen Streitkräfte – insbesondere der Spezialkräfte des afghanischen Geheimdienstes NDS (National Directorate of Security Special Forces) (UNAMA 2.2020).
Aufgrund der Suchaktionen der afghanischen Streitkräfte, gab es zur Jahresmitte mehr zivile Opfer durch regierungsfreundliche Truppen als durch regierungsfeindliche Truppen. Das dritte Quartal des Jahres 2019 registrierte die höchste Anzahl an zivilen Opfern seit 2009, was hauptsächlich auf verstärkte Anzahl von Angriffen durch Selbstmordattentäter und IEDs (improvisierte Sprengsätze) der regierungsfeindlichen Seite – insbesondere der Taliban – sowie auf Gewalt in Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen zurückzuführen ist. Das vierte Quartal 2019 verzeichnete, im Vergleich zum Jahr 2018, eine geringere Anzahl an zivilen Opfern; wenngleich sich deren Anzahl durch Luftangriffe, Suchoperationen und IEDs seit dem Jahr 2015 auf einem Rekordniveau befand (UNAMA 2.2020).
Die RS-Mission sammelt ebenfalls Informationen zu zivilen Opfern in Afghanistan, die sich gegenüber der Datensammlung der UNAMA unterscheiden, da die RS-Mission Zugang zu einem breiteren Spektrum an forensischen Daten und Quellen hat. Der RS-Mission zufolge, ist im Jahr 2019 die Anzahl ziviler Opfer in den meisten Provinzen (19 von 34) im Vergleich zum Jahr 2018 gestiegen; auch haben sich die Schwerpunkte verschoben. So verzeichneten die Provinzen Kabul und Nangarhar weiterhin die höchste Anzahl ziviler Opfer. Im letzten Quartal schrieb die RS-Mission 91% ziviler Opfer regierungsfeindlichen Kräften zu (29% wurden den Taliban zugeschrieben, 11% ISKP, 4% dem Haqqani-Netzwerk und 47% unbekannten Aufständischen). 4% wurden regierungsnahen/-freundlichen Kräften zugeschrieben (3% der ANDSF und 1% den Koalitionskräften), während 5% anderen oder unbekannten Kräften zugeschrieben wurden. Diese Prozentsätze entsprechen in etwa den RS-Opferzahlen für Anfang 2019. Als Hauptursache für zivile Opfer waren weiterhin improvisierte Sprengsätze (43%), gefolgt von direkten (25%) und indirekten Beschüssen (5%) verantwortlich – dies war auch schon zu Beginn des Jahres 2019 der Fall (SIGAR 30.1.2020).
High-Profile Angriffe (HPAs)
Sowohl in den ersten fünf Monaten 2019, als auch im letzten Halbjahr 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 12.2019; vgl. USDOD 6.2019). Das Haqqani-Netzwerk führte von September bis zum Ende des Berichtszeitraums keine HPA in der Hauptstadtregion durch. Die Gesamtzahl der öffentlichkeitswirksamen Angriffe ist sowohl in Kabul als auch im ganzen Land in den letzten anderthalb Jahren stetig zurückgegangen (USDOD 12.2019). Zwischen 1.6.2019 und 31.10.2019 fanden 19 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 17) (USDOD 12.2019), landesweit betrug die Zahl 88 (USDOD 12.2019).
Öffentlichkeitswirksame Angriffe durch regierungsfeindliche Elemente setzten sich im Berichtszeitraum (8.11.2019-6.2.2020) fort: 8 Selbstmordanschläge wurden verzeichnet; im Berichtszeitraum davor (9.8.-7.11.2019) wurden 31 und im Vergleichszeitraum des Vorjahres 12 Selbstmordanschläge verzeichnet. Der Großteil der Anschläge richtetet sich gegen die ANDSF (afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte) und die internationalen Streitkräfte; dazu zählte ein komplexer Angriff der Taliban auf den Militärflughafen Bagram im Dezember 2019. Im Februar 2020 kam es in Provinz Nangarhar zu einem sogenannten „green-on-blue-attack“: der Angreifer trug die Uniform der afghanischen Nationalarmee und eröffnete das Feuer auf internationale Streitkräfte, dabei wurden zwei US-Soldaten und ein Soldat der afghanischen Nationalarmee getötet. Zu einem weiteren Selbstmordanschlag auf eine Militärakademie kam es ebenso im Februar in der Stadt Kabul; bei diesem Angriff wurden mindestens 6 Personen getötet und mehr als 10 verwundet (UNGASC 17.3.2020). Dieser Großangriff beendete mehrere Monate relativer Ruhe in der afghanischen Hauptstadt (DS 11.2.2020; vgl. UNGASC 17.3.2020).
Die Taliban setzten außerdem improvisierte Sprengkörper in Selbstmordfahrzeugen gegen Einrichtungen der ANDSF in den Provinzen Kandahar, Helmand und Balkh ein (UNGASC 17.3.2020).
Anschläge gegen Gläubige und Kultstätten, religiöse Minderheiten
Nach Unterzeichnung des Abkommens zwischen den USA und den Taliban war es bereits Anfang März 2020 zu einem ersten großen Angriff des ISKP gekommen (BBC 6.3.2020; vgl. AJ 6.3.2020). Der ISKP hatte sich an den Verhandlungen nicht beteiligt (BBC 6.3.2020) und bekannte sich zu dem Angriff auf eine Gedenkfeier eines schiitischen Führers; Schätzungen zufolge wurden dabei mindestens 32 Menschen getötet und 60 Personen verletzt (BBC 6.3.2020; vgl. AJ 6.3.2020).
Am 25.3.2020 kam es zu einem tödlichen Angriff des ISKP auf eine Gebetsstätte der Sikh (Dharamshala) in Kabul. Dabei starben 25 Menschen, 8 weitere wurden verletzt (NYT 26.3.2020; vgl. TN 26.3.2020; BBC 25.3.2020). Regierungsnahe Quellen in Afghanistan machen das Haqqani-Netzwerk für diesen Angriff verantwortlich, sie werten dies als Vergeltung für die Gewalt an Muslimen in Indien (AJ 27.3.2020; vgl. TTI 26.3.2020). Die Taliban distanzierten sich von dem Angriff (NYT 26.3.2020). Am Tag nach dem Angriff auf die Gebetsstätte, detonierte eine magnetische Bombe beim Krematorium der Sikh, als die Trauerfeierlichkeiten für die getöteten Sikh-Mitglieder im Gange waren. Mindestens eine Person wurde dabei verletzt (TTI 26.3.2020; vgl. NYT 26.3.2020).
Regierungsfeindliche Gruppierungen
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv – insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (USDOD 12.2019; vgl. CRS 12.2.2019) und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (USDOD 12.2019):
Taliban
Der derzeitige Taliban-Führer ist nach wie vor Haibatullah Akhundzada (REU 17.8.2019; vgl. FA 3.1.2018) – Stellvertreter sind Mullah Mohammad Yaqub – Sohn des ehemaligen Taliban-Führers Mullah Omar – und Serajuddin Haqqani (CTC 1.2018; vgl. TN 26.5.2016) Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (TN 13.1.2017). Die Taliban bezeichnen sich selbst als das Islamische Emirat Afghanistan (VOJ o.D.). Die Regierungsstruktur und das militärische Kommando sind in der Layha, einem Verhaltenskodex der Taliban definiert (AAN 4.7.2011), welche zuletzt 2010 veröffentlicht wurde (AAN 6.12.2018). Die Taliban sind keine monolithische Organisation (NZZ 20.4.2020); nur allzu oft werden die Taliban als eine homogene Einheit angesehen, während diese aber eine lose Zusammenballung lokaler Stammesführer, unabhängiger Warlords sowie abgekoppelter und abgeschotteter Zellen sind (BR 5.3.2020).
Ein Bericht über die Rekrutierungspraxis der Taliban teilt die Taliban-Kämpfer in zwei Kategorien: professionelle Vollzeitkämpfer, die oft in den Madrassen rekrutiert werden, und Teilzeit-Kämpfer vor Ort, die gegenüber einem lokalen Kommandanten loyal und in die lokale Gesellschaft eingebettet sind (LI 29.6.2017). Die Gesamtstärke der Taliban wurde von einem Experten im Jahr 2017 auf über 200.000 geschätzt, darunter angeblich 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Der Experte schätzte jedoch, dass die Zahl der Vollzeitkämpfer, die gleichzeitig in Afghanistan aktiv sind, selten 40.000 übersteigt (LI 23.8.2017). Im Jänner 2018 schätzte ein Beamter des US-Verteidigungsministeriums die Gesamtstärke der Taliban in Afghanistan auf 60.000 (NBC 30.1.2018). Laut dem oben genannten Experten werden die Kämpfe hauptsächlich von den Vollzeitkämpfern der mobilen Einheiten ausgetragen (LI 23.8.2017; vgl. AAN 3.1.2017; AAN 17.3.2017).
Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan. Seit Ende 2014 wurden 20 davon öffentlich zur Schau gestellt. Das Khalid bin Walid-Camp soll12 Ableger, in acht Provinzen betreibt (Helmand, Kandahar, Ghazni, Ghor, Saripul, Faryab, Farah und Maidan Wardak). 300 Militärtrainer und Gelehrte sind dort tätig und es soll möglich sein, in diesem Camp bis zu 2.000 Rekruten auf einmal auszubilden (LWJ 14.8.2019).
Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt (LI 23.8.2017). In einigen nördlichen Gebieten sollen die Taliban bereits überwiegend Nicht-Paschtunen sein, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LI 23.8.2017).
Haqqani-Netzwerk
Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida (CRS 12.2.2019). Benannt nach dessen Begründer, Jalaluddin Haqqani (AAN 1.7.2010; vgl. USDOS 19.9.2018; vgl. CRS 12.2.2019), einem führenden Mitglied des antisowjetischen Jihad (1979-1989) und einer wichtigen Taliban-Figur; sein Tod wurde von den Taliban im September 2018 verlautbart. Der derzeitige Leiter ist dessen Sohn Serajuddin Haqqani, der seit 2015, als stellvertretender Leiter galt (CTC 1.2018).
Als gefährlichster Arm der Taliban, hat das Haqqani-Netzwerk, seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt (NYT 20.8.2019) und wird für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich gemacht (CRS 12.2.2019).
Islamischer Staat (IS/ISIS/ISIL/Daesh), Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP)
Erste Berichte über den Islamischen Staat (IS, auch ISIS, ISIL oder Daesh genannt) in Afghanistan gehen auf den Sommer 2014 zurück (AAN 17.11.2014; vgl. LWJ 5.3.2015). Zu den Kommandanten gehörten zunächst oft unzufriedene afghanische und pakistanische Taliban (AAN 1.8.2017; vgl. LWJ 4.12.2017). Schätzungen zur Stärke des ISKP variieren zwischen 1.500 und 3.000 (USDOS 18.9.2018), bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern (UNSC 13.6.2019). Nach US-Angaben vom Frühjahr 2019 ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Auch soll der Islamische Staat vom zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan sowie von aus Syrien geflohenen Kämpfern profitieren (BAMF 3.6.2019; vgl. VOA 21.5.2019).
Der ISKP geriet in dessen Hochburg in Ostafghanistan nachhaltig unter Druck (UNGASC 17.3.2020). Jahrelange konzertierten sich Militäroffensiven der US-amerikanischen und afghanischen Streitkräfte auf diese Hochburgen. Auch die Taliban intensivierten in jüngster Zeit ihre Angriffe gegen den ISKP in diesen Regionen (NYT 2.12.2020; vgl. SIGAR 30.1.2020). So sollen 5.000 Talibankämpfer aus der Provinz Kandahar gekommen sein, um den ISKP in Nangarhar zu bekämpfen (DW 26.2.2020; vgl. MT 27.2.2020). Schlussendlich ist im November 2019 die wichtigste Hochburg des islamischen Staates in Ostafghanistan zusammengebrochen (NYT 2.12.2020; vgl. SIGAR 30.1.2020). Über 1.400 Kämpfer und Anhänger des ISKP, darunter auch Frauen und Kinder, kapitulierten. Zwar wurde der ISKP im November 2019 weitgehend aus der Provinz Nangarhar vertrieben, jedoch soll er weiterhin in den westlichen Gebieten der Provinz Kunar präsent sein (UNGASC 17.3.2020). Die landesweite Mannstärke des ISKP wurde seit Anfang 2019 von 3.000 Kämpfern auf 300 Kämpfer reduziert (NYT 2.12.2020).
49 Angriffe werden dem ISKP im Zeitraum 8.11.2019-6.2.2020 zugeschrieben, im Vergleichszeitraum des Vorjahres wurden 194 Vorfälle registriert. Im Berichtszeitraum davor wurden 68 Angriffe registriert (UNGASC 17.3.2020).
Die Macht des ISKP in Afghanistan ist kleiner, als jene der Taliban; auch hat er viel Territorium verloren. Der ISKP war bzw. ist nicht Teil der Friedensverhandlungen mit den USA und ist weiterhin in der Lage, tödliche Angriffe durchzuführen (BBC 25.3.2020). Aufgrund des Territoriumsverlustes ist die Rekrutierung und Planung des ISKP stark eingeschränkt (NYT 2.12.2020).
Der ISKP verurteilt die Taliban als "Abtrünnige", die nur ethnische und/oder nationale Interessen verfolgen (CRS 12.2.2019). Die Taliban und der Islamische Staat sind verfeindet. In Afghanistan kämpfen die Taliban seit Jahren gegen den IS, dessen Ideologien und Taktiken weitaus extremer sind als jene der Taliban (WP 19.8.2019; vgl. AP 19.8.2019). Während die Taliban ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte beschränken (AP 19.8.2019), zielt der ISKP darauf ab, konfessionelle Gewalt in Afghanistan zu fördern, indem sich Angriffe gegen Schiiten richten (WP 19.8.2019).
Al-Qaida und ihr verbundene Gruppierungen
Al-Qaida sieht Afghanistan auch weiterhin als sichere Zufluchtsstätte für ihre Führung, basierend auf langjährigen und engen Beziehungen zu den Taliban. Beide Gruppierungen haben immer wieder öffentlich die Bedeutung ihres Bündnisses betont (UNSC 15.1.2019). Unter der Schirmherrschaft der Taliban ist al-Qaida in den letzten Jahren stärker geworden; dabei wird die Zahl der Mitglieder auf 240 geschätzt, wobei sich die meisten in den Provinzen Badakhshan, Kunar und Zabul befinden. Mentoren und al-Qaida-Kadettenführer sind oftmals in den Provinzen Helmand und Kandahar aktiv (UNSC 13.6.2019).
Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht die Präsenz auszubauen. Des Weiteren fungieren al-Qaida-Mitglieder als Ausbilder und Religionslehrer der Taliban und ihrer Familienmitglieder (UNSC 13.6.2019).
Im Rahmen der Friedensgespräche mit US-Vertretern haben die Taliban angeblich im Jänner 2019 zugestimmt, internationale Terrorgruppen wie Al-Qaida aus Afghanistan zu verbannen (TEL 24.1.2019).
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1. Kabul
Letzte Änderung: 22.4.2020
Die Provinz Kabul liegt im Zentrum Afghanistans (PAJ o.D.) und grenzt an Parwan und Kapisa im Norden, Laghman im Osten, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden sowie Wardak im Westen. Provinzhauptstadt ist Kabul-Stadt (NPS o.D.). Die Provinz besteht aus den folgenden Distrikten: Bagrami, Chahar Asyab, Dehsabz, Estalef, Farza, Guldara, Kabul, Kalakan, Khak-e-Jabar, Mir Bacha Kot, Musahi, Paghman, Qara Bagh, Shakar Dara und Surubi/Surobi/Sarobi (CSO 2019; vgl. IEC 2018).
Laut dem UNODC Opium Survey 2018 verzeichnete die Provinz Kabul 2018 eine Zunahme der Schlafmohnanbaufläche um 11% gegenüber 2017. Der Schlafmohnanbau beschränkte sich auf das Uzbin-Tal im Distrikt Surubi (UNODC/MCN 11.2018).
Kabul-Stadt – Geographie und Demographie
Kabul-Stadt ist die Hauptstadt Afghanistans und auch ein Distrikt in der Provinz Kabul. Es ist die bevölkerungsreichste Stadt Afghanistans, mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 5.029.850 Personen für den Zeitraum 2019-20 (CSO 2019). Die Bevölkerungszahl ist jedoch umstritten. Einige Quellen behaupten, dass sie fast 6 Millionen beträgt (AAN 19.3.2019). Laut einem Bericht, expandierte die Stadt, die vor 2001 zwölf Stadtteile – auch Police Distrikts (USIP 4.2017), PDs oder Nahia genannt (AAN 19.3.2019) – zählte, aufgrund ihres signifikanten demographischen Wachstums und ihrer horizontalen Expansion auf 22 PDs (USIP 4.2017). Die afghanische zentrale Statistikorganisation (Central Statistics Organization, CSO) schätzt die Bevölkerung der Provinz Kabul für den Zeitraum 2019-20 auf 5.029.850 Personen (CSO 2019). Sie besteht aus Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus (PAJ o.D.; vgl. NPS o.D.).
Abb.1: Kabul, Police Distrikts (Darstellung der Staatendokumentation)
Hauptstraßen verbinden die afghanische Hauptstadt mit dem Rest des Landes (UNOCHA 4.2014). In Kabul-Stadt gibt es einen Flughafen, der mit internationalen und nationalen Passagierflügen bedient wird (BFA Staatendokumentation 25.3.2019).
Die Stadt besteht aus drei konzentrischen Kreisen: Der erste umfasst Shahr-e Kohna, die Altstadt, Shahr-e Naw, die neue Stadt, sowie Shash Darak und Wazir Akbar Khan, wo sich viele ausländische Botschaften, ausländische Organisationen und Büros befinden. Der zweite Kreis besteht aus Stadtvierteln, die zwischen den 1950er und 1980er Jahren für die wachsende städtische Bevölkerung gebaut wurden, wie Taimani, Qala-e Fatullah, Karte Se, Karte Chahar, Karte Naw und die Microraions (sowjetische Wohngebiete). Schließlich wird der dritte Kreis, der nach 2001 entstanden ist, hauptsächlich von den „jüngsten Einwanderern“ (USIP 4.2017) (afghanische Einwanderer aus den Provinzen) bevölkert (AAN 19.3.2019), mit Ausnahme einiger hochkarätiger Wohnanlagen für VIPs (USIP 4.2017).
Was die ethnische Verteilung der Stadtbevölkerung betrifft, so ist Kabul Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt, je nach der geografischen Lage ihrer Heimatprovinzen: Dies gilt für die Altstadt ebenso wie für weiter entfernte Stadtviertel, und sie wird in den ungeplanten Gebieten immer deutlicher (Noori 11.2010). In den zuletzt besiedelten Gebieten sind die Bewohner vor allem auf Qawmi-Netzwerke angewiesen, um Schutz und Arbeitsplätze zu finden sowie ihre Siedlungsbedingungen gemeinsam zu verbessern. Andererseits ist in den zentralen Bereichen der Stadt die Mobilität der Bewohner höher und Wohnsitzwechsel sind häufiger. Dies hat eine disruptive Wirkung auf die sozialen Netzwerke, die sich in der oft gehörten Beschwerde manifestiert, dass man „seine Nachbarn nicht mehr kenne“ (AAN 19.3.2019).
Nichtsdestotrotz, ist in den Stadtvierteln, die von neu eingewanderten Menschen mit gleichem regionalen oder ethnischen Hintergrund dicht besiedelt sind, eine Art „Dorfgesellschaft“ entstanden, deren Bewohner sich kennen und direktere Verbindungen zu ihrer Herkunftsregion haben als zum Zentrum Kabuls (USIP 4.2017). Einige Beispiele für die ethnische Verteilung der Kabuler Bevölkerung sind die folgenden: Hazara haben sich hauptsächlich im westlichen Viertel Chandawal in der Innenstadt von Kabul und in Dasht-e-Barchi sowie in Karte Se am Stadtrand niedergelassen; Tadschiken bevölkern Payan Chawk, Bala Chawk und Ali Mordan in der Altstadt und nördliche Teile der Peripherie wie Khairkhana; Paschtunen sind vor allem im östlichen Teil der Innenstadt Kabuls, Bala Hisar und weiter östlich und südlich der Peripherie wie in Karte Naw und Binihisar (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017), aber auch in den westlichen Stadtteilen Kota-e-Sangi und Bazaar-e-Company (auch Company) ansässig (Noori 11.2010); Hindus und Sikhs leben im Herzen der Stadt in der Hindu-Gozar-Straße (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017).
Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul. Nichtsdestotrotz, führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018).
Aufgrund eben dieser öffentlichkeitswirksamer Angriffe auf Kabul-Stadt kündigte die afghanische Regierung bereits im August 2017 die Entwicklung eines neuen Sicherheitsplans für Kabul an (AAN 25.9.2017). So wurde unter anderem das Green Village errichtet, ein stark gesichertes Gelände im Osten der Stadt, in dem unter anderem, Hilfsorganisationen und internationale Organisationen (RFERL 2.9.2019; vgl. FAZ 2.9.2019) sowie ein Wohngelände für Ausländer untergebracht sind (FAZ 2.9.2019). Die Anlage wird stark von afghanischen Sicherheitskräften und privaten Sicherheitsmännern gesichert (AJ 3.9.2019). Die Green Zone hingegen ist ein separater Teil, der nicht unweit des Green Villages liegt. Die Green Zone ist ein stark gesicherter Teil Kabuls, in dem sich mehrere Botschaften befinden – so z.B. auch die US-amerikanische Botschaft und andere britische Einrichtungen (RFERL 2.9.2019).
In Bezug auf die Anwesenheit von staatlichen Sicherheitskräften liegt die Provinz Kabul mit Ausnahme des Distrikts Surubi im Verantwortungsbereich der 111. ANA Capital Division, die unter der Leitung von türkischen Truppen und mit Kontingenten anderer Nationen der NATO-Mission Train, Advise and Assist Command – Capital (TAAC-C) untersteht. Der Distrikt Surubi fällt in die Zuständigkeit des 201. ANA Corps (USDOD 6.2019). Darüber hinaus wurde eine spezielle Krisenreaktionseinheit (Crisis Response Unit) innerhalb der afghanischen Polizei, um Angriffe zu verhindern und auf Anschläge zu reagieren (LI 5.9.2018).
Im Distrikt Surubi wird von der Präsenz von Taliban-Kämpfern berichtet (TN 26.3.2019; vgl. SAS 26.3.2019). Aufgrund seiner Nähe zur Stadt Kabul und zum Salang-Pass hat der Distrikt große strategische Bedeutung (WOR 10.9.2018).
Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung
Der folgenden Tabelle kann die Zahl sicherheitsrelevanter Vorfälle bzw. Todesopfer für die Provinz Kabul gemäß ACLED und Globalincidentmap (GIM) für das Jahr 2019 und das erste Quartal 2020 entnommen werden (Quellenbeschreibung s. Disclaimer, hervorgehoben: Distrikt der Provinzhauptstadt):
| 2019 | 2020 (bis 31.3.2020) | ||
| GIM Vorfälle | ACLED Vorfälle (>= 1 Tote) | GIM Vorfälle | ACLED Vorfälle (>= 1 Tote) |
Bagrami | 1 | 1 |
|
|
Chahar Asyab |
| 2 |
|
|
Dehsabz | 3 | 1 |
|
|
Estalef |
|
|
|
|
Farza |
|
|
|
|
Guldara |
|
|
|
|
Kabul | 217 | 62 | 37 | 15 |
Kalakan |
|
|
|
|
Khak-e-Jabar |
|
|
|
|
Mir Bacha Kot |
|
|
|
|
Musahi | 2 | 3 |
|
|
Paghman | 5 | 5 |
|
|
Qara Bagh | 2 | 4 |
| 2 |
Shakar Dara | 15 | 1 | 2 |
|
Surubi | 21 | 6 | 4 |
|
Insg. | 266 | 85 | 43 | 17 |
(ACLED 9.4.2020; ACLED 3.4.2020; GIM o.D.)
Im Jahr 2019 dokumentierte UNAMA 1.563 zivile Opfer (261 Tote und 1.302 Verletzte) in der Provinz Kabul. Dies entspricht einem Rückgang von 16% gegenüber 2018. Die Hauptursache für die Opfer waren Selbstmordangriffe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen (UNAMA 2.2020).
Die afghanischen Sicherheitskräfte führten insbesondere im Distrikt Surubi militärische Operationen aus der Luft und am Boden durch, bei denen Aufständische getötet wurden (KP 27.3.2019; vgl. TN 26.3.2019, SAS 26.3.2019, TN 23.10.2018,. KP 23.10.2018, KP 9.7.2018). Dabei kam es unter anderem zu zivilen Opfern (TN 26.3.2019; vgl. SAS 26.3.2019). Außerdem führten NDS-Einheiten Operationen in und um Kabul-Stadt durch (TN 7.8.2019; vgl. PAJ 7.7.2019, TN 9.6.2019, PAJ 28.5.2019). Dabei wurden unter anderem Aufständische getötet (TN 7.8.2019) und verhaftet (TN 7.8.2019; PAJ 7.7.2019; vgl TN 9.6.2019, PAJ 28.5.2019), sowie Waffen und Sprengsätze konfisziert (TN 9.6.2019; vgl. PAJ 28.5.2019).
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AJ – Al Jazeera (8.3.2019): Death toll rises to 11 in attack on Shia gathering in Kabul, https://www.aljazeera.com/news/2019/03/death-toll-rises-11-afghan-capital-attack-shia-gathering-190308102222870.html , Zugriff 11.7.2019
AJ – Al Jazeera (6.9.2018): Afghanistan: Two journalists among 20 killed in Kabul blasts, https://www.aljazeera.com/news/2018/09/afghanistan-deadly-suicide-attack-kabul-sports-club-180905142909428.html , Zugriff 11.7.2019
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2. Herat
Letzte Änderung: 22.4.2020
Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und teilt eine internationale Grenze mit dem Iran im Westen und Turkmenistan im Norden. Weiters grenzt Herat an die Provinzen Badghis im Nordosten, Ghor im Osten und Farah im Süden (UNOCHA 4.2014). Herat ist in 16 Distrikte unterteilt: Adraskan, Chishti Sharif, Fersi, Ghoryan, Gulran, Guzera (Nizam-i-Shahid), Herat, Enjil, Karrukh, Kohsan, Kushk (Rubat-i-Sangi), Kushk-i-Kohna, Obe/Awba/Obah/Obeh (AAN 9.12.2018; vgl. PAJ o.D., PAJ 13.6.2019), Pashtun Zarghun, Shindand, Zendahjan. Zudem bestehen vier weitere „temporäre“ Distrikte – Poshtko, Koh-e-Zore (Koh-e Zawar), Zawol und Zerko (CSO 2019; vgl. IEC 2018) –, die zum Zweck einer zielgerichteteren Mittelverteilung aus dem Distrikt Shindand herausgelöst wurden (AAN 3.7.2015; vgl. PAJ 1.3.2015). Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt (CSO 2019). Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans (PAJ o.D.).
Die CSO schätzt die Bevölkerung der Provinz für den Zeitraum 2019-20 auf 2.095.117 Einwohner, 556.205 davon in der Provinzhauptstadt (CSO 2019). Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen (PAJ o.D.). Herat-Stadt war historisch gesehen eine tadschikisch dominierte Enklave in einer paschtunischen Mehrheits-Provinz, die beträchtliche Hazara- und Aimaq-Minderheiten umfasst (USIP 2015). Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert. Der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 besonders gestiegen, da viele aus dem Iran rückgeführt oder aus den Provinzen Zentralafghanistans vertrieben wurden (AAN 3.2.2019). Der Grad an ethnischer Segregation ist in Herat heute ausgeprägt (USIP 2015; vgl. BFA Staatendokumentation 13.6.2019).
Die Provinz ist durch die Ring Road mit anderen Großstädten verbunden (TD 5.12.2017). Eine Hauptstraße führt von Herat ostwärts nach Ghor und Bamyan und weiter nach Kabul. Andere Autobahn verbinden die Provinzhauptstadt mit dem afghanisch-turkmenischen Grenzübergang bei Torghundi sowie mit der afghanisch-iranischen Grenzüberquerung bei Islam Qala (iMMAP 19.9.2017). Ein Flughafen mit Linienflugbetrieb zu internationalen und nationalen Destinationen liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft von Herat-Stadt (BFA Staatendokumentation 25.3.2019).
Laut UNODC Opium Survey 2018 gehörte Herat 2018 nicht zu den zehn wichtigsten Schlafmohn anbauenden Provinzen Afghanistans. 2018 sank der Schlafmohnanbau in Herat im Vergleich zu 2017 um 46%. Die wichtigsten Anbaugebiete für Schlafmohn waren im Jahr 2018 die Distrikte Kushk und Shindand (UNODC/MCN 11.2018).
Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure
Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten durchzuführen (KP 19.5.2019; vgl. KP 17.12.2018). Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als „sehr sicher“ gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).
Auch im Vergleich zu Kabul gilt Herat-Stadt einem Mitarbeiter von IOM-Kabul zufolge zwar als sicherere Stadt, doch gleichzeitig wird ein Anstieg der Gesetzlosigkeit und Kriminalität verzeichnet: Raubüberfälle nahmen zu und ein Mitarbeiter der Vereinten Nationen wurde beispielsweise überfallen und ausgeraubt. Entführungen finden gelegentlich statt, wenn auch in Herat nicht in solch einem Ausmaß wie in Kabul (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).
Der Distrikt mit den meisten sicherheitsrelevanten Vorfällen ist der an Farah angrenzende Distrikt Shindand, wo die Taliban zahlreiche Gebiete kontrollieren. Wegen der großen US-Basis, die in Shindand noch immer operativ ist, kontrollieren die Taliban jedoch nicht den gesamten Distrikt. Aufgrund der ganz Afghanistan betreffenden territorialen Expansion der Taliban in den vergangenen Jahren sah sich jedoch auch die Provinz Herat zunehmend von Kampfhandlungen betroffen. Dennoch ist das Ausmaß der Gewalt im Vergleich zu einigen Gebieten des Ostens, Südostens, Südens und Nordens Afghanistans deutlich niedriger (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).
Innerhalb der Taliban kam es nach der Bekanntmachung des Todes von Taliban-Führer Mullah Omar im Jahr 2015 zu Friktionen (AAN 11.1.2017; vgl. RUSI 16.3.2016; SAS 2.11.2018). Mullah Rasoul, der eine versöhnlichere Haltung gegenüber der Regierung in Kabul einnahm, spaltete sich zusammen mit rund 1.000 Kämpfern von der Taliban-Hauptgruppe ab. Die Regierungstruppen kämpfen in Herat angeblich nicht gegen die Rasoul-Gruppe, die sich für Friedensgespräche und den Schutz eines großen Pipeline-Projekts der Regierung in der Region einsetzt (SAS 2.11.2018). Innerhalb der Taliban-Hauptfraktion wurde der Schattengouverneur von Herat nach dem Waffenstillstand mit den Regierungstruppen zum Eid al-Fitr-Fest im Juni 2018 durch einen als Hardliner bekannten Taliban aus Kandahar ersetzt (UNSC 13.6.2019).
Auf Seiten der Regierung ist das 207. Zafar-Corps der ANA für die Sicherheit in der Provinz Herat verantwortlich (USDOD 6.2019; vgl. PAJ 2.1.2019), das der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - West (TAAC-W) untersteht, welche von italienischen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019; vgl. KP 16.12.2018).
Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung
Der folgenden Tabelle kann die Zahl sicherheitsrelevanter Vorfälle bzw. Todesopfer für die Provinz Herat gemäß ACLED und Globalincidentmap (GIM) für das Jahr 2019 und das erste Quartal 2020 entnommen werden (Quellenbeschreibung s. Disclaimer, hervorgehoben: Distrikt der Provinzhauptstadt):
| 2019 | 2020 (bis 31.3.2020) | ||
| GIM Vorfälle | ACLED Vorfälle (>= 1 Tote) | GIM Vorfälle | ACLED Vorfälle (>= 1 Tote) |
Adraskan |
| 8 |
| 1 |
Chishti Sharif | 6 | 8 | 9 | 5 |
Enjil |
| 2 |
| 1 |
Fersi | 2 | 6 |
|
|
Ghoryan | 5 | 13 |
| 4 |
Gulran | 4 | 11 | 1 | 3 |
Guzera |
| 7 |
| 2 |
Herat | 89 | 33 | 29 | 10 |
Karrukh |
| 4 |
|
|
Koh-e-Zore* | k.A. | k.A. | k.A. | k.A. |
Kohsan | 1 | 9 | 1 | 4 |
Kushk | 1 | 11 |
| 4 |
Kushk-i-Koh |
| 7 |
| 3 |
Obe |
| 23 |
| 7 |
Pashtun Zarghun | 13 | 23 | 1 | 3 |
Poshtko* | k.A. | k.A. | k.A. | k.A. |
Shindand | 17 | 61 | 2 | 13 |
Zawol* | k.A. | k.A. | k.A. | k.A. |
Zendahjan | 1 | 3 |
| 1 |
Zerko* | k.A. | k.A. | k.A. | k.A. |
Insg. | 139 | 229 | 43 | 61 |
*temporäre Distrikte; sicherheitsrelevante Vorfälle in diesen Distrikten werden dem Distrikt Shindand zugerechnet. (ACLED 9.4.2020; ACLED 3.4.2020; GIM o.D.)
Im Jahr 2019 dokumentierte UNAMA 400 zivile Opfer (144 Tote und 256 Verletzte) in der Provinz Herat. Dies entspricht einer Steigerung von 54% gegenüber 2018. Die Hauptursache für die Opfer waren improvisierte Sprengkörper (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordanschläge), gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen (UNAMA 2.2020).
In der Provinz Herat kommt es regelmäßig zu militärischen Operationen (KP 16.6.2019; vgl. KP 28.9.2019, KP 29.6.2019, KP 17.6.2019, 21.5.2019). Unter anderem kam es dabei auch zu Luftangriffen durch die afghanischen Sicherheitskräfte (KP 16.6.2019; vgl. AN 23.6.2019). In manchen Fällen wurden bei Drohnenangriffen Talibanaufständische und ihre Führer getötet (AN 23.6.2019; vgl. KP 17.12.2018; KP 25.12.2018). Der volatilste Distrikt von Herat ist Shindand. Dort kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Taliban-Fraktionen, wie auch zwischen den Taliban und regierungsfreundlichen Kräften (NYTM 12.12.2018; AJ 7.12.2018; AN 30.11.2018; KP 28.4.2018; VoA 13.4.2018). Regierungskräfte führten beispielsweise im Dezember 2018 (KP 17.12.2018) und Januar 2019 Operationen in Shindand durch (KP 26.1.2019). Obe ist neben Shindand ein weiterer unsicherer Distrikt in Herat (TN 8.9.2018). Im Dezember 2018 wurde berichtet, dass die Kontrolle über Obe derzeit nicht statisch ist, sondern sich täglich ändert und sich in einer Pattsituation befindet (AAN 9.12.2018). Im Juni 2019 griffen die Aufständischen beispielsweise mehrere Posten der Polizei im Distrikt an (AT 2.6.2019; vgl. PAJ 13.6.2019) und die Sicherheitskräfte führten zum Beispiel Anfang Juli 2019 in Obe Operationen durch (XI 11.7.2019). Außerdem kommt es in unterschiedlichen Distrikten immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (KP 5.7.2019; vgl. PAJ 30.6.2019) wie z.B in den Distrikten Adraskan, Fersi, Kushk-i-Kohna, Obe, Rabat Sangi, Shindand und Zawol (PAJ 30.6.2019).
Auf der Autobahn zwischen Kabul und Herat sowie Herat und Farah werden Reisende immer wieder von Taliban angehalten; diese fordern von Händlern und anderen Reisenden Schutzgelder (ST 14.12.2018).
Anmerkung: Weitere Informationen zu Herat – u.a. zur Sicherheitslage – können der Analyse der Staatendokumentation „Afghanistan - Informationen zu sozioökonomischen Faktoren in der Provinz Herat“ vom 13.6.2019 entnommen werden (BFA 13.6.2019).
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AAN – Afghanistan Analysts Network (11.1.2017): The Battle between Law and Force: Scattered political power and deteriorating security test Herat’s dynamism, https://www.afghanistan-analysts.org/the-battle-between-law-and-force-scattered-political-power-and-deteriorating-security-test-herats-dynamism/ , Zugriff 3.7.2019
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ACLED – Armed Conflict Location and Event Data (3.4.2020): ACLED Data http://www.acleddata.com/data/ , Zugriff 3.4.2020
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3. Erreichbarkeit
Letzte Änderung: 22.4.2020
Die Infrastruktur bleibt ein kritischer Faktor für Afghanistan, trotz der seit 2002 erreichten Infrastrukturinvestitionen und -optimierungen (TD 5.12.2017). Seit dem Fall der Taliban wurde das afghanische Verkehrswesen in städtischen und ländlichen Gebieten grundlegend erneuert. Beachtenswert ist die Vollendung der „Ring Road“, welche Zentrum und Peripherie des Landes sowie die Peripherie mit den Nachbarländern verbindet (TD 26.1.2018). Investitionen in ein integriertes Verkehrsnetzwerk werden systematisch geplant und umgesetzt. Dies beinhaltet beispielsweise Entwicklungen im Bereich des Schienenverkehrs und im Straßenbau (z.B. Vervollständigung und Instandhaltung der Kabul Ring Road, des Salang-Tunnels, des Lapis Lazuli Korridors etc.) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 5.12.2017), aber auch Investitionen aus dem Ausland zur Verbesserung und zum Ausbau des Straßennetzes und der Verkehrswege (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TN 18.6.2018; SIGAR 15.7.2018, TET 13.12.2018, TD 26.1.2018, TD 8.1.2019, TN 25.5.2019, CWO 26.8.2019).
Jährlich sterben Hunderte von Menschen bei Verkehrsunfällen auf Autobahnen im ganzen Land – vor allem durch unbefestigte Straßen, überhöhte Geschwindigkeit und Unachtsamkeit (KT 17.2.2017; vgl. GIZ 7.2019, IWPR 26.3.2018). Die Präsenz von Aufständischen, Zusammenstöße zwischen diesen und den afghanischen Sicherheitskräften, sowie die Gefahr von Straßenraub und Entführungen entlang einiger Straßenabschnitte beeinflussen die Sicherheit auf den afghanischen Straßen. Einige Beispiele dafür sind die Straßenabschnitte Kabul-Kandahar (TN 15.8.2018; vgl. ST 24.4.2019), Herat-Kandahar (PAJ News 5.1.2019), Kunduz-Takhhar (KP 20.8.2018; vgl. CBS News 20.8.2019) und Ghazni-Paktika (AAN 30.12.2019).
Ring Road
(TD 5.12.2017)
Die Ring Road, auch bekannt als Highway One, ist eine Straße, die das Landesinnere ringförmig umgibt (HP 9.10.2015; vgl. FES 2015). Die afghanische Ring Road ist Teil eines Autobahnprojekts von 3.360 km Länge, das 16 Provinzen mit den größten Städten Afghanistans, Kabul, Mazar, Herat, Ghazni und Jalalabad, verbinden soll (TN 9.12.2017). Sie verbindet außerdem Kabul mit den vier bedeutendsten Provinzhauptstädten Herat, Kandahar City, Jalalabad und Mazar-e Sharif (USAID 2014; vgl. TG 22.10.2014, BFA Staatendokumentation 4.2018).
Trotz der Ankündigung von Präsident Ghani aus dem Jahr 2015, die Ring Road in neun Monaten fertigzustellen, sind einzelne Teilstücke weiterhin unbefestigt, darunter ein ca. 150 km langes Teilstück zwischen Badghis und Faryab (Sigar 15.7.2018). Die asiatische Entwicklungsbank (Asian Development Bank – ADB, Anm.) genehmigte 150 Millionen USD, um die Kabul Ring Road fertigzustellen. Die fehlenden 151 Kilometer sollen künftig den Distrikt Qaisar (Provinz Faryab, Anm.) mit Dar-e Bum (Provinz Badghis, Anm.) verbinden; dieses Straßenstück ist der letzte Teil der 2.200 km langen Straße. Mittlerweile leben mehr als 80% der Afghanen weniger als 50 km von der Ring Road entfernt. Die Autobahn wird in diesem Projekt außerdem mit einem Entwässerungssystem ausgestattet sowie auch mit weiteren modernen Sicherheitsfunktionen. Durch das Ring Road-Projekt sollen regionale Verbindungen erleichtert und die Qualität der Transportdienste verbessert werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. PAJ 17.12.2017).
Autobahnabschnitt Kandahar - Kabul - Herat
Die afghanische „Ring Road“ verbindet große afghanische Städte wie Herat, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (TD 12.4.2018). Sie erstreckt sich südlich von Kabul und ist die Hauptverbindung zwischen der Hauptstadt und der großen südlichen Stadt Kandahar (REU 13.10.2015). Der Kandahar-Kabul-Teil der Ring Road erstreckt sich vom östlichen und südöstlichen Teil Kandahars über die Provinz Zabul nach Ghazni in Richtung Kabul, während die Ring Road westlich von Kandahar nach Gereshk in Helmand und Delaram in Nimroz verläuft (ISW o.D.).
Der Abschnitt zwischen Kabul und Herat beträgt 1.400 km (IWPR 26.3.2018). Die an die Ring-Road anknüpfende 218 km lange Zaranj-Dilram-Autobahn (Provinz Nimroz, Anm.), auch „Route 606“ genannt, soll zukünftig Afghanistan mit Chabahar im Iran verbinden (AD 15.8.2017; vgl. TET 9.8.2017, TD 24.5.2017).
Anrainer beschweren sich über den schlechten Zustand des Abschnitts Kandahar-Kabul-Herat (TN 14.3.2018). Ursachen dafür sind die mangelnde Instandhaltung und ständige Angriffe durch Aufständische (IWPR 26.3.2018).
Autobahnabschnitt Baghlan-Balkh
Die Baghlan-Balkh-Autobahn ist Teil der Ring Road und verbindet den Norden mit dem Westen des Landes. Sie gilt als eine unabdingbare Transitroute zwischen der Hauptstadt der Provinz Baghlan, Pul-e Khumri, und den nordwestlichen Provinzen Samangan, Balkh, Jawjzan, Sar-e Pul und Faryab (AAN 15.8.2016).
Salang Tunnel/Salang Korridor
Der Salang-Korridor gilt als Vorzeigeobjekt des Kalten Krieges und wurde im Jahr 1964 zum ersten Mal eröffnet (TD 21.10.2015). Er ist die einzige direkte Verbindung zwischen der Hauptstadt Kabul und dem Norden des Landes (WP 22.1.2018; TD 21.10.2015). Der Salang-Tunnel ist 2.7 km (1.7 Meilen) lang und wurde für den täglichen Verkehr von 1.000 bis 2.000 Fahrzeugen gebaut. Heute befahren ihn jedoch täglich über 10.000 Transportmittel, was den Bedarf an Instandhaltungsarbeiten erhöht (WP 22.1.2018). Durch das von der Weltbank finanzierte Trans-Hindukush Road Connectivity Project soll bis 2022 u.a. der Salang-Korridor dank einer Förderung von 55 Millionen USD renoviert werden (TWB o.D.; vgl. TN 1.9.2018, RW 6.7.2017). In Juni 2018 kündigte das Ministerium für öffentliche Arbeiten (Ministry of Public Works – MoPW) an, dass die technischen und geologischen Untersuchungen sowie der Entwurf des neuen Salang-Tunnels gegen Ende 2019 abgeschlossen sein werden (TN 18.6.2018). Im September kündigte das Ministerium für öffentliche Arbeit an, dass die Arbeiten an den ersten 10 km des Salang-Passes begonnen hätten (TN 1.9.2018).
Weitere Autobahnen
Gardez - Khost-Autobahn (NH08)
Die Gardez-Khost-Autobahn, auch „G-K-Autobahn“ genannt, ist 101,2 km lang (USAID 7.11.2016; vgl. PAJ 15.12.2015) und verbindet die Provinzhauptstadt der Provinz Paktia, Gardez, mit Khost City, der Provinzhauptstadt von Khost (PAJ 15.12.2015). Sie verbindet aber auch Ostafghanistan mit der Ghulam-Khan-Autobahn in Pakistan. Mitte Dezember 2015 wurde die sanierte Gardez-Khost Autobahn eröffnet. Ebenso wurden 410 kleine Brücken und 25 km Schutzwände auf dieser Autobahn errichtet (PAJ 15.12.2015; vgl. USAID 7.11.2016).
Grand Trunk Road - Autobahnabschnitt Jalalabad-Peshawar / Pak-Afghan-Highway
Die Grand Trunk Road, auch bekannt als „G.T. Road“, ist die älteste, längste und bekannteste Straße des indischen Subkontinentes (GS o.D.; vgl. Doaks o.D., Dawn 30.12.2018; EIPB 2006). Die über 2.500 km lange Route beginnt in der bangladeschischen Stadt Chittagong, verläuft über Delhi in Indien, Lahore und Peshawar in Pakistan, den Khyber Pass an der afghanisch-pakistanischen Grenze und endet in Kabul (Samaa 9.8.2017; vgl. Scroll 4.5.2018, EIPB 2006). Der Khyber-Pass erstreckt sich über 53 km durch das Safed-Koh-Gebirge und ist eine der wichtigsten Verbindungen zwischen Afghanistan und Pakistan; er verbindet Kabul mit Peshawar (EB 30.3.2017; vgl. BL o.D., NG o.D.).
Die Torkham-Peshawar Autobahn verbindet Jalalabad mit Peshawar in Pakistan, über die afghanische Grenzstadt Torkham in der Provinz Nangarhar. Sie ist eine der am stärksten befahrenen Straßen Afghanistans. Der afghanische Teil der Straße besteht aus zwei Abschnitten: der 76 km langen Torkham-Jalalabad-Straße und die Jalalabad-Kabul-Verbindung, die sich über 155 km erstreckt (ET 27.10.2016). Die Straße, die auch als „Pak-Afghan Highway“ bekannt ist, wird als Wirtschaftsroute zwischen Pakistan, Afghanistan, Usbekistan, Tadschikistan und den südasiatischen Ländern genutzt (ET 7.3.2016; vgl. PAJ 28.8.2015, PCQ o.D.).
Autobahnabschnitte Kabul-Bamyan und Bamyan-Mazar-e Sharif
Am 29.8.2016 wurde die Straße Kabul-Bamyan eingeweiht. Das von der italienischen Agentur für Entwicklung finanzierte Straßenprojekt sollte die Verbindung zwischen Kabul und Bamyan erleichtern und den wirtschaftlichen Aufschwung in der Region fördern. Durch die neu errichtete Straße beträgt die Reisezeit von Kabul nach Bamyan zweieinhalb Stunden (Farnesina 29.8.2016).
Ausgeführt durch ein chinesisches Unternehmen, wurde der Startschuss zur Weiterführung des Projektes „Dare-e-Sof and Yakawlang Road“ gegeben. In der ersten, bereits beendeten Phase, wurde Mazar-e Sharif mit dem Distrikt Yakawlang in der Provinz Bamyan durch eine Straße verbunden. Der zweite Teil dieses Projektes, eine 178 km lange Straße, die durch mehr als 37 Dörfer verlaufen soll, wird den Distrikt Dare-e-Sof in der Provinz Samangan mit dem Distrikt Yakawlang verbinden; angedacht ist eine dritte Phase – dabei sollen die Provinzen Bamyan und Kandahar durch eine 550 km lange Straße verbunden werden (XI 9.1.2017). Im September 2018 wurde ein Projekt zur Instandhaltung von 45 km Straße von Yakawlang nach Sighnan in der Provinz Bamiyan unterzeichnet (PAJ 4.9.2018).
Kabul Ring Road
Mitte September 2017 gewährte die islamische Entwicklungsbank (IDB) der afghanischen Regierung ein langfristiges Darlehen im Wert von 74 Millionen USD zum Bau der Kabul-Ring-Road, die sich über eine Strecke von 95 km erstrecken wird; die Straße soll innerhalb von fünf Jahren gebaut werden (TKT 25.9.2017). Im August 2019 kündigte der Saudi Fond für Entwicklung (Saudi Fund for Development – SFD, Anm.) an, 48 Millionen USD in ein Projekt betreffend die Ring Road in Kabul zu investieren (CWO 26.8.2019).
Transportwesen
Das Transportwesen in Afghanistan gilt als „verhältnismäßig gut“. Es gibt einige regelmäßige Busverbindungen innerhalb Kabuls und in die wichtigsten Großstädte Afghanistans (IE o.D.). Die Kernfrage bleibt nach wie vor die Sicherheit (IWPR 26.3.2018). Es existieren einige nationale Busunternehmen, welche Mazar-e Sharif, Kabul, Herat, Jalalabad und Bamiyan miteinander verbinden; Beispiele dafür sind Bazarak Panjshir, Herat Bus, Khawak Panjshir, Ahmad Shah Baba Abdali (vertrauliche Quelle 14.5.2018; vgl. IWPR 26.3.2018).
Aus Bequemlichkeit bevorzugen Reisende, die es sich leisten können, die Nutzung von Gemeinschaftstaxis nach Mazar-e Sharif, Kabul, Herat, Jalalabad und Bamiyan (vertrauliche Quelle 14.5.2018). Der folgenden Tabelle können die Preise für besagte Reiseziele entnommen werden:
Distanz | Preis |
Kabul - Mazar | 1.500 AFN – 1.700 AFN |
Mazar – Herat | ca. 2.800 AFN (keine direkte Verbindung) |
Kabul - Jalalabad | ca. 800 AFN |
Kabul – Bamiyan | ca. 1.500 AFN |
(vertrauliche Quelle 14.5.2018)
Beispiele für Busverbindungen
Kabul-Stadt
Der Mangel an Bussen insbesondere während der Stoßzeit in Kabul-Stadt ist eine Herausforderung für die afghanische Regierung. Im Laufe der Jahre wurde versucht, dieses Problem zu lösen, indem Indien dem Transportsystem in Kabul hunderte Busse zur Verfügung stellte (TD 8.1.2019). Auch wird gemäß Aussagen des Bürgermeisters von Kabul ein Projekt zur Einrichtung eines Metro-Bus-Dienstes, auch Bus Rapid Transit genannt, in Kabul-Stadt geplant. Die erste Strecke soll 8 km abdecken und Deh Afghana mit Sara-e-Shamali verbinden, während die zweite Route vom Baraki Platz bis Deh Afghana über Kote Sangi und Deh Mazang verlaufen soll. Insgesamt sollen 111 km innerhalb der Stadt durch den Metro-Bus-Dienst abgedeckt werden (KP 12.9.2017; vgl. TN 15.6.2017). Im Juli 2018 gab ein Sprecher der Stadt Kabul an, dass die Planungsphase des Projektes bald beendet würde und es zu Verzögerungen gekommen sei (TN 8.7.2018).
Mazar-e Sharif
Es gibt einige Busverbindungen zwischen Mazar-e Sharif und Kabul. Bis zu 50 unterschiedliche Unternehmen bieten 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, Fahrten von und nach Kabul an. Ausführende Busunternehmen sind beispielsweise Bazarak Panjshir Bus, Hesarak Panjshir Bus, Jawid Bus, Khorshid Bus und Jabal Seraj Bus. Die Preise pro Passagier liegen zwischen 400 und 1.000 Afghani und hängen stark vom Komfort im Bus ab. So kann man zum Beispiel in einem Bus der Marke Mercedes Benz mit Toiletten, Kühlschränken und Internet reisen. Busreisen gelten als relativ günstig (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Ahmad Shah Baba Abdali Bus Service
Gemäß einem Sprecher des Verkehrsministeriums gehörte das Busunternehmen Ahmad Shah Baba Abdali im Jahr 2017 zu den führenden Transportunternehmen des Landes. In den letzten Jahren war das Busunternehmen in zahlreiche Verkehrsunfälle auf der Kandahar-Kabul-Herat-Route involviert. Einem Bericht von IWPR zufolge wurden von verschiedenen Quellen zu hohe Geschwindigkeit, Drogenkonsum der Fahrer, Angst vor Angriffen und die schlechten Straßenbedingungen als Gründe für die hohe Anzahl an Verkehrsunfällen angeführt (IWPR 26.3.2018). Laut einem offiziellen Vertreter der Firma ist Ahmad Shah Baba Abdali das größte Busunternehmen Afghanistans. Die Busse dieser Firma transportieren Passagiere von Kandahar nach Kabul, Helmand, Nimroz, Herat und in andere Provinzen (PAJ 18.3.2015).
Beispiele für Buspreise
Distanz | Preis |
Kabul - Mazar | 400 AFN – 600 AFN |
Mazar – Herat | 1.500 AFN – 2.000 AFN (keine direkte Verbindung; zuerst Mazar – Kabul und dann Kabul – Herat z.B.) |
Kabul - Jalalabad | 300 AFN – 600 AFN |
Kabul – Bamiyan | ca. 1.000 AFN – 1.500 AFN |
(vertrauliche Quelle 14.5.2018)
Flugverbindungen
Der folgenden Karte können Informationen über aktive Militär-, Regional- und internationale Flughäfen in den verschiedenen Städten Afghanistans entnommen werden.
Anmerkung der Staatendokumentation: Zu beachten ist, dass es innerhalb von kurzer Zeit zu Änderungen der Flugverbindungen kommen kann und in der Karte ausschließlich jene Flughäfen eingetragen sind, die laut Quellen am 4.11.2019 Linienverbindungen für Passagiere oder eine geplante Flugbewegung im Zeitraum bis sieben Tage nach der Abfrage aufwiesen.
(BFA Staatendokumentation 20.3.2020, Flughafenkarte; vgl. Migrationsverket 4.5.2018)
Die im folgenden Abschnitt beispielhaft angeführten Flugverbindungen basieren auf Online-Flugplänen, auf die über eine Tracking-Site (Flightradar 24) zugegriffen wurde und betreffen den Zeitraum von 30.8.2019 bis 4.11.2019. Es ist möglich, dass zu einem späteren Zeitpunkt Destinationen bzw. Flüge hinzukommen oder hier angeführte wegfallen.
Internationale Flughäfen in Afghanistan
In Afghanistan gibt es insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt (Migrationsverket 23.1.2018). Trotz jahrelanger Konflikte verzeichnet die afghanische Luftfahrtindustrie einen Anstieg in der Zahl ihrer wettbewerbsfähigen Flugrouten. Daraus folgt ein erleichterter Zugang zu Flügen für die afghanische Bevölkerung. Die heimischen Flugdienste sehen sich mit einer wachsenden Konkurrenz durch verschiedene Flugunternehmen konfrontiert. Flugrouten wie Kabul – Herat und Kabul – Kandahar, die früher ausschließlich von Ariana Afghan Airlines angeboten wurden, werden nun auch von internationalen Fluggesellschaften abgedeckt (AG 3.11.2017).
Internationaler Flughafen Kabul
Der Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul ist ein internationaler Flughafen (TN 18.12.2017; vgl. HKA o.D.). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in „Internationaler Flughafen Hamid Karzai“ umbenannt. Er liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neues internationales Terminal wurde hinzugefügt und das alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (HKA o.D.).
Folgende internationale Airlines fliegen nach Kabul: Turkish Airlines aus Istanbul, Silk Way Airlines aus Baku, Emirates und Flydubai aus Dubai, Air Arabia aus Sharjah, Mahan Air aus Teheran und Emirates aus Hong Kong (Flightradar 24 4.11.2019).
Nationale Airlines (Kam Air und Ariana Afghan Airlines) fliegen Kabul international aus Istanbul, Ankara, Medina, Dubai, Urumqi, Dushambe an (Flightradar 24 4.11.2019).
Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Kabul (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zu den Flughäfen von Kandahar, Bost (Helmand, nahe Lashkargah), Zaranj, Farah, Herat, Mazar-e Sharif, Maimana, Bamian, Faizabad, Chighcheran und Tarinkot (Flightradar 24 4.11.2019).
Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif
Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet (PAJ 9.6.2013). Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Folgende internationale Airline fliegt nach Maza-e Sharif: Turkish Airlines aus Istanbul (Flightradar 4.11.10.2019).
Nationale Airlines (Kam Air und Ariana Afghan Airlines) fliegen Mazar-e Sharif international aus Moskau, Jeddah und Medina an (Flightradar 4.11.10.2019).
Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Mazar-e Sharif (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zu den Flughäfen von Kabul und Maimana (Flightradar 4.11.10.2019).
Internationaler Flughafen Kandahar
Der internationale Flughafen Kandahar befindet sich 16 km von Kandahar-Stadt entfernt und ist einer der größten Flughäfen des Landes (MB o.D.). Er hat 37 Stellplätze für insgesamt 250 Flugzeuge (PAJ 3.6.2015). Ein Teil des Flughafens steht den internationalen Streitkräften zur Verfügung. Eine separate Militärbasis für einen Teil des afghanischen Heeres ist dort ebenso zu finden, wie Gebäude für Firmen (PAJ 3.6.2015; LCA 5.1.2018).
Folgende internationale Airline fliegt nach Kandahar: Tsaradia aus Delhi (Flightradar 4.11.10.2019).
Nationale Airlines (Kam Air und Ariana Afghan Airlines) fliegen Mazar-e Sharif international aus Delhi, Jeddah und Dubai an (Flightradar 4.11.10.2019).
Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Kandahar (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zum Flughafen nach Kabul (Flightradar 4.11.10.2019).
Internationaler Flughafen Herat
Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen Regierung errichtet (HIA o.D.; ACAA o.D).
Nationale Airlines (Kam Air und Ariana Afghan Airlines) fliegen Herat international aus Medina und Delhi an (Flightradar 4.11.10.2019).
Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Herat (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zu den Flughäfen nach Kabul, Farah und Chighcheran (Flightradar 4.11.10.2019).
Zugverbindungen
In Afghanistan existieren insgesamt drei Zugverbindungen: Eine Linie verläuft entlang der nördlichen Grenze zu Usbekistan (von Hairatan nach Mazar-e Sharif, Anm.) und zwei kurze Strecken verbinden Serhetabat in Turkmenistan mit Torghundi (in der Provinz Herat, Anm.) und Aqina (in der Provinz Faryab, Anm.) in Afghanistan (RoA 25.2.2018; vgl. RoA o.D., RFE/RL 29.11.2016; vgl. vertrauliche Quelle 16.5.2018). Alle drei Zugverbindungen sind für den Transport von Fracht gedacht, wobei sie prinzipiell auch Passagiere transportieren könnten (vertrauliche Quelle 16.5.2018). Die afghanischen Machthaber lehnten lange Zeit den Bau von Eisenbahnen in Afghanistan ab, aus Angst, ausländische Mächte könnten ihre Unabhängigkeit gefährden (RoA o.D.).
Im Laufe der letzten Jahre fanden verschiedene Treffen zwischen Repräsentanten Afghanistans und seiner Nachbarstaaten u.a. zur Förderung und Vertiefung bestehender Projekte zur Implementierung von Zugverbindungen wie dem Five-Nation Railway Corridor und dem Afghanistan Rail Network statt (TD 26.1.2018). Das Five-Nation Railway Corridor Projekt soll China mit dem Iran verbinden und Kirgisistan, Tadschikistan und Afghanistan über eine Länge von insgesamt 2.100 km durchqueren. Mehr als 1.000 km des Eisenbahnkorridors werden durch die afghanischen Provinzen Herat, Badghis, Faryab, Jawzjan, Balkh und Kunduz verlaufen (TN 14.2.2018). Der Afghanistan Rail Network Plan (ANRP) hat das Ziel, den Transport in den Bereichen Landwirtschaft, Fertigung, Bergbau und anderen Branchen zu fördern. Die Bauarbeiten zur Errichtung einer Eisenbahnverbindung zwischen der iranischen Stadt Khaf und dem afghanischen Herat sind im Gange (RoA 23.1.2018; vgl. ID 11.4.2018). Im November 2017 wurde zwischen Afghanistan und weiteren fünf Staaten das sogenannte Lapislazuli-Korridor-Abkommen unterzeichnet, das u.a. den Bau von Eisenbahnverbindungen im Land vorsieht (SIGAR 4.2018). Der Lapis Lazuli Korridor, der Straßen, Eisenbahn- und Seewege umfasst, die von Afghanistan nach Turkmenistan, Aserbaidschan und Georgien führen, bevor sie das Schwarze Meer in die Türkei und schließlich nach Europa überqueren, wurde im Dezember 2018 eröffnet (CGTN 14.12.2018).
Ein weiteres Projekt das „China-India-Plus“ hat das Ziel, mithilfe von Indien und China die Eisenbahnverbindung zwischen Afghanistan und Usbekistan auszubauen. Das Ziel für Usbekistan ist es hierbei, über Afghanistan und Iran Zugang zum persischen Golf zu erhalten (CGTN 10.10.2018; vgl. Indian Today 16.10.2018).
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BFA Staatendokumentation (8.5.2018): Flughafenkarte, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor
BFA Staatendokumentation (4.2018): FFM- Bericht Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/1430912.html , Zugriff 1.9.2019
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Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 22.4.2020
Gemäß Artikel 116 der Verfassung ist die Justiz ein unabhängiges Organ der Islamischen Republik Afghanistan. Die Judikative besteht aus dem Obersten Gerichtshof (Stera Mahkama, Anm.), den Berufungsgerichten und den Hauptgerichten, deren Gewalten gesetzlich geregelt sind (Casolino 2011). In islamischen Rechtsfragen lässt sich der Präsident von hochrangigen Rechtsgelehrten des Ulema-Rates (Afghan Ulama Council – AUC) beraten (USDOS 29.5.2018). Dieser Ulema-Rat ist eine von der Regierung unabhängige Körperschaft, die aus rund 2.500 sunnitischen und schiitischen Rechtsgelehrten besteht (REU 24.11.2018; vgl. USDOS 29.5.2018).
Das afghanische Justizwesen beruht sowohl auf dem islamischen [Anm.: Scharia] als auch auf dem nationalen Recht; letzteres wurzelt in den deutschen und ägyptischen Systemen (APE 3.2017). Die rechtliche Praxis in Afghanistan ist komplex: Einerseits sieht die Verfassung das Gesetzlichkeitsprinzip und die Wahrung der völkerrechtlichen Abkommen – einschließlich Menschenrechtsverträge – vor, andererseits formuliert sie einen unwiderruflichen Scharia-Vorbehalt. Ein Beispiel dieser Komplexität ist das neue Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist (APE 3.2017; vgl. UNAMA 22.2.2018). Die Organe der afghanischen Rechtsprechung sind durch die Verfassung dazu ermächtigt, sowohl das formelle, als auch das islamische Recht anzuwenden (APE 3.2017).
Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan üblicherweise akzeptiert wird, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang; oft werden die Bestimmungen des islamischen Rechts zugunsten des Gewohnheitsrechts missachtet, welches den Konsens innerhalb der Gemeinschaft aufrechterhalten soll. Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tief greifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht (USIP 3.2015).
Gemäß dem allgemeinen Scharia-Vorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, sodass nicht festgelegt ist, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem, islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits, zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und das Fehlen einer Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen und stehen Fortschritten im Menschenrechtsbereich entgegen (AA 2.9.2019). Wenn keine klar definierte Rechtssetzung angewendet werden kann, setzen Richter und lokale Schuras das Gewohnheitsrecht durch. Was oft zu einer Diskriminierung von Frauen führte. Es gibt einen Mangel an qualifiziertem Justizpersonal und manche lokale und Provinzbehörden, darunter auch Richter, haben nur geringe Ausbildung und fundieren ihre Urteile auf ihrer persönlichen Interpretation der Scharia, ohne das staatliche Recht, Stammesrecht oder örtliche Gepflogenheiten zu respektieren. Diese Praktiken führen oft zu Entscheidungen, die Frauen diskriminieren (USDOS 11.3.2020). Trotz erheblicher Fortschritte in der formellen Justiz Afghanistans, bemüht sich das Land auch weiterhin für die Bereitstellung zugänglicher und gesamtheitlicher Leistungen; weit verbreitete Korruption sowie Versäumnisse vor allem in den ländlichen Gebieten gehören zu den größten Herausforderungen (CR 11.2018). Auch ist das Justizsystem weitgehend ineffektiv und wird durch Drohungen, Befangenheit, politische Einflussnahme und weit verbreitete Korruption beeinflusst (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 2.9.2019, FH 4.2.2019). Das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren ist in der Verfassung verankert, wird aber in der Praxis selten durchgesetzt (USDOS 11.3.2020). Rechtsstaatliche (Verfahrens-)Prinzipien werden nicht konsequent (AA 2.9.2019).
Dem Gesetz nach gilt für alle Bürgerinnen und Bürger die Unschuldsvermutung und Angeklagte haben das Recht, beim Prozess anwesend zu sein und Rechtsmittel einzulegen; jedoch werden diese Rechte nicht immer respektiert. Obwohl die Verfassung das Recht auf öffentliche Prozesse vorsieht, finden nur in einigen Provinzen solche öffentlichen Prozesse statt. Auch verlangt das Gesetz von Richter/innen eine Vorankündigung von fünf Tagen vor einer Verhandlung. Nicht alle Richter/innen folgen diesen Vorgaben und viele Bürger beschwerten sich über Gerichtsverfahren, die sich oft über Jahre hinziehen. Beschuldigte werden von der Staatsanwaltschaft selten rechtzeitig über die gegen sie erhobenen Anklagen genau informiert. Die Beschuldigten sind dazu berechtigt – sofern es die Ressourcen erlauben – sich auf öffentliche Kosten von einem Pflichtverteidiger vertreten und beraten zu lassen; jedoch wird dieses Recht aufgrund eines Mangels an Strafverteidigern uneinheitlich umgesetzt. Dem Justizsystem fehlen die Kapazitäten, um die große Zahl an neuen oder veränderten Gesetzen zu absorbieren. Der Zugang zu Gesetzestexten wurde verbessert, jedoch werden durch die schlechte Zugänglichkeit immer noch einige Richter und Staatsanwälte in ihrer Arbeit behindert (USDOS 11.3.2019).
Richterinnen und Richter:
Das Justizsystem leidet unter einem Mangel an Richtern - insbesondere in unsicheren Gebieten; weswegen viele Fälle durch informelle, traditionelle Mediation entschieden werden (USDOS 11.3.2020). Die Unsicherheit im ländlichen Raum behindert eine Justizreform, jedoch ist die Unfähigkeit des Staates, eine effektive und transparente Gerichtsbarkeit herzustellen, ein wichtiger Grund für die Unsicherheit im Land (CR 11.8.2018).
Die Rechtsprechung durch unzureichend ausgebildete Richter (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 13.3.2019) basiert in vielen Regionen auf einer Mischung aus verschiedenen Gesetzen (FH 4.2.2019). Ein Mangel an Richterinnen – insbesondere außerhalb von Kabul – schränkt den Zugang von Frauen zum Justizsystem ein, da kulturelle Normen es Frauen verbieten, mit männlichen Beamten zu tun zu haben (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 2.9.2019). Nichtsdestotrotz, sind in Afghanistan 257 Richterinnen tätig (13% - insgesamt 2.029 Richterinnen und Richter) (USODS 13.3.2020). Der Großteil von ihnen arbeitet in Kabul; aber auch in anderen Provinzen wie in Herat, Balkh, Takhar und Baghlan (FMF 18.4.2019).
Sowohl Angeklagte, als auch deren Rechtsanwälte haben das Recht, vor den Verhandlungen Beweise und Dokumente im Zusammenhang mit den Verfahren zu prüfen. Nichtsdestotrotz sind Gerichtsdokumente trotz des Ersuchens der Verteidiger vor der Verhandlung oft nicht zur Prüfung verfügbar (USDOS 11.3.2020). Richter und Anwälte erhalten oft Drohungen oder Bestechungen von örtlichen Machthabern oder bewaffneten Gruppen (FH 4.2.2019). Die Richterschaft zeigt sich respektvoller und toleranter gegenüber Strafverteidigern, jedoch kommt es immer wieder zu Übergriffen auf und Bedrohung von Strafverteidigern durch die Staatsanwaltschaft oder andere Dienststellen der Exekutive (USDOS 11.3.2020). Anklage und Verhandlungen weisen eine Reihe von Schwächen auf: dazu zählen das Fehlen einer angemessenen Vertretung, übermäßige Abhängigkeit von unverifizierten Zeugenaussagen, einem Mangel an zuverlässigen forensischen Beweisen, willkürlichen Entscheidungen sowie Gerichtsentscheidungen, die nicht veröffentlicht werden (FH 4.2.2019).
Einflussnahme durch Verfahrensbeteiligte oder Unbeteiligte sowie Zahlung von Bestechungsgeldern verhindern Entscheidungen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen in weiten Teilen des Justizsystems (AA 2.9.2019). Es gibt eine tief verwurzelte Kultur der Straflosigkeit in der politischen und militärischen Elite des Landes (FH 4.2.2019; vgl. AA 2.9.2019). Im Juni 2016 wurde auf Grundlage eines Präsidialdekrets das „Anti-Corruption Justice Center“ (ACJC) eingerichtet, um gegen korrupte Minister, Richter und Gouverneure vorzugehen (AJO 10.10.2017). Der afghanische Generalprokurator Farid Hamidi engagiert sich landesweit für den Aufbau des gesellschaftlichen Vertrauens in das öffentliche Justizwesen (ATL 9.3.2017; vgl. TN 22.4.2019). Das ACJC, zu dessen Aufgaben auch die Verantwortung für große Korruptionsfälle gehört, verhängte Strafen gegen mindestens 67 hochrangige Beamte, davon 16 Generäle der Armee oder Polizei sowie sieben Stellvertreter unterschiedlicher Organisationen, aufgrund der Beteiligung an korrupten Praktiken (TN 22.4.2019). Alleine von 1.12.2018-1.3.2019 wurden mehr als 30 hochrangige Personen der Korruption beschuldigt und bei einer Verurteilungsrate von 94% strafverfolgt. Unter diesen Verurteilten befanden sich vier Oberste, ein stellvertretender Finanzminister, ein Bürgermeister, mehrere Polizeichefs und ein Mitglied des Provinzialrates (USDOD 6.2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (2.9.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2015806/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juli_2019%29%2C_02.09.2019.pdf , Zugriff 11.9.2019
AJO – Afghanistan Justice Organization (10.10.2017): Anti-Corruption Justice Center (ACJC) Coordination Meeting with Civil Society Organizations, https://www.afghanjustice.org/article/articledetail/anticorruption-justice-center-acjc-coordination-meeting-with-civil-society-organizations , Zugriff 21.5.2019
APE – Archivio Penale (3.2017): Dalla Comunità internazionale, F. Romoli, Il nuovo codice penale afghano tra speranze della comunità internazionale e resistenze interne, http://www.archiviopenale.it/File/Download?codice=ee07681d-820f-4ab2-a953-d41228bf7fd8 , Zugriff 21.5.2019
ATL – Atlantic, the (9.3.2017): The Impossible Job of Afghanistan's Attorney General, https://www.theatlantic.com/international/archive/2017/03/afghanistan-justice-attorney-general/517014/ , Zugriff 21.5.2019
Casolino, Ugo Timoteo (2011): "Post-war constitutions" in Afghanistan ed Iraq, Ricerca elaborata e discussa nell’ambito del Dottorato di ricerca in Sistema Giuridico Romanistico, Università degli studi di Tor Vergata, Facoltà di Giurisprudenza – Roma, http://eprints.bice.rm.cnr.it/3858/1/TESI-TIM_Definitiva.x.SOLAR._2011.pdf , Zugriff 21.5.2019
CR – Conciliation Ressources (11.8.2018): Institutionalising inclusive and sustainable justice in Afghanistan: Hybrid possibilities, https://www.c-r.org/accord/afghanistan/institutionalising-inclusive-and-sustainable-justice-afghanistan-hybrid , Zugriff 22.5.2019
FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Afghanistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004321.html , Zugriff 21.5.2019
FMF – Feminist Majourity Foundation (18.4.2019): Afghanistan Now Has 260 Female Judges, https://feminist.org/blog/index.php/2017/04/18/afghanistan-now-has-260-female-judges/ , Zugriff 26.8.2019
TN – Tolonews (22.4.2019): Attorney General Defends Performance But Critics Remain Skeptical, https://www.tolonews.com/afghanistan/attorney-general-defends-performance-critics-remain-skeptical , Zugriff 26.8.2019
UNAMA – United Nations Assistance Mission in Afghanistan (22.2.2018): UNAMA welcomes Afghanistan’s new penal code - calls for robust framework to protect women against violence, https://unama.unmissions.org/unama-welcomes-afghanistan%E2%80%99s-new-penal-code-calls-robust-framework-protect-women-against-violence , Zugriff 21.5.2019
USDOD – United States Department of Defense (6.2019): Enhancing Security and Stability in Afghanistan, https://media.defense.gov/2019/Jul/12/2002156816/-1/-1/1/ENHANCING-SECURITY-AND-STABILITY-IN-AFGHANISTAN.PDF , Zugriff 23.7.2019
USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Afghanistan https://www.state.gov/reports/2019-country-reports-on-human-rights-practices/afghanistan/ , Zugriff 3.4.2020
USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Afghanistan, https://www.state.gov/reports/2019-country-reports-on-human-rights-practices/afghanistan/ , Zugriff 2.4.2020
USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Afghanistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004129.html , Zugriff 21.5.2019
USIP – United States Institute of Peace (3.2015): Islamic Law, Customary Law, and Afghan Informal Justice, https://www.usip.org/sites/default/files/SR363-Islamic-Law-CustomaryLaw-and-Afghan-Informal-Justice.pdf , Zugriff 21.5.2019
4. Alternative Rechtsprechungssysteme
Letzte Änderung: 22.4.2020
Das formelle Justizsystem ist in urbanen Zentren stärker ausgeprägt, wo es näher an der Zentralregierung ist, jedoch schwächer in ländlichen Gebieten (USDOS 11.3.2020). In den Großstädten entschieden die Gerichte in Strafverfahren auch weiterhin im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben. Zivilrechtsfälle werden oft durch informelle Systeme wie beispielsweise staatliche Mediation über das Huquq-Büro des Justizministeriums oder durch Verhandlungen zwischen den Streitparteien beigelegt: diese Mediationen werden von Gerichtspersonal oder privaten Rechtsanwälten geführt. Nachdem das formelle Rechtssystem in ländlichen Gebieten oft nicht vorhanden ist (USDOS 13.3.2019), nutzen Bewohner des ländlichen Raumes lokale Rechtsschlichtungsmechanismen wie Schuras (beratschlagende Versammlungen, normalerweise von Männern, die von der Gemeinde nominiert werden) und Jirgas häufiger als die städtische Bevölkerung (AF 4.12.2018; vgl. USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.2.2019). Diese Streitschlichtungsmechanismen werden sowohl bei kriminellen Vergehen, als auch bei zivilen Disputen, einberufen (USDOS 11.3.2020). In diesen Shuras oder Jirgas werden eine Mischung aus Varianten des staatlichen Rechts und der Scharia (islamisches Recht) angewandt (FH 4.2.2019). Es kommt insbesondere in paschtunischen Siedlungsräumen weiter auch zu traditionellen Formen privater Strafjustiz, bis hin zu Blutfehden (AA 2.9.2019).
Informelle Justizmechanismen werden von vielen Personen auch wegen ihrer schnelleren und meist weniger kostenintensiven Tätigkeit bevorzugt (AF 4.12.2018). Der Großteil der Bevölkerung hat unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen, sozialen oder religiösen Gruppe kein Vertrauen in die afghanischen Sicherheitskräfte und die Justizorgane. Sie werden als korrupt und zum Teil auch gefährlich wahrgenommen, weshalb ihre Hilfe in Notfällen oft nicht in Anspruch genommen wird (AA 2.9.2019; vgl. AF 4.12.2018). In entlegenen Gebieten Afghanistans macht es die zunehmende Kontrolle der Taliban der afghanischen Regierung beinahe unmöglich, Gerichte in Distrikten zu betreiben, in welchen die Taliban stark präsent sind (DW 15.3.2017).
Die Taliban haben ihr eigenes Rechtswesen in den Gebieten unter ihrer Kontrolle eingerichtet (FH 4.2.2019). Die Parallelregierung der Taliban ist bei einigen Afghanen beliebt. So berichteten Bewohner in Logar über das Gerichtssystem der Gruppierung, dass es eine bessere, schnellere und weniger korrupte Justiz bietet als staatliche Gerichte. In zunehmendem Maße wenden sich Menschen an die Taliban, um Eigentums- und Familienstreitigkeiten beizulegen, da Richter und Staatsanwälte oft Bestechungsgelder verlangen (CBC 24.12.2018). Zusätzlich berichten Betroffene in Einzelfällen von unterschiedlichen Erfahrungen mit dem Parallelsystem der Taliban; wie -z.B. im Falle eines Landdisputes in Helmand, in denen beide Seiten vor dem Taliban-Gericht angehört wurden und erst danach eine Entscheidung getroffen wurde (DW 15.3.2017).
Viele Talibankommandanten sprechen willkürliche Bestrafungen ohne Berücksichtigung des Taliban‘schen Rechtssystems aus (FH 4.2.2019). Jedoch gibt es höchstwahrscheinlich Bestrafungen für diese Kommandanten, wenn die Anführer davon erfahren. Die Taliban haben nur geringe Möglichkeiten, willkürliche Bestrafungen zu verhindern, jedoch ein System der Bestrafung, wenn diese Dinge bekannt werden (ODI 6.2018).
Auch andere nicht-staatliche Gruppen setzen ein paralleles, auf der Scharia basierendes Rechtssystem um. Bestrafungen beinhalten Exekution und Verstümmelung (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 2.9.2019, DW 15.3.2017).
Jedoch besteht bei der Nutzung informeller Justizmechanismen oft keine Wahlfreiheit. Viele Frauen, die Gewaltverbrechen an die staatlichen Behörden melden wollen, werden gezwungen, die informellen Systeme zu nutzen. Dies führt häufig dazu, dass die Täter ungestraft bleiben und die Frauen weiterhin Gefahren ausgesetzt sind (AF 4.12.2018).
In der Gesellschaft der Paschtunen wird das Pashtunwali zur Regelung aller gesellschaftlichen und internen Angelegenheiten der Gemeinschaft als zentrale Autorität herangezogen, so wie sie sich in den Vorschriften des Pashtunwali manifestiert. Dieses sind die Folgenden: Melmastiya (Gastfreundschaft), Nang (Ehre), Nanawatai (Abbitte leisten), Ghairat (Würde) usw. Die gesellschaftlichen Institutionen wie die Jirga (Ältestenversammlung zur Lösung von Streitigkeiten), Maraka (Ältestenrat zur Lösung kleinerer Probleme) usw. stellen demokratische Strukturen dar. Desgleichen gibt es für Rechtsangelegenheiten eine Justiz in Form der Jirga (alternative Streitbeilegung), Tigah (Waffenruhe), Nogha (Strafzahlung) usw.. Auch eine Exekutive ist vorgesehen in Form der Lashkar (Bürgermiliz), Tsalwashtees (Friedenskräfte), Cheegha (Aufruf zum Handeln) und Ähnliches (BFA 7.2016).
Anmerkung: für mehr Informationen zum Paschtunwali siehe das Dossier der Staatendokumentation; zugänglich lt. untenstehender Quellenangabe.
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (2.9.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2015806/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juli_2019%29%2C_02.09.2019.pdf , Zugriff 11.9.2019
AF – Asia Foundation (4.12.2018): A survey of the Afghan People - Afghanistan in 2018, https://asiafoundation.org/wp-content/uploads/2018/12/2018_Afghan-Survey_fullReport-12.4.18.pdf , Zugriff 22.5.2019
BFA – Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (7.2016): Dossier der Staatendokumentation: AfPak - Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur, https://www.ecoi.net/en/file/local/1236701/90_1470057716_afgh-stammes-und-clanstruktur-onlineversion-2016-07.pdf , Zugriff 22.5.2019
CBC News – Canadian Broadcasting Corporation (24.12.2018): Aid agencies under threat in Afghanistan as Taliban attempts to tax them, https://www.cbc.ca/news/world/afghanistan-aid-agencies-taliban-tax-1.4958009 , Zugriff 20.5.2019
DW – Deutsche Welle (15.3.2017): The disturbing trend of Taliban justice in Afghanistan, https://www.dw.com/en/the-disturbing-trend-of-taliban-justice-in-afghanistan/a-37950678 , Zugriff 22.5.2019
FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Afghanistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004321.html , Zugriff 21.5.2019
ODI - Overseas Development Institute (6.2018): Life under the Taliban shadow government, https://www.odi.org/sites/odi.org.uk/files/resource-documents/12269.pdf , Zugriff 22.5.2019
USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Afghanistan, https://www.state.gov/reports/2019-country-reports-on-human-rights-practices/afghanistan/ , Zugriff 2.4.2020
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 22.4.2020
Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF – Afghan National Defense and Security Forces) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte (CIA 13.5.2019).
Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan’s Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die ANP (Afghan National Police) und die ALP (Afghan Local Police). Die ANA untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig, ihre primäre Aufgabe ist jedoch die Bekämpfung der Aufständischen innerhalb Afghanistans. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen. Die Ermittlungsabteilung des NDS betreibt ein Untersuchungsgefängnis in Kabul (USDOS 11.3.2020). Die afghanischen Sicherheitskräfte werden teilweise von US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 12.2018).
Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 382.000 beziffert. Die autorisierte Stärke des MoD beträgt 227.103 Mann, während die autorisierte Stärke des MoI 154.626 beträgt. Die ALP zählt mit einer Stärke von 30.000 Leuten als eigenständige Einheit (USDOD 12.2019). Die zugewiesene (tatsächliche) Truppenstärke der ANDSF soll jedoch nur 272,807 betragen. Die Truppenstärke ist somit seit dem Beginn der RS-Mission im Jänner 2015 stetig gesunken. Der Rückgang an Personal wird allerdings auf die Einführung eines neuen Systems zur Gehaltsauszahlung zurückgeführt, welches die Zahlung von Gehältern an nichtexistierende Soldaten verhindern soll (SIGAR 30.1.2010; vgl. SIGAR 30.7.2019; NYT 12.8.2019). Gewisse Daten wie z.B. die Truppenstärke einzelner Einheiten werden teilweise nicht mehr publiziert (USDOD 30.1.2020).
Die Anzahl der in der ANDSF dienenden Frauen hat sich erhöht (USDOD 12.2019). Nichtsdestotrotz bestehen nach wie vor strukturelle und kulturelle Herausforderungen, um Frauen in die ANDSF und die afghanische Gesellschaft zu integrieren (USDOD 6.2019). Die derzeitige Anzahl an Frauen, die in der ANA und der ANP dienen, beträgt etwa 4.484 sowie 432 Frauen, die in zivilen Bereichen tätig sind (USDOD 12.2019).
Afghanische Nationalarmee (ANA)
Die ANA ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen (USDOS 11.3.2020). Das Verteidigungsministerium hat die Stärke der ANA mit 227.103 autorisiert (USDOD 12.2019). Soldaten, die zu Vertragsende ihren Dienst verlassen, sind etwa für ein Viertel der monatlichen Ausfallsquoten verantwortlich; während Verluste durch Gefechte nur einen kleinen Prozentsatz der monatlichen Ausfallsquoten ausmachen. Auch glich bei der ANA die Rate der Rekrutierungen die Ausfallsrate aus (USDOD 12.2019).
Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)
Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Auch ist sie verantwortlich für die Sicherheit Einzelner und der Gemeinschaft sowie auch dem Schutz gesetzlicher Rechte und Freiheiten. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA, jedoch ist es nach wie vor das Langzeitziel der ANP, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln (USDOD 12.2019).
Dem Innenministerium (MoI) unterstehen die vier Teileinheiten der ANP: Afghanische Uniformierte Polizei (AUP), Polizei für Öffentliche Sicherheit (PSP, beinhaltet Teile der ehemaligen Afghanischen Polizei für Nationale Zivile Ordnung, ANCOP), Afghan Border Police (ABP), Kriminalpolizei (AACP), Afghan Local Police (ALP), und Afghan Public Protection Force (APPF). Das Innenministerium beaufsichtigt darüber hinaus drei Spezialeinheiten des Polizeigeneralkommandanten (GCPSU), sowie die Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) (USDOD 12.2019). Der autorisierte Personalstand der ANP beträgt 124,626 (USDOD 12.2019).
Die ALP wird ausschließlich durch die USA finanziert (USDOD 12.2019). Die ANP rekrutiert lokal vor Ort in einer der 34 Rekrutierungsstationen in den Provinzen. Die neuen Rekruten werden zur Polizeiausbildung in eines der zehn regionalen Ausbildungszentren entsandt. Die Polizeiausbildung besteht im Allgemeinen aus einem 8- bis 12-wöchigen Ausbildungskurs. Neben der elementaren Polizeiausbildung mangelt es der ANP an einem institutionalisierten Programm zur Entwicklung von Führungskräften – sowohl auf Distrikt-, als auch auf lokaler Ebene (USDOD 12.2019). Die ALP untersteht dem Innenministerium, der Personalstand wird jedoch nicht den ANDSF zugerechnet (SIGAR 30.4.2019). Die Stärke der ALP, deren Mitglieder auch als „Guardians“ bezeichnet werden, auf rund 30.000 Mann stark geschätzt (USDOD 12.2019). Derzeit dienen etwa 3.077 Frauen (jene, die registriert sind und Anspruch auf ein Grundgehalt haben) in der ANP, wobei 8.898 Stellen für Frauen zur Verfügung stehen. Eine Rekrutierungskampagne, die sich auf den Zuwachs weiblicher Rekruten konzentrierte, führte zu positiven Ergebnissen. Zwischen Juni und September 2019 traten zusätzlich 138 Frauen ihren Dienst bei der ANP an (USDOD 12.2019).
Resolute Support Mission
Die „Resolute Support Mission“ ist eine von der NATO geführte Mission, die mit 1.1.2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene sowie in höheren Rängen der Armee und Polizei. Die Personalstärke der Resolute Support Mission beträgt 16.000 Mann (durch 39 NATO-Mitglieder und andere Partner). Das Hauptquartier befindet sich in Kabul/Bagram mit vier weiteren Niederlassungen in Mazar-e-Sharif im Norden, Herat im Westen, Kandahar im Süden und Laghman im Osten (NATO 18.7.2018).
Quellen:
AIHRC – Afghanistan Independent Human Rights Commission (9.12.2017): Situation of Women Employed in Defense and Security Sectors, https://www.refworld.org/pdfid/5a4f76654.pdf , Zugriff 23.5.2019
BRCC – Black Rifle Coffee Company (30.9.2018): An Inside Look at Afghanistan’s Elite Special Mission Wing, https://coffeeordie.com/an-inside-look-at-afghanistans-elite-special-mission-wing/ , Zugriff 23.5.2019
CIA – Central Intelligence Agency (13.5.2019): The World Factbook – Afghanistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/af.html , Zugriff 23.5.2019
NATO – North Atlantic Treaty Organization (18.7.2018): Resolute Support Mission in Afghanistan, https://www.nato.int/cps/en/natohq/topics_113694.htm , Zugriff 23.5.2019
NYT – New York Times, the (12.8.2019): As U.S. Nears a Pullout Deal, Afghan Army Is on the Defensive, https://www.nytimes.com/2019/08/12/world/asia/afghanistan-army-taliban.html?te=1&nl=at-war&emc=edit_war_20190816?campaign_id=88&instance_id=11673&segment_id=16217&user_id=c2646722e397752b2845daca43e5de3f®i_id=93379395 , Zugriff 10.9.2019
OFPRA - Office Français de Protection des Réfugiés et Apatrides(11.1.2018): Le National Directorate of Security (NDS), S 6, https://www.ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/3.didr_afghanistan_le_national_directorate_of_security_nds_ofpra_11012018.pdf , Zugriff 23.5.2019
SIGAR – Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.4.2019): Quarterly Report to the United States Congress, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008013/2019-04-30qr.pdf , Zugriff 23.5.2019
SIGAR – Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.7.2019): Quarterly Report to the United States Congress, https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2019-07-30qr.pdf , Zugriff 5.8.2019
USDOD – United States Department of Defense (12.2019): Enhancing Security and Stability in Afghanistan, https://media.defense.gov/2020/Jan/23/2002238296/-1/-1/1/1225-REPORT-DECEMBER-2019.PDF , Zugriff 2.4.2020
USDOD – US Department of Defense (12.2018): Enhancing security and stability in Afghanistan, https://media.defense.gov/2018/Dec/20/2002075158/-1/-1/1/1225-REPORT-DECEMBER-2018.PDF , Zugriff 23.5.2019
USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Afghanistan, https://www.state.gov/reports/2019-country-reports-on-human-rights-practices/afghanistan/ , Zugriff 2.4.2020
Folter und unmenschliche Behandlung
Letzte Änderung: 22.4.2020
Laut der afghanischen Verfassung (Artikel 29) sowie dem Strafgesetzbuch (Penal Code) und dem afghanischen Strafverfahrensrecht (Criminal Procedure Code) ist Folter verboten (AA 2.9.2019; vgl. MPI 27.1.2004). Auch ist Afghanistan Vertragsstaat der vier Genfer Abkommen von 1949, des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) sowie des römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) (UNAMA 4.2019). Wenngleich Afghanistan die UN-Konvention gegen Folter ratifiziert hat, Gesetze zur Kriminalisierung von Folter erlassen hat und eine Regierungskommission zur Folter einsetzte, hat die Folter seit Regierungsantritt im Jahr 2014 nicht wesentlich abgenommen – auch werden keine hochrangigen Beamten, denen Folter vorgeworfen wird, strafrechtlich verfolgt (HRW 17.1.2019).
Die Verfassung und das Gesetz verbieten solche Praktiken, dennoch gibt es zahlreiche Berichte über Misshandlung durch Regierungsbeamte, Sicherheitskräfte, Mitarbeiter von Haftanstalten und Polizisten. Berichten von NGOs zufolge, wenden die Sicherheitskräfte auch weiterhin übermäßige Gewalt an; dazu zählen unter anderem auch Folter und Misshandlung von Zivilisten (USDOS 11.3.2020). Obwohl es Fortschritte gab, ist Folter in afghanischen Haftanstalten weiterhin verbreitet (AA 2.9.2019; vgl. UNAMA 4.2019). Rund ein Drittel der Personen, die im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan festgenommen wurden, sind gemäß einem Bericht der UNAMA von Folter betroffen (UNAMA 4.2019). Es gibt dagegen keine Berichte über Folter in Haftanstalten, die der Kontrolle des General Directorate for Prison and Detention Centres des afghanischen Innenministeriums unterliegen. Trotz gesetzlicher Regelung erhalten Inhaftierte nur selten rechtlichen Beistand durch einen Strafverteidiger (AA 2.9.2019).
Der Anteil der Personen, die über Folter berichteten, ist in den vergangenen Jahren leicht gesunken (USDOS 11.3.2020; vgl. HRW 14.1.2020). Auch existieren große Unterschiede abhängig von der geografischen Lage der Haftanstalt: wurde bei einer Befragung durch UNAMA durchschnittlich von rund 31% der Befragten (45 Häftlinge) in ANP-Anstalten von Folter oder schlechter Behandlung berichtet (wenngleich dies ein Rückgang zum Vorjahreswert ist, der 45% betrug), so gaben 77% der Befragten (22 Häftlinge) aus einer ANP-Anstalt in Kandahar an, gefoltert und schlecht behandelt zu werden. Anstalten des NDS in Kandahar und Herat, konnten erwähnenswerte Verbesserungen vorweisen, während die Behandlung von Häftlingen in den Provinzen Kabul, Khost und Samangan auch weiterhin besorgniserregend war (UNAMA 4.2019; vgl. HRW 14.1.2020). Die Arten von Misshandlung, beispielsweise in einer ANP-Hafteinrichtung in Kandahar, umfassen schwere Schläge, Elektroschocks, das Aufhängen an den Armen für längere Zeit, Ersticken, Quetschen der Hoden, Verbrennungen, Schlafentzug, sexuelle Übergriffe und Androhung der Exekution (USDOS 11.3.2020; vgl. UNAMA 4.2019).
Die afghanische Regierung hat Kontrollmechanismen eingeführt, um Fälle von Folter verfolgen und verhindern zu können. Allerdings sind diese weder beim NDS noch bei der afghanischen Polizei durchsetzungsfähig. Daher erfolgt eine Sanktionierung groben Fehlverhaltens durch Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden bisher nur selten (AA 2.9.2019; vgl. HRW 17.1.2019). Die Rechenschaftspflicht der Sicherheitskräfte für Folter und Missbrauch ist schwach, intransparent und wird selten durchgesetzt. Eine unabhängige Beobachtung durch die Justiz bei Ermittlungen oder Fehlverhalten ist eingeschränkt bis inexistent. Mitglieder der ANP und ALP sind sich ihrer Verantwortung weitgehend nicht bewusst und unwissend gegenüber den Rechten von Verdächtigen (USDOS 11.3.2020).
Das Gesetz sieht Entschädigungszahlungen für die Opfer von Folter vor, jedoch ist die Barriere für einen Beweis der Folter sehr hoch. Für eine Entschädigungszahlung ist der Nachweis von physischen Anzeichen von Folter am Körper eines Inhaftierten notwendig (UNAMA 4.2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (2.9.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2015806/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juli_2019%29%2C_02.09.2019.pdf , Zugriff 11.9.2019
HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Afghanistan, https://www.hrw.org/world-report/2020/country-chapters/afghanistan , Zugriff 6.4.2020
HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Afghanistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002151.html , Zugriff 20.5.2019
MPI – Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan, http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf , Zugriff 20.5.2019
UNAMA – United Nations Assistance Mission in Afghanistan (4.2019): Treatment of Conflict-Related Detainees in Afghanistan: Preventing Torture and Ill-treatment under the Anti-Torture Law, https://www.ecoi.net/en/file/local/2006855/afghanistan_-_report_on_the_treatment_of_conflict-related_detainees_-_17_april_2019.pdf , Zugriff 20.5.2019
USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Afghanistan, https://www.state.gov/reports/2019-country-reports-on-human-rights-practices/afghanistan/ , Zugriff 2.4.2020
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Letzte Änderung: 22.4.2020
ie afghanische Zivilgesellschaft spielt eine wichtige Rolle, speziell in den städtischen Regionen, wo tausende Kultur-, Wohlfahrts- und Sportvereinigungen mit wenig Einschränkung durch Behörden tätig sind (FH 4.2.2019). Nationale und internationale Menschenrechtsgruppen arbeiten generell ohne Einschränkungen durch die Regierung (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.2.2019).
Die Zivilgesellschaft Afghanistans ist tief verwurzelt, mit traditionellen lokalen Räten namens Shuras oder Jirgas, die auf informeller (nicht registrierter) Basis auf Dorf- oder Stammesebene tätig sind – in der Regel um die Interessen einer Gemeinschaft gegenüber anderen Teilen der Gesellschaft zu vertreten. Auf nationaler Gesetzgebung beruhend, existieren in Afghanistan zwei Hauptkategorien von registrierten, nicht staatlichen, gemeinnützigen Organisationen mit Rechtspersönlichkeitsstatus: Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Vereine. Registriert sind etwa 2.402 lokale NGOs und 293 internationale NGOs sowie 3.075 Vereine (ICNL 13.4.2019). Die meisten NGOs finanzieren sich nicht durch Spenden oder Aktivitäten in Afghanistan, sondern sind von internationalen Geldgebern abhängig (Najimi 2018). Lokale NGOs müssen sich beim Wirtschaftsministerium (Ministry of Economy, MoEc) registrieren, ausländische NGOs bei MoEc und dem Außenministerium (Ministry of Foreign Affairs). Daneben gibt es noch zivilgesellschaftliche Organisationen („civic organizations“), die sich beim Justizministerium (Ministry of Justice) registrieren müssen (Najimi 2018; vgl. ICNL 13.4.2019).
NGOs untersuchen und veröffentlichen ihre Ergebnisse über Menschenrechtsfälle und Regierungsbeamte sind einigermaßen kooperativ und reagieren auf ihre Ansichten (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.2.2019). Menschenrechtsaktivisten äußern sich weiterhin besorgt über Regierungsakteure, welche Menschenrechtsverletzungen verüben (USDOS 11.3.2020). Korruption in den Behörden und bürokratische Meldepflichten behindern in manchen Fällen die Aktivitäten der NGOs (FH 4.2.2019).
90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden (AA 2.9.2019), wie z.B. das Internationale Komitee des Roten Kreuz (ICRC), das unparteiisch jegliche Parteien im Konflikt behandelt. Auch operiert dieses in von Taliban kontrollierten Gebieten mit einer Sicherheitsgarantie und hilft, die Toten beider Seiten rückzuführen (REU 12.10.2018). Gewaltandrohung durch militante Gruppierungen stellt jedoch ein wesentliches Hindernis für die Tätigkeit von NGOs dar (FH 4.2.2019). In manchen Fällen schließen Organisationen aufgrund von Drohungen temporär ihre Kliniken in den von Taliban kontrollierten Gebieten (RFE/RL 19.7.2019) bzw. Ihnen wird, der Zugang zu diesen Gebieten verweigert, wie z.B. dem Internationalen Roten Kreuz im Herbst 2018 (REU 12.10.2018). Im Gegensatz dazu ergriffen die Taliban beispielsweise zum Zeitpunkt des Ausbruchs von COVID-19, in den von ihnen kontrollierten Gebieten Maßnahmen, indem sie Aufklärungs- und Überwachungseinrichtungen errichteten bzw. Gesundheitsleistungen der Regierung in den von ihnen kontrollierten Gebieten zuließen (TNA 17.3.2020). Außerdem kündigten die Taliban im Kampf gegen das COVID-19-Virus ihre Bereitschaft an, mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und internationalen Gesundheitsorganisationen zu kooperieren (KU 16.3.2020).
Afghanische Mitarbeiter von nationalen und internationalen Hilfsorganisationen sind Ziel von Anschlägen regierungsfeindlicher Gruppen (AA 2.9.2019). Humanitäre Organisationen und Entwicklungsorganisationen müssen bei Projekten in den Distrikten die Gemeinschaften und Ältesten informieren und eine Erlaubnis einholen. Wenn solche Sensibilisierungsmaßnahmen nicht durchgeführt werden, kann es zu Spannungen kommen und Organisationen sind mit Missachtung konfrontiert (BFA 13.6.2019).
Die Taliban haben ihre eigenen Schattenbeamten, manche von ihnen arbeiten direkt mit der Regierung zusammen. Die Taliban sind aktiv und besuchen regelmäßig Büros der NGOs. Berichtet wurde, dass Taliban in Kandahar, aber auch in anderen Regionen des Landes, im Frühling 2018 anfingen, Entminungsorganisationen und NGOs nach einer Registrierung bei ihren eigenen NGO-Kommissionen zu fragen; auch sollten sie diese über die Finanzierungsdetails ihrer NGO-Projekte informieren. Manche NGO-Mitarbeiter geben an, die Vorgaben der Taliban seien leichter zu erfüllen, als jene von korrupten Regierungsbeamten (CBC 24.12.2018; vgl. BFA 13.6.2019). Jedoch stellt die Tatsache, dass die Taliban sich als die legitimen Herrscher in Afghanistan betrachten, eine Herausforderung dar, da sie in den von ihnen kontrollierten Gebieten Steuern verlangen. Großteils sind es im medizinischen Bereich tätige Organisationen, welche in Gebieten unter Taliban-Einfluss agieren (BFA 13.6.2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (2.9.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2015806/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juli_2019%29%2C_02.09.2019.pdf , Zugriff 11.9.2019
BFA – Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (13.6.2019): Analyse der Staatendokumentation: Afghanistan - Informationen zu sozioökonomischen Faktoren in der Provinz Herat auf Basis von Interviews im Zeitraum November 2018 bis Jänner 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010507/AFGH_ANALYSE_Herat_2019_06_13.pdf , Zugriff 19.6.2019
CBC News – Canadian Broadcasting Corporation (24.12.2018): Aid agencies under threat in Afghanistan as Taliban attempts to tax them, https://www.cbc.ca/news/world/afghanistan-aid-agencies-taliban-tax-1.4958009 , Zugriff 20.5.2019
FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Afghanistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004321.html , Zugriff 20.5.2019
ICNL – The International Center for Not-for-profit-Law (13.4.2019): Civic Freedom Monitor: Afghanistan, http://www.icnl.org/research/monitor/afghanistan.html , Zugriff 28.8.2019
KU – Kurier (16.3.2020): Kampf gegen Corona: Taliban bieten ihre Hilfe an, https://kurier.at/politik/ausland/kampf-gegen-corona-taliban-bieten-ihre-hilfe-an/400783259 , Zugriff 25.3.2020
Najimi, Bashirullah (2018): Gender and Public Participation in Afghanistan, Aid, Transparency and Accountability. Basingstoke: Palgrave Macmillan, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf
REU – Reuters (12.10.2018): Taliban restore Red Cross security guarantee in Afghanistan, https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-taliban-aid/taliban-restore-red-cross-security-guarantee-in-afghanistan-idUSKCN1MM17T , Zugriff 20.5.2019
RFE/RL – Radio Free Europe Radio Liberty (19.7.2019): Swedish Aid Group Reopens Afghan Health Centers After Taliban Threats, https://www.rferl.org/a/swedish-aid-group-reopens-afghan-health-centers-after-taliban-threats/30064643.html , Zugriff 28.8.2019
TNA – The National (16.3.2020): Taliban sound alarm over coronavirus in Afghanistan, https://www.thenational.ae/world/asia/taliban-sound-alarm-over-coronavirus-in-afghanistan-1.993428 , Zugriff 24.3.2020
USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Afghanistan, https://www.state.gov/reports/2019-country-reports-on-human-rights-practices/afghanistan/ , Zugriff 2.4.2020
Ombudsmann
Letzte Änderung: 22.4.2020
Korruption und eingeschränkte Kapazitäten schränken bei Verletzungen der Verfassungs- oder Menschenrechte den Zugang der Bürgerinnen und Bürger zur Justiz ein. Beschwerden gegen Menschenrechtsverletzungen können an die Afghan Independent Human Rights Commission (AIHRC) gemeldet werden, welche die Fälle nach einer Sichtung zur weiteren Bearbeitung an die Staatsanwaltschaft übermittelt. Einige Bürgerinnen berichten von Regierungsbeamten, die sexuelle Gefälligkeiten als Gegenleistung verlangen, wenn Frauen sich mit der Bitte um Dienstleistungen an Regierungseinrichtungen wenden (USDOS 11.3.2020).
Präsident Ghani hat am 12.5.2018 eine Verordnung unterzeichnet, wonach ein unabhängiger Ombudsmann für Angelegenheiten des Präsidenten eingerichtet werden soll (SIGAR 5.2018). AIHRC entwickelte in Kooperation mit den Ministerien für Verteidigung und Inneres ein Ombudsmannprogramm, durch welches Polizeigewalt gemeldet werden kann (USDOD 12.2018; vgl. UNAMA 4.2019). Die Einrichtung dieses Ombudsmannprogramms wurde für 31.12.2018 angekündigt (SIGAR 5.2018), aber bisher noch nicht finanziert und umgesetzt (USDOD 12.2018).
Quellen:
SIGAR - Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (5.2018): SIGAR 18-51 Audit Report - Afghanistan’s Anti-Corruption Efforts: The Afghan Government Has Begun to Implement an Anti-Corruption Strategy, but Significant Problems Must Be Addressed, https://www.sigar.mil/pdf/audits/SIGAR-18-51-AR.pdf , Zugriff 28.8.2019
UNAMA – United Nations Assistance Mission in Afghanistan (4.2019): Treatment of Conflict-Related Detainees in Afghanistan: Preventing Torture and Ill-treatment under the Anti-Torture Law, https://www.ecoi.net/en/file/local/2006855/afghanistan_-_report_on_the_treatment_of_conflict-related_detainees_-_17_april_2019.pdf , Zugriff 20.5.2019
USDOD – US Department of Defense (12.2018): Enhancing security and stability in Afghanistan, https://media.defense.gov/2018/Dec/20/2002075158/-1/-1/1/1225-REPORT-DECEMBER-2018.PDF , Zugriff 28.8.2019
USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Afghanistan, https://www.state.gov/reports/2019-country-reports-on-human-rights-practices/afghanistan/ , Zugriff 2.4.2020
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 22.4.2020
Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Außerdem wurde Afghanistan für den Zeitraum 2018-2020 erstmals zum Mitglied des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen gewählt (AA 2.9.2019). Die Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage. Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog (AA 2.9.2019; vgl. MPI 27.1.2004). Darüber hinaus hat Afghanistan die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge – zum Teil mit Vorbehalten – unterzeichnet und/oder ratifiziert. Die afghanische Regierung ist jedoch nicht in der Lage, die Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (AA 2.9.2019).
Korruption und begrenzte Kapazitäten schränken in Anliegen von Verfassungs- und Menschenrechtsverletzungen den Zugang der Bürger zu Justiz ein (USDOS 11.3.2020). In der Praxis werden politische Rechte und Bürgerrechte durch Gewalt, Korruption, Nepotismus und fehlerbehaftete Wahlen eingeschränkt (FH 4.2.2019). Bürger können Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen bei der Afghanistan Independent Human Rights Commission (AIHRC) einreichen, die dann glaubwürdige Beschwerden prüft und zur weiteren Untersuchung und Verfolgung an die Staatsanwaltschaft weiterleitet. Die gemäß Verfassung eingesetzte AIHRC bekämpft Menschenrechtsverletzungen. Sie erhält nur minimale staatliche Mittel und stützt sich fast ausschließlich auf internationale Geldgeber. Innerhalb der Wolesi Jirga beschäftigen sich drei Arbeitsgruppen mit Menschenrechtsverletzungen: der Ausschuss für Geschlechterfragen, Zivilgesellschaft und Menschenrechte; das Komitee für Drogenbekämpfung, Rauschmittel und ethischen Missbrauch sowie der Jusitz-, Verwaltungsreform- und Antikorruptionsausschuss (USDOS 11.3.2020).
Menschenrechtsverteidiger werden sowohl von staatlichen, als auch nicht-staatlichen Akteuren angegriffen; sie werden bedroht, eingeschüchtert, festgenommen und getötet. Maßnahmen, um Menschenrechtsverteidiger zu schützen waren zum einen inadäquat, zum anderen wurden Misshandlungen gegen selbige selten untersucht (AI 30.1.2020). Die weitverbreitete Missachtung der Rechtsstaatlichkeit sowie die Straflosigkeit für Amtsträger, die Menschenrechte verletzen, stellen ernsthafte Probleme dar. Zu den bedeutendsten Menschenrechtsproblemen zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen, Folter, willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen, Unterdrückung von Kritik an Amtsträgern durch strafrechtliche Verfolgung von Kritikern im Rahmen der Verleumdungs-Gesetzgebung, Korruption, fehlende Rechenschaftspflicht und Ermittlungen in Fällen von Gewalt gegen Frauen, sexueller Missbrauch von Kindern durch Sicherheitskräfte, Gewalt durch Sicherheitskräfte gegen Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft sowie Gewalt gegen Journalisten (USDOS 11.3.2020).
Mit Unterstützung der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) und des Office of the High Commissioner for Human Rights (OHCHR) arbeitet die afghanische Regierung an der Förderung von Rechtsstaatlichkeit, der Rechte von Frauen, Kindern, Binnenflüchtlingen und Flüchtlingen sowie Rechenschaftspflicht (UNHRC 21.2.2018). Im Dezember 2018 würdigte UNAMA die Fortschritte Afghanistans auf dem Gebiet der Menschenrechte, insbesondere unter den Herausforderungen des laufenden bewaffneten Konfliktes und der fragilen Sicherheitslage. Die UN arbeitet weiterhin eng mit Afghanistan zusammen, um ein Justizsystem zu schaffen, das die Gesetzesreformen, die Verfassungsrechte der Frauen und die Unterbindung von Gewalt gegen Frauen voll umsetzen kann (UNAMA 10.12.2018).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (2.9.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2015806/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juli_2019%29%2C_02.09.2019.pdf , Zugriff 11.9.2019
AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 – Afghanistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023861.html , Zugriff 7.4.2020
FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2004321.html , Zugriff 16.5.2019
MPI – Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan, http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf , Zugriff 16.5.2019
UNAMA – United Nations Assistance Mission in Afghanistan (10.12.2018): United Nations calls on everyone to protect human rights in Afghanistan, https://unama.unmissions.org/united-nations-calls-everyone-protect-human-rights-afghanistan , Zugriff 16.5.2019
UNHRC – UN Human Rights Council (21.2.2018): Situation of human rights in Afghanistan and technical assistance achievements in the field of human rights; Report of the United Nations High Commission on Human Rights, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427314/1930_1521636767_a-hrc-37-45.doc , Zugriff 16.5.2019
USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Afghanistan, https://www.state.gov/reports/2019-country-reports-on-human-rights-practices/afghanistan/ , Zugriff 2.4.2020
Todesstrafe
Die Todesstrafe ist in der Verfassung und im Strafgesetzbuch für besonders schwerwiegende Delikte vorgesehen (AA 2.9.2019). Das neue Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, hat die Anzahl der mit Todesstrafe bedrohten Verbrechen von 54 auf 14 Delikte reduziert (AI 10.4.2019). Vorgesehen ist die Todesstrafe für Delikte wie Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Angriff gegen den Staat, Mord und Zündung von Sprengladungen, Entführungen bzw. Straßenraub mit tödlicher Folge, Gruppenvergewaltigung von Frauen u.a. (MoJ 15.5.2017: Art. 170). Die Todesstrafe wird vom zuständigen Gericht ausgesprochen und vom Präsidenten genehmigt (MoJ 15.5.2017: Art. 169). Sie wird durch Erhängen ausgeführt (AI 10.4.2019; vgl. AA 2.9.2019). Unter dem Einfluss der Scharia hingegen droht die Todesstrafe auch bei anderen Delikten (z.B. Blasphemie, Apostasie, Ehebruch sog. „Zina“, Straßenraub). In der afghanischen Bevölkerung trifft diese Form der Bestrafung und Abschreckung auf eine tief verwurzelte Unterstützung. Dies liegt nicht zuletzt auch an einem als korrupt und unzuverlässig geltenden Gefängnissystem und der Tatsache, dass Verurteilte durch Zahlungen freikommen können (AA 2.9.2019).
Obwohl Präsident Ghani sich zwischenzeitlich positiv zu einem möglichen Moratorium zur Todesstrafe geäußert hat und Gesetzesvorhaben auf dem Weg sind, welche eine Umwandlung der Todesstrafe in eine lebenslange Freiheitsstrafe vorsehen, ist davon auszugehen, dass weiterhin Todesurteile vollstreckt werden (AA 2.9.2019). Im Jahr 2018 wurden in Afghanistan drei Menschen hingerichtet (AI 10.4.2019; vgl. AA 2.9.2019). Alle wurden am 28.1.2018 wegen Entführung und Mord an einem Kind exekutiert. Zahlen zu eventuellen weiteren Exekutionen liegen jedoch nicht vor (AI 10.4.2019). . Zu Jahresende 2018 befanden sich mindestens 343 Personen im Todestrakt (AI 10.4.2019; vgl. AA 2.9.2019). Im Jahr 2018 wurden in Afghanistan 44 Todesurteile umgewandelt und 50 zum Tode Verurteilte aufgrund der Vergebung durch die Opferfamilien begnadigt. Es gibt eine Initiative der Regierung, alle Todesurteile neu zu untersuchen (AI 10.4.2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (2.9.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2015806/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juli_2019%29%2C_02.09.2019.pdf , Zugriff 11.9.2019
AI – Amnesty International (10.4.2019): Death Sentences and Executions 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/2006174/ACT5098702019ENGLISH.PDF , Zugriff 13.5.2019
MoJ - Ministry of Justice (15.5.2017): Strafgesetz: http://moj.gov.af/content/files/OfficialGazette/01201/OG_01260.pdf , Zugriff 13.5.2018
Religionsfreiheit
Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7% und die Schiiten auf 10 bis 19% der Gesamtbevölkerung geschätzt (CIA 30.4.2019; vgl. AA 2.9.2019). Andere Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha´i und Christen machen weniger als ein Prozent der Bevölkerung aus (AA 2.9.2019; vgl. CIA 30.4.2019, USDOS 21.6.2019); in Kabul lebt auch weiterhin der einzige jüdische Mann in Afghanistan (UP 16.8.2019; vgl. BBC 11.4.2019). Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 21.6.2019; vgl. FH 4.2.2019, MPI 2004). Die Abkehr vom Islam gilt als Apostasie, die nach der Scharia strafbewehrt ist (USODS 21.6.2019; vgl. AA 9.11.2016). Im Laufe des Untersuchungsjahres 2018 gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen aufgrund von Blasphemie oder Apostasie (USDOS 21.6.2019). Auch im Berichtszeitraum davor gab es keine Berichte zur staatlichen Strafverfolgung von Apostasie und Blasphemie (USDOS 29.5.2018).
Konvertiten vom Islam zu anderen Religionen berichteten, dass sie weiterhin vor Bestrafung durch Regierung sowie Repressalien durch Familie und Gesellschaft fürchteten. Das Gesetz verbietet die Produktion und Veröffentlichung von Werken, die gegen die Prinzipien des Islam oder gegen andere Religionen verstoßen (USDOS 21.6.2019). Das neue Strafgesetzbuch 2017, welches im Februar 2018 in Kraft getreten ist (USDOS 21.6.2019; vgl. ICRC o.D.), sieht Strafen für verbale und körperliche Angriffe auf Anhänger jedweder Religion und Strafen für Beleidigungen oder Verzerrungen gegen den Islam vor (USDOS 21.6.2019).
Das Zivil- und Strafrecht basiert auf der Verfassung; laut dieser müssen Gerichte die verfassungsrechtlichen Bestimmungen sowie das Gesetz bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. In Fällen, in denen weder die Verfassung noch das Straf- oder Zivilgesetzbuch einen bestimmten Rahmen vorgeben, können Gerichte laut Verfassung die sunnitische Rechtsprechung der hanafitischen Rechtsschule innerhalb des durch die Verfassung vorgegeben Rahmens anwenden, um Gerechtigkeit zu erlangen. Die Verfassung erlaubt es den Gerichten auch, das schiitische Recht in jenen Fällen anzuwenden, in denen schiitische Personen beteiligt sind. Nicht-Muslime dürfen in Angelegenheiten, die die Scharia-Rechtsprechung erfordern, nicht aussagen. Die Verfassung erwähnt keine eigenen Gesetze für Nicht-Muslime (USDOS 21.6.2019).
Anmerkung: Zu Konversion, Apostasie und Blasphemie siehe Unterabschnitt Fehler! Textmarke nicht definiert..
Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsalierung gegenüber religiösen Minderheiten und reformerischen Muslimen behindert (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 21.6.2019).
Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung (FH 4.2.2019). Mitglieder der Taliban und des Islamischen Staates (IS) töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 21.6.2019; vgl. FH 4.2.2019). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 21.6.2019).
Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Konvertiten vom Islam riskieren die Annullierung ihrer Ehe (USDOS 21.6.2019). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind gültig (USE o.D.). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über das Religionsbekenntnis. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt. Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 21.6.2019).
Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 21.6.2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (2.9.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2015806/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juli_2019%29%2C_02.09.2019.pdf , Zugriff 11.9.2019
BBC (11.4.2019): Afghanistan’s one and only Jew, https://www.bbc.com/news/av/world-asia-47885738/afghanistan-s-one-and-only-jew , Zugriff 2.9.2019
CIA – Central Intelligence Agency (30.4.2019): The World Factbook – Afghanistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/af.html , Zugriff 2.5.2019
FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2004321.html , Zugriff 3.5.2019
ICRC – International Committee of the Red Cross (o.D.): National Implementation of IHL, https://ihl-databases.icrc.org/applic/ihl/ihl-nat.nsf/implementingLaws.xsp?documentId=598034855221CE85C12582480054D831&action=openDocument&xp_countrySelected=AF&xp_topicSelected=GVAL-992BU6&from=state&SessionID=DNMSXFGMJQ , Zugriff 2.9.2019
UP – Urdu Point (16.8.2019): Afghanistan's Only Jew Has No Plans To Emigrate, Says Lives 'Like A Lion Here', https://www.urdupoint.com/en/world/afghanistans-only-jew-has-no-plans-to-emigra-691600.html , Zugriff 2.9.2019
USDOS – U.S. Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: Afghanistan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/05/AFGHANISTAN-2018-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-REPORT.pdf , Zugriff 24.6.2019
USDOS – U.S. Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom: Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/1436774.html , Zugriff 2.9.2019
USE – U.S. Embassy in Afghanistan (o.D.): Marriage, https://af.usembassy.gov/u-s-citizen-services/local-resources-of-u-s-citizens/marriage/ , Zugriff 3.5.2019
5. Christentum und Konversion zum Christentum
Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha‘i, Hindus und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen Gemeinschaft sind nicht vorhanden (USDOS 21.6.2019). USDOS schätzte im Jahresbericht zur Religionsfreiheit 2009 die Größe der geheimen christlichen Gemeinschaft auf 500 bis 8.000 Personen (USDOS 26.10.2009). Religiöse Freiheit für Christen in Afghanistan existiert; gemäß der afghanischen Verfassung ist es Gläubigen erlaubt, ihre Religion in Afghanistan im Rahmen der Gesetze frei auszuüben. Dennoch gibt es unterschiedliche Interpretationen zu religiöser Freiheit, da konvertierte Christen im Gegensatz zu originären Christen vielen Einschränkungen ausgesetzt sind. Religiöse Freiheit beinhaltet nicht die Konversion (RA KBL 1.6.2017).
Tausende ausländische Christen und einige wenige Afghanen, die originäre Christen und nicht vom Islam konvertiert sind, werden normal und fair behandelt. Es gibt kleine Unterschiede zwischen Stadt und Land. In den ländlichen Gesellschaften ist man tendenziell feindseliger (RA KBL 1.6.2017).
Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert. Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 2.9.2019). Bei der Konversion vom Islam zum Christentum wird in erster Linie nicht das Christentum als problematisch gesehen, sondern die Abkehr vom und der Austritt aus dem Islam (LIFOS 21.12.2017). Laut islamischer Rechtsprechung soll jeder Konvertit drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken (USDOS 21.6.2019).
Konvertiten vom Islam zum Christentum werden von der Gesellschaft nicht gut behandelt, weswegen sie sich meist nicht öffentlich bekennen. Zur Zahl der Konvertiten gibt es keine Statistik. In den meisten Fällen versuchen die Behörden Konvertiten gegen die schlechte Behandlung durch die Gesellschaft zu unterstützen, zumindest um potenzielles Chaos und Misshandlung zu vermeiden (RA KBL 1.6.2019).
Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens (AA 2.9.2019; vgl. USCIRF 4.2018, USDOS 21.6.2019), da es keine öffentlich zugänglichen Kirchen im Land gibt (USDOS 21.6.2019; vgl. AA 2.9.2019). Einzelne christliche Andachtsstätten befinden sich in ausländischen Militärbasen. Die einzige legale christliche Kirche im Land befindet sich am Gelände der italienischen Botschaft in Kabul (WA 11.12.2018; vgl. AA 2.9.2019). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung dieser katholischen Kapelle unter der Bedingung, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Missionierung vermieden werde (KatM KBL 8.11.2017).
Gemäß hanafitischer Rechtsprechung ist Missionierung illegal; Christen berichten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Es gibt keine Berichte zu staatlicher Verfolgung aufgrund von Apostasie oder Blasphemie (USDOS 21.6.2019).
Beobachtern zufolge hegen muslimische Ortsansässige den Verdacht, Entwicklungsprojekte würden das Christentum verbreiten und missionieren (USDOS 21.6.2019). Ein christliches Krankenhaus ist seit 2005 in Kabul aktiv (CURE 8.2018); bei einem Angriff durch einen Mitarbeiter des eigenen Wachdienstes wurden im Jahr 2014 drei ausländische Ärzte dieses Krankenhauses getötet (NYP 24.4.2014). Auch gibt es in Kabul den Verein „Pro Bambini di Kabul“, der aus Mitgliedern verschiedener christlicher Orden besteht. Dieser betreibt eine Schule für Kinder mit Behinderung (PBdK o.D.; vgl. AF 4.1.2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (2.9.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2015806/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juli_2019%29%2C_02.09.2019.pdf , Zugriff 11.9.2019
AF – Agenzia Fides (4.1.2019): ASIA/AFGHANISTAN - A new missionary sister in Kabul, http://www.fides.org/en/news/65337-ASIA_AFGHANISTAN_A_new_sister_of_the_Missionaries_of_Charity_in_Kabul , Zugriff 6.5.2019
CURE (8.2018): An Introduction to CURE INTERNATIONAL - August 2018 Edition - Statistics from Fiscal Year 2018, https://cure.org/downloads/site/brand/cure-white-paper.pdf , Zugriff 6.5.2019
KatM KBL – Vertreter der katholischen Mission in Afghanistan mit Sitz in Kabul (8.11.2017): Informationen zur katholischen Mission in Afghanistan. Antwortschreiben, liegt bei der Staatendokumentation auf
LIFOS - Center för landinformation och landanalys inom migrationsområdet (21.12.2017): Temarapport: Afghanistan –Kristna, apostater och ateister, https://www.ecoi.net/en/file/local/1420820/1226_1515061800_171221551.pdf , Zugriff 6.5.2019
NYP – New York Post, The (24.4.2014): http://nypost.com/2014/04/24/3-foreigners-killed-in-attack-at-afghan-hospital/ , Zugriff 6.5.2019
PBdK - Pro Bambini di Kabul (o.D.): Chi Siamo, http://www.probambinidikabul.org/chi-siamo/ , Zugriff 6.5.2019
RA KBL – Lokaler Rechtsanwalt in Kabul (1.6.2017): Auskunft per E-Mail.
USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (4.2018): United States Commission on International Religious Freedom 2018 Annual Report; Country Reports: Tier 2 Countries: Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/1435655/1930_1529393896_tier2-afghanistan.pdf , Zugriff 6.5.2019
USDOS – U.S. Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: Afghanistan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/05/AFGHANISTAN-2018-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-REPORT.pdf , Zugriff 24.6.2019
USDOS – US Department of State (26.10.2009): International Religious Freedom Report 2009 – Afghanistan, https://www.state.gov/j/drl/rls/irf/2009/127362.htm , Zugriff 6.5.2019
WA – Worldatlas (11.12.2018): Religious Beliefs In Afghanistan, https://www.worldatlas.com/articles/religious-beliefs-in-afghanistan.html , Zugriff 6.5.2019
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 22.4.2020
Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Die Regierung respektierte diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 11.3.2020) [Anm.: siehe dazu auch Artikel 39 der afghanischen Verfassung (MPI 27.1.2004; vgl. FH 4.2.2019)]. Afghanen dürfen sich formell im Land frei bewegen und niederlassen. Als zentrale Hürde für die Bewegungsfreiheit werden Sicherheitsbedenken genannt. Besonders betroffen ist das Reisen auf dem Landweg (AA 2.9.2019). Dazu beigetragen hat ein Anstieg von illegalen Kontrollpunkten und Überfällen auf Überlandstraßen (AA 2.9.2019; vgl. USDOS 11.3.2020, FH 4.2.2019). In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht (FH 4.2.2019). Auch schränken gesellschaftliche Sitten die Bewegungsfreiheit von Frauen ohne männliche Begleitung ein (AA 2.9.2019; vgl. USDOS 11.3.2020).
Die Ausweichmöglichkeiten für diskriminierte, bedrohte oder verfolgte Personen hängen maßgeblich vom Grad ihrer sozialen Verwurzelung, ihrer Ethnie und ihrer finanziellen Lage ab. Die sozialen Netzwerke vor Ort und deren Auffangmöglichkeiten spielen eine zentrale Rolle für den Aufbau einer Existenz und die Sicherheit am neuen Aufenthaltsort. Für eine Unterstützung seitens der Familie kommt es auch darauf an, welche politische und religiöse Überzeugung den jeweiligen Heimatort dominiert. Für Frauen ist es kaum möglich, ohne familiäre Einbindung in andere Regionen auszuweichen. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (AA 2.9.2019).
Bewohner der zentralen Stadtbereiche neigen zu häufigerem Wohnortwechsel, um näher bei ihrer Arbeitsstätte zu wohnen oder um wirtschaftlichen Möglichkeiten und sicherheitsrelevanten Trends zu folgen. Diese ständigen Wohnortwechsel haben einen störenden Effekt auf soziale Netzwerke, was sich oftmals in der Beschwerde bemerkbar macht „man kenne seine Nachbarn nicht mehr“ (AAN 19.3.2019).
Auch in größeren Städten erfolgt in der Regel eine Ansiedlung innerhalb von ethnisch geprägten Netzwerken und Wohnbezirken. Die Absorptionsfähigkeit der genutzten Ausweichmöglichkeiten, vor allem im Umfeld größerer Städte, ist durch die hohe Zahl der Binnenvertriebenen und der Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan bereits stark in Anspruch genommen. Dies schlägt sich sowohl in einem Anstieg der Lebenshaltungskosten als auch in einem erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt nieder (AA 2.9.2019).
Es gibt internationale Flughäfen in Kabul, Herat, Kandahar und Mazar-e Sharif, bedeutende Flughäfen, für den Inlandsverkehr außerdem in Ghazni, Nangharhar, Khost, Kunduz und Helmand sowie eine Vielzahl an regionalen und lokalen Flugplätzen. Es gibt keinen öffentlichen Schienenpersonenverkehr (AA 2.9.2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (2.9.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2015806/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juli_2019%29%2C_02.09.2019.pdf , Zugriff 11.9.2019
FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Afghanistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004321.html , Zugriff 9.5.2019
MPI – Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan, http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf , Zugriff 9.5.2019
USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Afghanistan, https://www.state.gov/reports/2019-country-reports-on-human-rights-practices/afghanistan/ , Zugriff 2.4.2020
6. Meldewesen
Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, ebenso wenig „gelbe Seiten" oder Datenbanken mit Telefonnummerneinträgen (EASO 2.2018; vgl. BFA 13.6.2019). Auch muss sich ein Neuankömmling bei Ankunft nicht in dem neuen Ort registrieren. Die Gemeinschafts- bzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer (BFA 13.6.2019). Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (AA 2.9.2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (2.9.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2015806/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juli_2019%29%2C_02.09.2019.pdf , Zugriff 11.9.2019
BFA – Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (13.6.2019): Analyse der Staatendokumentation: Afghanistan - Informationen zu sozioökonomischen Faktoren in der Provinz Herat auf Basis von Interviews im Zeitraum November 2018 bis Jänner 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010507/AFGH_ANALYSE_Herat_2019_06_13.pdf , Zugriff 19.6.2019
EASO – European Asylum Support Office (2.2018): Afghanistan Networks https://www.ecoi.net/en/file/local/1433356/1226_1527147803_afghanistan-networks.pdf , Zugriff 10.5.2019
IDPs und Flüchtlinge
Letzte Änderung: 22.4.2020
Im Jahresverlauf 2019 verstärkten sich Migrationsbewegungen innerhalb des Landes aufgrund des bewaffneten Konfliktes und einer historischen Dürre. UNHCR berichtet für den Zeitraum 1.1.-6.11.2019 380.289 Personen, die aufgrund des bewaffneten Konfliktes zu Binnenvertriebenen (IDPs, internally displaced persons) wurden (USDOS 11.3.2020). Mit Stand 29.3.2020 wurden 52.700 Menschen aufgrund des Konflikts zu IDPs – dafür waren landesweite Kämpfe zwischen nicht-staatlichen Akteuren und den nationalen afghanischen Sicherheitskräften verantwortlich (UNOCHA 29.3.2020).
Die meisten IDPs stammen aus unsicheren ländlichen Ortschaften und kleinen Städten und suchen nach relativ besseren Sicherheitsbedingungen sowie Regierungsdienstleistungen in größeren Gemeinden und Städten innerhalb derselben Provinz. In allen 34 Provinzen werden IDPs aufgenommen (USDOS 11.3.2020).
Die Mehrheit der Binnenflüchtlinge lebt, ähnlich wie Rückkehrer aus Pakistan und Iran, in Flüchtlingslagern, angemieteten Unterkünften oder bei Gastfamilien. Die Bedingungen sind prekär. Der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und wirtschaftlicher Teilhabe ist stark eingeschränkt. Der hohe Konkurrenzdruck führt oft zu Konflikten. Ein Großteil der Binnenflüchtlinge ist auf humanitäre Hilfe angewiesen (AA 2.9.2019).
Der begrenzte Zugang zu humanitären Hilfeleistungen führt zu Verzögerungen bei der Identifizierung, Einschätzung und zeitnahen Unterstützung von Binnenvertriebenen. Diesen fehlt weiterhin Zugang zu grundlegendem Schutz, einschließlich der persönlichen und physischen Sicherheit sowie Unterkunft (USDOS 11.3.2020).
IDPs sind in den Möglichkeiten eingeschränkt, ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Oft kommt es nach der ersten Binnenvertreibung zu einer weiteren Binnenwanderung (USDOS 11.3.2020). Mehr als 80% der Binnenvertriebenen benötigen Nahrungsmittelhilfe (USAID 30.4.2018). Vor allem binnenvertriebene Familien mit einem weiblichen Haushaltsvorstand haben oft Schwierigkeiten, grundlegende Dienstleistungen zu erhalten, weil sie keine Identitätsdokumente besitzen (USDOS 11.3.2020).
Die afghanische Regierung kooperiert mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, Rückkehrern und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Unterstützungsfähigkeit der afghanischen Regierung bezüglich vulnerabler Personen – inklusive Rückkehrern aus Pakistan und Iran – ist beschränkt und auf die Hilfe durch die internationale Gemeinschaft angewiesen.
Dürre und Überschwemmungen
Der Jahresbericht 2018 des Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) nennt eine Zahl von rund 371.000 neuen IDPs aufgrund der Dürre in Afghanistan im Jahr 2018 (IDMC 5.2019). Durch die Dürre wurden in der ersten Hälfte des Jahres 2018 mehr als 260.000 Menschen aus den Provinzen Badghis, Daikundi, Herat und Ghor zu IDPs (UNOCHA 20.1.2018), zahlreiche Menschen verließen auch ihre Heimatprovinzen Jawzjan und Farah (BFA 13.6.2019). Die meisten von ihnen kamen in Lager in den Städten Herat oder Qala-e-Naw (Badghis). Die Lager werden täglich mit Wasser und Lebensmitteln beliefert und es werden Zelte, Notunterkünfte, Hygiene-, Gesundheits- und Nahrungsdienste zur Verfügung gestellt (UNOCHA 20.1.2018). Im Jahr 2018 sind im Westen Afghanistans aufgrund der Dürre ca. 19 Siedlungen für Binnenvertriebene entstanden, der Großteil davon ca. 20-25 km von Herat-Stadt entfernt. Vertriebene Personen siedelten sich hauptsächlich in Stadtrandgebieten an, um sich in der Stadt Zugang zu Dienstleistungen (die in den Siedlungen, welche grundsätzlich auf leeren Feldern entstanden, nicht vorhanden sind) und dem Arbeitsmarkt zu verschaffen. In der Stadt kam es zu Demonstrationen von Bewohnern, welche die Binnenvertriebenen bezichtigten, ihnen die Arbeitsplätze wegzunehmen. Das gestiegene Angebot an billigen Arbeitskräften drückte den Tageslohn von 6-8 USD auf 2-3 USD (BFA 13.6.2019).
Weiterführende Informationen zu Dürre und Überschwemmungen können Abschnitt 21. „Grundversorgung“ entnommen werden.
Flüchtlinge in Afghanistan
Die afghanische Regierung hat noch keinen Entwurf für ein nationales Flüchtlings- oder Asylgesetz verabschiedet. Die Regierung arbeitet mit UNHCR, der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Binnenvertriebenen, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen Betroffenen Schutz und Hilfe zu gewähren. Auch registriert und koordiniert UNHCR den Schutz von ca. 500 Flüchtlingen in Städten. Afghanistan beherbergt etwa 76.000 pakistanische Flüchtlinge, die 2014 aus Pakistan geflohen sind; UNHCR registrierte etwa 41.000 Flüchtlinge in der Provinz Khost und verifizierte mehr als 35.000 Flüchtlinge in der Provinz Paktika (USDOS 11.3.2020; vgl. UNHCR 25.2.2019).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (2.9.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2015806/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juli_2019%29%2C_02.09.2019.pdf , Zugriff 11.9.2019
AJ – Al Jazeera (12.8.2018): Drought raises food security fears in Afghanistan, https://www.aljazeera.com/news/2018/08/drought-raises-food-security-fears-afghanistan-180812063301371.html , Zugriff 24.9.2019
BFA Staatendokumentation (13.6.2019): Afghanistan – Informationen zu sozioökonomischen Faktoren in der Provinz Herat auf Basis von Interviews im Zeitraum November 2018 bis Jänner 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010507/AFGH_ANALYSE_Herat_2019_06_13.pdf , Zugriff 2.7.2019
EASO – European Asylum Support Office (4.2019): Country of Origin Information Report Afghanistan: Key socio-economic indicators - Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City, https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/publications/EASO-COI-Afghanistan-KSEI-April-2019.pdf , Zugriff 3.6.2019
FAO – Food and Agriculture Organization of the United Nations (23.11.2018): Afghanistan Drought Response, http://www.fao.org/fileadmin/user_upload/emergencies/docs/CA2268EN.pdf , Zugriff 24.9.2019
FEWS NET – Famine Early Warning Network (4.2019): Afghanistan Food Security Outlook Update, http://fews.net/sites/default/files/documents/reports/AFGHANISTAN_Food_Security_Outlook_Update_April%202019_Final_0.pdf , Zugriff 16.5.2019
GN – Guardian, the (6.3.2019): 'Chilling reality': Afghanistan suffers worst floods in seven years, https://www.theguardian.com/global-development/2019/mar/06/chilling-reality-afghanistan-suffers-worst-floods-in-seven-years , Zugriff 16.5.2019
UNHCR – Office of the United Nations High Commissioner for Refugees (25.2.2019): Operational Fact Sheet Afghanistan 25 February 2019, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/68200.pdf , Zugriff 3.6.2019
UNOCHA – UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs: Afghanistan (29.3.2020): Weekly Humanitarian Update (23 March to 29 March 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2027576/afghanistan_humanitarian_weekly_29_march.pdf ,Zugriff 17.4.2020
UNOCHA – United Nations Office on Coordination of Humanitarian Affairs (20.10.2018): Humanitarian Bulletin Afghanistan, https://www.humanitarianresponse.info/sites/www.humanitarianresponse.info/files/documents/files/20181019draft_ocha_afghanistan_monthly_humanitarian_bulletin_july-september_2018_en_final.pdf , Zugriff 25.9.2019
USAID – U.S. Agency for International Development (30.4.2018): Afghanistan – Complex Emergency https://www.ecoi.net/en/file/local/1433122/1788_1526997854_3004.pdf , Zugriff 3.6.2019
USDOS – U.S. Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices of 2018 – Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2004129.html , Zugriff 3.6.2019
WHO – World Health Organization (3.2019): Situation report March 2019, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/COPub_AFG_Situation_rep_Mar_2019_EN.pdf , Zugriff 16.5.2019
Grundversorgung
Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt (AA 2.9.2019; AF 2018). Trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der afghanischen Regierung und kontinuierlicher Fortschritte belegte Afghanistan 2018 lediglich Platz 168 von 189 des Human Development Index. Die Armutsrate hat sich laut Weltbank von 38% (2011) auf 55% (2016) verschlechtert. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant: Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte gibt es vielerorts nur unzureichende Infrastruktur für Energie, Trinkwasser und Transport (AA 2.9.2019).
Die afghanische Wirtschaft ist stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Das Budget zur Entwicklungshilfe und Teile des operativen Budgets stammen aus internationalen Hilfsgeldern (AF 2018; vgl. WB 7.2019). Jedoch konnte die afghanische Regierung seit der Fiskalkrise des Jahres 2014 ihre Einnahmen deutlich steigern (USIP 15.8.2019; vgl. WB 7.2019).
Die afghanische Wirtschaft stützt sich hauptsächlich auf den informellen Sektor (einschließlich illegaler Aktivitäten), der 80 bis 90 % der gesamten Wirtschaftstätigkeit ausmacht und weitgehend das tatsächliche Einkommen der afghanischen Haushalte bestimmt (ILO 5.2012; vgl. ACCORD 7.12.2018). Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (FAO 2018; vgl. Haider/Kumar 2018), wobei der landwirtschaftliche Sektor gemäß Prognosen der Weltbank im Jahr 2019 einen Anteil von 18,7% am Bruttoinlandsprodukt (BIP) hat (Industrie: 24,1%, tertiärer Sektor: 53,1%; WB 7.2019). Das BIP Afghanistans betrug im Jahr 2018 19,36 Mrd. US-Dollar (WB o.D.). Die Inflation lag im Jahr 2018 durchschnittlich bei 0,6% und wird für 2019 auf 3,1% prognostiziert (WB 7.2019).
Afghanistan erlebte von 2007 bis 2012 ein beispielloses Wirtschaftswachstum. Während die Gewinne dieses Wachstums stark konzentriert waren, kam es in diesem Zeitraum zu Fortschritten in den Bereichen Gesundheit und Bildung. Seit 2014 verzeichnet die afghanische Wirtschaft ein langsames Wachstum (im Zeitraum 2014-2017 durchschnittlich 2,3%, 2003-2013: 9%) was mit dem Rückzug der internationalen Sicherheitskräfte, der damit einhergehenden Kürzung der internationalen Zuschüsse und einer sich verschlechternden Sicherheitslage in Verbindung gebracht wird (WB 8.2018). Im Jahr 2018 betrug die Wachstumsrate 1,8%. Das langsame Wachstum wird auf zwei Faktoren zurückgeführt: einerseits hatte die schwere Dürre im Jahr 2018 negative Auswirkungen auf die Landwirtschaft, andererseits verringerte sich das Vertrauen der Unternehmer und Investoren. Es wird erwartet, dass sich das Real-BIP in der ersten Hälfte des Jahres 2019 vor allem aufgrund der sich entspannenden Situation hinsichtlich der Dürre und einer sich verbessernden landwirtschaftlichen Produktion erhöht (WB 7.2019).
Arbeitsmarkt
Schätzungen zufolge sind 44% der Bevölkerung unter 15 Jahren und 54% zwischen 15 und 64 Jahren alt (ILO 2.4.2018). Am Arbeitsmarkt müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neuankömmlinge in den Arbeitsmarkt integrieren zu können (BFA 4.2018). Somit treten jedes Jahr sehr viele junge Afghanen in den Arbeitsmarkt ein, während die Beschäftigungsmöglichkeiten aufgrund unzureichender Entwicklungsressourcen und mangelnder Sicherheit nicht mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten können (WB 8.2018). In Anbetracht von fehlendem Wirtschaftswachstum und eingeschränktem Budget für öffentliche Ausgaben, stellt dies eine gewaltige Herausforderung dar. Letzten Schätzungen zufolge sind 1,9 Millionen Afghan/innen arbeitslos – Frauen und Jugendliche haben am meisten mit dieser Jobkrise zu kämpfen. Jugendarbeitslosigkeit ist ein komplexes Phänomen mit starken Unterschieden im städtischen und ländlichen Bereich. Schätzungen zufolge sind 877.000 Jugendliche arbeitslos; zwei Drittel von ihnen sind junge Männer (ca. 500.000) (BFA 4.2018; vgl. CSO 2018).
Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Es gibt einen großen Anteil an Selbständigen und mithelfenden Familienangehörigen, was auf das hohe Maß an Informalität des Arbeitsmarktes hinweist, welches mit der Bedeutung des Agrarsektors in der Wirtschaft einhergeht (CSO 8.6.2017). Im Rahmen einer Befragung an 15.012 Personen, gaben rund 36% der befragten Erwerbstätigen gaben an, in der Landwirtschaft tätig zu sein (AF 2018).
Fähigkeiten, die sich Rückkehrer/innen im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Bei der Arbeitssuche spielen persönliche Kontakte eine wichtige Rolle. Eine Quelle betont jedoch die Wichtigkeit von Netzwerken, ohne die es nicht möglich sei, einen Job zu finden. (BFA 4.2018). Bei Ausschreibung einer Stelle in einem Unternehmen gibt es in der Regel eine sehr hohe Anzahl an Bewerbungen und durch persönliche Kontakte und Empfehlungen wird mitunter Einfluss und Druck auf den Arbeitgeber ausgeübt (BFA 13.6.2019). Eine im Jahr 2012 von der ILO durchgeführte Studie über die Beschäftigungsverhältnisse in Afghanistan bestätigt, dass Arbeitgeber persönliche Beziehungen und Netzwerke höher bewerten als formelle Qualifikationen. Analysen der norwegischen COI-Einheit Landinfo zufolge, gibt es keine Hinweise darüber, dass sich die Situation seit 2012 geändert hätte (BFA 4.2018).
In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit. Lediglich beratende Unterstützung wird vom Ministerium für Arbeit und Soziale Belange (MoLSAMD) und der NGO ACBAR angeboten; dabei soll der persönliche Lebenslauf zur Beratung mitgebracht werden. Auch Rückkehrende haben dazu Zugang – als Voraussetzung gilt hierfür die afghanische Staatsbürgerschaft. Für das Anmeldeverfahren sind das Ministerium für Arbeit und Soziale Belange und die NGO ACBAR zuständig; Rückkehrende sollten auch hier ihren Lebenslauf an eine der Organisationen weiterleiten, woraufhin sie informiert werden, inwiefern Arbeitsmöglichkeiten zum Bewerbungszeitpunkt zur Verfügung stehen. Unter Leitung des Bildungsministeriums bieten staatliche Schulen und private Berufsschulen Ausbildungen an (BFA 4.2018).
Neben einer mangelnden Arbeitsplatzqualität ist auch die große Anzahl an Personen im wirtschaftlich abhängigen Alter (insbes. Kinder) ein wesentlicher Armutsfaktor (CSO 2018; vgl. Haider/Kumar 2018): Die Notwendigkeit, das Einkommen von Erwerbstätigen mit einer großen Anzahl von Haushaltsmitgliedern zu teilen, führt oft dazu, dass die Armutsgrenze unterschritten wird, selbst wenn Arbeitsplätze eine angemessene Bezahlung bieten würden. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind (CSO 2018).
Wirtschaft und Versorgungslage in den Städten Herat, Kabul und Mazar-e Sharif
Kabul
Die Wirtschaft der Provinz Kabul hat einen weitgehend städtischen Charakter, wobei die wirtschaftlich aktive Bevölkerung in Beschäftigungsfeldern, wie dem Handel, Dienstleistungen oder einfachen Berufen tätig ist (CSO 8.6.2017). Kabul-Stadt hat einen hohen Anteil an Lohnarbeitern, während Selbstständigkeit im Vergleich zu den ländlichen Gebieten Afghanistans weniger verbreitet ist (USIP 10.4.2017). Zu den wichtigsten Arbeitgebern in Kabul gehört der Dienstleistungssektor, darunter auch die öffentliche Verwaltung (CSO 8.6.2017). Die Gehälter sind in Kabul im Allgemeinen höher als in anderen Provinzen, insbesondere für diejenigen, welche für ausländische Organisationen arbeiten (USIP 10.4.2017). Kabul ist das wichtigste Handels- und Beschäftigungszentrum Afghanistans und hat ein größeres Einzugsgebiet in den Provinzen Parwan, Logar und Wardak. Menschen aus kleinen Dörfern pendeln täglich oder wöchentlich nach Kabul, um landwirtschaftliche Produkte zu handeln oder als Wachen, Hausangestellte oder Lohnarbeiter zu arbeiten (USIP 10.4.2017).
Ergebnisse einer Studie ergaben, dass Kabul unter den untersuchten Provinzen den geringsten Anteil an Arbeitsplätzen im Agrarsektor hat, dafür eine dynamischere Wirtschaft mit einem geringeren Anteil an Arbeitssuchenden, Selbständigen und Familienarbeitern. Die besten (Arbeits)Möglichkeiten für Junge existieren in Kabul. Trotz der niedrigeren Erwerbsquoten ist der Frauenanteil in hoch qualifizierten Berufen in Kabul am größten (49,6 Prozent). Im Gegensatz dazu zeigt die Provinz Ghor ist der traditionelle Agrarsektor hier bei weitem der größte Arbeitgeber, des weiteren, existieren hier sehr wenige Möglichkeiten (Jobs und Ausbildung) für Kinder, Jugendliche und Frauen (CSO 8.6.2019).
Herat
Der Einschätzung einer in Afghanistan tätigen internationalen NGO zufolge gehört Herat zu den „bessergestellten“ und „sichereren Provinzen“ Afghanistans und weist historisch im Vergleich mit anderen Teilen des Landes wirtschaftlich und sicherheitstechnisch relativ gute Bedingungen auf (BFA 13.6.2019). Aufgrund der sehr jungen Bevölkerung ist der Anteil der Personen im erwerbsfähigen Alter in Herat – wie auch in anderen afghanischen Städten – vergleichsweise klein. Erwerbstätige müssen also eine große Anzahl an von ihnen abhängigen Personen versorgen. Hinzu kommt, dass die Hälfte der arbeitstätigen Bevölkerung in Herat Tagelöhner sind, welche Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt in besonderem Ausmaß ausgesetzt sind (USIP 2.4.2015).
Die Herater Wirtschaft bietet seit langem Arbeitsmöglichkeiten im Handel, darunter den Import und Export von Waren mit dem benachbarten Iran (GOIRA 2015; vgl. EASO 4.2019, WB/NSIA 9.2018), wie auch Bergbau und Produktion (EASO 4.2019). Die Industrie der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) ist insbesondere im Handwerksbereich und in der Seiden- und Teppichproduktion gut entwickelt (GOIRA 2015; vgl. EASO 4.2019). Manche alten Handwerksberufe (Teppichknüpfereien, Glasbläsereien, die Herstellung von Stickereien) haben es geschafft zu überleben, während sich auch bestimmte moderne Industrien entwickelt haben (z.B. Lebensmittelverarbeitung und Verpackung) (EASO 4.2019). Die meisten der in KMUs Beschäftigten sind entweder Tagelöhner oder kleine Unternehmer (GOIRA 2015). Die Arbeitsplätze sind allerdings von der volatilen Sicherheitslage bedroht (insbesondere Entführungen von Geschäftsleuten oder deren Angehörigen durch kriminelle Netzwerke, im stillen Einverständnis mit der Polizei). Als weitere Probleme werden Stromknappheit, bzw. -ausfälle, Schwierigkeiten, mit iranischen oder anderen ausländischen Importen zu konkurrieren und eine steigende Arbeitslosigkeit genannt (EASO 4.2019).
Mazar-e Sharif
Mazar-e Sharif ist ein regionales Handelszentrum für Nordafghanistan, wie auch ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen, welche Kunsthandwerk und Teppiche anbieten (GOIRA 2015).
Dürre und Überschwemmungen
Während der Wintersaat von Dezember 2017 bis Februar 2018 gab es in Afghanistan eine ausgedehnte Zeit der Trockenheit. Dies verschlechterte die Situation für die von Lebensmittelunsicherheit geprägte Bevölkerung weiter und hatte zerstörerische Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Existenzgrundlagen, was wiederum zu Binnenflucht führte und es den Binnenvertriebenen mittelfristig erschwert, sich wirtschaftlich zu erholen sowie die Grundbedürfnisse selbständig zu decken (FAO 23.11.2018; vgl. AJ 12.8.2018).
Günstige Regenfälle im Frühling und beinahe normale Temperaturen haben 2019 die Weidebedingungen wieder verbessert. Da sich viele Haushalte noch von der Dürre des Jahres 2018 erholen müssen, gilt die Ernährungslage für viele Haushalte im Zeitraum 10.2019-1.2020, weiterhin als „angespannt“ bis „krisenhaft“. Es wird erwartet, dass viele Haushalte vor allem in den höher gelegenen Regionen ihre Vorräte vor dem Winter aufbrauchen werden und bei begrenztem Einkommen und Zugang auf Märkte angewiesen sein werden (FEWS NET 8.2019).
Im März 2019 fanden in Afghanistan Überschwemmungen statt, welche Schätzungen zufolge, Auswirkungen auf mehr als 120.000 Personen in 14 Provinzen hatten. Sturzfluten Ende März 2019 hatten insbesondere für die Bevölkerung in den Provinzen Balkh und Herat schlimme Auswirkungen (WHO 3.2019). Unter anderem waren von den Überschwemmungen auch Menschen betroffen, die zuvor von der Dürre vertrieben wurden (GN 6.3.2019).
Armut und Lebensmittelsicherheit
Einer Befragung aus dem Jahr 2016/2017 an rund 155.000 Personen zufolge (Afghan Living Condition Survey - ALCS), sind rund 45% oder 13 Millionen Menschen in Afghanistan von anhaltender oder vorübergehender Lebensmittelunsicherheit betroffen (CSO 2018; vgl. USAID 11.4.2019), wobei der Anteil der Betroffenen im Osten, Norden und Nordosten am höchsten ist (CSO 2018). Gegenüber dem Zeitraum 2011-12 ist ihr Anteil bei einem Ausgangsniveau von 30% um 15 Prozentpunkte gestiegen (CSO 2018).
Im Zeitraum 2016-17 lebten dem ALCS zufolge 54,5% der Afghanen unter der Armutsgrenze. Gegenüber früheren Erhebungen ist der Anteil an armen Menschen in Afghanistan somit gestiegen (2007-08: 33,7%, 2011-12: 38,3%). Im ländlichen Raum war der Anteil an Bewohnern unter der Armutsgrenze mit 58,6% höher als im städtischen Bereich (41,6%) (CSO 2018). Es bestehen regionale Unterschiede: In den Provinzen Badghis, Nuristan, Kundus, Zabul, Helmand, Samangan, Uruzgan und Ghor betrug der Anteil an Menschen unter der Armutsgrenze gemäß offizieller Statistik 70% oder mehr, während er in einer Provinz – Kabul – unter 20% lag (NSIA 2019). Schätzungen zufolge, ist beispielsweise der Anteil der Bewohner unter der Armutsgrenze in Kabul-Stadt und Herat-Stadt bei rund 34-35%. Damit ist der Anteil an armen Menschen in den beiden urbanen Zentren zwar geringer als in den ländlichen Distrikten der jeweiligen Provinzen, jedoch ist ihre Anzahl aufgrund der Bevölkerungsdichte der Städte dennoch vergleichsweise hoch. Rund 1,1 Millionen Bewohner von Kabul-Stadt leben unter der Armutsgrenze. In Herat-Stadt beträgt ihre Anzahl rund 327.000 (WB/NSIA 9.2018).
2018 gaben rund 30% der 15.012 Befragten an, dass sich die Qualität ihrer Ernährung verschlechtert hat, während rund 17% von einer Verbesserung sprachen und die Situation für rund 53% gleich blieb. Im Jahr 2018 lag der Anteil der Personen, welche angaben, dass sich ihre Ernährungssituation verschlechtert habe, im Westen des Landes über dem Anteil in ganz Afghanistan. Beispielsweise die Provinz Badghis war hier von einer Dürre betroffen (AF 2018).
Bank- und Finanzwesen
Nach einer Zeit mit begrenzten Bankdienstleistungen, entstehen im Finanzsektor in Afghanistan schnell mehr und mehr kommerzielle Banken und Leistungen. Die kommerziellen Angebote der Zentralbank gehen mit steigender Kapazität des Finanzsektors zurück. Es ist mittlerweile auch relativ einfach, in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Die Bank wird dabei nach folgendem fragen: Ausweisdokument (Tazkira), 2 Passfotos und 1.000 bis 5.000 AFN als Mindestkapital für das Bankkonto. Bis heute sind mehr als ein Dutzend Banken im Land aktiv: unter anderem die Afghanistan International Bank, Azizi Bank, Arian Bank, oder The First Microfinance Bank, Ghazanfar Bank, Maiwand Bank, Bakhtar Bank (IOM 2018).
Hawala-System
Über Jahrhunderte hat sich eine Form des Geldaustausches entwickelt, welche Hawala genannt wird. Dieses System, welches auf gegenseitigem Vertrauen basiert, funktioniert schnell, zuverlässig und günstig. Spezielle Dokumente sind nicht notwendig und der Geldtransfer ist weltweit möglich. Hawala wird von den unterschiedlichsten Kundengruppen in Anspruch genommen: Gastarbeiter, die ihren Lohn in die Heimat transferieren wollen, große Unternehmen und Hilfsorganisationen bzw. NGOs, aber auch Terrororganisationen (WKO 2.2017; vgl. WB 2003; FA 7.9.2016).
Das System funktioniert folgendermaßen: Person A übergibt ihrem Hawaladar (X) das Geld, z.B. 10.000 Euro und nennt ihm ein Passwort. Daraufhin teilt die Person A der Person B, die das Geld bekommen soll, das Passwort mit. Der Hawaladar (X) teilt das Passwort ebenfalls seinem Empfänger-Hawaladar (M) mit. Jetzt kann die Person B einfach zu ihrem Hawaladar (M) gehen. Wenn sie ihm das Passwort nennt, bekommt sie das Geld, z.B. in Afghani, ausbezahlt (WKO 2.2017; vgl. WB 2003).
So ist es möglich, auch größere Geldsummen sicher und schnell zu überweisen. Um etwa eine Summe von Peshawar, Dubai oder London nach Kabul zu überweisen, benötigt man sechs bis zwölf Stunden. Sind Sender und Empfänger bei ihren Hawaladaren anwesend, kann die Transaktion binnen Minuten abgewickelt werden. Kosten dafür belaufen sich auf ca. 1-2%, hängen aber sehr stark vom Verhandlungsgeschick, den Währungen, der Transaktionssumme, der Vertrauensposition zwischen Kunde und Hawaladar und nicht zuletzt von der Sicherheitssituation in Kabul ab. Die meisten Transaktionen gehen in Afghanistan von der Hauptstadt Kabul aus, weil es dort auch am meisten Hawaladare gibt. Hawaladare bieten aber nicht nur Überweisungen an, sondern eine ganze Auswahl an finanziellen und nicht-finanziellen Leistungen in lokalen, regionalen und internationalen Märkten. Beispiele für das finanzielle Angebot sind Geldwechsel, Spendentransfer, Mikro-Kredite, Tradefinance oder die Möglichkeit, Geld anzusparen. Als nichtmonetäre Leistungen können Hawaladare Fax- oder Telefondienste oder eine Internetverbindung anbieten (WKO 2.2017; vgl. WB 2003).
Quellen:
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7. Sozialbeihilfen, wohlfahrtsstaatliche Leistungen und Versicherungen
Afghanistan ist von einem Wohlfahrtsstaat weit entfernt und Afghanen rechnen in der Regel nicht mit Unterstützung durch öffentliche Behörden. Verschiedene Netzwerke ersetzen und kompensieren den schwachen staatlichen Apparat. Das gilt besonders für ländliche Gebiete, wo die Regierung in einigen Gebieten völlig abwesend ist. So sind zum Beispiel die Netzwerke – und nicht der Staat – von kritischer Bedeutung für die Sicherheit, den Schutz, die Unterstützung und Betreuung schutzbedürftiger Menschen (BFA 1.2018).
Der afghanische Staat gewährt seinen Bürgern kostenfreie Bildung und Gesundheitsleistungen, darüber hinaus sind keine Sozialleistungen vorgesehen (BAMF/IOM 2018; vgl. EC 18.5.2019). Ein Sozialversicherungs- oder Pensionssystem gibt es, von einigen Ausnahmen abgesehen (z.B. Armee und Polizei), nicht (SEM 20.6.2017; vgl. BDA 18.12.2018). Es gibt kein öffentliches Krankenversicherungssystem. Ein eingeschränktes Angebot an privaten Krankenversicherungen existiert, jedoch sind die Gebühren für die Mehrheit der afghanischen Bevölkerung zu hoch (BDA 18.12.2018).
Ein Pensionssystem ist nur im öffentlichen Sektor etabliert (BAMF/IOM 2018). Der/die zu pensionierende Staatsbedienstete erhält die Pension jährlich auf ein Bankkonto überwiesen. Die Pension eines Regierungsbeamten kann von seinen/ihren Familienmitgliedern geerbt werden (BFA 4.2018). Berichten zufolge arbeitet die afghanische Regierung an der Schaffung eines Pensionssystems im Privatsektor (IWPR 6.7.2018). Private Unternehmen können für ihre Angestellten Pensionskonten einführen, müssen das aber nicht. Manche Arbeitgeber zahlen ihren Angestellten Abfertigungen, welche die Angestellten sich nach einem gewissen Zeitraum ausbezahlen lassen können (BFA 4.2018). Die weitgehende Informalität der afghanischen Wirtschaft bedeutet, dass die Mehrheit der Arbeitskräfte nicht in den Genuss von Pensionen oder Sozialbeihilfen kommt (ILO 5.2012). Die International Labour Organization (ILO) berichtet, dass im Jahr 2010 rund 10% der afghanischen Bevölkerung im pensionsfähigen Alter eine Pension erhielten (ILO 2017).
Für Bedienstete des öffentlichen Sektors gibt es neben einer Alterspension finanzielle Unterstützung im Falle von Invalidität aufgrund einer Verletzung während des Dienstes, wie auch Witwenpensionen und Zulagen bei Armut oder im Fall von Arbeitslosigkeit (BDA 18.12.2018).
Das afghanische Arbeits- und Sozialministerium (MoLSAMD) bietet ad hoc Maßnahmen für einzelne Gruppen, wie zum Beispiel Familienangehörige von Märtyrern und Kriegsverwundete, oder Lebensmittelhilfe für von Dürre betroffene Personen, jedoch keine groß angelegten Programme zur Bekämpfung von Armut (BFA 13.6.2019).
Unterstützungsprogramm – das Citizens’ Charter Afghanistan Project (CCAP)
Im Rahmen des zehn Jahre andauernden „Citizens’ Charter National Priority Program“ (TN 18.1.2018) wurde im Jahr 2016 das Citizens’ Charter Afghanistan Project ins Leben gerufen. Es zielt darauf ab, die Armut in teilnehmenden Gemeinschaften zu reduzieren und den Lebensstandard zu verbessern, indem die Kerninfrastruktur und soziale Leistungen durch Community Development Councils (CDCs) gestärkt werden. Das CCAP soll Entwicklungsprojekte unterschiedlicher Ministerien umsetzen und zu einem größeren Nutzen für die betroffenen Gemeinschaften führen (WB 10.10.2016). Das CCAP ist das erste interministerielle und sektorübergreifende Prioritätenprogramm, in dem Ministerien im Rahmen eines strukturierten Ansatzes gemeinsam an einem Projekt arbeiten. Folgende Ministerien sind hauptsächlich in dieses Projekt involviert: MRRD (Ministry of Rural Rehabilitation and Development), MoE (Ministry of Education), MoPH (Ministry of Public Health) und MAIL (Ministry of Agriculture, Irrigation & Livestock) (ARTF o.D.).
Ziel des Projektes war es von Anfang an, 3,4 Millionen Menschen den Zugang zu sauberem Trinkwasser zu ermöglichen, die Qualität von Dienstleistung in den Bereichen Gesundheit, Bildung, ländliche Straßen und Elektrizität zu verbessern sowie die Zufriedenheit der Bürger/innen mit der Regierung und das Vertrauen in selbige zu steigern. Außerdem sollten vulnerable Personen – Frauen, Binnenvertriebene, behinderte und arme Menschen – besser integriert werden (WB 10.10.2016). Alleine im Jahr 2016 konnten 9,3 Millionen Afghan/innen von den Projekten profitieren (TN 23.11.2017).
Anmerkung: Weitergehende Informationen zum Gesundheitssystem Afghanistans befinden sich im Kapitel 3. Medizinische Versorgung.
Quellen:
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Medizinische Versorgung
Seit 2002 hat sich die medizinische Versorgung in Afghanistan stark verbessert, dennoch bleibt sie im regionalen Vergleich zurück (AA 2.9.2019). Die Lebenserwartung ist in Afghanistan von 50 Jahren im Jahr 1990 auf 64 im Jahr 2018 gestiegen (WHO o.D.; vgl. WHO 4.2018). Im Jahr 2018 gab es 3.135 funktionierende Gesundheitseinrichtungen in ganz Afghanistan und 87% der Bevölkerung wohnten nicht weiter als zwei Stunden von einer Einrichtung entfernt (WHO 12.2018). Vor allem in den Bereichen Mütter- und Kindersterblichkeit kam es zu erheblichen Verbesserungen (AA 2.9.2019).
Der afghanischen Verfassung zufolge hat der Staat kostenlos medizinische Vorsorge, ärztliche Behandlung und medizinische Einrichtungen für alle Bürger/innen zur Verfügung zu stellen. Außerdem fördert der Staat die Errichtung und Ausweitung medizinischer Leistungen und Gesundheitszentren (BFA 4.2018; vgl. MPI 2004, AA 2.9.2019). Eine begrenzte Anzahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung an. Die Voraussetzung zur kostenfreien Behandlung ist der Nachweis der afghanischen Staatsbürgerschaft mittels Personalausweis bzw. Tazkira. Alle Staatsbürger/innen haben dort Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten (BFA 4.2018). Die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten, Ärztinnen und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Dazu kommt das starke Misstrauen der Bevölkerung in die staatlich finanzierte medizinische Versorgung. Die Qualität der Kliniken variiert stark. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen (AA 2.9.2019). Die medizinische Versorgung in großen Städten und auf Provinzlevel ist sichergestellt, auf Ebene von Distrikten und in Dörfern sind Einrichtungen hingegen oft weniger gut ausgerüstet und es kann schwer sein, Spezialisten zu finden. Vielfach arbeiten dort KrankenpflegerInnen anstelle von ÄrztInnen, um grundlegende Versorgung sicherzustellen und in komplizierten Fällen an Provinzkrankenhäuser zu überweisen. Operationseingriffe können in der Regel nur auf Provinzlevel oder höher vorgenommen werden; auf Distriktebene sind nur erste Hilfe und kleinere Operationen möglich. Auch dies gilt allerdings nicht für das gesamte Land, da in Distrikten mit guter Sicherheitslage in der Regel mehr und bessere Leistungen angeboten werden können als in unsicheren Gegenden (IOM 2018; vgl. WHO 3.2019, BDA 18.12.2018). Zahlreiche Afghanen begeben sich für medizinische Behandlungen – auch bei kleineren Eingriffen – ins Ausland. Dies ist beispielsweise in Pakistan vergleichsweise einfach und zumindest für die Mittelklasse erschwinglich (BDA 18.12.2018).
Die wenigen staatlichen Krankenhäuser bieten kostenlose Behandlungen an, dennoch kommt es manchmal zu einem Mangel an Medikamenten. Deshalb werden Patienten an private Apotheken verwiesen, um diverse Medikamente selbst zu kaufen. Untersuchungen und Laborleistungen sind in den staatlichen Krankenhäusern generell kostenlos (IOM 2018). Gemäß Daten aus dem Jahr 2014 waren 73% der in Afghanistan getätigten Gesundheitsausgaben sogenannte „Out-of-pocket“-Zahlungen durch Patienten, nur 5% der Gesamtausgaben im Gesundheitsbereich wurden vom Staat geleistet (WHO 12.2018).
Berichten von UN OCHA zufolge haben rund 10 Millionen Menschen in Afghanistan keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Viele Afghanen suchen, wenn möglich, privat geführte Krankenhäuser und Kliniken auf. Die Kosten von Diagnose und Behandlung dort variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden. Daher ist die Qualität der Gesundheitsbehandlung stark einkommensabhängig (AA 2.9.2019). Berichten zufolge können Patient/innen in manchen öffentlichen Krankenhäusern aufgefordert werden, für Medikamente, ärztliche Leistungen, Laboruntersuchungen und stationäre Behandlungen zu bezahlen. Medikamente sind auf jedem afghanischen Markt erwerbbar, die Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes. Die Kosten für Medikamente in staatlichen Krankenhäusern weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren (BFA 4.2018).
90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre, als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (AA 2.9.2019).
Beispielsweise um die Gesundheitsversorgung der afghanischen Bevölkerung in den nördlichen Provinzen nachhaltig zu verbessern, zielen Vorhaben im Rahmen des zivilen Wiederaufbaus auch auf den Ausbau eines adäquaten Gesundheitssystems ab – mit moderner Krankenhausinfrastruktur, Krankenhausmanagementsystemen sowie qualifiziertem Personal. Seit dem Jahr 2009 wurden insgesamt 65 Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen gebaut oder renoviert. Neben verbesserten diagnostischen Methoden kommen auch innovative Technologien wie z.B. Telemedizin zum Einsatz (BFA 4.2018).
Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung (AA 2.9.2019; vgl. WHO 4.2018).
Zugangsbedingungen für Frauen
Vor allem in den Bereichen Mütter- und Kindersterblichkeit kam es zu erheblichen Verbesserungen. Lag die Müttersterblichkeit laut Weltbank 1990 bei 64,7 Todesfällen auf 1.000 Geburten, belief sie sich im Jahr 2017 auf 29,4 Todesfälle pro 1.000 Geburten. Es gibt allerdings Berichte von einer deutlich höheren Dunkelziffer (AA 2.9.2019). Trotz der Fortschritte sind diese Zahlen immer noch kritisch und liegen deutlich über dem regionalen Durchschnitt. Im Bereich Säuglingssterblichkeit hat Afghanistan auch weiterhin die weltweit dritthöchste Sterblichkeitsrate (AA 2.9.2019). Dies kann insbesondere darauf zurückgeführt werden, dass Geburten zunehmend in medizinischen Einrichtungen, bzw. unter Betreuung von ausgebildetem medizinischem Personal stattfinden und auch die Nachversorgung nach Geburten zugenommen hat. Während die Mehrheit der Frauen im städtischen Raum bei der Geburt durch geschultes Personal betreut wird, trifft dies in ländlichen Gebieten allerdings immer noch auf weniger als die Hälfte der Geburten zu (CSO 2018). Frauen sind beim Zugang zur Gesundheitsversorgung mit spezifischen Problemen konfrontiert, darunter beispielsweise einem geringen Wissen über Gesundheitsprobleme, einer niedrigen Alphabetisierungsrate (AAN 2.12.2014), Einschränkungen in ihrer Bewegungsfreiheit und einem beschränkten Zugang zu finanziellen Mitteln (AAN 2.12.2014; vgl. UNOCHA 11.2018, BFA 13.6.2019). Verbote von medizinischen Untersuchungen von Patientinnen durch männliches medizinisches Personal wirken sich aufgrund des niedrigeren Anteils von Frauen in medizinischen Berufen negativ auf den Zugang von Frauen zu medizinischen Leistungen aus (UNOCHA 11.2018).
Afghanistan gehört zu den wenigen Ländern, in welchen die Selbstmordrate von Frauen höher ist als die von Männern. Die weite Verbreitung psychischer Erkrankungen unter Frauen wird von Experten mit den rigiden kulturellen Einschränkungen, welchen Frauen unterworfen sind und welche ihr Leben weitgehend auf das eigene Heim beschränken, in Verbindung gebracht (BDA 18.12.2018).
Medizinische Versorgung in der Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif
Kabul:
Das Rahman Mina Hospital im Kabuler Bezirk Kart-e-Naw (Police District (PD) 8), wurde renoviert. Das Krankenhaus versorgt rund 130.000 Personen in seiner Umgebung und verfügt über 30 Betten. Pro Tag wird es von rund 900 Patienten besucht. Das Rahman Mina-Krankenhaus ist eines von 47 Einrichtungen in Kabul-Stadt, die am Kabul Urban Health Projekt (KUHP) teilnehmen. Im Rahmen des Projektes soll die Gesundheitsversorgung der Kabuler Bevölkerung verbessert werden (WB 30.9.2018).
Der größte Teil der Notfallmedizin in Kabul wird von der italienischen NGO Emergency angeboten. Emergency führt spezialisierte Notfallbehandlungen durch, welche die staatlichen allgemeinmedizinischen Einrichtungen nicht anbieten können und behandelt sowohl die lokale Bevölkerung, als auch Patienten, welche von außerhalb Kabuls kommen (WHO 4.2018).
Herat:
Das Jebrael-Gesundheitszentrum im Nordwesten der Stadt Herat bietet für rund 60.000 Menschen im dicht besiedelten Gebiet mit durchschnittlich 300 Besuchern pro Tag grundlegende Gesundheitsdienste an, von denen die meisten die Impf- und allgemeinen ambulanten Einheiten aufsuchen (WB 1.11.2016). Laut dem Provinzdirektor für Gesundheit in Herat verfügte die Stadt im April 2017 über 65 private Gesundheitskliniken. Die Anwohner von Herat beklagen jedoch, dass „viele private Gesundheitszentren die Gesundheitsversorgung in ein Unternehmen umgewandelt haben.“ Auch wird die geringe Qualität der Medikamente, fehlende Behandlungsmöglichkeiten und die Fähigkeit der Ärzte, Krankheiten richtig zu diagnostizieren, kritisiert. Infolgedessen entscheidet sich eine Reihe von Heratis für eine Behandlung im Ausland (TN 7.4.2017).
Mazar-e Sharif:
In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es zwischen 10 und 15 Krankenhäuser; dazu zählen sowohl private als auch öffentliche Anstalten. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer; jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken; 20% dieser Gesundheitskliniken finanzieren sich selbst, während 80% öffentlich finanziert sind (BFA 4.2018).
Das Regionalkrankenhaus Balkh ist die tragende Säule medizinischer Dienstleistungen in Nordafghanistan; selbst aus angrenzenden Provinzen werden Patient/innen in dieses Krankenhaus überwiesen. Für das durch einen Brand zerstörte Hauptgebäude des Regionalkrankenhauses Balkh im Zentrum von Mazar-e Sharif wurde ein neuer Gebäudekomplex mit 360 Betten, 21 Intensivpflegeplätzen, sieben Operationssälen und Einrichtungen für Notaufnahme, Röntgen- und Labordiagnostik sowie telemedizinischer Ausrüstung errichtet. Zusätzlich kommt dem Krankenhaus als akademisches Lehrkrankenhaus mit einer angeschlossenen Krankenpflege- und Hebammenschule eine Schlüsselrolle bei der Ausbildung des medizinischen und pflegerischen Nachwuchses zu. Die Universität Freiburg (Deutschland) und die Mashhad Universität (Iran) sind Ausbildungspartner dieses Krankenhauses (BFA 4.2018). Balkh gehörte bei einer Erhebung von 2016/2017 zu den Provinzen mit dem höchsten Anteil an Frauen, welche einen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen haben (CSO 2018).
Es folgt eine Liste einiger staatlicher Krankenhäuser:
Ali Abad Krankenhaus: Kart-e Sakhi, Jamal Mina, Kabul University Road, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2510 355 (KUMS o.D.; vgl. MoPH 11.2012)
Antani Krankenhaus für Infektionskrankheiten: Salan Watt, District 2, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2201 372 (LN o.D.; vgl. MoPH 11.2012)
Ataturk Kinderkrankenhaus: Behild Aliabaad (in der Nähe von der Kabul University), District 3, Kabul, Tel.: +93 (0)75 2001893 / +93 (0)20 250 0312 (LN o.D.; vgl. HPIC o.D.a, MoPH 11.2012)
Indira Ghandi Children Hospital: Wazir Akbar Khan, Kabul. Tel.: 020-230-2281 (IOM 2018; AT 17.9.2015)
Istiqlal/Esteqlal Krankenhaus: District 6, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2500674 (LN o.D.; vgl. AB 20.1.2016, MoPH 11.2012)
Ibne Sina Notfallkrankenhaus: Pull Artal, District 1, Kabul, Tel.: +93 (0)202100359 (LN o.D.; vgl. HPIC o.D.b, MoPH 11.2012)
Jamhoriat Krankenhaus: Ministry of Interior Road, Sidarat Square, District 2,Kabul Tel: +93 (0)20 220 1373/ 1375 (LN o.D.; HPIC o.D.c, MoPH 11.2012)
Karte Sae Mental Hospital: Karte sae Serahi Allaudding, PD-6, Tel.: +93 799 3 190 858 (IOM 2018; IOM 2019)
Malalai Maternity Hospital: Malalai Watt, Shahre Naw, Kabul, Tel.: +93(0)20 2201 377 (LN o.D.; vgl. HPIC o.D.d, MoPH 11.2012)
Noor Eye Krankenhaus: Cinema Pamir, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2100 446 (LN o.D.; vgl. IAM o.D., MoPH 11.2012)
Rabia-i-Balki Maternity Hospital: Frosh Gah, District 2, Kabul, Tel.: +93(0)20 2100439 (LN o.D.; vgl. MoPH 11.2012)
Wazir Akbar Khan Krankenhaus: Wazir Akbar Khan, Kabul, Tel.: +93 (0)78 820 0419 (MoPH 11.2012; vgl. TN 1.6.2017)
Herat Regionalkrankenhaus: Khaja Ali Movafaq Rd, Herat (MoPH 2013; vgl. PAJ 3.8.2017)
Mirwais Nika Krankenhaus in Kandahar, Tel.: +93 (0)79 146 4237 (ICRC 28.1.2018; vgl. ICRC 3.2.2017)
Es gibt zahlreiche private Kliniken, die auf verschiedene medizinische Fachbereiche spezialisiert sind. Es folgt eine Liste einiger privater Gesundheitseinrichtungen:
Amiri Krankenhaus: Red Crescent, 5 th Phase, Qragha Road, Kabul, Tel.: +93 (0)20 256 3555 (IOM 5.2.2018)
Sayed Jamaluding Psychiatric Hospital, Khoshal Mina section 1, Tel.: 93 799 128,737 (IOM 2018; vgl. IOM 2019)
Shfakhanh Maljoy Frdos/Ferdows: Chahr Qala-e-Chahardihi Road, Kabul, Tel.: +93 (0)70 017 3124 (Cybo o.D.)
Khair Khwa Medical Complex: Qala Najar Ha, Kabul, Tel.: +93 (0)72 988 0850 (KMC o.D.)
DK – German Medical Diagnostic Center: Ansari Square, 3d Street, Shahr-e Nau, Kabul, Tel.: +93 (0)70 606 0141 (MK o.D.)
French Medical Institute for Mothers and Children: Hinter der Kabul University, Aliabad, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2500 200 (FMIC o.D.)
Luqmah Hakim: Bagh-e Azadi Ave, Herat, Tel.: +93 (0)79 232 5907 (IOM 5.2.2017; vgl. LHH o.D.)
Alemi Krankenhaus: Mazar-e Sharif (BFA Staatendokumentation 4.2018)
Anmerkung: Zur medizinischen Versorgung bei psychischen Erkrankungen s. auch Kapitel Fehler! Textmarke nicht definiert. Psychische Erkrankungen.
Quellen:
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Rückkehr
Letzte Änderung: 18.5.2020
Seit 1.1.2020 sind 279.738 undokumentierter Afghan/innen aus dem Iran nach Afghanistan zurückgekehrt. Die höchste Anzahl an Rückkehrer/innen ohne Papiere aus dem Iran wurden im März 2020 (159.789) verzeichnet. Die Anzahl der seit 1.1.2020 von IOM unterstützten Rückkehrer/innen aus dem Iran beläuft sich auf 29.019. Seit Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan (Anm.: 23.4.-24.5.2020) hat sich die Anzahl der Rückkehr/innen (undokumentierter, aber auch unterstützter Rückkehr/innen) reduziert. Im gleichen Zeitraum kehrten 1.833 undokumentierte und 1.662 von IOM unterstütze Personen aus Pakistan nach Afghanistan zurück (IOM 11.3.2020). Pakistan hat temporär und aufgrund der COVID-19-Krise seine Grenze nach Afghanistan geschlossen (VoA 4.4.2020; vgl. IOM 11.5.2020; TN 18.3.2020; TiN 13.3.2020). Durch das sogenannte „Friendship Gate“ in Chaman (Anm.: in Balochistan/ Spin Boldak, Kandahar) wurden im April 37.000 afghanische Familien auf ausdrücklichen Wunsch der afghanischen Regierung von Pakistan nach Afghanistan gelassen. An einem weiteren Tag im Mai 2020 kehrten insgesamt 2.977 afghanische Staatsbürger/innen nach Afghanistan zurück, die zuvor in unterschiedlichen Regionen Balochistans gestrandet waren (DA 10.5.2020).
Im Zeitraum 1.1.2019 – 4.1.2020 kehrten insgesamt 504.977 Personen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurück: 485.096 aus dem Iran und 19.881 aus Pakistan (IOM 4.1.2020). Im Jahr 2018 kehrten aus den beiden Ländern insgesamt 805.850 nach Afghanistan zurück: 773.125 aus dem Iran und 32.725 aus Pakistan (IOM 5.1.2019). Im Jahr 2017 stammten 464.000 Rückkehrer aus dem Iran 464.000 und 154.000 aus Pakistan (AA 2.9.2019).
Die Wiedervereinigung mit der Familie wird meist zu Beginn von Rückkehrer als positiv empfunden (MMC 1.2019; vgl. IOM KBL 30.4.2020). Jedoch ist der Reintegrationsprozess der Rückkehrer oft durch einen schlechten psychosozialen Zustand charakterisiert. Viele Rückkehrer sind weniger selbsterhaltungsfähig als die meisten anderen Afghanen. Rückkehrerinnen sind von diesen Problemen im Besonderen betroffen (MMC 1.2019).
Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen (BFA 4.2018). Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Wegen der hohen Fluktuation im Land und der notwendigen Zeit der Hilfsorganisationen, sich darauf einzustellen, ist Hilfe nicht immer sofort dort verfügbar, wo Rückkehrer sich niederlassen. UNHCR beklagt zudem, dass sich viele Rückkehrer in Gebieten befinden, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (AA 2.9.2019).
Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert (BFA 13.6.2019). Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z.B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken (Kolleg/innen, Mitstudierende etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse – auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind manche Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke – der Familie, der Freunde und der Bekannten – ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (BFA 4.2018).
Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Zudem können fehlende Vertrautheit mit kulturellen Besonderheiten und sozialen Normen die Integration und Existenzgründung erschweren. Das Bestehen sozialer und familiärer Netzwerke am Ankunftsort nimmt auch hierbei eine zentrale Rolle ein. Über diese können die genannten Integrationshemmnisse abgefedert werden, indem die erforderlichen Fähigkeiten etwa im Umgang mit lokalen Behörden sowie sozial erwünschtes Verhalten vermittelt werden und für die Vertrauenswürdigkeit der Rückkehrer gebürgt wird (AA 2.9.2019). UNHCR verzeichnete jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (BFA 13.6.2019).
Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Dem deutschen Auswärtigen Amt sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden (AA 2.9.2019). UNHCR berichtet von Fällen zwangsrückgeführter Personen aus Europa, die von religiösen Extremisten bezichtigt werden, verwestlicht zu sein; viele werden der Spionage verdächtigt. Auch glaubt man, Rückkehrer aus Europa wären reich und sie würden die Gastgebergemeinschaft ausnutzen. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (BFA 13.6.2019).
Haben die Rückkehrer lange Zeit im Ausland gelebt oder haben sie zusammen mit der gesamten Familie Afghanistan verlassen, ist es wahrscheinlich, dass lokale Netzwerke nicht mehr existieren oder der Zugang zu diesen erheblich eingeschränkt ist. Dies kann die Reintegration stark erschweren. Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab (AA 2.9.2019). Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung, vulnerable Personen einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran zu unterstützen, bleibt begrenzt und ist weiterhin von der Hilfe der internationalen Gemeinschaft abhängig (USDOS 13.3.2019). Moscheen unterstützen in der Regel nur besonders vulnerable Personen und für eine begrenzte Zeit. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch. Deshalb versuchen sie in der Regel, so bald wie möglich wieder in den Iran zurückzukehren (BFA 13.6.2019).
Viele Rückkehrer, die wieder in Afghanistan sind, werden de-facto IDPs, weil die Konfliktsituation sowie das Fehlen an gemeinschaftlichen Netzwerken sie daran hindert, in ihre Heimatorte zurückzukehren (UNOCHA 12.2018). Trotz offenem Werben für Rückkehr sind essentielle Dienstleistungen wie Bildung und Gesundheit in den grenznahen Provinzen nicht auf einen Massenzuzug vorbereitet (AAN 31.1.2018). Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (UNOCHA 12.2018).
Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA 4.2018). Rückkehrer/innen erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer (BFA 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück (AAN 19.5.2017).
In Kooperation mit Partnerninstitutionen des European Return and Reintegration Network (ERRIN) wird im Rahmen des ERRIN Specific Action Program sozioökonomische Reintegrationsunterstützung in Form von Beratung und Vermittlung für freiwillige und erzwungene Rückkehrer angeboten (IRARA 9.5.2019).
Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung
Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs sehen bei der Reintegration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der „whole of community“ vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen eine Grundstücksvergabe vor, jedoch gilt dieses System als anfällig für Korruption und Missmanagement. Es ist nicht bekannt, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben und zu welchen Bedingungen (BFA 4.2018).
Die Regierung Afghanistans bemüht sich gemeinsam mit internationalen Unterstützern, Land an Rückkehrer zu vergeben. Gemäß dem 2005 verabschiedeten Land Allocation Scheme (LAS) sollten Rückkehrer und IDPs Baugrundstücke erhalten. Die bedürftigsten Fälle sollten prioritär behandelt werden (Kandiwal 9.2018; vgl. UNHCR 6.2008). Jedoch fanden mehrere Studien Probleme bezüglich Korruption und fehlender Transparenz im Vergabeprozess (Kandiwal 9.2018; vgl. UNAMA 3.2015, AAN 29.3.2016, WB/UNHCR 20.9.2017). Um den Prozess der Landzuweisung zu beginnen, müssen die Rückkehrer einen Antrag in ihrer Heimatprovinz stellen. Wenn dort kein staatliches Land zur Vergabe zur Verfügung steht, muss der Antrag in einer Nachbarprovinz gestellt werden. Danach muss bewiesen werden, dass der Antragsteller bzw. die nächste Familie tatsächlich kein Land besitzt. Dies geschieht aufgrund persönlicher Einschätzung eines Verbindungsmannes und nicht aufgrund von Dokumenten. Hier ist Korruption ein Problem. Je einflussreicher ein Antragsteller ist, desto schneller bekommt er Land zugewiesen (Kandiwal 9.2018). Des Weiteren wurde ein fehlender Zugang zu Infrastruktur und Dienstleistungen, wie auch eine weite Entfernung der Parzellen von Erwerbsmöglichkeiten kritisiert. IDPs und Rückkehrer ohne Dokumente sind von der Vergabe von Land ausgeschlossen (IDMC/NRC 2.2014).
Bereits 2017 hat die afghanische Regierung mit der Umsetzung des Aktionsplans für Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge begonnen. Ein neues, transparenteres Verfahren zur Landvergabe an Rückkehrer läuft als Pilotvorhaben mit neuer rechtlicher Grundlage an, kann aber noch nicht flächendeckend umgesetzt werden. Eine Hürde ist die Identifizierung von geeigneten, im Staatsbesitz befindlichen Ländereien. Generell führt die unklare Landverteilung häufig zu Streitigkeiten. Gründe hierfür sind die jahrzehntelangen kriegerischen Auseinandersetzungen, mangelhafte Verwaltung und Dokumentation von An- und Verkäufen, das große Bevölkerungswachstum sowie das Fehlen eines funktionierenden Katasterwesens. So liegen dem afghanischen Innenministerium Berichte über widerrechtliche Aneignung von Land aus 30 Provinzen vor (AA 2.7.2019).
Anmerkung: Ausführlichere Informationen können dem FFM-Bericht Afghanistan 4.2018 entnommen werden.
Aktuelle Informationen zu COVID-19 (siehe dazu auch Abschnitt länderspezifische Anmerkungen)
Anmerkungen: Informationen von IOM Kabul zufolge, sind IOM-Rückkehrprojekte mit Stand 13.5.2020 auch weiterhin in Afghanistan operativ (IOM KBL 13.5.2020).
IOM Österreich unterstützt auch derzeit Rückkehrer/innen im Rahmen der freiwilligen Rückkehr. Aufgrund des stark reduzierten Flugbetriebs ist die Rückkehr seit April 2020 nur in sehr wenige Länder tatsächlich möglich. Neben der Reiseorganisation bietet IOM Österreich dabei, wie bekannt, Unterstützung bei der Ausreise am Flughafen Wien Schwechat an (IOM AUT 18.5.2020).
Mit Stand 18.5.2020, sind im laufenden Jahr bereits 19 Projektteilnehmer/innen nach Afghanistan zurückgekehrt. Mit ihnen, als auch mit potenziellen Projektteilnehmer/innen, welche sich noch in Österreich befinden, steht IOM Österreich in Kontakt und bietet Beratung/Information über virtuelle Kommunikationswege an (IOM AUT 18.5.2020).
Unterstützung durch IOM
Die internationale Organisation für Migration (IOM – International Organization for Migration) unterstützt mit diversen Projekten die freiwillige Rückkehr und Reintegration von Rückkehrer/innen nach Afghanistan. In Bezug auf die Art und Höhe der Unterstützungsleistung muss zwischen unterstützter freiwilliger und zwangsweiser Rückkehr unterschieden werden (IOM KBL 26.11.2018; vgl. IOM AUT 23.1.2020; BFA 13.6.2019; BFA 4.2018). Im Rahmen der unterstützten Freiwilligen Rückkehr kann Unterstützung entweder nur für die Rückkehr (Reise) oder nach erfolgreicher Aufnahme in ein Reintegrationsprojekt auch bei der Wiedereingliederung geleistet werden (IOM AUT 23.12.020).
Mit 1.1.2020 startete das durch den AMIF der Europäischen Union und das österreichische Bundesministerium für Inneres kofinanzierten Reintegrationsprojekt, RESTART III. Im Unterschied zu den beiden Vorprojekten RESTART und RESTART II steht dieses Projekt ausschließlich RückkehrerInnen aus Afghanistan zur Verfügung. RESTART III, ist wie das Vorgängerprojekt auf drei Jahre, nämlich bis 31.12.2022 ausgerichtet und verfügt über eine Kapazität von 400 Personen. Für alle diese 400 Personen ist neben Beratung und Information – in Österreich sowie in Afghanistan – sowohl die Bargeldunterstützung in der Höhe von 500 Euro wie auch die Unterstützung durch Sachleistungen in der Höhe von 2.800 Euro geplant (IOM AUT 23.1.2020).
Die Teilnahme am Reintegrationsprojekt von IOM ist an einige (organisatorische) Voraussetzungen gebunden. So stellen Interessent/innen an einer unterstützen freiwilligen Rückkehr zunächst einen entsprechenden Antrag bei einer der österreichischen Rückkehrberatungseinrichtungen - dem VMÖ (Verein Menschenrechte Österreich) oder der Caritas bzw. in Kärnten auch beim Amt der Kärntner Landesregierung. Die jeweilige Rückkehrberatungsorganisation prüft dann basierend auf einem Kriterienkatalog des BMI, ob die Anforderungen für die Teilnahme durch die AntragsstellerInnen erfüllt werden. Für Reintegrationsprojekte ist durch das BMI festgelegt, dass nur Personen an dem Projekt teilnehmen können, die einen dreimonatigen Aufenthalt in Österreich vorweisen können. Es wird hier jedoch auf mögliche Ausnahmen hingewiesen, wie zum Beispiel bei Personen, die im Rahmen der Dublin-Regelung nach Österreich rücküberstellten werden. Des weiteren sieht die BMI Regelung vor, dass nur eine Person pro Kernfamilie die Unterstützungsleistungen erhalten kann (BMI Stand 23.1.2020). Im Anschluss unterstützt die jeweilige Rückkehrberatungseinrichtung den/die Interessenten/in beim Antrag auf Kostenübernahme für die freiwillige Rückkehr an das BFA. Wenn die Teilnahme an dem Reintegrationsprojekt ebenso gewünscht ist, so ist ein zusätzlicher Antrag auf Bewilligung des Reintegrationsprojektes zu stellen. Kommt es in weiterer Folge zu einer Zustimmung des Antrags seitens des BMI wird ab diesem Zeitpunkt IOM involviert (IOM AUT 23.1.2020).
[Anm.: Es besteht auch die Möglichkeit jederzeit einen Antrag auf freiwillige Rückkehr zu stellen, auch ohne Teilnahme an dem Projekt. Eine Mitarbeiterin von IOM Österreich weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es hier keine Teilung zwischen freiwilligen und unterstützten Rückkehrer/innen gibt. Grundsätzlich spricht man von unterstützter freiwilliger Rückkehr und zusätzlich gibt es die Reintegrationsunterstützung bei Projektteilnahme.]
Neben Beratung und Vorabinformationen ist IOM für die Flugbuchung verantwortlich und unterstützt die Projektteilnehmer auch bei den Abflugmodalitäten. Flüge gehen in der Regel nach Kabul, können auf Wunsch jedoch auch direkt nach Mazar-e Sharif gehen [Anm.: Unter Umgehung von Kabul und mit Zwischenlandung in Mazar-e-Sharif]. Die Weiterreise nach Herat beispielsweise findet in der Regel auf dem Luftweg über Kabul statt (IOM 26.11.2018). Die österreichischen Mitarbeiter unterstützen die Projektteilnehmer beim Einchecken, der Security Controle, der Passkontrolle und begleiten sie bis zum Abflug-Terminal (BMI Stand 23.1.2020). Teilnehmer am Reintegrationsprojekt RESTART III von IOM landen in der Regel (zunächst) in der afghanischen Hauptstadt Kabul. Dort werden sie von den örtlichen IOM-MitarbeiterInnen in Empfang genommen. IOM Mitarbeiter können Rückkehrer/innen direkt nach Verlassens des Flugzeuges empfangen und sie bei den Ein- bzw. Weiterreiseformalitäten unterstützen. An den Flughäfen anderer Städten wie Mazar-e-Sharif, Kandahar oder Herat gibt es keine derartige Ausnahmeregelung (IOM KBL 26.11.2018; vgl. IOM AUT 23.1.2020).
RESTART sowie die Folgeprojekte RESTART II und RESTART III unterscheiden sich nur minimal voneiander. So ist beispielsweise die Höhe der Barzahlung und auch die Unterstützung durch Sachleistungen gleich geblieben, wobei im ersten RESTART Projekt und in der ersten Hälfte von RESTART II nur 2.500 Euro in Sachleistung investiert wurden und die restlichen 300 Euro für Wohnbedürfnisse, Kinderbetreuung oder zusätzlich für Bildung zur Verfügung standen. Dies wurde im Verlauf von RESTART II geändert und es ist nun auch in RESTART III der Fall, sodass die gesamte Summe für eine einkommensgenerierende Tätigkeit verwendet werden kann (IOM AUT 27.3.2020).
RADA
IOM hat mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union das Projekt „RADA“ (Reintegration Assistance and Development in Afghanistan) entwickelt. (IOM 5.11.2019).
Innerhalb dieses Projektes gibt es eine kleine Komponente (PARA – Post Arrival Reception Assistance), die sich speziell an zwangsweise rückgeführte Personen wendet. Der Leistungsumfang ist stark limitiert und nicht mit einer Reintegrationsunterstützung vergleichbar. Die Unterstützung umfasst einen kurzen medical check (unmittelbare medizinische Bedürfnisse) und die Auszahlung einer Bargeldunterstützung in der Höhe von 12.500 Afghani (rund 140 EUR) zur Deckung unmittelbarer, dringender Bedürfnisse (temporäre Unterkunft, Weiterreise, etc.) (IOM AUT 23.1.2020).
Wohnungen
In Kabul und im Umland sowie in anderen Städten steht eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul-City sind jedoch höher als in den Vororten oder in den anderen Provinzen. Private Immobilienhändler in den Städten bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser und Wohnungen an. Die Miete für eine Wohnung liegt zwischen 300 USD und 500 USD. Die Lebenshaltungskosten pro Monat belaufen sich auf bis zu 400 USD (Stand 2018), für jemanden mit gehobenem Lebensstandard. Diese Preise gelten für den zentral gelegenen Teil der Stadt Kabul, wo Einrichtungen und Dienstleistungen wie Sicherheit, Wasserversorgung, Schulen, Kliniken und Elektrizität verfügbar sind. In ländlichen Gebieten können sowohl die Mietkosten, als auch die Lebenshaltungskosten um mehr als 50% sinken. Betriebs- und Nebenkosten wie Wasser und Strom kosten in der Regel nicht mehr als 40 USD pro Monat. Abhängig vom Verbrauch können die Kosten allerdings höher sein (IOM 2018).
Wohnungszuschüsse für sozial Benachteiligte oder Mittellose existieren in Afghanistan nicht (IOM 2018).
Anmerkung: Weitere Informationen zur Unterstützung von Rückkehrern durch IOM können der Analyse Herat 2019 und dem FFM Bericht Afghanistan 2018 entnommen werden.
Quellen:
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IOM KBL – International Organization for Migration Kabul Chapter (13.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail.
IOM KBL – International Organization for Migration Kabul Chapter (30.4.2020): Interview mit Mitarbeiter von IOM Kabul, per Videotelefonie
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Dokumente
Das Personenstands- und Beurkundungswesen in Afghanistan weist gravierende Mängel auf und stellt aufgrund der Infrastruktur, der langen Kriege, der wenig ausgebildeten Behördenmitarbeiter und weitverbreiteter Korruption ein Problem dar. Von der inhaltlichen Richtigkeit formell echter Urkunden kann nicht in jedem Fall ausgegangen werden. Personenstandsurkunden werden oft erst viele Jahre nachträglich, ohne adäquaten Nachweis und sehr häufig auf Basis von Aussagen mitgebrachter Zeugen ausgestellt. Gefälligkeitsbescheinigungen und/oder Gefälligkeitsaussagen kommen sehr häufig vor (AA 2.9.2019). Sämtliche Urkunden in Afghanistan können problemlos gegen finanzielle Zuwendungen oder aus Gefälligkeit erhalten werden (ÖB 28.11.2018).
Des Weiteren kommen verfahrensangepasste Dokumente häufig vor. Im Visumverfahren werden teilweise gefälschte Einladungen oder Arbeitsbescheinigungen vorgelegt. Medienberichten zufolge sollen insbesondere seit den Parlamentswahlen 2018 zahlreiche gefälschte Tazkiras im Rahmen der Wählerregistrierung in Umlauf sein (AA 2.9.2019).
Die Beschaffung verschiedener Dokumente erfolgt dezentral auf Provinzebene und die Dokumentation weist in der Regel keine zuverlässigen Sicherheitsmerkmale auf (DFAT 18.9.2017). Personenstands- und weitere von Gerichten ausgestellte Urkunden werden zentral vom Afghan State Printing House (SUKUK) ausgestellt (ÖB 28.11.2018).
Auf Grundlage bestimmter Informationen können echte Dokumente ausgestellt werden. Dafür notwendige unterstützende Formen der Dokumentation wie etwa Schul-, Studien- oder Bankunterlagen können leicht gefälscht werden. Dieser Faktor stellt sich besonders problematisch dar, wenn es sich bei dem primären Dokument um eine Tazkira handelt, welches zur Erlangung anderer Formen der Identifizierung verwendet wird. Es besteht ein Risiko, dass echte, aber betrügerisch erworbene Tazkiras zur Erlangung von Reisepässen verwendet werden (DFAT 18.9.2017).
Die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland hat das Legalisationsverfahren von öffentlichen Urkunden aus Afghanistan wegen der fehlenden Urkundensicherheit eingestellt (DV 8.1.2019).
Tazkira
Das afghanische Bevölkerungsgesetz von 2014 beinhaltet u.a. Regelungen zur Bürgerregistrierung. Gemäß Artikel 9 des Gesetzes sollen nationale Personalausweise [Anm.: Tazkira] zum Zwecke des Identitätsnachweises und der Bevölkerungsregistrierung ausgestellt werden (NLB/NA 2014). Eine Tazkira wird benötigt, um sich als Wähler registrieren zu lassen. Erstmals in der Geschichte des Landes wurden für die Parlamentswahlen 2018 wahlberechtigte Bürger für ein bestimmtes Wahllokal registriert. Die Bestätigung der Registrierung als Wähler, die auf der Tazkira angebracht wird, beinhaltet Informationen zum Wohnort (Provinz und Distrikt) sowie zum Wahllokal. Kutschi sind nicht an ein fixes Wahllokal gebunden (AAN 27.5.2018).
Ein Personenstandsregisterauszug (Tazkira) wird nur afghanischen Staatsangehörigen nach Registrierung und dadurch erfolgtem Nachweis der Abstammung von einem Afghanen ausgestellt. In der Regel erfolgt der Nachweis der Abstammung durch die Vorlage der Tazkira eines Verwandten 1. Grades oder durch Zeugenerklärungen in Afghanistan (AA 2.9.2019). Einer Quelle zufolge können Frauen Tazkiras und Pässe für sich und ihre Kinder ohne die Anwesenheit eines männlichen Zeugen beantragen (RA KBL 9.5.2018).
In der Tazkira sind Informationen zu Vater und Großvater, jedoch nicht zur Mutter enthalten. Erst seit ca. 2014 gibt es die Möglichkeit, eine Birth Registration Card zu beantragen, in der ein konkretes Geburtsdatum und die Mutter eines Kindes genannt werden. Diese kann aber auch jederzeit nachträglich für Personen ausgestellt werden, die vor 2014 geboren wurden. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Ausstellung daher ohne weitere Prüfung vorgenommen wird (AA 2.9.2019).
Tazkiras können sowohl in der Hauptstadt Kabul als auch dem jeweiligen Geburtsort in Afghanistan, nicht jedoch von afghanischen Auslandsvertretungen ausgestellt werden (AA 2.9.2019). Sie können jedoch über eine afghanische Auslandsvertretung beim afghanischen Innenministerium beantragt werden (AA 2.9.2019; vgl. AFB BER 22.10.2018), wobei ein Vertreter des Antragstellers die Tazkira in Kabul entgegennehmen und beglaubigen lassen muss, um sie dann an den Antragsteller ins Ausland zu schicken (AFB BER 22.10.2018).
Eintragungen in der Tazkira sind oft ungenau. Geburtsdaten werden häufig lediglich in Form von „Alter im Jahr der Beantragung“, z. B. „17 Jahre im Jahr 20xx“ erfasst, genauere Geburtsdaten werden selten erfasst und wenn, dann meist geschätzt (AA 2.9.2019). Insgesamt sind in Afghanistan sechs Tazkira-Varianten im Umlauf (AAN 22.2.2018). Es gibt keine einheitlichen Druckverfahren oder Sicherheitsmerkmale für die Tazkiras in A4- Format. Im Februar 2018 wurde die e-Tazkira (elektronischer Personalausweis) mit der symbolischen Beantragung u.a. durch Präsident Ghani gestartet (AAN 22.2.2018). Seit 3. Mai 2018 werden e-Tazkiras (auch electronic Tazkira) in Form einer Chipkarte ausgestellt, die Einführung läuft jedoch nur sehr schleppend (AA 2.9.2019).
Die Vorlage einer Tazkira ist Voraussetzung für die Ausstellung eines Reisepasses. Es sind Fälle bekannt, in denen afghanische Auslandsvertretungen Reisepässe nach nur oberflächlicher Prüfung ausstellten, ohne Vorlage einer Tazkira und ggf. aufgrund der Aussage zweier Zeugen. Ein derart ausgestellter Reisepass stellt daher im Gegensatz zur Tazkira nur bedingt einen Nachweis der Staatsangehörigkeit dar (AA 2.9.2019). Einige afghanische Bürger, insbesondere Frauen im ländlichen Raum, besitzen keine Tazkira (AAN 27.5.2018).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (2.9.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2015806/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juli_2019%29%2C_02.09.2019.pdf , Zugriff 11.9.2019
AAN – Afghanistan Analysts Network (27.5.2018): The Afghanistan Election Conundrum (8): Controversies over voter registration, https://www.afghanistan-analysts.org/the-afghanistan-election-conundrum-8-controversies-over-voter-registration/ , Zugriff 10.5.2019
AAN – Afghanistan Analysts Network (22.2.2018): The E-Tazkera Rift: Yet another political crisis looming?, https://www.afghanistan-analysts.org/the-e-tazkera-rift-yet-another-political-crisis-looming/ , Zugriff 10.5.2019
AFB BER – Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan in Berlin (22.10.2018): Verbalnote VN-82, https://www.frsh.de/fileadmin/pdf/Aktuelles/Afgh.Botschaft_zu-Passfragen-und-Tskira_20181022.pdf , Zugriff 10.5.2019
DFAT – Department of Foreign Affairs and Trade (18.9.2017): DFAT Country Information Report Afghanistan, https://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-afghanistan.pdf , Zugriff 3.6.2019
DV – Deutsche Vertretungen in Afghanistan (8.1.2019): Afghanische Urkunden/ Urkundenüberprüfung, https://afghanistan.diplo.de/af-de/service/-/1898412 , Zugriff 3.6.2019
NLB/NA – National Legislative Bodies / National Authorities (2014): Afghanistan: Law of 2014 on Registration of Population Records, http://www.refworld.org/docid/544a4c434.html , Zugriff 10.5.2019
ÖB – Österreichische Botschaft Islamabad (28.11.2018): Auskunft per E-Mail.
RA KBL – Lokaler Rechtsanwalt in Kabul (9.5.2018): Auskunft per E-Mail.“
1.2.2. Zur aktuellen Lage:
Auszug aus der Staatendokumentation zu Afghanistan, Stand: 10.08.2022
Vergleichende Länderkundliche Analyse (VLA) i.S. § 3 Abs. 4a AsylG
Letzte Änderung: 04.05.2022
[…]
Verbesserung i.S. § 3 Abs. 4a AsylG:
Ein Vergleich der Informationen zu asylrelevanten Themengebieten in der vorliegenden Länderinformation mit jenen der vormals aktuellen Länderinformation hat ergeben, dass es zu keinen, wie im § 3 Abs. 4a AsylG beschriebenen Verbesserungen in Afghanistan gekommen ist.
Länderspezifische Anmerkungen
Letzte Änderung: 27.01.2022
[…]
Regionen Afghanistans
Bei der regionalen Darstellung Afghanistans werden die 34 Provinzen in fünf Regionen (Nord-, Ost-, West-, Süd- und Zentralafghanistan) aufgeteilt, wobei neben den regionalen Gegebenheiten auch sämtliche Distrikte aufgezählt werden. In den jeweiligen Unterkapiteln "Aktuelle Lage und jüngste Ereignisse" werden die jeweilige Region betreffende Geschehnisse der jüngsten Zeit aufgeführt. Auch aufgrund der aktuellen Lage in Afghanistan kann diese Aufzählung nicht als abschließend betrachtet werden. Es mag weitere Vorfälle gegeben haben, die in den zugänglichen Quellen (bisher) keine Erwähnung fanden.
Studie sozio-ökonomische Faktoren
Im Auftrag der Staatendokumentation führte ATR Consulting, ein in Kabul ansässiges Beratungsunternehmen, das sich auf Überwachung, Bewertung und Lernen spezialisiert hat, im November 2021 eine Studie zu sozio-ökonomischen Faktoren in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif durchgeführt. ATR Consulting befragte hierbei 150 männliche und 150 weibliche Haushaltsmitglieder der Altersgruppe 16-35 Jahre. Insgesamt wurden 30 Gemeinden (10 Gemeinden in jeder Provinzhauptstadt) für die Stichprobenziehung ausgewählt. Die Gemeinden wurden mithilfe eines Zufallsprotokolls nach Sprache, ethnischer Zugehörigkeit und sozio-ökonomischem Status ausgewählt. Anfang November 2021 wurden insgesamt 150 Frauen und 150 Männer persönlich befragt, wobei 100 Befragte aus jeder Stadt stammten und die Geschlechter gleichmäßig verteilt waren. Für weitere Informationen zu Methodologie und Ergebnissen sei auf die nachfolgend zitierte Studie verwiesen.
ATR/STDOK - ATR Consulting (Autor) / veröffentlicht von Staatendokumentation des BFA [Österreich] (18.1.2022): Dossier: Socio-Economic Surveys, Country of Origin Information (COI), https://www.ecoi.net/en/document/2066706.html , Zugriff 18.1.2022
Covid-19
Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. In der vorliegenden Länderinformation erfolgt lediglich ein Überblick und keine erschöpfende Berücksichtigung der aktuellen COVID-19-Pandemie, weil die zur Bekämpfung der Krankheit eingeleiteten oder noch einzuleitenden Maßnahmen ständigen Änderungen unterworfen sind. Besonders betroffen von kurzfristigen Änderungen sind Lockdown-Maßnahmen, welche die Bewegungsfreiheit einschränken und damit Auswirkungen auf die Möglichkeiten zur Ein- bzw. Ausreise aus / in bestimmte/n Länder/n und auch Einfluss auf die Reisemöglichkeiten innerhalb eines Landes haben können.
Insbesondere können zum gegenwärtigen Zeitpunkt seriöse Informationen zu den Auswirkungen der Pandemie auf das Gesundheitswesen, auf die Versorgungslage sowie generell zu den politischen, wirtschaftlichen, sozialen und anderen Folgen nur eingeschränkt zur Verfügung gestellt werden.
Die hier gesammelten Informationen sollen daher die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichterstellung (12.2021) wiedergeben. Es ist zu beachten, dass sich bestimmte Sachverhalte (zum Beispiel Flugverbindungen bzw. die Öffnung und Schließung von Flughäfen oder etwaige Lockdown-Maßnahmen) kurzfristig ändern können.
Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert. Zusätzliche Informationen zu den einzelnen Themengebieten sind den jeweiligen Kapiteln zu entnehmen.
Machtübernahme der Taliban im August 2021
Im Zuge der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 mussten die hier vorliegenden Länderinformationen komplett überarbeitet werden.
Es sei auch darauf hingewiesen, dass die aktuelle Lage von einer nicht absehbaren Dynamik und plötzlichen und abrupten Veränderungen gekennzeichnet ist, womit manche Informationen sehr rasch veralten können. Die Staatendokumentation des BFA wird darauf, wie gehabt, mit einem Update der Länderinformationen im COI-CMS oder einer Kurzinformation (KI) reagieren.
COVID-19
Letzte Änderung: 09.08.2022
Bezüglich der aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Website der WHO: https://covid19.who.int/region/emro/country/af oder der Johns-Hopkins-Universität: https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6 mit täglich aktualisierten Zahlen zu kontaktieren.
Mit Stand 29.7.2022 wurden 185.272 COVID-19 Fälle offiziell bestätigt (WHO o.D.). Aufgrund begrenzter Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der Testkapazitäten, der Testkriterien, des Mangels an Personen, die sich für Tests melden, sowie wegen des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt unterrepräsentiert (HRW 13.1.2022; vgl. UNOCHA 18.2.2021, RFE/RL 23.2.2021a).
Das vormalige afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) hatte verschiedene Maßnahmen zur Vorbereitung und Reaktion auf COVID-19 ergriffen. "Rapid Response Teams" (RRTs) besuchten Verdachtsfälle zu Hause. Die Anzahl der aktiven RRTs ist von Provinz zu Provinz unterschiedlich, da ihre Größe und ihr Umfang von der COVID-19-Situation in der jeweiligen Provinz abhängt. Sogenannte "Fix-Teams" waren in Krankenhäusern stationiert, untersuchen Patienten mit Verdacht auf COVID-19 vor Ort und stehen in jedem öffentlichen Krankenhaus zur Verfügung. Ein weiterer Teil der COVID-19-Patienten befindet sich in häuslicher Pflege (Isolation). Allerdings ist die häusliche Pflege und Isolation für die meisten Patienten sehr schwierig bis unmöglich, da die räumlichen Lebensbedingungen in Afghanistan sehr begrenzt sind (IOM 18.3.2021). Zu den Sensibilisierungsbemühungen gehört die Verbreitung von Informationen über soziale Medien, Plakate, Flugblätter sowie die Ältesten in den Gemeinden (IOM 18.3.2021; vgl. WB 28.6.2020). Allerdings berichteten undokumentierte Rückkehrer immer noch von einem insgesamt sehr geringen Bewusstsein für die mit COVID-19 verbundenen Einschränkungen sowie dem Glauben an weitverbreitete Verschwörungen rund um COVID-19 (IOM 18.3.2021; vgl. DW 17.6.2021).
Die Taliban erlaubten den Zugang für medizinische Helfer in Gebieten unter ihrer Kontrolle im Zusammenhang mit dem Kampf gegen COVID-19 (NH 3.6.2020; vgl. TG 2.5.2020) und gaben im Januar 2021 ihre Unterstützung für eine COVID-19-Impfkampagne in Afghanistan bekannt, die vom COVAX-Programm der Weltgesundheitsorganisation mit 112 Millionen Dollar unterstützt wird (REU 26.1.2021; vgl. ABC News 27.1.2021).
Mit Stand 4.4.2022 wurden insgesamt 5.872.684 Impfdosen verabreicht (WHO o.D.). Insgesamt gibt es nach wie vor große Bedenken hinsichtlich des gerechten Zugangs zu Impfstoffen für Afghanen, insbesondere für gefährdete Gruppen wie Binnenvertriebene, Rückkehrer und nomadische Bevölkerungsgruppen sowie Menschen, die in schwer zugänglichen Gebieten leben (UNOCHA 3.6.2021).
Krankenhäuser und Kliniken haben nach wie vor Probleme bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kapazität ihrer Einrichtungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19 sowie bei der Aufrechterhaltung wesentlicher Gesundheitsdienste, insbesondere in Gebieten mit aktiven Konflikten. Gesundheitseinrichtungen im ganzen Land berichten nach wie vor über Defizite bei persönlicher Schutzausrüstung, Sauerstoff, medizinischem Material und Geräten zur Behandlung von COVID-19 (USAID 11.6.2021; vgl. UNOCHA 3.6.2021, HRW 13.1.2022). Von den 40 COVID-19-Krankenhäusern in ganz Afghanistan bieten mit Stand März 2022 21 Krankenhäuser eine COVID-19-Behandlung an, 19 weitere wurden nach der Machtübernahme der Taliban wegen fehlender Finanzierung geschlossen (WHO 21.3.2022). Die Mitarbeiter des Afghan-Japan-Hospital gingen mit 17.11.2021 in einen Streik, da diese seit Monaten nicht bezahlt wurden (TN 17.11.2021). Im Februar 2022 setzte das Krankenhaus seine Arbeit fort (IOM 12.4.2022).
Die WHO übernimmt derzeit die vollen Betriebskosten / unterstützt die vollen Betriebskosten der folgenden COVID-19-Krankenhäuser/Gesundheitseinrichtungen ab Februar 2022 für 5-12 Monate (IOM 12.4.2022):
Übernahme der vollen Betriebskosten
Nangahar COVID-19 mit 50 Betten - Healthnet TPO
Ghazni COVID-19 Krankenhaus mit 25 Betten - AADA
Uruzgan COVID-19-Krankenhaus mit 20 Betten - MOVE
Afghanisches Japan COVID-19 Krankenhaus mit 100 Betten - Healthnet TPO
Paktia COVID-19 Krankenhaus mit 50 Betten - AADA
Unterstützung der vollen Betriebskosten
Kunar COVID-19 Krankenhaus mit 10 Betten - mit Healthnet TPO
Zabul COVID-19 Krankenhaus mit 20 Betten - mit AADA
Nimroz COVID-19-Krankenhaus mit 20 Betten - mit CHA
Indonesien COVID-19-Krankenhaus in Kabul mit 70 Betten - mit JACK, ab 1. März
Mit Stand April 2022 gibt es in Afghanistan keine Restriktionen im Hinblick auf COVID-19 (IOM 12.4.2022).
Quellen:
ABC News (27.1.2021): Afghanistan prepares to vaccinate citizens against coronavirus amid ongoing violence, https://www.abc.net.au/news/2021-01-27/afghanistan-prepares-for-vaccine-rollout-amid-ongoing-violence/13096290 , Zugriff 8.9.2021
W - Deutsche Welle (17.6.2021): Die COVID-Tragödie in Afghanistan, https://www.dw.com/de/die-covid-tragödie-in-afghanistan/a-57935378 , Zugriff 8.9.2021
HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Afghanistan, https://www.hrw.org/world-report/2022/country-chapters/afghanistan , Zugriff 4.8.2022
IOM - International Organization for Migration (12.4.2022): Information on the socio-economic situation in Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2071112.html , Zugriff 12.4.2022
IOM - International Organization for Migration (18.3.2021): Information on the socio-economic situation in light of COVID-19 in Afghanistan - Update, https://www.ecoi.net/de/dokument/2047399.html , Zugriff 8.9.2021
NH - New Humanitarian, The (3.6.2020): In Afghanistan, the coronavirus fight goes through Taliban territory, https://www.thenewhumanitarian.org/news/2020/06/03/Afghanistan-Taliban-coronavirus-aid , Zugriff 8.9.2021
REU - Reuters (26.1.2021): Taliban backs vaccine drive as Afghan government receives $112 million funding pledge, https://www.reuters.com/article/us-health-coronavirus-afghanistan-vaccin/taliban-backs-afghan-vaccine-drive-after-covax-pledges-112-million-idUSKBN29V115 , Zugriff 8.9.2021
RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (23.2.2021a); Afghanistan Kicks Off COVID-19 Vaccination Campaign Amid Rising Violence, https://gandhara.rferl.org/a/covid-vaccine-afghanistan-healthcare-violence/31117388.html , Zugriff 8.9.2021
TN - Tolonews (17.11.2021): 34 COVID-19 Centers Close Across Afghanistan, https://tolonews.com/index.php/health-175502 , Zugriff 2.12.2021
TG - Guardian, The (2.5.2020): Civil war, poverty and now the virus: Afghanistan stands on the brink, https://www.theguardian.com/world/2020/may/02/afghanistan-in-new-battle-against-ravages-of-covid-19 , Zugriff 8.9.2021
UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (3.6.2021): Afghanistan: Strategic Situation Report: COVID-19, No. 98 (3 June 2021), https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-strategic-situation-report-covid-19-no-98-3-june-2021 , Zugriff 15.9.2021
UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (18.2.2021): Afghanistan: COVID-19 Multi-Sectoral Response, Operational Situation Report 18 February 2021, https://www.ecoi.net/en/document/2045784.html , Zugriff 16.3.2021
USAID - United States Agency for International Development [USA] (11.6.2021): Afghanistan - Complex Emergency, https://www.ecoi.net/en/document/2053806.html , Zugriff 8.9.2021
WB - World Bank, The (28.6.2020): Awareness Campains Help Prevent Against COVID-19 in Afghanistan, https://reliefweb.int/report/afghanistan/awareness-campaigns-help-prevent-against-covid-19-afghanistan , Zugriff 8.9.2021
WHO - World Health Organisation (o.D.): Coronavirus Disease (COVID-19) Dashboard, https://covid19.who.int/region/emro/country/af , Zugriff 4.8.2022
WHO - World Health Organization (21.3.2022): Brief report on the humanitarian and health situation, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/AFG_WHO_EMERGENCY%20SITUATION%20REPORT%2014%20%282022%20March%2015%29%20FINAL%20for%20RELEASE.pdf , Zugriff 11.4.2022
Politische Lage
Letzte Änderung: 09.08.2022
2020 fanden die ersten ernsthaften Verhandlungen zwischen allen Parteien des Afghanistan-Konflikts zur Beendigung des Krieges statt (HRW 13.1.2021). Das lang erwartete Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban wurde Ende Februar 2020 unterzeichnet (AJ 7.5.2020; vgl. NPR 6.5.2020, EASO 8.2020a) - die damalige afghanische Regierung war an dem Abkommen weder beteiligt, noch unterzeichnete sie dieses (EASO 8.2020a).
Im April 2021 kündigte US-Präsident Joe Biden den Abzug der verbleibenden Truppen (WH 14.4.2021; vgl. RFE/RL 19.5.2021) - etwa 2.500-3.500 US-Soldaten und etwa 7.000 NATO-Truppen - bis zum 11.9.2021 an, nach zwei Jahrzehnten US-Militärpräsenz in Afghanistan (RFE/RL 19.5.2021). Er erklärte weiter, die USA würden weiterhin "terroristische Bedrohungen" überwachen und bekämpfen sowie "die Regierung Afghanistans" und "die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte weiterhin unterstützen" (WH 14.4.2021), allerdings ist nicht klar, wie die USA auf wahrgenommene Bedrohungen zu reagieren gedenken, sobald ihre Truppen abziehen (AAN 1.5.2021). Am 31.8.2021 zog schließlich der letzte US-amerikanische Soldat aus Afghanistan ab (DP 31.8.2021).
Nachdem der vormalige Präsident Ashraf Ghani am 15.8.2021 aus Afghanistan geflohen war, nahmen die Taliban die Hauptstadt Kabul als die letzte aller großen afghanischen Städte ein (TAG 15.8.2021; vgl. JS 7.9.2021). Als letzte Provinz steht seit dem 5.9.2021 auch die Provinz Panjshir und damit, trotz vereinzelten bewaffneten Widerstands, ganz Afghanistan weitgehend unter der Kontrolle der Taliban (AA 21.10.2021).
Die Taliban lehnen die Demokratie und ihren wichtigsten Bestandteil, die Wahlen, generell ab (AJ 24.8.2021; vgl. AJ 23.8.2021). Sie tun dies oftmals mit Verweis auf die Mängel des demokratischen Systems und der Wahlen in Afghanistan in den letzten 20 Jahren, wie auch unter dem Aspekt, dass Wahlen und Demokratie in der vormodernen Periode des islamischen Denkens, der Periode, die sie als am authentischsten "islamisch" ansehen, keine Vorläufer haben. Sie halten einige Methoden zur Auswahl von Herrschern in der vormodernen muslimischen Welt für authentisch islamisch - zum Beispiel die Shura Ahl al-Hall wa'l-Aqd, den Rat derjenigen, die qualifiziert sind, einen Kalifen im Namen der muslimischen Gemeinschaft zu wählen oder abzusetzen (AJ 24.8.2021).
Ende Oktober 2021, nach drei Ernennungsrunden auf höchster Ebene - am 7. September, 21. September und 4. Oktober - scheinen die meisten Schlüsselpositionen besetzt worden zu sein, zumindest in Kabul. Das Kabinett selbst umfasst über 30 Ministerien, ein Erbe der Vorgängerregierung (AAN 7.10.2021). Entgegen früheren Erklärungen handelt es sich nicht um eine "inklusive" Regierung mit Beteiligung verschiedener Akteure, sondern um eine reine Taliban-Regierung. Ihr gehören Mitglieder der alten Taliban-Elite an, die bereits in den 1990er-Jahren zentrale Rollen innehatten, ergänzt durch Taliban-Führer, die zu jung waren, um im ersten Emirat zu regieren. Die große Mehrheit sind Paschtunen. Die neue Regierung wird von Mohammad Hassan Akhund geführt. Er ist Vorsitzender der Minister, eine Art Premierminister. Akhund ist ein wenig bekanntes Mitglied des höchsten Führungszirkels der Taliban, der sogenannten Rahbari-Schura, besser bekannt als Quetta-Schura (NZZ 7.9.2021; vgl. BBC 8.9.2021a, AA 21.10.2021)
BBC 7.9.2021; vgl. AAN 4.10.2021
Ein Frauenministerium findet sich nicht unter den bislang angekündigten Ministerien, auch wurden keine Frauen zu Ministerinnen ernannt. Dafür wurde ein Ministerium "für die Förderung der Tugend und die Verhütung des Lasters" eingeführt, das die Afghanen vom Namen her an das Ministerium "für Laster und Tugend" erinnern dürfte. Diese Behörde hatte während der ersten Taliban-Herrschaft von 1996 bis 2001 Menschen zum Gebet gezwungen oder Männer dafür bestraft, wenn sie keinen Bart trugen (ORF 7.9.2021; vgl. BBC 8.9.2021a). Die höchste Instanz der Taliban in religiösen, politischen und militärischen Angelegenheiten (RFE/RL 6.8.2021), der "Amir al Muminin" oder "Emir der Gläubigen" Mullah Haibatullah Akhundzada (FR 18.8.2021) wird sich als "Oberster Führer" Afghanistans auf religiöse Angelegenheiten und die Regierungsführung im Rahmen des Islam konzentrieren (NZZ 8.9.2021). Er kündigte an, dass alle Regierungsangelegenheiten und das Leben in Afghanistan den Gesetzen der Scharia unterworfen werden (ORF 7.9.2021).
Bezüglich der Verwaltung haben die Taliban Mitte August 2021 nach und nach die Behörden und Ministerien übernommen. Sie riefen die bisherigen Beamten und Regierungsmitarbeiter dazu auf, wieder in den Dienst zurückzukehren, ein Aufruf, dem manche von ihnen auch folgten (AZ 17.8.2021; vgl. ICG 24.8.2021). Es gibt Anzeichen dafür, dass einige Anführer der Gruppe die Grenzen ihrer Fähigkeit erkennen, den Regierungsapparat in technisch anspruchsvolleren Bereichen zu bedienen. Zwar haben die Taliban seit ihrem Erstarken in den vergangenen zwei Jahrzehnten in einigen ländlichen Gebieten Afghanistans eine sogenannte Schattenregierung ausgeübt, doch war diese rudimentär und von begrenztem Umfang, und in Bereichen wie Gesundheit und Bildung haben sie im Wesentlichen die Dienstleistungen des afghanischen Staates und von Nichtregierungsorganisationen übernommen (ICG 24.8.2021). Die Übernahme der faktischen Regierungsverantwortung inklusive der Gewährleistung der Sicherheit der Bevölkerung stellt die Taliban vor Herausforderungen, auf die sie kaum vorbereitet sind. Leere öffentliche Kassen und die Sperrung des afghanischen Staatsguthabens im Ausland, sowie internationale und US-Sanktionen gegen Mitglieder der Übergangsregierung, haben zu Schwierigkeiten bei der Geldversorgung, steigenden Preisen und Verknappung essenzieller Güter geführt (AA 21.10.2021).
Bis zum Sturz der alten Regierung wurden ca. 75 % (ICG 24.8.2021) bis 80 % des afghanischen Staatsbudgets von Hilfsorganisationen bereitgestellt (BBC 8.9.2021a). Diese Finanzierungsquellen werden zumindest für einen längeren Zeitraum ausgesetzt sein, während die Geber die Entwicklung beobachten (ICG 24.8.2021). So haben die EU und mehrere ihrer Mitgliedsstaaten in der Vergangenheit mit der Einstellung von Hilfszahlungen gedroht, falls die Taliban die Macht übernehmen und ein islamisches Emirat ausrufen sollten, oder Menschen- und Frauenrechte verletzen sollten. Die USA haben rund 9,5 Milliarden US-Dollar an Reserven der afghanischen Zentralbank sofort [nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul] eingefroren, Zahlungen des IWF und der EU wurden ausgesetzt (CH 24.8.2021). Die Taliban verfügen weiterhin über die Einnahmequellen, die ihren Aufstand finanzierten, sowie über den Zugang zu den Zolleinnahmen, auf die sich die frühere Regierung für den Teil ihres Haushalts, den sie im Inland aufbrachte, stark verließ. Ob neue Geber einspringen werden, um einen Teil des Defizits auszugleichen, ist noch nicht klar (ICG 24.8.2021).
Die USA zeigten sich angesichts der Regierungsbeteiligung von Personen, die mit Angriffen auf US-Streitkräfte in Verbindung gebracht werden, besorgt und die EU erklärte, die islamistische Gruppe habe ihr Versprechen gebrochen, die Regierung "integrativ und repräsentativ" zu machen (BBC 8.9.2021b). Deutschland und die USA haben eine baldige Anerkennung der von den militant-islamistischen Taliban verkündeten Übergangsregierung Anfang September 2021 ausgeschlossen (BZ 8.9.2021). China und Russland haben ihre Botschaften auch nach dem Machtwechsel offen gehalten (NYT 1.9.2021).
Vertreter der National Resistance Front (NRF) haben die internationale Gemeinschaft darum gebeten, die Taliban-Regierung nicht anzuerkennen (BBC 8.9.2021b). Ahmad Massoud, einer der Anführer der NRF, kündigte an, nach Absprachen mit anderen Politikern eine Parallelregierung zu der von ihm als illegitim bezeichneten Talibanregierung bilden zu wollen (IT 8.9.2021).
Mit Oktober 2021 hat sich unter den Taliban bislang noch kein umfassendes Staatswesen herausgebildet. Der Status der bisherigen Verfassung und Gesetze der Vorgängerregierung ist, trotz politischer Ankündigungen einzelner Taliban, auf die Verfassung von 1964 zurückgreifen zu wollen, unklar. Das Regierungshandeln zeigte sich bisher uneinheitlich. Hinzu kommen die teilweise beschränkten Durchgriffsmöglichkeiten der Talibanführung auf ihre Vertreter auf Provinz- und Distriktebene. Repressives Verhalten von Taliban der Bevölkerung gegenüber hängt deswegen stark von individuellen und lokalen Umständen ab (AA 21.10.2021).
Im Juni 2022 berichtet der UN-Sicherheitsrat, dass sich die Taliban mit einer wachsenden Zahl von Problemen bei der Staatsführung und Sicherheitsproblemen konfrontiert sehen, unter anderem mit Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Bewegung selbst (UNGASC 15.6.2022; vgl. USDOS 12.4.2022), dem Auftauchen weiterer bewaffneter Oppositionsgruppen, erneuten Angriffen des Islamischen Staats und Grenzspannungen mit mehreren Nachbarländern (UNGASC 15.6.2022).
Die Taliban haben die Umstrukturierung staatlicher Einrichtungen auch 2022 fortgesetzt und ehemaliges Regierungspersonal durch Taliban-Mitglieder ersetzt (UNGASC 15.6.2022; vgl. USDOS 12.4.2022), wobei sie häufig versuchten, verschiedenen Gruppen entgegenzukommen und durch diese Ernennungen interne Spannungen zu lösen. Im Januar verkleinerten die Behörden die frühere unabhängige Kommission für Verwaltungsreform und öffentlichen Dienst und legten sie mit dem Büro für Verwaltungsangelegenheiten zusammen. Am 7.4.2022 kündigte das Justizministerium der Taliban die Abschaffung der Abteilung für politische Parteien an und schloss damit die Registrierung von politischen Parteien aus. Am 4.5.2022 wurden die Unabhängige Menschenrechtskommission, die Kommission für die Überwachung der Umsetzung der Verfassung und die Sekretariate von Ober- und Unterhaus des Parlaments aufgelöst. Trotz der Forderungen der Afghanen, der Länder in der Region und der internationalen Gemeinschaft nach größerer ethnischer, politischer und geografischer Vielfalt sowie der Einbeziehung von Frauen in die Verwaltungsstrukturen der Taliban blieben das 25-köpfige Kabinett (bestehend aus 21 Paschtunen, drei Tadschiken und einem Usbeken) und die 34 durch die Taliban ernannten Provinzgouverneure (27 Paschtunen, vier Tadschiken und je ein Usbeke, Turkmene und Paschayi) alle männlich und den Taliban verbunden. Viele der Kabinettsmitglieder haben einen religiösen Hintergrund und begrenzte Verwaltungserfahrung und stehen auf der Sanktionsliste gemäß der Sicherheitsratsresolution 1988 (2011) (UNGASC 15.6.2022).
Am 29.4.2022, zum Eid al-Fitr, dem Ende des heiligen Monats Ramadan, gab der Taliban-Führer Haibatullah Akhundzada eine Erklärung ab, in der er das Engagement der Taliban-Behörden für "alle Scharia-Rechte von Männern und Frauen" darlegte und insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung, die Sicherheit, die Bemühungen um einen gleichberechtigten Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung sowie die Rückkehr von Afghanen aus dem Ausland und die Bemühungen um die nationale Einheit hervorhob. Am 11.5.2022 leitete der stellvertretende Ministerpräsident Kabir die erste Sitzung der Kommission für Rückkehr und Kommunikation mit ehemaligen afghanischen Beamten und politischen Persönlichkeiten, die daraufhin ihr Mandat annahm und die Absicht ankündigte, eine Loya Jirga einzuberufen. Am 18.5.2022 trafen sich Vertreter der bislang zersplitterten politischen Opposition aus verschiedenen ethnischen Gruppen in der Türkei unter dem Dach des Hohen Rates des Nationalen Widerstands zur Rettung Afghanistans und forderten die Taliban auf, sich zu Verhandlungen bereit zu erklären (UNGASC 15.6.2022; vgl. BAMF 1.7.2022).
Exilpolitische Aktivitäten
Am 28.9.2021 kündigten Angehörige der früheren afghanischen Regierung mit einem in der Schweiz veröffentlichten Statement der dortigen afghanischen Botschaft die Gründung einer Exilregierung unter Vizepräsident Saleh an (AA 21.10.2021; vgl. ANI 29.9.2021). Eine Reihe von afghanischen Auslandsvertretungen in Drittstaaten hatte zuvor die Übergangsregierung der Taliban verurteilt und auf den Fortbestand der afghanischen Verfassung von 2004 verwiesen. Weitere ehemalige Regierungsmitglieder bzw. politische Akteure der ehemaligen Republik sind in unterschiedlichen Gruppierungen aus dem Ausland aktiv (AA 21.10.2021).
Die Taliban haben bisher allen ehemaligen Regierungsvertretern Amnestie zugesagt, soweit sie den Widerstand gegen sie aufgeben und ihre Autorität anerkennen (AA 21.10.2021; vgl. France 24 17.8.2021). Zur Umsetzung dieser Zusicherung im Falle der Rückkehr prominenter Vertreter der Republik ist bisher nichts bekannt (AA 21.10.2021).
Quellen:
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Sicherheitslage
Letzte Änderung: 03.05.2022
Mit April bzw. Mai 2021 nahmen die Kampfhandlungen zwischen Taliban und Regierungstruppen stark zu (RFE/RL 12.5.2021; vgl. SIGAR 30.4.2021, BAMF 31.5.2021, UNGASC 2.9.2021), aber auch schon zuvor galt die Sicherheitslage in Afghanistan als volatil (UNGASC 17.3.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Laut Berichten war der Juni 2021 der bis dahin tödlichste Monat mit den meisten militärischen und zivilen Opfern seit 20 Jahren in Afghanistan (TN 1.7.2021; vgl. AJ 2.7.2021). Gemäß einer Quelle veränderte sich die Lage seit der Einnahme der ersten Provinzhauptstadt durch die Taliban - Zaranj in Nimruz - am 6.8.2021 in "halsbrecherischer Geschwindigkeit" (AAN 15.8.2021), innerhalb von zehn Tagen eroberten sie 33 der 34 afghanischen Provinzhauptstädte (UNGASC 2.9.2021). Auch eroberten die Taliban mehrere Grenzübergänge und Kontrollpunkte, was der finanziell eingeschränkten Regierung dringend benötigte Zolleinnahmen entzog (BBC 13.8.2021). Am 15.8.2021 floh Präsident Ashraf Ghani ins Ausland und die Taliban zogen kampflos in Kabul ein (ORF 16.8.2021; vgl. TAG 15.8.2021). Zuvor war schon Jalalabad im Osten an der Grenze zu Pakistan gefallen, ebenso wie die nordafghanische Metropole Mazar-e Scharif (TAG 15.8.2021; vgl. BBC 15.8.2021). Ein Bericht führt den Vormarsch der Taliban in erster Linie auf die Schwächung der Moral und des Zusammenhalts der Sicherheitskräfte und der politischen Führung der Regierung zurück (ICG 14.8.2021; vgl. BBC 13.8.2021, AAN 15.8.2021). Die Kapitulation so vieler Distrikte und städtischer Zentren ist nicht unbedingt ein Zeichen für die Unterstützung der Taliban durch die Bevölkerung, sondern unterstreicht vielmehr die tiefe Entfremdung vieler lokaler Gemeinschaften von einer stark zentralisierten Regierung, die häufig von den Prioritäten ihrer ausländischen Geber beeinflusst wird (ICG 14.8.2021), auch wurde die weitverbreitete Korruption, beispielsweise unter den Sicherheitskräften, als ein Problem genannt (BBC 13.8.2021).
Seit der Machtübernahme der Taliban in Kabul am 15.8.2021 ist das allgemeine Ausmaß des Konfliktes deutlich zurückgegangen - mit weniger zivilen Opfern (UNGASC 28.1.2022) und weniger sicherheitsrelevanten Vorfällen im restlichen Verlauf des Jahres (USDOS 12.4.2022). Nach Angaben der UN sind konfliktbedingte Sicherheitsvorfälle wie bewaffnete Zusammenstöße, Luftangriffe und improvisierte Sprengsätze (IEDs) seit der Eroberung des Landes durch die Taliban deutlich zurückgegangen (UNGASC 28.1.2022). Seit der Beendigung der Kämpfe zwischen den Taliban und den afghanischen Streitkräften hat sich auch die Zahl der zivilen Opfer erheblich verringert (UNGASC 28.1.2022; vgl. PAJ 21.8.2021, DIS 12.2021). Zwischen 19.8.2021 und 31.12.2021 verzeichneten die Vereinten Nationen 985 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einem Rückgang von 91% gegenüber dem gleichen Zeitraum im Jahr 2020 entspricht (UNGASC 28.1.2022). Insbesondere die ländlichen Gebiete sind sicherer geworden, und die Menschen können in Gegenden reisen, die in den letzten 15-20 Jahren als zu gefährlich oder unzugänglich galten, da sich die Sicherheit auf den Straßen durch den Rückgang der IEDs verbessert hat (NYT 15.9.2021; vgl. DIS 12.2021).
Die Zahl der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle ging nach dem 15.8.2021 deutlich zurück, von 600 auf weniger als 100 Zwischenfälle pro Woche. Aus den verfügbaren Daten für den Zeitraum bis Ende 2021 geht hervor, dass bewaffnete Zusammenstöße gegenüber demselben Zeitraum im Vorjahr um 98% von 7.430 auf 148 Vorfälle zurückgingen, Luftangriffe um 99% von 501 auf 3, Detonationen von improvisierten Sprengsätzen um 91% von 1.118 auf 101 und gezielte Tötungen um 51% von 424 auf 207. Andere Arten von Sicherheitsvorfällen wie Kriminalität haben jedoch zugenommen, während sich die wirtschaftliche und humanitäre Lage rapide verschlechtert hat. Auf die östlichen, zentralen, südlichen und westlichen Regionen entfielen 75% aller registrierten Vorfälle, wobei Nangarhar, Kabul, Kunar und Kandahar die am stärksten konfliktbetroffenen Provinzen sind (UNGASC 28.1.2022).
Trotz des Rückgangs der Gewalt sahen sich die Taliban-Behörden mit mehreren Herausforderungen konfrontiert, darunter eine Zunahme der Angriffe auf deren Mitglieder. Einige der Angriffe werden der National Resistance Front (NRF) zugeschrieben, der einige Persönlichkeiten der ehemaligen Regierung und der Opposition angehören (UNGASC 28.1.2022). Diese formierte sich im Panjshir-Tal, rund 55 km von Kabul entfernt (TD 20.8.2021), nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul Mitte August 2021 und wird von Amrullah Saleh, dem ehemaligen Vizepräsidenten Afghanistans und Chef des National Directorate of Security [Anm.: NDS, afghan. Geheimdienst], sowie Ahmad Massoud, dem Sohn des verstorbenen Anführers der Nordallianz gegen die Taliban in den 1990ern, angeführt. Ihr schlossen sich Mitglieder der inzwischen aufgelösten Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF) an, um im Panjshir-Tal und umliegenden Distrikten in Parwan und Baghlan Widerstand gegen die Taliban zu leisten (LWJ 6.9.2021; vgl. ANI 6.9.2021). Sowohl die Taliban, als auch die NRF betonten zu Beginn, ihre Differenzen mittels Dialog überwinden zu wollen (TN 30.8.2021; vgl. WZ 22.8.2021). Nachdem die US-Streitkräfte ihren Truppenabzug aus Afghanistan am 30.8.2021 abgeschlossen hatten, griffen die Taliban das Pansjhir-Tal jedoch an. Es kam zu schweren Kämpfen und nach sieben Tagen nahmen die Taliban das Tal nach eigenen Angaben ein (LWJ 6.9.2021; vgl. ANI 6.9.2021), während die NRF am 6.9.2021 bestritt, dass dies geschehen sei (ANI 6.9.2021). Mit Oktober 2021 wird weiterhin von Aktivitäten der NRF in den Provinzen Parwan, Baghlan (IP 13.11.2021; vgl. NR 15.10.2021) und Samangan berichtet (IP 1.12.2021). Es wird weiters von einer strengen Medienzensur seitens der Taliban berichtet, die die Veröffentlichung von Nachrichten über die Aktivitäten der „National Resistance Front“ und anderer militanter Bewegungen in Afghanistan verhindern soll (IP 13.11.2021).
Weitere Kampfhandlungen gab es im August 2021 beispielsweise im Distrikt Behsud in der Provinz Maidan Wardak (AAN 1.9.2021; vgl. AWM 22.8.2021, ALM 15.8.2021) und in Khedir in Daikundi, wo es zu Scharmützeln kam, als die Taliban versuchten, lokale oder ehemalige Regierungskräfte zu entwaffnen (AAN 1.9.2021).
Seit der Übernahme durch die Taliban hat die Zahl der Anschläge des ISKP Berichten zufolge zugenommen, insbesondere in den östlichen Provinzen Nangharhar und Kunar sowie in Kabul (DIS 12.2021; vgl. AA 21.10.2021, UNGASC 28.1.2022). Anschläge des ISKP richten sich immer wieder gegen die Zivilbevölkerung, insbesondere gegen Afghaninnen und Afghanen schiitischer Glaubensrichtung. Am 26.8.2021 wurden durch einen Anschlag des ISKP am Flughafen Kabul 170 Personen getötet und zahlreiche weitere verletzt (AA 21.10.2021; vgl. MEE 27.8.2021, AAN 1.9.2021). Die USA führten als Vergeltungsschläge daraufhin zwei Drohnenangriffe in Jalalabad und Kabul durch, wobei nach US-Angaben ein Drahtzieher des ISKP, sowie zehn Zivilisten getötet wurden (AAN 1.9.2021; vgl. NZZ 12.9.2021; BBC 30.8.2021). Am 8. und 15. Oktober 2021 kamen in Kunduz und Kandahar jeweils bei Selbstmordanschlägen zum Zeitpunkt des Freitagsgebets mehr als 100 Menschen ums Leben, zahlreiche weitere wurden verletzt (AA 21.10.2021). Ein weiterer Anschlag am 3.10.2021 in Kabul zielte auf eine Trauerfeier, an der hochrangige Taliban teilnahmen und tötete mindestens fünf Personen (AA 21.10.2021; vgl. AnA 4.10.2021). Darüber hinaus verübt der ISKP gezielt Anschläge auf Sicherheitskräfte der Taliban, beispielsweise am 19.9.2021 in Nangarhar, bei denen auch Zivilisten zu Schaden kommen (AA 21.10.2021). Zwischen 19.8.2021 und 31.12.2021 verzeichneten die Vereinten Nationen 152 Angriffe der Gruppe in 16 Provinzen, verglichen mit 20 Angriffen in 5 Provinzen im gleichen Zeitraum des Vorjahres (UNGASC 28.1.2022).
Seit der Machtübernahme der Taliban gibt es auch einen Anstieg bei Straßenkriminalität und Entführungen. Lokale Medien berichten von mehr als 40 Entführungen von Geschäftsleuten in den zwei Monaten nach der Übernahme der Kontrolle durch die Taliban. Anderen Quellen zufolge ist die Zahl weitaus höher, doch da es keine funktionierende Bürokratie gibt, liegen nur spärliche offizielle Statistiken vor. Der Großteil der Entführungen fand in den Provinzen Kabul, Kandahar, Nangarhar, Kunduz, Herat und Balkh statt (FP 29.10.2021; vgl. TN 28.10.2021).
Im Zuge einer im Auftrag der Staatendokumentation von ATR Consulting im November 2021 in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif durchgeführten Studie gaben 68,3 % der Befragten an, sich in ihrer Nachbarschaft sicher zu fühlen. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass diese Ergebnisse nicht auf die gesamte Region oder das ganze Land hochgerechnet werden können. Die Befragten wurden gefragt, wie sicher sie sich in ihrer Nachbarschaft fühlen, was sich davon unterscheidet, ob sie sich unter dem Taliban-Regime sicher fühlen oder ob sie die Taliban als Sicherheitsgaranten betrachten oder ob sie sich in anderen Teilen ihrer Stadt oder anderswo im Land sicher fühlen würden. Das Sicherheitsgefühl ist auch davon abhängig, in welchen Ausmaß die Befragten ihre Nachbarn kennen und wie vertraut sie mit ihrer Nachbarschaft sind und nicht darauf, wie sehr sie sich in Sachen Sicherheit auf externe Akteure verlassen. Nicht erfasst wurde in der Studie inwieweit bei den Befragten Sicherheitsängste oder Bedenken im Hinblick auf die Taliban oder Gruppen wie den ISKP vorliegen. Im Bezug auf Straßenkriminalität und Gewalt gaben 79,7 % bzw. 70,7 % der Befragen an, zwischen September und Oktober 2021 keiner Gewalt ausgesetzt gewesen zu sein. An dieser Stelle ist zu beachten, dass die Ergebnisse nicht erfassen, welche Maßnahmen der Risikominderung von den Befragten durchgeführt werden, wie z.B.: die Verringerung der Zeit, die sie außerhalb ihres Hauses verbringen, die Änderung ihres Verhaltens, einschließlich ihres Kaufverhaltens, um weniger Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, sowie die Einschränkung der Bewegung von Frauen und Mädchen im Freien (ATR/STDOK 12.1.2022).
Verfolgung von Zivilisten und ehemaligen Mitgliedern der Streitkräfte
Bereits vor der Machtübernahme intensivierten die Taliban gezielte Tötungen von wichtigen Regierungsvertretern, Menschenrechtsaktivisten und Journalisten (BBC 13.8.2021; vgl. AN 4.10.2020). Die Taliban kündigten nach ihrer Machtübernahme an, dass sie keine Vergeltung an Anhängern der früheren Regierung oder an Verfechtern verfassungsmäßig garantierter Rechte wie der Gleichberechtigung von Frauen, der Redefreiheit und der Achtung der Menschenrechte üben werden (FP 23.8.2021; vgl. BBC 31.8.2021, UNGASC 2.9.2021). Über zielgerichtete, groß angelegte Vergeltungsmaßnahmen gegen ehemalige Angehörige der Regierung oder Sicherheitskräfte oder Verfolgung bestimmter Bevölkerungsgruppen gibt es bislang keine fundierten Erkenntnisse (AA 21.10.2021). Obwohl die Taliban eine "Generalamnestie" für alle versprochen haben, die für die frühere Regierung gearbeitet haben (ohne formellen Erlass), gibt es Berichte aus Teilen Afghanistans unter anderem über die gezielte Tötung von Personen, die früher für die Regierung gearbeitet haben (AI 9.2021). Es gibt auch glaubwürdige Berichte über schwerwiegende Übergriffe von Taliban-Kämpfern, die von der Durchsetzung strenger sozialer Einschränkungen bis hin zu Verhaftungen, Hinrichtungen im Schnellverfahren und Entführungen junger, unverheirateter Frauen reichen. Einige dieser Taten scheinen auf lokale Streitigkeiten zurückzuführen oder durch Rache motiviert zu sein; andere scheinen je nach den lokalen Befehlshabern und ihren Beziehungen zu den Führern der Gemeinschaft zu variieren. Es ist nicht klar, ob die Taliban-Führung ihre eigenen Mitglieder für Verbrechen und Übergriffe zur Rechenschaft ziehen wird (ICG 14.8.2021). Auch wird berichtet, dass es eine neue Strategie der Taliban sei, die Beteiligung an gezielten Tötungen zu leugnen, während sie ihren Kämpfern im Geheimen derartige Tötungen befehlen (GN 10.9.2021). Einem Bericht zufolge kann derzeit jeder, der eine Waffe und traditionelle Kleidung trägt, behaupten, ein Talib zu sein, und Durchsuchungen und Beschlagnahmungen durchführen (AAN 1.9.2021; vgl. BAMF 6.9.2021). Die Taliban-Kämpfer auf der Straße kontrollieren die Bevölkerung nach eigenen Regeln und entscheiden selbst, was unangemessenes Verhalten, Frisur oder Kleidung ist (BAMF 6.9.2021; vgl. NLM 26.8.2021). Frühere Angehörige der Sicherheitskräfte berichten, dass sie sich weniger vor der Taliban-Führung als vor den einfachen Kämpfern fürchten würden (AAN 1.9.2021; vgl. BAMF 6.9.2021).
Es wurde von Hinrichtungen von Zivilisten und Zivilistinnen sowie ehemaligen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte (ORF 24.8.2021; vgl. FP 23.8.2021, BBC 31.8.2021, GN 10.9.2021, Times 12.9.2021, ICG 14.8.2021) und Personen, die vor kurzem Anti-Taliban-Milizen beigetreten waren, berichtet (FP 23.8.2021). In vielen Städten suchten die Taliban nach ehemaligen Mitgliedern der Afghanischen Nationalen Sicherheitskräfte (ANDSF), Beamten der früheren Regierung oder deren Familienangehörigen, bedrohten sie und nahmen sie manchmal fest oder richteten sie hin (HRW 13.1.2022). In der Provinz Ghazni soll es zur gezielten Tötung von neun Hazara-Männern gekommen sein (AI 19.8.2021). Während die Nachrichten aus weiten Teilen des Landes aufgrund der Schließung von Medienzweigstellen und der Einschüchterung von Journalisten durch die Taliban spärlich sind, gibt es Berichte über die Verfolgung von Journalisten (RTE 28.8.2021; vgl. FP 23.8.2021) und die Entführung einer Menschenrechtsanwältin (FP 23.8.2021). Die Taliban haben in den Tagen nach ihrer Machtübernahme systematisch in den von ihnen neu eroberten Gebieten Häftlinge aus den Gefängnissen entlassen (UNGASC 2.9.2021). Eine Richterin (REU 3.9.2021) wie auch eine Polizistin (GN 10.9.2021) gaben an, von ehemaligen Häftlingen verfolgt (REU 3.9.2021) bzw. von diesen identifiziert und daraufhin von den Taliban verfolgt worden zu sein (GN 10.9.2021). Weiters wird berichtet, dass die Taliban die Familienangehörigen der Geflüchteten bedrohen, unter anderem mit dem Tod, oder Lösegeld fordern, falls die Geflüchteten nicht zurückkehren (AI 9.2021; vgl. BBC 31.8.2021).
Zivile Opfer vor der Machtübernahme der Taliban im August 2021
Nach Angaben der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hat die Zahl der zivilen Opfer in der ersten Jahreshälfte 2021 einen Rekordwert erreicht, der im Mai mit dem Beginn des Abzugs der internationalen Streitkräfte stark anstieg. Bis Juni wurden 5.183 tote oder verletzte Zivilisten gezählt, darunter 2.409 Frauen und Kinder (UNAMA 26.7.2021; vgl. AI 29.3.2022). In den ersten sechs Monaten des Jahres 2021 und im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres dokumentierte UNAMA fast eine Verdreifachung der zivilen Opfer durch den Einsatz von improvisierten Sprengsätzen (IEDs) durch regierungsfeindliche Kräfte (UNAMA 26.7.2021). Im gesamten Jahr 2020 dokumentierte UNAMA 8.820 zivile Opfer (3.035 Getötete und 5.785 Verletzte), während AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission) für 2020 insgesamt 8.500 zivile Opfer registrierte, darunter 2.958 Tote und 5.542 Verletzte. Das war ein Rückgang um 15% (21% laut AIHRC) gegenüber der Zahl der zivilen Opfer im Jahr 2019 (UNAMA 2.2021a; AIHRC 28.1.2021) und die geringste Zahl ziviler Opfer seit 2013 (UNAMA 2.2021a).
Obwohl ein Rückgang von durch regierungsfeindlichen Elementen verletzte Zivilisten im Jahr 2020 festgestellt werden konnte, der hauptsächlich auf den Mangel an zivilen Opfern durch wahlbezogene Gewalt und den starken Rückgang der zivilen Opfer durch Selbstmordattentate im Vergleich zu 2019 zurückzuführen ist, so gab es einen Anstieg an zivilen Opfern durch gezielte Tötungen, durch Druckplatten-IEDs und durch fahrzeuggetragene Nicht-Selbstmord-IEDs (VBIEDs) (UNAMA 2.2021a; vgl. ACCORD 6.5.2021b).
Die Ergebnisse des AIHRC zeigen, dass Beamte, Journalisten, Aktivisten der Zivilgesellschaft, religiöse Gelehrte, einflussreiche Persönlichkeiten, Mitglieder der Nationalversammlung und Menschenrechtsverteidiger das häufigste Ziel von gezielten Angriffen waren. Im Jahr 2020 verursachten gezielte Angriffe 2.250 zivile Opfer, darunter 1.078 Tote und 1.172 Verletzte. Diese Zahl macht 26% aller zivilen Todesopfer im Jahr 2020 aus (AIHRC 28.1.2021). Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch haben aufständische Gruppen in Afghanistan ihre gezielten Tötungen von Frauen und religiösen Minderheiten erhöht (HRW 16.3.2021). Auch im Jahr 2021 kommt es weiterhin zu Angriffen und gezielten Tötungen von Zivilisten. So wurden beispielsweise im Juni fünf Mitarbeiter eines Polio-Impf-Teams (AP 15.6.2021; vgl. VOA 15.6.2021) und zehn Minenräumer getötet (AI 16.6.2021; vgl. AJ 16.6.2021).
Die von den Konfliktparteien eingesetzten Methoden, die die meisten zivilen Opfer verursacht haben, sind in der jeweiligen Reihenfolge folgende: IEDs und Straßenminen, gezielte Tötungen, Raketenbeschuss, komplexe Selbstmordanschläge, Bodenkämpfe und Luftangriffe (AIHRC 28.1.2021).
UNAMA 26.7.2021
High Profile Attacks (HPAs) vor der Machtübernahme der Taliban im August 2021
Vor der Übernahme der Großstädte durch die Taliban kam es landesweit zu aufsehenerregenden Anschlägen (sog. High Profile-Angriffe, HPAs) durch regierungsfeindliche Elemente. Zwischen dem 16.5. und dem 31.7.2021 wurden 18 Selbstmordanschläge dokumentiert, verglichen mit 11 im vorangegangenen Zeitraum, darunter 16 Selbstmordattentate mit improvisierten Sprengsätzen in Fahrzeugen (UNGASC 2.9.2021), die in erster Linie auf Stellungen der afghanischen Streitkräfte (ANDSF) erfolgten (UNGASC 2.9.2021; vgl. USDOD 12.2020). Darüber hinaus gab es 68 Angriffe mit magnetischen improvisierten Sprengsätzen (IEDs), darunter 14 in Kabul (UNGASC 2.9.2021).
Im Februar 2020 kam es in der Provinz Nangarhar zu einer sogenannten 'green-on-blue-attack': Der Angreifer trug die Uniform der afghanischen Nationalarmee und eröffnete das Feuer auf internationale Streitkräfte, dabei wurden zwei US-Soldaten und ein Soldat der afghanischen Nationalarmee getötet. Zu einem weiteren Selbstmordanschlag auf eine Militärakademie kam es ebenso im Februar in der Stadt Kabul; bei diesem Angriff wurden mindestens sechs Personen getötet und mehr als zehn verwundet (UNGASC 17.3.2020). Dieser Großangriff beendete mehrere Monate relativer Ruhe in der afghanischen Hauptstadt (DS 11.2.2020; vgl. UNGASC 17.3.2020). Seit Februar 2020 hatten die Taliban ein hohes Maß an Gewalt gegen die ANDSF aufrechterhalten, vermieden aber gleichzeitig Angriffe gegen Koalitionstruppen um Provinzhauptstädte - wahrscheinlich um das US-Taliban-Abkommen nicht zu gefährden (USDOD 1.7.2020). Die Taliban setzten außerdem bei Selbstmordanschlägen gegen Einrichtungen der ANDSF in den Provinzen Kandahar, Helmand und Balkh an Fahrzeugen befestigte improvisierte Sprengkörper (SVBIEDs) ein (UNGASC 17.3.2020).
Angriffe, die vom Islamischen Staat Khorasan Provinz (ISKP) beansprucht oder ihm zugeschrieben werden, haben zugenommen. Zwischen dem 16.5. und dem 18.8.2021 verzeichneten die Vereinten Nationen 88 Angriffe, verglichen mit 15 im gleichen Zeitraum des Jahres 2020. Die Bewegung zielte mit asymmetrischen Taktiken auf Zivilisten in städtischen Gebieten ab (UNGASC 2.9.2021).
Anschläge gegen Gläubige, Kultstätten und religiöse Minderheiten vor der Machtübernahme der Taliban im August 2021
Nach Unterzeichnung des Abkommens zwischen den USA und den Taliban war es bereits Anfang März 2020 zu einem ersten großen Angriff des ISKP gekommen (BBC 6.3.2020; vgl. AJ 6.3.2020). Der ISKP hatte sich an den Verhandlungen nicht beteiligt (BBC 6.3.2020) und bekannte sich zu dem Angriff auf eine Gedenkfeier eines schiitischen Führers; Schätzungen zufolge wurden dabei mindestens 32 Menschen getötet und 60 Personen verletzt (BBC 6.3.2020; vgl. AJ 6.3.2020). Am 25.3.2020 kam es zu einem tödlichen Angriff des ISKP auf eine Gebetsstätte der Sikh (Dharamshala) in Kabul. Dabei starben 25 Menschen, 8 weitere wurden verletzt (TN 26.3.2020; vgl. BBC 25.3.2020, USDOD 1.7.2020). Regierungsnahe Quellen in Afghanistan machen das Haqqani-Netzwerk für diesen Angriff verantwortlich, sie werten dies als Vergeltung für die Gewalt an Muslimen in Indien (AJ 26.3.2020; vgl. TTI 26.3.2020). Am Tag nach dem Angriff auf die Gebetsstätte, detonierte eine magnetische Bombe beim Krematorium der Sikh, als die Trauerfeierlichkeiten für die getöteten Sikh-Mitglieder im Gange waren. Mindestens eine Person wurde dabei verletzt (TTI 26.3.2020; vgl. NYT 26.5.2020, USDOD 1.7.2020). Auch 2021 kam es zu einer Reihe von Anschlägen mit improvisierten Sprengsätzen gegen religiöse Minderheiten, darunter eine Hazara-Versammlung in der Stadt Kunduz am 13.5.2021 und eine Sufi-Moschee in Kabul am 14.5.2021 sowie mehrere Personenkraftwagen, die entweder schiitische Hazara beförderten oder zwischen dem 1. und 12.6.2021 durch überwiegend von schiitischen Hazara bewohnte Gebiete in der Provinz Parwan und Kabul fuhren (UNGASC 2.9.2021). Beamte, Journalisten, Aktivisten der Zivilgesellschaft, religiöse Gelehrte, einflussreiche Persönlichkeiten, Mitglieder der Nationalversammlung und Menschenrechtsverteidiger waren im Jahr 2020 ein häufiges Ziel gezielter Anschläge (AIHRC 28.1.2021).
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RTE - Raidió Teilifís Éireann (28.8.2021): Afghan photographer warns of Taliban threat to media, https://www.rte.ie/news/2021/0828/1243313-afghan-photographer-massoud-hossaini-taliban/ , Zugriff 13.9.2021
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UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (2.9.2021): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060189/sg_report_on_afghanistan_september_2021.pdf , Zugriff 13.9.2021
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USDOD - United States Department of Defense [USA] (1.7.2020): Enhancing Security and Stability in Afghanistan, https://media.defense.gov/2020/Jul/01/2002348001/-1/-1/1/ENHANCING_SECURITY_AND_STABILITY_IN_AFGHANISTAN.PDF , Zugriff 23.10.2020
USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Afghanistan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2022/03/313615_AFGHANISTAN-2021-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 14.4.2022
USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Afghanistan, https://www.state.gov/reports/2020-country-reports-on-human-rights-practices/afghanistan/ , Zugriff 21.4.2021
VOA - Voice of America (15.6.2021): Gunmen Kill 5 Polio Vaccinators in Afghanistan, https://www.voanews.com/south-central-asia/gunmen-kill-5-polio-vaccinators-afghanistan , Zugriff 15.7.2021
WP - The Washington Post (9.12.2019): Overwhelmed by opium, https://www.washingtonpost.com/graphics/2019/investigations/afghanistan-papers/afghanistan-war-opium-poppy-production/ , Zugriff 3.12.2020
WZ - Wiener Zeitung (22.8.2021): Taliban schicken "Hunderte Kämpfer" ins Panjshir-Tal, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/welt/2117427-Taliban-schicken-Hunderte-Kaempfer-ins-Panjshir-Tal.html , Zugriff 10.9.2021
Verfolgungspraxis der Taliban, neue technische Möglichkeiten
Letzte Änderung: 02.05.2022
Trotz mehrfacher Versicherungen der Taliban, von Vergeltungsmaßnahmen gegenüber Angehörigen der ehemaligen Regierung und Sicherheitskräften abzusehen, solange diese sich ihnen nicht widersetzten und die Autorität der Taliban akzeptieren (AA 21.10.2021), wurde nach der Machtübernahme der Taliban berichtet, dass diese auf der Suche nach ehemaligen Mitarbeitern der internationalen Streitkräfte oder der afghanischen Regierung von Tür zu Tür gingen und deren Angehörige bedrohten. Ein Mitglied einer Rechercheorganisation, welche einen (nicht öffentlich zugänglichen) Bericht zu diesem Thema für die Vereinten Nationen verfasste, sprach von einer "schwarzen Liste" der Taliban und großer Gefahr für jeden, der sich auf dieser Liste befände (BBC 20.8.2021; vgl. DW 20.8.2021). Gemäß einem früheren Mitglied der afghanischen Verteidigungskräfte ist bei der Vorgehensweise der Taliban nun neu, dass sie mit einer Namensliste von Haus zu Haus gehen und Personen auf ihrer Liste suchen (FP 23.8.2021).
Die Taliban sind in den sozialen Medien aktiv, unter anderem zu Propagandazwecken. Gegenwärtig nutzt die Gruppierung soziale Medien und Internettechnik jedoch nicht nur für Propagandazwecke und ihre eigene Kommunikation, sondern auch, um Gegner des Taliban-Regimes aufzuspüren (GO 20.8.2021, BBC 6.9.2021). Einem afghanischen Journalisten zufolge verwenden die Taliban soziale Netzwerke wie Facebook und LinkedIn derzeit intensiv, um jene Afghanen zu identifizieren, die mit westlichen Gruppen und der US-amerikanischen Hilfsagentur USAID zusammengearbeitet haben (ROW 20.8.2021). Auch wurde berichtet, dass die Taliban bei Kontrollpunkten Telefone durchsuchen, um Personen mit Verbindungen zu westlichen Regierungen oder Organisationen (INS 17.8.2021) bzw. zu den [ehemaligen] afghanischen Streitkräften (ANDSF) zu finden (ROW 20.8.2021). Viele afghanische Bürgerinnen und Bürger, die für die internationalen Streitkräfte, internationale Organisationen und für Medien gearbeitet haben, oder sich in den sozialen Medien kritisch gegenüber den Taliban äußerten, haben aus Angst vor einer Verfolgung durch die Taliban ihre Profile in den sozialen Medien daher gelöscht (BBC 6.9.2021; vgl. ROW 20.8.2021, SKN 27.8.2021).
Unter anderem werten die Taliban auch aktuell im Internet verfügbare Videos und Fotos aus (GO 20.8.2021, BBC 6.9.2021). Sie verfügen über Spezialkräfte, die in Sachen Informationstechnik und Bildforensik gut ausgebildet und ausgerüstet sind. Ihre Bildforensiker arbeiten gemäß einem Bericht vom August 2021 auf dem neuesten Stand der Technik der Bilderkennung und nutzen beispielsweise Gesichtserkennungssoftware. Im Rahmen der Berichterstattung über auf der Flucht befindliche Ortskräfte wurden von Medien unverpixelte Fotos veröffentlicht, welche für Personen, die sich nun vor den Taliban verstecken, gefährlich werden können (GO 20.8.2021, vgl. MMM 20.8.2021).
Die Taliban haben bereits früher biometrische Daten genutzt, um Menschen ins Visier zu nehmen. In den Jahren 2016 und 2017 berichteten Journalisten, dass Taliban-Kämpfer biometrische Scanner einsetzten, um Buspassagiere, die sie für Mitglieder der Sicherheitskräfte hielten, zu identifizieren und summarisch hinzurichten; alle von Human Rights Watch (HRW) befragten Afghanen erwähnten diese Vorfälle (HRW 30.3.2022).
Im Zuge ihrer Offensive haben die Taliban Geräte zum Auslesen von biometrischen Daten erbeutet, welche ihnen die Identifikation von Hilfskräften der internationalen Truppen erleichtern könnte [Anm.: sog. HIIDE ("Handheld Interagency Identity Detection Equipment")-Geräte] (TIN 18.8.2021; vgl. HO 8.9.2021, SKN 27.8.2021). Nach Angaben von HRW kontrollieren die Taliban Systeme mit sensiblen biometrischen Daten, die westliche Geberregierungen im August 2021 in Afghanistan zurückgelassen haben, wodurch Tausende von Afghanen gefährdet sind. Diese digitalen Identitäts- und Gehaltsabrechnungssysteme enthalten persönliche und biometrische Daten von Afghanen, darunter Iris-Scans, Fingerabdrücke, Fotos, Beruf, Wohnadressen und Namen von Verwandten (HRW 30.3.2022). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist nicht genau bekannt, zu welchen Datenbanken die Taliban Zugriff haben. Laut Experten bieten die von den Taliban erlangten US-Gerätschaften nur begrenzten Zugang zu biometrischen Daten, die noch immer auf sicheren Servern gespeichert sind. Recherchen zeigten jedoch, dass eine größere Bedrohung von den Datenbanken der afghanischen Regierung selbst ausgeht, die sensible persönliche Informationen enthalten und zur Identifizierung von Millionen von Menschen im ganzen Land verwendet werden könnten. Betroffen sein könnte beispielsweise eine Datenbank, welche zum Zweck der Gehaltszahlung Angaben von Angehörigen der [ehemaligen] afghanischen Armee und Polizei enthält (das sog. Afghan Personnel and Pay System, APPS), aber auch andere Datenbanken mit biometrischen Angaben, welche die afghanische Regierung zur Erfassung ihrer Bürger anlegte, beispielsweise bei der Beantragung von Dokumenten, Bewerbungen für Regierungsposten oder Anmeldungen zur Aufnahmeprüfung für das Hochschulstudium (HO 8.9.2021; vgl. SKN 27.8.2021). Informationen, die ein ehemaliger Regierungsberater mit Human Rights Watch geteilt hat, legen jedoch nahe, dass die Taliban möglicherweise keinen Zugang zu APPS haben (HRW 30.3.2022). Eine Datenbank des [ehemaligen] afghanischen Innenminsteriums, das Afghan Automatic Biometric Identification System (AABIS), sollte gemäß Plänen bis 2012 bereits 80 % der afghanischen Bevölkerung erfassen, also etwa 25 Millionen Menschen. Es gibt zwar keine öffentlich zugänglichen Informationen darüber, wie viele Datensätze diese Datenbank bis zum heutigen Zeitpunkt enthält, aber eine unbestätigte Angabe beziffert die Zahl auf immerhin 8,1 Millionen Datensätze. Trotz der Vielzahl von Systemen waren die unterschiedlichen Datenbanken allerdings nie vollständig miteinander verbunden (HO 8.9.2021; vgl. SKN 27.8.2021). Berichten zufolge verwenden die Taliban auch Listen ehemaliger Beamter (HRW 30.11.2021; vgl. FP 29.10.2021) und ziviler Aktivisten, um deren Kinder ausfindig zu machen (FP 29.10.2021).
Nach der Machtübernahme der Taliban hat Google einem Insider zufolge eine Reihe von E-Mail-Konten der bisherigen Kabuler Regierung vorläufig gesperrt. Etwa zwei Dutzend staatliche Stellen in Afghanistan sollen die Server von Google für E-Mails genutzt haben. Nach Angaben eines Experten wäre dies eine "wahre Fundgrube an Informationen" für die Taliban, allein eine Mitarbeiterliste auf einem Google Sheet sei mit Blick auf Berichte über Repressalien gegen bisherige Regierungsmitarbeiter ein großes Problem. Mehrere afghanische Regierungsstellen nutzten auch E-Mail-Dienste von Microsoft, etwa das Außenministerium und das Präsidialamt. Unklar ist, ob das Softwareunternehmen Maßnahmen ergreift, um zu verhindern, dass Daten in die Hände der Taliban fallen. Ein Experte sagte, er halte die von den USA aufgebaute IT-Infrastruktur für einen bedeutenden Faktor für die Taliban. Dort gespeicherte Informationen seien "wahrscheinlich viel wertvoller für eine neue Regierung als alte Hubschrauber" (TT 4.9.2021).
Da die Taliban Kabul so schnell einnahmen, hatten viele Büros keine Zeit, Beweise zu vernichten, die sie in den Augen der Taliban belasten. Berichten zufolge wurden von der britischen Botschaft beispielsweise Dokumente zurückgelassen, welche persönliche Daten von afghanischen Ortskräften und Bewerbern enthielten (SKN 27.8.2021).
Im Rahmen der Evakuierungsbemühungen rund um Ausländer und afghanische Ortskräfte nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul gaben US-Beamte den Taliban eine Liste mit den Namen US-amerikanischer Staatsbürger, Inhaber von Green Cards [Anm.: US-amer. Aufenthaltsberechtigungskarten] und afghanischer Verbündeter, um ihnen die Einreise in den von den Taliban kontrollierten Außenbereich des Flughafens von Kabul zu gewähren - eine Entscheidung, die kritisiert wurde. Gemäß einem Vertreter der US-amerikanischen Streitkräfte hätte die US-Regierung die betroffenen Afghanen somit auf eine "Todesliste" gesetzt (POL 26.8.2021), wobei US-Präsident Biden in einer Pressekonferenz darauf angesprochen meinte, dass auf der Liste befindliche Afghanen von den Taliban bei den Kontrollen durchgelassen wurden (NYP 26.8.2021).
Einem Bericht des Human Rights Watch nach, führen Taliban auch Durchsuchungsaktionen durch, einschließlich nächtlicher Razzien, um verdächtige ehemalige Beamte festzunehmen und zuweilen gewaltsam verschwinden zu lassen. Bei den Durchsuchungen bedrohen und misshandeln die Taliban häufig Familienmitglieder, um sie dazu zu bringen, den Aufenthaltsort der Untergetauchten preiszugeben. Einige der schließlich aufgegriffenen Personen wurden hingerichtet oder in Gewahrsam genommen, ohne dass ihre Inhaftierung bestätigt oder ihr Aufenthaltsort bekannt gegeben wurde (HRW 30.11.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.10.2021): Bericht über die Lage in Afghanistan (Stand: 21.10.2021), https://www.ecoi.net/en/document/2062872.html , Zugriff 4.11.2021
BBC - British Broadcasting Corporation (6.9.2021): The Taliban embrace social media: 'We too want to change perceptions', https://www.bbc.com/news/world-asia-58466939 , Zugriff 13.9.2021
BBC - British Broadcasting Corporation (20.8.2021): Afghanistan: Taliban carrying out door-to-door manhunt, report says, https://www.bbc.com/news/world-asia-58271797 , Zugriff 15.9.2021
DW - Deutsche Welle (20.8.2021): Taliban hunting down Afghans on blacklist — report, https://www.dw.com/en/taliban-hunting-down-afghans-on-blacklist-report/a-58914571 , Zugriff 15.9.2021
FP - Foreign Policy (29.10.2021): Afghan Crime Wave Adds to Taliban Dystopia, https://foreignpolicy.com/2021/10/29/afghanistan-crime-poverty-taliban-economic-collapse-humanitarian-crisis/ , Zugriff 11.11.2021
FP - Foreign Policy (23.8.2021): What a Taliban Government Will Look Like, https://foreignpolicy.com/2021/08/23/taliban-government-afghanistan/ , Zugriff 13.9.2021
GO - Golem (20.8.2021): Taliban jagen ihre Gegner auch via Netz, https://www.golem.de/news/afghanistan-taliban-jagen-ihre-gegner-auch-via-netz-2108-158996.html , Zugriff 15.9.2021
HO - Heise Online (8.9.2021): Wie die afghanische Biometrie-Datenbank in die Hände der Taliban gelangte, https://www.heise.de/hintergrund/Wie-die-afghanische-Biometrie-Datenbank-in-die-Haende-der-Taliban-gelangte-6184168.html , Zugriff 13.9.2021
HRW - Human Rights Watch (30.3.2022): New Evidence that Biometric Data Systems Imperil Afghans; Taliban Now Control Systems with Sensitive Personal Information, https://www.hrw.org/news/2022/03/30/new-evidence-biometric-data-systems-imperil-afghans , Zugriff 6.4.2022
HRW - Human Rights Watch (30.11.2021): "No Forgiveness for People Like You", https://www.hrw.org/report/2021/11/30/no-forgiveness-people-you/executions-and-enforced-disappearances-afghanistan , Zugriff 1.12.2021
INS - Insider (17.8.2021): The Taliban have set up checkpoints in Kabul and are searching Afghans' phones for evidence they communicated in English, report says, https://www.businessinsider.com/taliban-set-up-in-checkpoints-kabul-search-phones-report-2021-8 , Zugriff 15.9.2021
MMM - Menschen Machen Medien (20.8.2021):Bilder im Netz gefährden Ortskräfte und Journalisten, https://mmm.verdi.de/internationales/bilder-im-netz-gefaehrden-ortskraefte-und-journalisten-75499 , Zugriff 15.9.2021
NYP - New York Post (26.8.2021): Biden admits admin may have given Taliban ‘kill list’ of Afghans who aided US, https://nypost.com/2021/08/26/biden-admits-admin-may-have-given-taliban-kill-list-of-afghans-who-aided-us/ , Zugriff 15.9.2021
POL - Politico (26.8.2021): U.S. officials provided Taliban with names of Americans, Afghan allies to evacuate, https://www.politico.com/news/2021/08/26/us-officials-provided-taliban-with-names-of-americans-afghan-allies-to-evacuate-506957 , Zugriff 15.9.2021
ROW - Rest of World (20.8.2021): Afghans are forced to choose between staying safe and staying online, https://restofworld.org/2021/afghans-social-media-taliban/ , Zugriff 15.9.2021
SKN - Sky News (27.8.2021): Afghanistan: The biometric, social and business data the Taliban could use to target left-behind Afghans, https://news.sky.com/story/afghanistan-the-biometric-social-and-business-data-the-taliban-could-use-to-target-left-behind-afghans-12392316?utm_source=POLITICO.EU&utm_campaign=11d1456371-EMAIL_CAMPAIGN_2021_09_01_08_59&utm_medium=email&utm_term=0_10959edeb5-11d1456371-190847800 , Zugriff 13.9.2021
TIN - The Intercept (18.8.2021): The Taliban Have Seized U.S. Military Biometrics Devices, https://theintercept.com/2021/08/17/afghanistan-taliban-military-biometrics/ , Zugriff 13.9.2021
TT - Tiroler Tageszeitung (4.9.2021): Taliban verschieben Bekanntgabe neuer afghanischer Regierung erneut, https://www.tt.com/artikel/30800144/taliban-verschieben-bekanntgabe-neuer-afghanischer-regierung-erneut , Zugriff 15.9.2021
Ost-Afghanistan
Letzte Änderung: 02.05.2022
Staatendokumentation 2021
Der Osten Afghanistans grenzt an Pakistan und ist ein wichtiger Teil des paschtunischen Heimatlandes, dessen Stammeseinfluss sich bis nach Westpakistan erstreckt. Jalalabad, die Hauptstadt der Provinz Nangahar, liegt auf halbem Weg zwischen Torkham (Ende des Khyber-Passes und Kabul/Grenze zu Pakistan) und ist die wichtigste afghanische Stadt im Osten und gilt als das Tor nach Afghanistan vom Khyber-Pass aus. Berge und Täler (oft sehr abgelegen) dominieren die Region (NPS EA o.D.).
In Kabul gibt es einen internationalen Flughafen über den nationale und internationale Flüge abgefertigt werden (F 24 o.D.; vgl. RA KBL 8.11.2021, IOM 12.4.2022), wenn auch im weit geringeren Ausmaß als vor der Machtübernahme der Taliban im August 2021 (RA KBL 8.11.2021).
NSIA 1.6.2020; ICE 2019 *geschätzte Bevölkerungszahl 2020-21Provinz Provinzhauptstadt Bevölkerungszahl*
Kabul Kabul 4.434.550
Khost Khost 636.522
Kunar Asad Abad 499.393
Laghman Mehtarlam 493.488
Logar Pul-e-Alam 434.374
Nangarhar Nangarhar 1.701.698
Paktia Gardez 611.952
Paktika Sharan (auch Sharana) 775.498
Distrikte nach Provinz
Kandarhar: Arghandab, Arghistan, Daman, Ghorak, Kandahar, Khakrez, Maruf, Maiwand, Miyanishin, Nesh, Panjwayee, Reg (Shiga), Shah Wali Kot, Shorabak, Spin Boldak, Zhire
Kabul: Bagrami, Chahar Asyab, Dehsabz, Estalef, Farza, Guldara, Kabul, Kalakan, Khak-e-Jabar, Mir Bacha Kot, Musahi, Paghman, Qara Bagh, Shakar Dara, Surubi/Surobi/Sarobi
Khost: Ali Sher (Tirzayee), Baak, Gurbuz, Jaji Maidan, Khost (Matun), Manduzay (Esmayel Khil), Muza Khel, Nadir Shah Kot, Qalandar, Sabari (Yaqubi), Shamul, Spera, Tanay.
Kunar: Bar Kunar (auch Asmar), Chapa Dara, Sawkay (auch Chawkay), Dangam, Dara-e-Pech (auch Manogi), Ghazi Abad, Khas Kunar, Marawara, Narang wa Badil, Nari, Noorgal, Sar Kani, Shigal, Watapoor sowie der temporäre Distrikt Sheltan
Laghman: Alingar, Alishing, Dawlat Shah, Mehtarlam, Qarghayi, Bad Pash (also Bad Pakh)
Logar: Azra, Baraki Barak, Charkh, Khar War, Khushi, Mohammad Agha, Pul-e-Alam
Nangarhar: Achin, Bati Kot, Behsud, Chaparhar, Dara-e-Nur, Deh Bala (auch Haska Mena (TBIJ 13.11.2019; vgl. VoA 28.6.2019), Dur Baba, Goshta, Hesarak, Jalalabad, Kama, Khugyani, Kot, Kuzkunar, Lalpoor, Muhmand Dara, Nazyan, Pachiragam, Rodat, Sher Zad, Shinwar, Surkh Rud
Paktia: Ahmadaba, Jaji, Dand Patan, Gardez, Jani Khel, Laja Ahmad Khel (auch Laja Mangel), Samkani (auch Chamkani, Tsamkani), Sayyid Karam (auch Mirzaka), Shwak, Wuza Zadran, Zurmat sowie die vier temporären Distrikte Laja Mangel, Mirzaka, Garda Siray, Rohany Baba
Paktika: Barmal, Dila Wa Khushamand, Gomal, Giyan, Jani Khel, Mata Khan, Nika (Naka), Omna, Surobi, Sar Rawzah, Sharan, Turwo, Urgoon, Wazakhwah, Wormamay, Yahya Khel, Yosuf Khel, Zarghun Shahr (auch Khairkot), Ziruk sowie die vier temporären Distrikte Shakeen, Bak Khil, Charbaran, Shakhil Abad
[Anm.: Quellen für Distrikte nach Provinz: NSIA 1.6.2020; IEC 2019]
Quellen:
F 24 (o.D.): https://www.flightradar24.com/38.14 ,61.2/4, Flugpläne zum Stichtag 13.4.2022 liegen in der Staatendokumentation auf
IEC - Independent Election Commission (2019): Afghanistan 2019 Presidential Election - Results by Polling Stations, http://www.iec.org.af/results/en/home/preliminaryresult_by_pc/17 , Zugriff 15.10.2021
IOM - International Organization for Migration (12.4.2022): Information on the socio-economic situation in Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2071112.html , Zugriff 12.4.2022
NPS EA - Naval Postgraduate School - Eastern Afghanistan (o.D.): Eastern Afghanistan, https://nps.edu/web/ccs/eastern-afghanistan , Zugriff 22.10.2021
NSIA - National Statistics and Information Authority [Afghanistan] (1.6.2020): Estimated Population of Afghanistan 2020-21, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf
RA KBL - Lokaler Rechtsanwalt in Kabul (8.11.2021): Auskunft per E-Mail
Aktuelle Lage und jüngste Entwicklungen
Letzte Änderung: 09.08.2022
2021
Der Islamische Staat in der Provinz Khorasan (ISKP) ist mit Anschlägen gegen Taliban-Kämpfer, die teilweise auch die Zivilbevölkerung treffen, vor allem in den östlichen Provinzen Kunar und Nangahar aktiv (AA 21.10.2021; vgl SP 12.11.2021).
Bewaffnete, die sich als Taliban zu erkennen gaben, griffen eine Hochzeit in Nangarhar an, um die Wiedergabe von Musik zu stoppen. Dabei wurden mindestens zwei Menschen getötet und zehn Weitere verletzt (BBC 31.10.2021). Ein Sprecher der Taliban erklärte, die Bewaffneten gehörten nicht zum "Islamischen Emirat", und fügte hinzu, der Vorfall sei auf einen persönlichen Streit zurückzuführen. Zwei Verdächtige wurden verhaftet (TN 30.10.2021; vgl. PAJ 31.10.2021).
Im Oktober 2021 gab es Berichte, wonach in Nangarhar in Jalalabad Leichen entdeckt wurden, einige mit handgeschriebenen Notizen in ihren Taschen, auf denen sie beschuldigt wurden, Mitglieder des ISKP zu sein. Die Taliban werden beschuldigt, für diese Tötungen verantwortlich zu sein (BBC 29.10.2021).
Im Oktober 2021 wurden mindestens sieben Personen getötet und 15 weitere verletzt, als in Khost ein Sprengsatz explodierte (XI 7.10.2021; vgl. ANI 7.10.2021). Ebenso kam es im selben Monat in Asadabad der Hauptstadt von Kunar zu einer Explosion (XI 14.10.2021) bei der der Polizeichef der Taliban der Provinz getötet wurde und elf weitere Personen verletzt wurden (RFE/RL 14.10.2021; vgl. TNI 15.10.2021).
Bei einer Explosion in einer Moschee in der Region Spin Ghar in der Provinz Nangarhar während des Freitagsgebets im November 2021 wurden nach Angaben von Anwohnern und Taliban-Beamten mindestens drei Menschen getötet und 15 weitere verletzt (AJ 12.11.2021; vgl VOA 12.11.2021, SP 12.11.2021).
Im November 2021 wurden hochrangige Mitglieder des Haqqani-Netzwerkes durch die Taliban-Regierung zu Gouverneuren von Logar und Khost ernannt (LWJ 10.11.2021).
2022
Am 19.1.2022 wurden ein Kommandeur der Taliban, sein Sohn und drei weitere Zivilisten im Osten der Provinz Kunar erschossen. Der Täter sei von den Taliban zum ISKP übergelaufen (BAMF 24.1.2022; vgl. RFE/RL 19.1.2022).
In der Provinz Paktia haben die Taliban am 18.1.2022 zwei Musikern die Haare geschnitten, sie verprügelt und ihre Musikinstrumente verbrannt, weil sie trotz generellem Musikverbot aufgetreten waren (BAMF 24.1.2022; vgl. RFE/RL 18.1.2022).
Bei zwei Luftangriffen der pakistanischen Streitkräfte entlang der Grenze zu Afghanistan wurden am 16.4.2022 in den Provinzen Kunar und Khost mindestens 47 Menschen getötet und 22 verletzt, hauptsächlich Frauen und Kinder (AOAV 22.4.2022; vgl. AJ 17.4.2022)
Am 20.6.2022 wurden in Nangarhar zwei Zivilisten getötet und 23 verletzt, als ein Fahrzeug, das einen Taliban-Distriktvertreter transportierte, auf einem belebten Markt explodierte. Fünf Taliban-Mitglieder wurden ebenfalls verletzt (AOAV 22.6.2022; vgl. RFE/RL 20.6.2022).
Am 22.6.2022 ereignete sich in den Provinzen Paktika und Khost ein Erdbeben der Stärke 5,9, das schätzungsweise 770 Todesopfer und etwa 1.500 Verletzte forderte (USAID 28.6.2022; vgl. WHO 3.7.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.10.2021): Bericht über die Lage in Afghanistan (Stand: 21.10.2021), https://www.ecoi.net/en/document/2062872.html , Zugriff 4.11.2021
AJ - Al Jazeera (17.4.2022): At least 47 dead in Afghanistan after Pakistan attacks: Officials, https://www.aljazeera.com/news/2022/4/17/afghanistan-death-toll-in-pakistan-strikes-rises-to-47-official , Zugriff 31.5.2022
AJ - Al Jazeera (12.11.2021): Afghanistan: Mosque in Nangarhar province hit by blast, https://www.aljazeera.com/news/2021/11/12/blast-at-mosque-in-afghanistans-nangarhar-province , Zugriff 24.11.2021
ANI - Asian News International (7.10.2021): Afghanistan: Death toll from explosion at school in Khost reaches 7, https://www.aninews.in/news/world/asia/afghanistan-death-toll-from-explosion-at-school-in-khost-reaches-720211007113425/ , Zugriff 29.11.2021
AOAV - Action on Armed Violence (22.6.2022): 2 killed and 28 injured in car explosion in busy Nangarhar market – latest in series of explosive attacks, https://reliefweb.int/report/afghanistan/2-killed-and-28-injured-car-explosion-busy-nangarhar-market-latest-series-explosive-attacks , Zugriff 26.7.2022
AOAV - Action on Armed Violence (22.4.2022): Pakistani airstrike leaves 47 civilians dead, 22 injured in Afghanistan’s Khost and Kunar provinces, https://aoav.org.uk/2022/pakistani-airstrike-leaves-47-civilians-dead-and-22-injured-in-afghanistans-khost-and-kunar-provinces/ , Zugriff 31.5.2022
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (24.1.2022): Briefing notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw04-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=5 , Zugriff 21.4.2022
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BBC - British Broadcasting Corporation (29.10.2021): The Taliban’s secretive war against IS, https://www.bbc.com/news/world-asia-59080871 , Zugriff 16.11.2021
LWJ - Long War Journal (10.11.2021): Top Haqqani Network leader named Taliban governor of Logar, https://www.longwarjournal.org/archives/2021/11/top-haqqani-network-leader-named-taliban-governor-of-logar.php , Zugriff 29.11.2021
PAJ - Pajhwok Afghan News (31.10.2021): 2 suspected Nangarhar wedding ceremony attackers arrested, https://pajhwok.com/2021/10/31/2-suspected-nangarhar-wedding-ceremony-attackers-arrested/ , Zugriff 5.11.2021
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RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (18.1.2022): Outrage Stoked By Video Of Taliban Humiliating Musicians, Burning Instruments, https://gandhara.rferl.org/a/taliban-video-humiliating-afghan-musicians/31660157.html , Zugriff 21.4.2022
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TNI - The News International (15.10.2021): Taliban police chief killed in Kunar blast, https://www.thenews.com.pk/print/900500-taliban-police-chief-killed-in-kunar-blast , Zugriff 2.12.2021
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XI - Xinhua News Agency(14.10.2021): 1st LD: 11 wounded as explosion rocks provincial capital in E. Afghanistan, http://www.xinhuanet.com/english/asiapacific/2021-10/14/c_1310244303.htm , Zugriff 2.12.2021
XI - Xinhua News Agency (7.10.2021): Blast in Afghanistan's Khost province kills 1, wounds 17, http://www.xinhuanet.com/english/asiapacific/2021-10/07/c_1310230311.htm , Zugriff 29.11.2021
Erreichbarkeit
Letzte Änderung: 03.05.2022
Die Infrastruktur bleibt ein kritischer Faktor für Afghanistan, trotz der seit 2002 erreichten Infrastrukturinvestitionen und -optimierungen (TD 5.12.2017). Seit dem Fall der ersten Talibanregierung wurde das afghanische Verkehrswesen in städtischen und ländlichen Gebieten grundlegend erneuert. Beachtenswert ist die [beinahe] Vollendung der „Ring Road“, welche Zentrum und Peripherie des Landes sowie die Peripherie mit den Nachbarländern verbindet (TD 26.1.2018). Investitionen in ein integriertes Verkehrsnetzwerk werden systematisch geplant und umgesetzt. Dies beinhaltet beispielsweise Entwicklungen im Bereich des Schienenverkehrs und im Straßenbau (z.B. Vervollständigung und Instandhaltung der Kabul Ring Road, des Salang-Tunnels, des Lapis Lazuli Korridors etc.) (STDOK 4.2018; vgl. TD 5.12.2017), aber auch Investitionen aus dem Ausland zur Verbesserung und zum Ausbau des Straßennetzes und der Verkehrswege (STDOK 4.2018; vgl. USAID o.D.a, WB 17.1.2020).
Seit der Machtübernahme der Taliban sind die Treibstoffpreise um 20 % gestiegen. Zuvor kostete ein Liter Benzin 64 AFN, jetzt sind es 76 AFN (RA KBL 8.11.2021).
Jährlich sterben Hunderte von Menschen bei Verkehrsunfällen auf Straßen im ganzen Land - vor allem durch unbefestigte Straßen, überhöhte Geschwindigkeit und Unachtsamkeit (GIZ 7.2019; vgl. AT 23.11.2019, PAJ 12.12.2019, ABC News 1.10.2020).
Die Taliban halten weiterhin Fahrzeuge an und durchsuchen sie. Am 26.12.2021 erließ das Ministerium für die Förderung der Tugend und die Verhütung des Lasters eine Richtlinie, die es Frauen nur in Begleitung eines engen männlichen Verwandten erlaubt, weiter als 72 Kilometer zu reisen. Der Erlass riet Taxifahrern außerdem, nur Frauen zu befördern, die einen islamischen Hidschab oder ein Kopftuch tragen (IOM 12.4.2022).
Ring Road
TD 5.12.2017
Die Ring Road, auch bekannt als Highway One, ist eine Straße, die das Landesinnere ringförmig umgibt (HP 9.10.2015; vgl. FES 2015) und Teil des 3.360 Kilometer langen Hauptverkehrsstraßenprojekts ist, das 16 Provinzen und Großstädte wie Kabul, Mazar, Herat, Ghazni und Jalalabad miteinander verbindet (STDOK 4.201; vgl. TN 9.12.2017, USAID o.D.a).
Trotz der Ankündigung des damaligen Präsidenten Ghani aus dem Jahr 2015, die Ring Road in neun Monaten fertigzustellen, ist ein ein ca. 150 km langes Teilstück zwischen Badghis und Faryab weiterhin unvollständig (SIGAR 15.7.2018). Die fehlenden 150 Kilometer sollen künftig den Distrikt Qaisar [Anm.: Provinz Faryab] mit Dar-e Bum [Anm.: Provinz Badghis] verbinden; dieses Straßenstück ist der letzte unbefestigte Teil der 2.200 km langen Straße. Im November 2020 sind die Arbeiten an diesem Teil der Ring Road noch im Gange, wenn auch nur zögerlich, weil Hindernisse wie Unsicherheit, mangelnde Kooperation der lokalen Bevölkerung, mangelnde Leistung der zuständigen Behörden und Unterauftragnehmer es schwierig machen, den Zeitpunkt der Fertigstellung des Projekts abzuschätzen (RA KBL 20.11.2020).
Abschnitt Kandahar - Kabul - Herat
Die Ring Road verbindet wichtige afghanische Städte wie Kabul, Herat, Kandahar und Mazar-e Sharif (TD 12.4.2018). Sie erstreckt sich südlich von Kabul und ist die Hauptverbindung zwischen der Hauptstadt und der großen südlichen Stadt Kandahar (REU 13.10.2015). Der Kandahar-Kabul-Teil der Ring Road erstreckt sich vom östlichen und südöstlichen Teil Kandahars über die Provinz Zabul nach Ghazni in Richtung Kabul, während die Ring Road westlich von Kandahar durch Gereshk in Helmand und Delaram in Nimroz verläuft (ISW o.D.).
Der Abschnitt zwischen Kabul und Herat umfasst 1.400 km (IWPR 26.3.2018). Die an die Ring-Road anknüpfende 218 km lange Zaranj-Dilram-Autobahn (Provinz Nimroz, Anm.), auch „Route 606“ genannt, soll zukünftig Afghanistan mit Chabahar im Iran verbinden (AD 15.8.2017; vgl. TET 9.8.2017, TD 24.5.2017).
Anrainer beschweren sich über den schlechten Zustand des Abschnitts Kandahar-Kabul-Herat (TN 14.3.2018). Die meisten Teile der Autobahn Kabul-Kandahar sind durch Angriffe und Gewalt beschädigt (TN 28.9.2020; vgl. HOA 7.9.2020).
Abschnitt Baghlan-Balkh
Die Baghlan-Balkh-Autobahn ist Teil der Ring Road und verbindet den Norden mit dem Westen des Landes. Sie gilt als eine unabdingbare Transitroute zwischen der Hauptstadt der Provinz Baghlan, Pul-e Khumri, und den nordwestlichen Provinzen Samangan, Balkh, Jawjzan, Sar-e Pul und Faryab (AAN 15.8.2016).
Salang Tunnel/Salang Korridor
Der Salang-Korridor gilt als Vorzeigeobjekt des Kalten Krieges und wurde im Jahr 1964 zum ersten Mal eröffnet (TD 21.10.2015). Er ist die einzige direkte Verbindung zwischen der Hauptstadt Kabul und dem Norden des Landes (WP 22.1.2018; TD 21.10.2015). Der Salang-Tunnel, durch den über 80 % des Nord-Süd-Handels Afghanistans verläuft (USAID o.D.b.), ist 2,7 km (1,7 Meilen) lang. Er wurde ursprünglich für eine Tagesnutzung von 1.000 - 2.000 Fahrzeuge gebaut. Heute befahren ihn jedoch täglich über 10.000 Transportmittel, was den Bedarf an Instandhaltungsarbeiten erhöht (WP 22.1.2018). Der Bau der Umspannstation des Salang-Tunnels wurde am 15.10.2019 abgeschlossen und kompensiert den Verbrauch von einer Million Liter Dieselkraftstoff pro Jahr, die bis dahin für den Betrieb der Generatoren des Tunnels erforderlich waren (USAID o.D.b; vgl. PAJ 19.12.2019).
Durch das von der Weltbank finanzierte Trans-Hindukush Road Connectivity Project soll bis 2022 u.a. der Salang-Korridor dank einer Förderung von 55 Millionen USD renoviert werden (WB o.D.; vgl. TN 15.9.2020, TN 1.9.2018, RW 6.7.2017). Im Juni 2018 kündigte das Ministerium für öffentliche Arbeiten (Ministry of Public Works - MoPW) an, dass die technischen und geologischen Untersuchungen sowie der Entwurf des neuen Salang-Tunnels gegen Ende 2019 abgeschlossen sein werden (TN 18.6.2018). Im September 2018 kündigte das Ministerium für öffentliche Arbeit an, dass die Arbeiten an den ersten 10 km des Salang-Passes begonnen hätten (TN 1.9.2018).
Gardez-Khost-Highway (NH08)
Der Gardez-Khost-Highway, auch „G-K-Highway“ genannt, ist 101,2 km lang (USAID 7.11.2016; vgl. PAJ 15.12.2015) und verbindet die Provinzhauptstadt der Provinz Paktia, Gardez, mit Khost City, der Provinzhauptstadt von Khost (PAJ 15.12.2015). Sie verbindet aber auch Ostafghanistan mit dem Ghulam-Khan-Highway in Pakistan. Mitte Dezember 2015 wurde der sanierte Gardez-Khost Highway eröffnet. Ebenso wurden 410 kleine Brücken und 25 km Schutzwände auf dieser Autobahn errichtet (PAJ 15.12.2015; vgl. USAID 7.11.2016).
Grand Trunk Road - Highway Jalalabad-Peshawar / Pak-Afghan-Highway
Die Grand Trunk Road, auch bekannt als „G.T. Road“, ist die älteste, längste und bekannteste Straße des indischen Subkontinentes (GS o.D.; vgl. Doaks o.D., Dawn 30.12.2018, EIPB 2006). Die über 2.500 km lange Route beginnt in der bangladeschischen Stadt Chittagong, verläuft über Delhi in Indien, Lahore und Peshawar in Pakistan, den Khyber Pass an der afghanisch-pakistanischen Grenze und endet in Kabul (Samaa 9.8.2017; vgl. Scroll 4.5.2018, EIPB 2006). Der Khyber-Pass erstreckt sich über 53 km durch das Safed-Koh-Gebirge und ist eine der wichtigsten Verbindungen zwischen Afghanistan und Pakistan; er verbindet Kabul mit Peshawar (EB 30.3.2017; vgl. BL o.D., NG o.D.).
Der Torkham-Peshawar Highway verbindet Jalalabad mit Peshawar in Pakistan über die afghanische Grenzstadt Torkham in der Provinz Nangarhar. Sie ist eine der am stärksten befahrenen Straßen Afghanistans. Der afghanische Teil der Straße besteht aus zwei Abschnitten: der 76 km langen Torkham-Jalalabad-Straße und die Jalalabad-Kabul-Verbindung, die sich über 155 km erstreckt (ET 27.10.2016). Die Straße, die auch als „Pak-Afghan Highway“ bekannt ist, wird als Wirtschaftsroute zwischen Pakistan, Afghanistan, Usbekistan, Tadschikistan und den südasiatischen Ländern genutzt (ET 7.3.2016; vgl. PCQ o.D.).
Baghlan-Bamyan-Highway
Das Baghlan-Bamyan-Straßenbauprojekt ist Teil des von der Weltbank finanzierten Trans-Hindukusch-Straßenverbindungsprojekts. Die Doshi-Bamyan-Straße verbindet die Provinz Bamyan in Zentralafghanistan mit der Provinz Baghlan in Nordafghanistan als Alternative zum Salang-Pass, der einzigen Route, die Kabul mit dem Norden des Landes verbindet. Nach Angaben des Ministeriums für öffentliche Arbeiten wurde ein chinesisches Unternehmen mit den Arbeiten an dem Projekt beauftragt (TN 15.9.2020; vgl. WB 3.11.2020). Im Juni 2020 hat die Bank über 100 Millionen Dollar des 170-Millionen-Dollar-Projekts annulliert, um den Hilfsfonds COVID-19 der afghanischen Regierung zu unterstützen, sagte jedoch, die Annullierung sei vorübergehend und werde die laufenden Bauaufträge nicht beeinträchtigen (TN 15.9.2020; vgl. WB 3.11.2020). Die Bauarbeiten sind erst zu 20 % abgeschlossen und wurden im Juni 2020 wegen der COVID-19-Pandemie und ihrer Auswirkungen gestoppt (USDOS 24.6.2020; vgl. AT 24.6.2020). Im September 2020 wurde die Regierung wegen einer Verzögerung der Bauarbeiten für das Projekt kritisiert. Nach Angaben des Ministeriums für öffentliche Arbeiten verzögerte sich die Umsetzung des Projekts aufgrund fehlender Mittel (TN 15.9.2020).
Abschnitte Kabul-Bamyan und Bamyan-Mazar-e Sharif
Am 29.8.2016 wurde die Straße Kabul-Bamyan eingeweiht. Das von der italienischen Agentur für Entwicklung finanzierte Straßenprojekt sollte die Fahrt zwischen Kabul und Bamyan erleichtern und den wirtschaftlichen Aufschwung in der Region fördern. Durch die neu errichtete Straße beträgt die Reisezeit von Kabul nach Bamyan zweieinhalb Stunden (Farnesina 29.8.2016).
Ausgeführt durch ein chinesisches Unternehmen, wurde der Startschuss zur Weiterführung des Projektes „Dare-e-Sof and Yakawlang Road“ gegeben. In der ersten, bereits beendeten Phase, wurde Mazar-e Sharif mit dem Distrikt Yakawlang in der Provinz Bamyan durch eine Straße verbunden (XI 9.1.2017).
Transportwesen
Öffentliche Verkehrsmittel und Busse sind 24 Stunden am Tag verfügbar (IOM 12.4.2022). Das Transportwesen in Afghanistan gilt als „verhältnismäßig gut“. Es gibt einige regelmäßige Busverbindungen innerhalb Kabuls und in die wichtigsten Großstädte Afghanistans (IE o.D.). Es existierten einige nationale Busunternehmen, welche Mazar-e Sharif, Kabul, Herat, Jalalabad und Bamyan miteinander verbinden; Beispiele dafür sind Bazarak Panjshir, Herat Bus, Khawak Panjshir, Ahmad Shah Baba Abdali (vertrauliche Quelle 14.5.2018; vgl. IWPR 26.3.2018).
Aus Bequemlichkeit bevorzugen Reisende, die es sich leisten können, die Nutzung von Gemeinschaftstaxis nach Mazar-e Sharif, Kabul, Herat, Jalalabad und Bamyan (vertrauliche Quelle 14.5.2018). Der folgenden Tabelle können die Preise für besagte Reiseziele entnommen werden (Stand 20.11.2021). Diese haben sich seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 nicht wesentlich geändert (RB KBL 8.11.2021):
RA KBL 20.11.2020, 1 USD entspricht ca 90 AFN
Strecke Preis
Kabul - Mazar AFN 5.000-6.000 (ein Passagier); AFN 1.200 (per Passagier in Sammeltaxi)
Mazar - Herat Keine direkte Taxiverbindung
Kabul - Jalalabad AFN 1.500-1.800 (ein Passagier); AFN 300 (per Passagier in Sammeltaxi)
Kabul - Bamyan AFN 2.000 (ein Passagier); AFN 700 (per Passagier in Sammeltaxi)
Die Preise für öffentliche Verkehrsmittel schwankten in den Jahren 2021-2022, wie aus dieser Grafik hervorgeht, die die Preise (in AFN) für öffentliche Verkehrsmittel für eine Strecke von 5-10 km mit einem Kleinbus in Kabul zwischen August 2021 und April 2022 (IOM 12.4.2022) zeigt.
IOM 12.4.2022
Ansonsten hatte die Machtübernahme durch die Taliban kaum oder keine Auswirkungen auf die Reisepreise, die Reisezeiten oder die Verfügbarkeit von Dienstleistungen (RA KBL 8.11.2021). Aufgrund der anhaltenden Wirtschaftskrise und der daraus resultierenden zunehmenden Armut ist die Nachfrage nach Transporten zwischen Städten und innerhalb von Städten drastisch zurückgegangen (IOM 12.4.2022).
Flugverbindungen
Der folgenden Karte können Informationen über Militär-, Regional- und internationale Flughäfen in den verschiedenen Städten Afghanistans entnommen werden (F 24 o.D.). Zu beachten ist allerdings, dass der Flughafen in Bamyan - in Abweichung zur dargestellten Karte - aktuell nicht von kommerziellen Anbietern angeflogen wurde (F 24 o.D.; vgl. RA KBL 31.5.2021). Die vier internationalen Flughäfen in Kabul, Mazar-e Sharif, Herat und Kandarhar sind für internationale Flüge geöffnet (RA KBL 8.11.2021; vgl. F 24 o.D., IOM 12.4.2022) auch wenn die Anzahl der Flüge seit der Machtübernahme der Taliban abgenommen hat. Die meisten internationalen Flüge werden über die Flughäfen Kabul und Mazar abgewickelt (RA KBL 8.11.2021).
[Anmerkung der Staatendokumentation: Zu beachten ist, dass es innerhalb von kurzer Zeit zu Änderungen der Flugverbindungen kommen kann]
STDOK 26.11.2020; vgl. WFP/UNHAS, Kam Air o.D., F24 o.D.
Zugverbindungen
In Afghanistan existieren insgesamt drei Zugverbindungen: Eine Linie verläuft entlang der nördlichen Grenze zu Usbekistan (von Hairatan nach Mazar-e Sharif, Anm.) und zwei kurze Strecken verbinden Serhetabat in Turkmenistan mit Torghundi (in der Provinz Herat, Anm.) und Aqina (in der Provinz Faryab, Anm.) in Afghanistan (RoA 25.2.2018; vgl. RoA o.D., RFE/RL 29.11.2016, vertrauliche Quelle 16.5.2018). Alle drei Zugverbindungen sind für den Transport von Fracht gedacht, wobei sie prinzipiell auch Passagiere transportieren könnten (vertrauliche Quelle 16.5.2018), es jedoch in Afghanistan nach wie vor keine Eisenbahn- oder Schienenverbindung für den Personentransport gibt. Es gibt Pläne, dies zu ändern, aber es wird nicht erwartet, dass dies in naher Zukunft geschieht (RA KBL 20.11.2020). Die afghanischen Machthaber lehnten lange Zeit den Bau von Eisenbahnen in Afghanistan ab, aus Angst, ausländische Mächte könnten ihre Unabhängigkeit gefährden (RoA o.D.).
Grenzübergänge
Nachdem die Taliban die Kontrolle über Afghanistan übernommen haben, sind Tausende von Menschen über die Grenze von Chaman ins benachbarte Pakistan (BBC 1.9.2021; vgl. NDTV 14.9.2021) oder über den Grenzübergang Islam Qala in den Iran geflohen (DZ 1.9.2021). Der Grenzübergang Torkham - neben Chaman der wichtigste Grenzübergang zwischen Afghanistan und Pakistan - war zeitweilig geschlossen, wurde Mitte September 2021 nach Angaben eines pakistanischen Behördenvertreters für Fußgänger jedoch wieder geöffnet (AnA 14.9.2021). Ein ehemaliger US-Militärvertreter erklärte Anfang September 2021, Überlandverbindungen seien riskant, aber zurzeit die einzige Möglichkeit zur Flucht. Laut US-Militärkreisen haben die Taliban weitere Kontrollpunkte auf den Hauptstraßen nach Usbekistan und Tadschikistan errichtet. Die Islamisten verbieten zudem Frauen, ohne männliche Begleitung zu reisen (DZ 1.9.2021).
Anfang November 2021 wurde der Chaman-Spin Boldak Grenzübergang zwischen Pakistan und Afghanistan für Zivilisten und den Handel wieder geöffnet (ANI 2.11.2021; vgl. Dawn 1.11.2021). Mit Anfang Dezember sind die Landgrenzen Afghanistans zu Pakistan und Iran fast ausschließlich für Personen mit den erforderlichen Pässen und Visa geöffnet, wobei eine kleine Anzahl von medizinischen Fällen ausnahmsweise ohne Dokumente nach Pakistan einreisen darf. Die Landgrenzen zu Tadschikistan und Usbekistan sind für Afghanen vollständig geschlossen (UNHCR 1.12.2021; vgl. RFE/RL 1.12.2021). Während die offiziellen Grenzen für die große Mehrheit der Afghanen geschlossen bleiben, berichtet UNHCR, dass viele Afghanen über inoffizielle Kanäle in die Nachbarländer einreisen. Viele, die in den Iran einreisen, berichten, dass sie die Hilfe von Schmugglern in Anspruch genommen haben, um Afghanistan zu verlassen. Dabei waren sie Schutzrisiken wie Erpressung, Schläge und andere Gewalt, insbesondere gegen Frauen und Mädchen ausgesetzt (UNHCR 1.12.2021).
Quellen:
AAN - Afghanistan Analysts Network (15.8.2016): Taleban in the North: Gaining ground along the Ring Road in Baghlan, https://www.afghanistan-analysts.org/taleban-in-the-north-gaining-ground-along-the-ring-road-in-baghlan/ , Zugriff 14.9.2021
ABC News (1.10.2020): Afghan official: 16 killed in separate traffic accidents, https://abcnews.go.com/International/wireStory/afghan-official-16-killed-separate-traffic-accidents-73360488 , Zugriff 14.9.2021
AD - Analisi Difesa (15.8.2017): Il ritorno della Russia in Afghansitan, http://www.analisidifesa.it/2017/08/il-ritorno-della-russia-in-afghanistan/ , Zugriff 14.9.2021
AnA - Anadolu Agency (14.9.2021): Pakistan reopens border with Afghanistan for pedestrians, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/pakistan-reopens-border-with-afghanistan-for-pedestrians/2364348 , Zugriff 15.9.2021
ANI - Asian News International (2.11.2021): Chaman-Spin Boldak border crossing to reopen after talks between Pak, Taliban, https://www.aninews.in/news/world/asia/chaman-spin-boldak-border-crossing-to-reopen-after-talks-between-pak-taliban20211102042648/ , Zugriff 7.12.2021
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Zentrale Akteure
Letzte Änderung: 17.01.2022
Die Geschichte Afghanistans ist seit Langem von der Interaktion lokaler Kräfte mit dem [Zentral-] Staat geprägt - von der Kooptation von Stammeskräften durch dynastische Herrscher über die Entstehung von Partisanen- und Mudschaheddin-Kräften nach der sowjetischen Invasion bis hin zu den anarchischen Milizkämpfern, die in den 1990er-Jahren an die Stelle der Politik traten. Das Erbe der letzten Jahrzehnte der Mobilisierung und Militarisierung, der wechselnden Loyalitäten und der Umbenennung (sog. "re-hatting": wenn eine bewaffnete Gruppe einen neuen Schirmherrn oder ein neues Etikett erhält, aber ihre Identität und Kohärenz beibehält) ist auch heute noch einer der stärksten Faktoren, die die afghanischen Kräfte und die damit verbundene politische Dynamik prägen. Die unmittelbar nach 2001 durchgeführten Reformen des Sicherheitssektors und die Demobilisierungswellen haben diese nie wirklich aufgelöst. Stattdessen wurden sie zu neuen Wegen, um die Parteinetzwerke und Klientelpolitik zu rehabilitieren oder zu legitimieren, oder in einigen Fällen neue sicherheitspolitische Akteure und Machthaber zu schaffen (AAN 1.7.2020). Angesichts des Truppenabzugs der US-Streitkräfte haben verschiedene Machthaber Afghanistans, wie zum Beispiel Mohammad Ismail Khan (von der Partei Jamiat-e Islami), Abdul Rashid Dostum (Jombesh-e Melli Islami), Mohammad Atta Noor (Vorsitzender einer Jamiat-Fraktion), Mohammad Mohaqeq (Hezb-e Wahdat-e Mardom) und Gulbuddin Hekmatyar (Hezb-e Islami), im Sommer 2021 zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder öffentlich über die Mobilisierung bewaffneter Männer außerhalb der afghanischen Armee- und Regierungsstrukturen gesprochen. Während die Präsenz von Milizen für viele Afghanen seit Jahren eine lokale Tatsache ist, wurde [in der Ära der afghanischen Regierungen 2001-15.8.2021] doch noch nie so deutlich öffentlich die Notwendigkeit einer Mobilisierung gesprochen oder der Wunsch, autonome Einflusssphären zu schaffen, geäußert (AAN 4.6.2021; vgl. AP 25.6.2021).
Mitte August 2021 formierte sich die National Resistance Front (NRF), die von Amrullah Saleh, dem ehemaligen Vizepräsidenten Afghanistans und Chef des National Directorate of Security [Anm.: NDS, afghan. Geheimdienst], und Ahmad Massoud, dem Sohn des verstorbenen Anführers der Nordallianz gegen die Taliban in den 1990ern, angeführt wird (LWJ 6.9.2021; vgl. ANI 6.9.2021).
In Afghanistan sind unterschiedliche Gruppierungen aktiv, welche der [bis August 2021 im Amt befindlichen] Regierung feindlich gegenüber standen - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan war eine Zufluchtsstätte für Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP), Al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan (USDOD 12.2020), sowie Islamic Movement of Uzbekistan und Eastern Turkistan Movement (CRS 17.8.2021).
Im ersten Halbjahr 2021 waren - damals noch als "regierungsfeindliche Elemente" bezeichnete - Gruppierungen wie die Taliban, ISKP und nicht näher definierte Elemente insgesamt für 64 % der zivilen Opfer verantwortlich. 39 % aller zivilen Opfer entfielen davon auf die Taliban, 9 % auf den ISKP und 16 % auf nicht näher definierte regierungsfeindliche Elemente. Vor der Machtübernahme der Taliban als "regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen" bezeichnete Akteure waren im selben Zeitraum für 2 % der von UNAMA erfassten zivilen Opfer verantwortlich. Auf Handlungen der [damals] regulären Streitkräfte der Afghan National Security and Defense Forces (ANDSF) wurden dagegen 23 % der zivilen Opfer zurückgeführt (UNAMA 26.7.2021).
Abb.: Zentrale Akteure in Afghanistan (Darstellung der Staatendokumentation vom 16.9.2021)
Darstellung der Staatendokumentation basierend auf den dargelegten Quellen im Abschnitt "Zentrale Akteure" sowie Amtswissen
[Anmerkung: Die Auswirkungen der Machtübernahme der Taliban auf die Konfliktdynamik und politische Landschaft Afghanistans sind mit November 2021 noch nicht abschließend ersichtlich.]
Quellen:
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Taliban
Letzte Änderung: 17.01.2022
Die Taliban sind seit Jahrzehnten in Afghanistan aktiv. Die Taliban-Führung regierte Afghanistan zwischen 1996 und 2001, als sie von US-amerikanischen/internationalen Streitkräften entmachtet wurde. Nach ihrer Entmachtung hat sie weiterhin einen Aufstand geführt (EASO 8.2020c; vgl. NYT 26.5.2020). 2018 begannen die USA Verhandlungen mit einer Taliban-Delegation in Doha (NYT 26.5.2020), im Februar 2020 wurde der Vertrag, in welchem sich die US-amerikanische Regierung zum Truppenabzug verpflichtete, unterschrieben (NYT 29.2.2020), wobei die US-Truppen bis Ende August 2021 aus Afghanistan abzogen (DP 31.8.2021). Nachdem der bisherige Präsident Ashraf Ghani am 15.8.2021 aus Afghanistan geflohen war, nahmen die Taliban die Hauptstadt Kabul als die letzte aller großen afghanischen Städte ein (TAG 15.8.2021). Die Taliban-Führung kehrte daraufhin aus Doha zurück, wo sie erstmals 2013 ein politisches Büro eröffnet hatte (DW 31.8.2021). Im September 2021 kündigten sie die Bildung einer "Übergangsregierung" an. Entgegen früherer Aussagen handelt es sich dabei nicht um eine "inklusive" Regierung unter Beteiligung unterschiedlicher Akteure, sondern um eine reine Talibanregierung (NZZ 7.9.2021).
Seit 2001 hat die Gruppe einige Schlüsselprinzipien beibehalten, darunter eine strenge Auslegung der Scharia in den von ihr kontrollierten Gebieten (EASO 8.2020c; vgl. RFE/RL 27.4.2020). Die Taliban sind eine religiös motivierte, religiös konservative Bewegung, die das, was sie als ihre zentralen "Werte" betrachten, nicht aufgeben wird. Wie sich diese Werte in einer künftigen Verfassung widerspiegeln und in der konkreten Politik zum Tragen kommen, hängt von den täglichen politischen Verhandlungen zwischen den verschiedenen politischen Kräften und dem Kräfteverhältnis zwischen ihnen ab (Ruttig 3.2021). Aufgrund der schnellen und umfangreichen militärischen Siege der Taliban im Sommer 2021 hat die Gruppierung nun jedoch wenig Grund, die Macht mit anderen Akteuren zu teilen (FA 23.8.2021).
Quellen:
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Struktur und Führung
Letzte Änderung: 17.01.2022
Die Taliban bezeichneten sich [vor ihrer Machtübernahme] selbst als das Islamische Emirat Afghanistan (VOJ o.D.; vgl. BBC 15.4.2021). Sie positionierten sich als Schattenregierung Afghanistans. Ihre Kommissionen und Führungsgremien entsprachen den Verwaltungsämtern und -pflichten einer typischen Regierung (EASO 8.2020c; vgl. NYT 26.5.2020), die in weiten Teilen Afghanistans eine Parallelverwaltung betrieb (EASO 8.2020c; vgl. USIP 11.2019; BBC 15.4.2021). Die Regierungsstruktur und das militärische Kommando der Taliban sind in der Layha, einem Verhaltenskodex der Taliban, definiert (AAN 4.7.2011), welche zuletzt 2010 veröffentlicht wurde (AAN 6.12.2018).
Die wichtigsten Entscheidungen werden von einem Führungsrat getroffen, der nach seinem langjährigen Versteck auch als Quetta-Schura bezeichnet wird. Dem Rat gehören neben dem Taliban-Chef und dessen Stellvertretern rund zwei Dutzend weitere Personen an (NZZ 17.8.2021). Die Mitglieder der Quetta-Schura sind vor allem Vertreter des Talibanregimes von 1996-2001 (IT 16.8.2021). Neben der Quetta-Schura, welche [vor der Machtübernahme der Taliban in Kabul] die Talibanangelegenheiten in elf Provinzen im Süden, Südwesten und Westen Afghanistans regelte, gibt es beispielsweise auch die Peshawar-Schura, welche diese Aufgabe in 19 weiteren Provinzen übernommen hatte (UNSC 1.6.2021), sowie auch die Miran Shah-Schura. Das Haqqani-Netzwerk mit seinen Kommandanten in Ostafghanistan und Pakistan hat enge Verbindungen zu den beiden letztgenannten Schuras (RFE/RL 6.8.2021).
Die Quetta-Schura übt eine gewisse Kontrolle über die rund ein Dutzend verschiedenen Kommissionen aus, welche als "Ministerien" fungierten (IT 16.8.2021). Die Taliban unterhielten [vor ihrer Machtübernahme in Kabul] beispielsweise eine Kommission für politische Angelegenheiten mit Sitz in Doha, welche im Februar 2020 die Friedensverhandlungen mit den USA abschloss. Nach Angaben des Talibansprechers Zabihullah Mujahid hat diese Kommission keine direkte Kontrolle über die Talibankämpfer in Afghanistan. Die militärischen Kommandostrukturen bis hinunter zur Provinz- und Distriktebene unterstehen nämlich der Kommission für militärische Angelegenheiten (RFE/RL 6.8.2021).
Die höchste Instanz in religiösen, politischen und militärischen Angelegenheiten ist Mullah Haibatullah Akhundzada (RFE/RL 6.8.2021). Er ist seit 2016 der "Amir al Muminin" oder "Emir der Gläubigen", ein Titel, der ihm von Aiman Al-Zawahiri, dem Anführer von Al-Qaida, verliehen wurde (FR 18.8.2021). Die neue Regierung wird von Mohammad Hassan Akhund geführt. Er ist Vorsitzender der Minister, eine Art Premierminister. Akhund ist ein wenig bekanntes Mitglied der Rahbari-Schura (Quetta-Schura) (NZZ 7.9.2021; vgl. BBC 8.9.2021a, AA 21.10.2021). Mullah Abdul Ghani Baradar, der vormalige Leiter der Kommission für politische Angelegenheiten und Vorsitzender des Verhandlungsteams der Taliban in Doha (RFE/RL 6.8.2021), wurde gemeinsam mit Mawlawi Abdul Salam Hanafi zu stellvertretenden Ministerpräsidenten ernannt. Als Innenminister wurde Mawlawi Sirajuddin Haqqani ernannt, der Führer des Haqqani-Netzwerkes, der in den USA immer noch auf der "Gesucht" Liste des FBI aufscheint. Als Verteidigungsminister wurde Mawlawi Mohammad Yaqoob Mujahid ernannt und als Außenminister Mawlawi Amir Khan Muttaqi (BBC 7.9.2021). Haibatullah Akhunzada wird sich als "Oberster Führer" auf religiöse Angelegenheiten und die Regierungsführung im Rahmen des Islam konzentrieren (NZZ 8.9.2021; vgl. TN 3.9.2021). In Kandarhar hatte er im Oktober 2021 seinen ersten öffentlichen Auftritt (France 24 31.10.2021; vgl. VOA 31.10.2021).
Die Taliban treten nach außen hin geeint auf, trotz Berichten über interne Spannungen oder Spaltungen. Im Juni 2021 berichtete der UN-Sicherheitsrat, dass die unabhängigen Operationen und die Macht von Taliban-Kommandanten vor Ort für den Führungsrat der Taliban (die Quetta-Schura) zunehmend Anlass zur Sorge sind. Spannungen zwischen der politischen Führung und einigen militärischen Befehlshabern sind Ausdruck anhaltender interner Rivalitäten, Stammesfehden und Meinungsverschiedenheiten über die Verteilung der Einnahmen der Taliban (UNSC 1.6.2021). Zuletzt wurde auch über interne Meinungsverschiedenheiten bei der Regierungsbildung berichtet (HT 5.9.2021; BAMF 6.9.2021), was vom offiziellen Sprecher der Taliban jedoch dementiert wurde (DS 6.9.2021). Haibatullah Akhunzada warnte im November die Taliban, dass es in ihren Reihen Einheiten geben könnte, die "gegen den Willen der Regierung arbeiten" (AJ 4.11.2021; vgl. TG 4.11.2021).
Die Taliban sind somit keine monolithische Organisation (TWN 20.4.2020). Gemäß einem Experten für die Organisationsstruktur der Taliban unterstehen nur rund 40-45 Prozent der Truppen der Talibanführung. Rund 35 Prozent werden von Sirajuddin Haqqani angeführt, weitere ca. 25 Prozent von Taliban aus dem Norden des Landes (Tadschiken und Usbeken) (GN 31.8.2021). Was militärische Operationen betrifft, so handelt es sich um einen vernetzten Aufstand mit einer starken Führung an der Spitze und dezentralisierten lokalen Befehlshabern, die Ressourcen auf Distriktebene mobilisieren können (EASO 8.2020c; vgl. NYT 26.5.2020).
Quellen:
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Widerstand gegen die Taliban
Letzte Änderung: 09.08.2022
Im Panjshir-Tal, rund 55 km von Kabul entfernt (TD 20.8.2021), formierte sich nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul Mitte August 2021 die National Resistance Front (NRF), die von Amrullah Saleh, dem ehemaligen Vizepräsidenten Afghanistans und Chef des National Directorate of Security [Anm.: NDS, afghan. Geheimdienst], und Ahmad Massoud, dem Sohn des verstorbenen Anführers der Nordallianz gegen die Taliban in den 1990ern, angeführt wird. Ihr schlossen sich Mitglieder der inzwischen aufgelösten afghanischen Streitkräfte der Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF) an, um im Panjshir-Tal und umliegenden Distrikten in Parwan und Baghlan Widerstand gegen die Taliban zu leisten (LWJ 6.9.2021; vgl. ANI 6.9.2021). Sowohl die Taliban als auch die NRF betonten zu Beginn, ihre Differenzen mittels Dialog überwinden zu wollen (TN 30.8.2021; vgl. WZ 22.8.2021). Nachdem die US-Streitkräfte ihren Truppenabzug aus Afghanistan am 30.8.2021 abgeschlossen hatten, griffen die Taliban das Pansjshir-Tal jedoch an. Es kam zu schweren Kämpfen und nach sieben Tagen nahmen die Taliban das Tal nach eigenen Angaben ein (LWJ 6.9.2021; vgl. ANI 6.9.2021), während die NRF am 6.9.2021 bestritt, dass dies geschehen sei (ANI 6.9.2021). Massoud kündigte an, nach Absprachen mit anderen Politikern eine Parallelregierung zu der von ihm als illegitim bezeichneten Talibanregierung bilden zu wollen (IT 8.9.2021; vgl. ANI 9.9.2021). Nach Angaben eines hochrangigen Mitglieds der NRF Angang Oktober 2021, kontrolliert die NRF entgegen Angaben der Taliban mehr als die Hälfte von Panjshir (France 24 5.10.2021).
Mit Oktober 2021 wird weiterhin von Aktivitäten der NRF unter anderem in den Provinzen Parwan, Baghlan (IP 13.11.2021; vgl. NR 15.10.2021) und Samangan berichtet (IP 1.12.2021). Es wird weiters von einer strengen Medienzensur seitens der Taliban berichtet, die die Veröffentlichung von Nachrichten über die Aktivitäten der NRF und anderen militanten Bewegungen in Afghanistan verhindern soll (IP 13.11.2021).
Am 1.11.2021 wurde berichtet, dass die NRF ein Verbindungsbüro in Washington DC eröffnet hat, nachdem sie beim US-Justizministerium registriert wurde, um Lobbyarbeit bei verschiedenen in der Stadt tätigen Politikern zu betreiben (VOA 1.11.2021; vgl. BBC 29.10.2021). Am 4.12.2021 veröffentlichte die NRF auf ihrem offiziellen Twitteraccount eine Stellungnahme, laut derer sie bereit ist, mit der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten, um das Leid der Menschen in Afghanistan zu lindern (NRF 4.12.2021).
Am 24.1. und 25.1.2022 gab es in der Provinz Baghlan Zusammenstöße zwischen den Taliban und der NRF. Nach unbestätigten Aussagen eines Vertreters der NRF sind dabei 20 Kämpfer der Taliban und sechs Kämpfer der Widerstandsfront getötet worden (BAMF 31.1.2022; vgl. 8am 25.1.2022). Die Kämpfe sollen drei Tage angedauert haben und die Taliban hätten als Vergeltung für ihre Toten Familienmitglieder der Widerstandskämpfer als Geiseln genommen. Der außenpolitische Sprecher der NRF kündigt eine Offensive gegen die Taliban an, sobald der Winter zu Ende sei. Die NRF kämpfe in den Provinzen Baghlan, Balkh, Faryab und Badakhshan gegen die Taliban (BAMF 31.1.2022; vgl. RFE/RL 29.1.2022).
Zwischen dem 27.2. und dem 3.4.2022 kam es zu mehreren Zusammenstößen zwischen der NRF und den Taliban in Baghlan, Panjshir und Badakhshan (BAMF 4.4.2022). In Baghlan wurden elf bis 13 Taliban getötet und 18 weitere verletzt; zwei Widerstandskämpfer wurden ebenfalls getötet (BAMF 4.4.2022; vgl. 8am 29.3.2022). In Panjshir wurden nach dem dritten Tag der Kämpfe drei Taliban getötet und fünf weitere Kämpfer verletzt. Es liegen keine Informationen über NRF-Opfer vor (BAMF 4.4.2022). Einer anderen Quelle zufolge wurden in Panjshir acht Taliban-Mitglieder und acht NRF-Kämpfer bei Zusammenstößen getötet (ACLED 3.3.2022). In Badakhshan traf eine Landmine das Auto eines Taliban-Kommandeurs, verletzte ihn und tötete zwei seiner Leibwächter (BAMF 4.4.2022; vgl. 8am 3.4.2022).
Am 5.5.2022 schlug der Anführer der NRF, Ahmad Massoud, die Bildung eines Hohen Rates der NRF vor, der offenbar alle zersplitterten Widerstandsgruppen vereinen soll (8am 5.5.2022a; vgl. BAMF 9.5.2022) Bei einem Treffen verschiedener ehemaliger afghanischer Politiker (darunter Abdul Raschid Dostum, Mohammed Mohaqiq, Abdul Rasul Sayyaf, Atta Mohammed Noor), am 17.5.2022 in Ankara (Türkei) (BAMF 1.7.2022; vgl. KP 18.5.2022), haben diese in einem Statement einen „Obersten Rat des nationalen Widerstands zur Rettung Afghanistans“ ausgerufen. Die Deklaration ruft zum Widerstand gegen die Taliban in den nördlichen Provinzen auf (BAMF 1.7.2022; vgl. FP 14.6.2022).
Am 8.5.2022 kämpften die NRF und die Nationale Befreiungsfront (NLF) in der Provinz Baghlan zum ersten Mal gemeinsam gegen die Taliban (8am 8.5.2022; vgl. BAMF 9.5. 2022), während die Kämpfe zwischen NRF und Taliban beispielsweise in den Provinzen Takhar (8am 5.5.2022b; vgl. BAMF 9.5.2022, RY 10.5.2022), Badakhshan und Panjshir (RY 10.5.2022; vgl. BAMF 9.5.2022) andauern.
Tahreek-e-Azadi Afghanistan (die Afghanische Freiheitsbewegung) hat sich am 19.5.2022 zu einem Anschlag auf einen Konvoi des 209. Al-Fath-Taliban-Korps in Mazar-e-Sharif in der Provinz Balkh bekannt (BAMF 1.7.2022; vgl. KP 20.5.2022).
Mit Juni 2022 nehmen die Kämpfe in den Provinzen Baghlan und Panjshir zwischen den Taliban und der NRF zu. Auf beiden Seiten gibt es Tote und Verletzte. Viele Einwohner wurden in den umkämpften Gebieten von den Taliban aus ihren Häusern vertrieben, um diese als Basen zu benutzen. Einige von ihnen wurden aufgrund möglicher Verbindungen zur NRF von den Taliban verhaftet, gefoltert oder auch getötet (BAMF 1.7.2022; vgl. RFE/RL 7.6.2022). Die Taliban sollen zudem mit biometrischen Geräten an Checkpoints in Panjshir unter den Passierenden nach ehemaligen Soldaten suchen (BAMF 1.7.2022; vgl. 8am 5.6.2022).
Im Juni 2022 hat sich außerdem der bisher einzige Taliban-Kommandeur aus der Ethnie der Hazara, Maulawi Mehdi, laut Meldungen von den Taliban losgesagt und ist in seinen Heimatdistrikt Balkhab in der Provinz Sar-e Pul zurückgekehrt (dort war er vor der Machtübernahme seit 2018 Schattengouverneur der Taliban gewesen). Er hat sich laut lokalen Beobachtern mit ca. 500-1.000 Soldaten in Balkhab verschanzt und wird von ca. 3.000 Taliban belagert. Am 23.6.2022 haben die Kämpfe zugenommen, bisher gibt es kaum Meldungen über Opfer. Mehdi war nach der Machtübernahme zunächst Chef des Taliban-Geheimdienstes für die mehrheitlich von Hazaras bewohnte Provinz Bamyan gewesen, hatte sich dort aber geweigert, Maßnahmen der Taliban gegen die Hazara durchzusetzen und wurde deswegen erst nach Kabul beordert, um dann auszuscheiden. Da die Taliban nicht noch mehr paschtunische Kämpfer bei der Bekämpfung von Aufständen verlieren wollen, versuchen sie derzeit erstmalig, Kämpfer des Islamischen Staats der Provinz Khorasan (ISKP) gegen Mehdi und seine Kämpfer zu mobilisieren (BAMF 1.7.2022;).
Anm.: Informationen zum Islamischen Staat (IS/ISIS/ISIL/Daesh), Islamischen Staat Khorasan Provinz (ISKP) finden sich im entsprechenden Kapitel.
Quellen:
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Haqqani-Netzwerk
Letzte Änderung: 17.01.2022
Das Haqqani-Netzwerk wurde Ende der 1980er Jahre, etwa zur Zeit des Einmarsches der damaligen Sowjetunion in Afghanistan, gegründet und verbündete sich später mit den Taliban (USDOS 16.12.2021). Die Organisation wurde im Jahr 1996 Teil der Taliban (ASP 1.9.2020) und gilt als Verbündeter von al-Qaida. Das Netzwerk wurde von Jalaluddin Haqqani gegründet, einem führenden Mitglied des antisowjetischen Jihad [1979-1989] und einer wichtigen Taliban-Figur; sein Tod wurde von den Taliban im September 2018 verlautbart. Sein Sohn Serajuddin [auch Sirajuddin] Haqqani führt das Netzwerk nun an (CRS 17.8.2021; vgl. France 24 21.8.2021). Er ist seit 2015 auch einer der Stellvertreter des Taliban-Anführers Haibatullah Akhundzada (FR24 21.8.2021; vgl. RFE/RL 6.8.2021). Das Haqqani-Netzwerk gilt dank seiner finanziellen und militärischen Stärke - und seines Rufs als skrupelloses Netzwerk - als halbautonom, auch wenn es den Taliban angehört (France 24 21.8.2021). Mit September 2020 zählten die Haqqani-Kämpfer rund 10.000 Mann in Afghanistan, was etwa 20 % der Kampfkräfte der Taliban ausmachte (ASP 1.9.2020), während eine andere Quelle Ende August 2021 von einem Anteil von rund 35 % sprach (GN 31.8.2021). Das Außenministerium der Vereinigten Staaten (USDOS) wiederum schätzt im Dezember 2021, dass die Gruppe über 3.000 bis 5.000 Kämpfer verfügt (USDOS 16.12.2021). Laut einem Bericht des UN-Sicherheitsrats vom Juni 2021 ist das Haqqani-Netzwerk die schlagkräftigste Truppe der Taliban (UNSC 1.6.2021).
Das Haqqani-Netzwerk ist nach wie vor eine Drehscheibe für Kontakte und Zusammenarbeit mit regionalen ausländischen Terrorgruppen und die wichtigste Verbindungsstelle zwischen den Taliban und Al-Qaida (UNSC 1.6.2021). Auch wurden dem Netzwerk in der Vergangenheit Verbindungen zum pakistanischen Geheimdienst nachgesagt (CRS 17.8.2021; TSP 23.8.2021, USDOS 16.12.2021). Bezüglich einer Zusammenarbeit zwischen dem Haqqani-Netzwerk und dem Islamischen Staat Khorasan Provinz (ISKP) bestehen unterschiedliche Auffassungen (UNSC 1.6.2021). Während der afghanische Geheimdienst im Mai 2020 von einer "gemeinsamen ISKP-Haqqani-Zelle" sprach (RFE/RL 6.5.2021), ein Afghanistan-Experte Belege vergangener Kollaborationen erwähnte (GN 31.8.2021) und einige Mitgliedstaaten des UN-Sicherheitsrats von einer taktischen Zusammenarbeit zwischen dem ISKP und dem Haqqani-Netzwerk auf der Ebene der Befehlshaber berichten, bestreiten andere die Behauptungen einer taktischen Zusammenarbeit entschieden (UNSC 1.6.2021). Ende August 2021 wurde ein Anschlag auf eine Menschenmenge am Flughafen von Kabul verübt, bei dem mindestens 170 Menschen starben und zu dem sich der ISKP bekannte (MEE 27.8.2021; vgl. GN 31.8.2021). Kämpfer aus Khost und Paktia, Kerngebieten des Haqqani-Netzwerks, waren einer Quelle zufolge für die Sicherheit in manchen Teilen der Provinzhauptstadt zuständig, das Flughafenareal wurde jedoch von anderen Einheiten gesichert (NLM 26.8.2021).
Von den US-Truppen und der [ehemaligen] afghanischen Armee als "tödlichste und ausgefeilteste Aufständischengruppe in Afghanistan" (ASP 1.9.2020) bzw. "gefährlichster" Arm der Taliban bezeichnet, hat das Haqqani-Netzwerk seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt (NYT 20.8.2019) und wird für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich gemacht (CRS 17.8.2021; vgl. France 24 21.8.2021). Das Netzwerk wurde von den USA als ausländische Terrorgruppierung eingestuft und befindet sich auf der Sanktionsliste der Vereinten Nationen (FR24 21.8.2021; vgl. NZZ 7.9.2021).
Trotz des Rufs des Haqqani-Netzwerks wird angenommen, dass es in einer künftigen Taliban-Regierung eine bedeutsame Rolle spielen wird (FR24 21.8.2021; vgl. TSP 23.8.2021). So wurde im August 2021 angekündigt, dass Sirajuddin Haqqani den Posten des Innenministers in der neu gebildeten "Übergangsregierung" der Taliban bekleiden wird (NZZ 7.9.2021).
Im November 2021 wurde ein hochrangiges Mitglied des Haqqani-Netzwerkes durch die Taliban-Regierung zum Gouverneur von Logar ernannt. Khan ist einer von mehreren wichtigen Anführern des Haqqani-Netzwerks, die in der neuen Taliban-Regierung in hochrangige Positionen berufen wurden. Neben Nabi Omari als Gouverneur von Khost, Sirajuddin Haqqani als Innenminister, Khalil al Rahman Haqqani als Flüchtlingsminister ist Mullah Taj Mir Jawad erster Stellvertreter des Geheimdienstes (LWJ 10.11.2021).
Quellen:
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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (17.8.2021): Die Taliban sind in Afghanistan erneut an der Macht: Wer sind sie? Wer führt sie an? Wie sind sie organisiert?, https://www.nzz.ch/international/afghanistan-wer-sind-die-taliban-wer-fuehrt-sie-an-ld.1640657 , Zugriff 6.9.2021
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Islamischer Staat (IS/ISIS/ISIL/Daesh), Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP)
Letzte Änderung: 09.08.2022
Erste Berichte über den Islamischen Staat (IS, auch ISIS, ISIL oder Daesh genannt) in Afghanistan gehen auf den Sommer 2014 zurück (AAN 17.11.2014; vgl. LWJ 5.3.2015). Der IS in Afghanistan bezeichnet sich selbst als Khorasan-Zweig des IS (ISKP), wobei "Khorasan" die historische Bezeichnung einer Region ist, welche Teile des heutigen Iran, Zentralasiens, Afghanistans und Pakistans umfasst. Zu seinen Kommandanten gehörten zunächst oft unzufriedene afghanische und pakistanische Taliban (MEE 27.8.2021; vgl. AAN 1.8.2017). Aber auch Mitglieder anderer extremistischer Gruppierungen in der Region wechselten zum ISKP (WP 26.8.2021b).
Im November 2019 ist die wichtigste Hochburg des Islamischen Staates in Ostafghanistan (NYT 2.12.2019) nach jahrelangen Militäroffensiven der US-Streitkräfte und intensivierten Talibanangriffen zusammengebrochen (SIGAR 30.1.2020), wobei über 1.400 Kämpfer und Anhänger des ISKP, darunter auch Frauen und Kinder, kapitulierten (EASO 8.2020c; vgl. UNSC 27.5.2020). Die Gebietsverluste des ISKP haben seine Fähigkeiten zur Mitgliederrekrutierung und Mittelbeschaffung beeinträchtigt. Schätzungen zufolge verfügt der ISKP noch über eine Kerngruppe von etwa 1.500 bis 2.200 Kämpfern in kleinen Gebieten der Provinzen Kunar und Nangarhar. Er war gezwungen, sich zu dezentralisieren, und besteht hauptsächlich aus Zellen und kleinen Gruppen im ganzen Land, die autonom agieren, aber dieselbe Ideologie teilen (UNSC 1.6.2021). Im Zuge der Machtübernahme der Taliban wurden jedoch gemäß einem Sprecher des Pentagons "Tausende" (MEE 27.8.2021) bzw. "Hunderte" ISKP-Kämpfer aus Gefängnissen befreit, womit die Truppenstärke wieder steigen könnte (GN 31.8.2021). Trotz territorialer, führungsmäßiger, personeller und finanzieller Verluste in den Provinzen Kunar und Nangarhar im Jahr 2020 ist der ISKP in andere Provinzen vorgedrungen, darunter Nuristan, Badghis, Sar-e Pul, Baghlan, Badakhshan, Kunduz und Kabul, wo Kämpfer Schläferzellen gebildet haben. Die Gruppe hat ihre Positionen in und um Kabul gestärkt, wo sie die meisten ihrer Anschläge verübt (UNSC 21.7.2021).
Der ISKP hat in Afghanistan bislang kein Gebiet [nachhaltig] erfolgreich eingenommen. Stattdessen fokussiert seine Strategie auf Anschläge gegen zivile Ziele, wie zum Beispiel Moscheen, Schulen und Hochzeiten (WP 26.8.2021a). Im ersten Halbjahr 2021 verzeichnete UNAMA eine Zunahme an zivilen Opfern von rund 45 % durch Anschläge des ISKP gegenüber demselben Untersuchungszeitraum im Vorjahr. Insgesamt schrieb UNAMA neun Prozent aller erfassten zivilen Opfer dem ISKP zu. UNAMA stellte auch ein Wiederaufleben vorsätzlicher konfessionell motivierter Anschläge gegen die religiöse Minderheit der Schiiten fest, von denen die meisten auch der ethnischen Minderheit der Hazara angehören und die fast alle vom ISKP beansprucht werden (UNAMA 26.7.2021). Nach Erkenntnissen der AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission) ist die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von ISKP-Angriffen im ersten Halbjahr 2021 im Vergleich zum selben Zeitraum im Vorjahr dagegen um 20 % gesunken. Insgesamt verzeichnete AIHRC im ersten Halbjahr 2021 343 zivile Opfer bei ISKP-Anschlägen oder -Angriffen, davon 104 Todesopfer und 284 Verletzte (AIHRC 1.8.2021). Im gesamten Jahr 2020 schrieb AIHRC dagegen 403 zivile Opfer dem ISKP zu (AIHRC 28.1.2021; vgl. ACCORD 6.5.2021), UNAMA zählte dagegen 673 zivile Opfer (213 Tote und 460 Verletzte). 80 % der zivilen Opfer, die dem ISKP zugeschrieben wurden, entstanden bei Angriffen, die bewusst auf Zivilisten abzielten (UNAMA 2.2021a). Ende August 2021 übernahm der ISKP die Verantwortung für einen Anschlag auf eine Menschenmenge am Flughafen von Kabul, die sich im Zuge der Massenevakuierungsflüge nach der Machtübernahme der Taliban dort gebildet hatte. Mindestens 170 Personen sind bei dem Anschlag ums Leben gekommen (MEE 27.8.2021; vgl. BBC 28.8.2021), neben den Zivilisten auch 28 Talibankämpfer und 13 US-Soldaten, die zur Sicherung des Flughafengeländes dort postiert waren (MEE 27.8.2021).
Die Taliban stehen dem IS und seinen Vorstellungen eines globalen Dschihads ablehnend gegenüber und haben ISKP in den vergangenen Jahren bekämpft (AA 21.10.2021). Der ISKP verurteilt die Taliban als 'Abtrünnige', die nur ethnische und/oder nationale Interessen verfolgen (CRS 12.2.2019). Die Taliban und der Islamische Staat sind verfeindet. In Afghanistan kämpfen die Taliban seit Jahren gegen den IS, dessen Ideologien und Taktiken weitaus extremer sind als jene der Taliban (WP 19.8.2019; vgl. WP 26.8.2021a). Die Rivalität des ISKP mit den Taliban wurde von einer Quelle auch als ein "Mikrokosmos des [internationalen] Wettbewerbs zwischen Al-Qaida und ihrem radikaleren Ableger, dem Islamischen Staat" beschrieben. Zwischen den Gruppen bestehen Generations- und ideologische Unterschiede (WP 26.8.2021b). Während die Taliban ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele sowie afghanische und internationale Sicherheitskräfte beschränkten (AP 19.8.2019), zielt der ISKP darauf ab, konfessionelle Gewalt in Afghanistan zu fördern, indem sie Angriffe gegen Schiiten sowie Hindus und Sikhs richten (SC 27.8.2021; vgl. WP 19.8.2019). Anschläge des ISKP richten sich immer wieder gegen die Zivilbevölkerung, insbesondere gegen Afghaninnen und Afghanen schiitischer Glaubensrichtung (AA 21.10.2021).
Experten zufolge werden die Taliban [nach ihrer Machtübernahme in Kabul] wahrscheinlich versuchen, die Gruppe zu eliminieren. Einige warnten jedoch im August 2021, dass der ISKP von einem Sicherheitsvakuum profitieren könnte, während die Taliban versuchen, ihre Macht zu konsolidieren (WP 26.8.2021a; vgl. AM 27.8.2021). Ein weiterer Experte wies auch darauf hin, dass der ISKP versuchen könnte, Spannungen zwischen den verschiedenen Talibanfraktionen auszunutzen, welche beispielsweise im Rahmen der Regierungsbildung deutlich wurden (GN 31.8.2021; vgl. SC 27.8.2021).
Der ISKP hat in den Monaten seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 seine Angriffe gegen die Taliban verstärkt (LWJ 23.11.2021; vgl. HRW 25.10.2021, UNGASC 28.1.2022) und eine Handvoll öffentlichkeitswirksamer Selbstmordattentate auf Ziele wie Moscheen und Krankenhäuser verübt und kleinere, aber zahlreichere Anschläge mit Sprengsätzen und Handfeuerwaffen gegen die militärischen Kräfte der Taliban durchgeführt. Als Reaktion darauf haben die Taliban mehr als 1.000 Kämpfer in die Provinz Nangarhar, dem Zentrum der ISKP-Operationen, geschickt, um die Gruppe zu bekämpfen (LWJ 23.11.2021; vgl. WP 22.11.2021). Neben den Taliban-Behörden nahm die Gruppe auch Zivilisten, vor allem schiitische Minderheiten, in städtischen Gebieten ins Visier (UNGASC 28.1.2022). Aktuell liegt nach Ansicht des Long War Journal der Vorteil klar bei den Taliban, da der ISKP über keine Verbündete im In- oder Ausland verfügt und die Taliban im Zuge der Machtübernahme ein großes Waffenarsenal requirieren konnten sowie über territoriale Kontrolle in allen Provinzen verfügen. Der ISKP verfügt nur über Kleinwaffen, und sein Hauptwerkzeug für Angriffe auf die Taliban sind Sprengfallen und Selbstmordattentate (LWJ 23.11.2021). Zwischen 19.8.2021 und 31.12.2021 verzeichneten die Vereinten Nationen 152 Angriffe der Gruppe in 16 Provinzen, verglichen mit 20 Angriffen in 5 Provinzen im gleichen Zeitraum des Vorjahres (UNGASC 28.1.2022).
Im Oktober gab es Berichte, wonach in Jalalabad Leichen entdeckt wurden, einige mit handgeschriebenen Notizen in ihren Taschen, auf denen sie beschuldigt wurden, Mitglieder des ISKP zu sein. Die Taliban werden beschuldigt, für diese Tötungen verantwortlich zu sein (BBC 29.10.2021). Mitte Dezember kam es zu zwei Bombenanschlägen in hauptsächlich schiitischen Gegenden Kabuls, bei denen mindestens eine Person getötet wurde. Der ISKP bekannte sich zu dem Anschlag (RFE/RL 18.11.2021; vgl. REU 17.11.2021).
Die UNAMA-Vorsitzende Deborah Lyons sagte am 16.11.2021, ISKP sei mittlerweile nicht mehr nur im Osten, sondern im ganzen Land zunehmend aktiver (UNAMA 16.11.2021).
Seit der Regierungsübernahme der Taliban versucht der ISKP seine Anziehungskraft in Zentralasien auszuweiten. Der afghanische Zweig der Gruppe hat in letzter Zeit die Produktion, Übersetzung und Verbreitung von Propaganda, die sich an usbekisch-, tadschikisch- und kirgisischsprachige Personen in der Region richtet, intensiviert. Dieser Vorstoß ist Teil einer Informationskampagne, mit der die neue Taliban-Regierung in Kabul als ethno-nationalistische Organisation der Paschtunen und nicht als glaubwürdige islamische Bewegung delegitimiert werden soll. Dementsprechend sieht der ISKP eine Gelegenheit, Spannungsfelder zwischen den Taliban und verschiedenen ethnischen Gruppen, die sich möglicherweise ausgegrenzt fühlen, auszunutzen und gleichzeitig Anschläge in Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisistan zu verüben (EN 17.3.2022).
Angriffe des ISKP auf Schiiten setzen sich 2022 fort. So gab es beispielsweise Angriffe in Mazar-e Sharif und Kunduz am 21.4.2022 (DW 21.4.2022; vgl. BBC 21.4.2022), in Mazar-e Sharif und in Kabul am 25.5.2022 (France 24 25.5.2022; vgl. AJ 25.5.2022) und in Mazar-e Sharif am 28.4.2022 (VOA 28.4.2022; vgl. AJ 28.4.2022).
Quellen:
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Al-Qaida und mit ihr verbundene Gruppierungen
Letzte Änderung: 09.08.2022
Al-Qaida und ihr regionaler Zweig, Al-Qaida auf dem indischen Subkontinent [Anm.: manchmal mit AQIS abgekürzt], operieren trotz wiederholter Behauptungen der Taliban, dass die Gruppe keine Präsenz im Land habe, weiterhin in ganz Afghanistan (LWJ 8.4.2021; vgl. BAMF 12.4.2021). Gemäß einem Bericht des UN-Sicherheitsrates vom Juli 2021 ist Al-Qaida in mindestens 15 Provinzen Afghanistans aktiv, vor allem im Osten, Süden und Südosten des Landes (UNSC 21.7.2021). Ein bedeutender Teil der Führungsriege von Al-Qaida - einschließlich ihrem ehemaligen Anführer Aiman al-Zawahiri - hat ihre Basis in der Grenzregion von Afghanistan und Pakistan, von wo aus sie eng mit AQIS zusammenarbeitet (UNSC 1.6.2021). AQIS operiert unter dem Schutz der Taliban von Kandahar, Helmand und Nimruz aus (UNSC 21.7.2021). Die Zahl der Mitglieder von Al-Qaida, einschließlich AQIS, wird auf mehrere Dutzend bis 500 Personen geschätzt (UNSC 1.6.2021).
Al-Qaida operierte überwiegend unter der Schirmherrschaft der Taliban und in Verbindung mit anderen regierungsfeindlichen Gruppen gegen die [bis 15.8.2021 im Amt befindliche] afghanische Regierung. Die Aktivitäten konzentrierten sich auf die Ausbildung, einschließlich mit Waffen und Sprengstoff, sowie auf Beratung, und es wird behauptet, dass sie an Taliban-internen Diskussionen über die Beziehungen der Bewegung zu anderen dschihadistischen Gruppierungen teilnahmen (UNAMA 2.2021a). Kämpfer von AQIS waren in die Strukturen der Taliban eingebettet (CRS 17.8.2021). Die Nähe zwischen den beiden Gruppen wird auch durch die Tötung mehrerer Al-Qaida-Kommandeure bei Operationen der afghanischen Sicherheitskräfte in von den Taliban kontrollierten Gebieten unterstrichen (UNSC 1.6.2021; vgl. VOA 10.11.2020).
Die Taliban und Al-Qaida sind nach wie vor eng miteinander verbunden und zeigen keine Anzeichen für einen Abbruch der Beziehungen, wobei das Haqqani-Netzwerk hier eine wichtige Komponente ist. Die Verbindungen zwischen den beiden Gruppen beruhen auf ideologischer Übereinstimmung, auf Beziehungen, die durch gemeinsame Kämpfe entstanden sind, und auf der persönlichen Ebene z.B. durch Eheschließungen (UNSC 1.6.2021). Im Zuge des US-Taliban-Abkommens haben die Taliban zugesichert, zu verhindern, dass Al-Qaida den Boden Afghanistans nutzt, "um die Sicherheit der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten zu bedrohen" (USDOS 29.2.2020). Während in der Vergangenheit beide Gruppierungen immer wieder öffentlich die Bedeutung ihres Bündnisses betont hatten (UNSC 15.1.2019), bestritten die Taliban dann, Verbindungen zu Al-Qaida zu haben, und gingen nach dem US-Abkommen im Juni 2020 so weit, zu leugnen, dass Al-Qaida in Afghanistan überhaupt existiert (LWJ 15.6.2020; vgl. UNSC 1.6.2021). Nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul im August 2021 gratulierte die Al-Qaida-Führung den Taliban zu ihrem "historischen Sieg" (LWJ 31.8.2021). Mit Stand 15.8.2021 ist noch unklar, welche Haltung die Taliban gegenüber Al-Qaida oder anderen islamistischen Extremisten einnehmen werden, sollten diese in Afghanistan grenzüberschreitende Gewaltaktionen durchführen. Es ist auch nicht klar, wie Al-Qaida auf die jüngsten Ereignisse reagieren wird (GN 15.8.2021).
Im August 2021 schätzte das US-Verteidigungsministerium die Präsenz von Al-Qaida in Afghanistan als nicht derart hoch ein, dass die Gruppierung eine Bedrohung für die USA darstellen würde, wie es am 11.9.2001 der Fall war (CNN 21.8.2021). Die Führung von Al-Qaida ist vielmehr mit ihrem eigenen Überleben beschäftigt (CRS 17.8.2021). Zuvor hatte das US-amerikanische Verteidigungsministerium jedoch Präsident Biden widersprochen, der den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan damit gerechtfertigt hatte, dass Al-Qaida aus dem Land "verschwunden" sei (CNN 21.8.2021).
Im September 2021 hatten die Taliban amerikanische Befürchtungen, dass Al-Qaida oder der ISKP (Islamic State Khorasan Province) im Land präsent sind, als "unbegründete Propaganda" zurückgewiesen (VOA 21.9.2021; vgl. REU 21.9.2021).
Im Dezember 2021 erklärte der Leiter des US-Zentralkommandos, dass seit dem Abzug der US-Streitkräfte die Extremistengruppe Al-Qaida in Afghanistan "leicht gewachsen" sei. Auch herrsche Uneinigkeit zwischen den neuen Taliban-Führern des Landes, ob sie ihr Versprechen aus dem Jahr 2020, die Beziehungen zu der Gruppe abzubrechen, einhalten sollen (ArN 10.12.2021; vgl. KP 11.12.2021).
Nach Angaben eines Taliban-Sprechers wurde Qari Baryal am 7.11.2021 zum Gouverneur der Provinz Kabul ernannt (LWJ 9.11.2021; vgl. REU 7.11.2021), der nach früheren Berichten vom US-Militär als "mit Al-Qaida verbundener Taliban-Führer" bezeichnet wurde (LWJ 9.11.2021).
Anfang August 2022 wurde der Al-Qaida-Führer Ayman al-Zawahiri durch einen US-Drohnenangriff in Kabul getötet. Der Sprecher des Islamischen Emirats, Zabihullah Mudschahid, bestätigte in einer Erklärung, dass ein Angriff stattgefunden hat, und verurteilte ihn scharf als Verstoß gegen "internationale Prinzipien" (TN 2.8.2022; vgl. WZ 2.8.2022).
Quellen:
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Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 03.05.2022
Unter der vorherigen Regierung beruhte die afghanische Rechtsprechung auf drei parallelen und sich überschneidenden Rechtssystemen oder Rechtsquellen: dem formellen Gesetzesrecht, dem Stammesgewohnheitsrecht und der Scharia (EASO 1.2022). Beim Übergang der Taliban von einem Aufstand zu einer Regierung fehlten dem afghanischen Justizsystem eine offizielle Verfassung und offizielle Gesetze (EASO 1.2022; vgl. FH 28.10.2022). Die Taliban kündigten nach ihrer Machtübernahme im August 2021 an, dass zukünftig eine islamische Regierung von islamischen Gesetzen angeleitet werden soll, das Regierungssystem solle auf der Scharia basieren. Sie blieben dabei allerdings sehr vage bezüglich der konkreten Auslegung. "Scharia" bedeutet auf Arabisch "der Weg" und bezieht sich auf ein breites Spektrum an moralischen und ethischen Grundsätzen, die sich aus dem Koran sowie aus den Aussprüchen und Praktiken des Propheten Mohammed ergeben. Die Grundsätze variieren je nach der Auslegung verschiedener Gelehrter, die Denkschulen gegründet haben, denen die Muslime folgen und die sie als Richtschnur für ihr tägliches Leben nutzen (AJ 23.8.2021; vgl. NYT 19.8.2021). Die Auslegung der Scharia ist in der muslimischen Welt Gegenstand von Diskussionen. Jene Gruppen und Regierungen, die ihr Rechtssystem auf die Scharia stützen, haben dies auf unterschiedliche Weise getan. Wenn die Taliban sagen, dass sie die Scharia einführen, bedeutet das nicht, dass sie dies auf eine Weise tun, der andere islamische Gelehrte oder islamische Autoritäten zustimmen würden (NYT 19.8.2021). Sogar in Afghanistan haben sowohl die Taliban, die das Land zwischen 1996 und 2001 regierten, als auch die Regierung von Ashraf Ghani behauptet, das islamische Recht zu wahren, obwohl sie unterschiedliche Rechtssysteme hatten (AJ 23.8.2021).
Bereits vor der Machtübernahme unterhielten die Taliban Schattengerichte unter strikter Auslegung der Scharia in den von ihnen kontrollierten Gebieten, die von der Bevölkerung zum Teil als effizienter und verlässlicher als das korruptionsbelastete Justizsystem der Republik empfunden wurden. Aktuell gibt es Berichte, wonach die Taliban auf lokaler Ebene gegen Kriminalität vorgehen und Täter öffentlich bestrafen (AA 21.10.2021; vgl. USDOS 12.4.2022). Darüber, was im Anschluss weiter mit den Tätern passiert, liegen keine Erkenntnisse vor (AA 21.10.2021). Während des Übergangs der Taliban von Aufständischen zu einer Regierung fehlte es dem afghanischen Justizsystem an einer offiziellen Verfassung und offiziellen Gesetze (FP 28.10.2022; vgl. EASO 1.2022).
Nach der Absetzung der gewählten Regierung im August 2021 übernahmen die Taliban die vollständige Kontrolle über das Justizsystem des Landes und ernannten Richter an Zivil- und Militärgerichten (FH 28.2.2022). Es wurden ein Justizminister und ein Oberster Richter und Leiter des Obersten Gerichtshofs durch die Taliban ernannt. Der geltende Rechtsrahmen ist nach wie vor unklar, obwohl eine Überprüfung der Vereinbarkeit der bestehenden Rechtsvorschriften mit dem mit dem islamischen Recht läuft. Am 16.12.2022 erließ die Taliban-Führung ein Dekret zur Ernennung von 32 Direktoren, Abteilungsleitern, Richtern und anderen wichtigen Beamten im Zusammenhang mit dem Obersten Gerichtshof. Am 25.12.2022 wurde ein Generalstaatsanwalt ernannt, der sich zur Rechenschaftspflicht und Unabhängigkeit seines Amts nach der Scharia verpflichtet (UNGASC 28.1.2022). Richter, die unter der ehemaligen Regierung gedient haben, insbesondere Richterinnen, sind arbeitslos; eine beträchtliche Anzahl ist untergetaucht (FH 28.2.2022). Während in den Provinzen zahlreiche Richterstellen neu besetzt wurden, wurden ehemalige Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte nicht in das Justizsystem der Taliban-Behörden integriert. Frauen sind nach wie vor von der Arbeit im Justizsektor ausgeschlossen (UNGASC 28.1.2022).
Unter der Republik waren informelle Rechtssysteme, die sich auf Varianten des Gewohnheitsrechts und der Scharia stützten, zur Schlichtung von Streitigkeiten weit verbreitet, insbesondere in ländlichen Gebieten. Dies ist nach wie vor der Fall, auch wenn die Taliban seit ihrer Machtübernahme versuchen, einige lokale Streitbeilegungsverfahren zu kontrollieren (FH 28.2.2022).
Die Auslegung des islamischen Rechts durch die Taliban entstammt nach Angaben eines Experten dem Deobandi-Strang der Hanafi-Rechtsprechung - einem Zweig, der in mehreren Teilen Südostasiens, darunter Pakistan und Indien, anzutreffen ist - und der eigenen gelebten Erfahrung als überwiegend ländliche und stammesbezogene Gesellschaft (AJ 23.8.2021; vgl. WTN 3.9.2021). Als die Taliban 1996 an die Macht kamen, setzten sie strenge Kleidervorschriften für Männer und Frauen durch und schlossen Frauen weitgehend von Arbeit und Bildung aus. Die Taliban führten auch strafrechtliche Bestrafungen (hudood) im Einklang mit ihrer strengen Auslegung des islamischen Rechts ein, darunter öffentliche Hinrichtungen von Menschen, die von Taliban-Richtern des Mordes oder des Ehebruchs für schuldig befunden wurden, und Amputationen für diejenigen, die aufgrund von Diebstahl verurteilt wurden (AJ 23.8.2021; vgl. VOA 24.8.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.10.2021): Bericht über die Lage in Afghanistan (Stand: 21.10.2021), https://www.ecoi.net/en/document/2062872.html , Zugriff 4.11.2021
AJ - Al Jazeera (23.8.2021): Explainer: The Taliban and Islamic law in Afghanistan, https://www.aljazeera.com/news/2021/8/23/hold-the-taliban-and-sharia-law-in-afghanistan , Zugriff 10.9.2021
EASO - European Asylum Support Office (1.2022): Afghanistan Country focus, https://coi.euaa.europa.eu/administration/easo/PLib/2022_01_EASO_COI_Report_Afghanistan_Country_focus.pdf , Zugriff 12.4.2022
FH - Freedom House (28.2.2022): Afghanistan 2021, https://freedomhouse.org/country/afghanistan/freedom-world/2022 , Zugriff 7.3.2022
FP - Foreign Policy (28.10.2021): 12 Million Angry Men, https://foreignpolicy.com/2021/10/28/afghanistan-taliban-justice-sharia/ , Zugriff 14.4.2022
NYT - New York Times, The (19.8.2021): What is Shariah law, and what does it mean for Afghan women under the Taliban?, https://www.nytimes.com/article/shariah-law-afghanistan-women.html , Zugriff 10.9.2021
UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (28.1.2022): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, https://www.ecoi.net/en/file/local/2067517/A_76_667--S_2022_64-EN.pdf , Zugriff 28.3.2022
USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Afghanistan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2022/03/313615_AFGHANISTAN-2021-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 14.4.2022
VOA - Voice of America (24.8.2021): What Is Shariah?, https://www.voanews.com/south-central-asia/what-shariah , Zugriff 10.9.2021
WTN - World Today News (3.9.2021): Taliban Mentioned Using Hanafi School in Afghanistan Constitution, https://www.world-today-news.com/taliban-mentioned-using-hanafi-school-in-afghanistan-constitution/ , Zugriff 10.9.2021
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 03.05.2022
Die Taliban haben mit ihrer Machtübernahme im August 2021 faktisch die Verantwortung für die Sicherheit im Land übernommen. Die Ein- und Zuteilung der bisherigen Kämpfer für diese Aufgaben folgt keiner einheitlichen Regelung. Neben bewaffneten Talibankämpfern in Uniform gibt es auch weiter eine Vielzahl von Talibankämpfern in zivil, die Sicherheitsaufgaben wahrnehmen, ohne dass klar wäre, in wessen Auftrag oder auf welcher Grundlage sie dies tun (AA 21.10.2021). Die Einrichtung und der Betrieb der Sicherheitsministerien, insbesondere des Innenministeriums und des Verteidigungsministeriums, gelten als eine der Prioritäten der Taliban-Verwaltung. Sirajuddin Haqqani und Mohammad Yaqoub Omar, der Sohn des verstorbenen Taliban-Führers Mullah Omar, wurden zum Innenminister bzw. zum Verteidigungsminister ernannt. Die Taliban-Behörden erklärten, zu den Prioritäten im Sicherheitssektor gehören die Bekämpfung des Islamischen Staates (ISKP), des bewaffneten Widerstandes in und um die Provinz Panjshir und die Bekämpfung von Kriminalität sowie die Sicherung der Grenzen und die Drogenbekämpfung. Frauen in Uniform, die früher im Sicherheitssektor gedient haben, wurden vom Dienst ausgeschlossen. Am 11.11.2021 hat das Taliban-Regime eine Säuberungskommission eingerichtet, um "unerwünschte Personen" aus den Reihen der Taliban zu entfernen, die kriminelles Verhalten an den Tag legen oder die nicht die Werte der Taliban vertreten. Berichten zufolge wurden bisher etwa 700 Personen entlassen (UNGASC 28.1.2022).
Wachsende Kriminalität war bereits in den vergangenen Jahren ein Problem, insbesondere in den Städten. Die Taliban nehmen für sich in Anspruch, dem entgegenzuwirken. Ihnen nahestehende Medien veröffentlichen beispielsweise Berichte über die Befreiung von Entführungsopfern oder die Gefangennahme von Dieben und Drogenschmugglern. Gleichzeitig existieren Berichte über öffentliche Strafmaßnahmen gegen und Zurschaustellung von Verbrechern durch die Taliban. Dies entspricht auch dem gängigen Vorgehen des ersten Talibanregimes (AA 21.10.2021).
Über zielgerichtete, groß angelegte Vergeltungsmaßnahmen gegen ehemalige Angehörige der Regierung oder Sicherheitskräfte oder Verfolgung bestimmter Bevölkerungsgruppen gibt es bislang keine fundierten Erkenntnisse (AA 21.10.2021). Obwohl die Taliban eine "Generalamnestie" für alle versprochen haben, die für die frühere Regierung gearbeitet haben (ohne formellen Erlass), gibt es Berichte aus Teilen Afghanistans unter anderem über die gezielte Tötung von Personen, die früher für die Regierung gearbeitet haben (UNGASC 28.1.2022; vgl. AI 9.2021, USDOS 12.4.2022). Es wurde berichtet, dass die Taliban eine schwangere Polizistin vor den Augen ihrer Familie getötet hätten (CNN 8.9.2021; vgl. BBC 5.9.2021). Es gibt weitere Berichte wonach ehemalige Polizisten (PAJ 21.10.2021) oder Dolmetscher getötet wurden (ABC News 20.10.2021).
Während im Oktober afghanische Militärpiloten noch berichteten, dass ihre in Afghanistan verbliebenen Verwandten mit dem Tod bedroht würden, sollten sie nicht zurückkehren (RFE/RL 23.10.2021), forderte der Sprecher der Talibanregierung diese auf, im Land zu bleiben bzw. zurückzukehren. Sie würden durch eine Amnestie geschützt und nicht verhaftet werden. Dies geschah, nachdem Dutzende von in den USA ausgebildeten afghanischen Piloten Tadschikistan im Rahmen einer von den USA vermittelten Evakuierung verlassen hatten, wohin sie zuvor geflüchtet waren (AP 10.11.2021; vgl. TD 10.11.2021).
Nach einem Bericht von Human Rights Watch (HRW) vom November 2021 wurden seit der Machtübernahme der Taliban mehr als 100 ehemalige Polizei- und Geheimdienstmitarbeiter in nur vier Provinzen (Ghazni, Helmand, Kandahar, and Kunduz) exekutiert oder waren gewaltsamem "Verschwindenlassen" ausgesetzt (HRW 30.11.2021).
Angaben des amtierenden Oberbefehlshabers der Taliban Qari Fasihuddin zufolge planen die Taliban den Aufbau einer regulären Armee unter Einbeziehung bisheriger Sicherheitskräfte, deren gute Ausbildung man nutzen wolle. Gleiches soll auch für die Polizei gelten. Erkenntnisse über die Umsetzung dieser Planungen liegen bisher nicht vor (AA 21.10.2021).
Nach Angaben von BBC Pashto erließen die Taliban am 8.11.2021 einen Erlass, der die Namen der bisherigen Armeekorps (Qol-e Ordou) wie folgt änderte (BBC 8.11.2022; vgl. KP 8.11.2022, EASO 1.2022):
Korps Kabul wird in Korps Kabul Central umbenannt
209. Shaheen-Korps in Mazar wird in Al-Fatha-Korps umbenannt
17. Pamir-Korps in Kunduz wird in Omary-Korps umbenannt
205. Attal-Korps in Kandahar geändert in Badar-Korps
201. Silab-Korps in Laghman geändert in Khalid Ibn-e Walid-Korps
203. Tander-Korps in Paktia geändert in Mansouri-Korps
207. Zafar-Korps in Herat geändert in Al-Farooq-Korps
215. Maiwand-Korps in Helmand wurde in Azm-Korps umbenannt
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.10.2021): Bericht über die Lage in Afghanistan (Stand: 21.10.2021), https://www.ecoi.net/en/document/2062872.html , Zugriff 4.11.2021
ABC News (20.10.2021): Interpreter who assisted ADF executed by Taliban, https://www.abc.net.au/radionational/programs/breakfast/interpreter-who-assisted-adf-executed-by-taliban/13594260 , Zugriff 19.11.2021
AI - Amnesty International (9.2021): The Fate of thousands hanging in the balance - Afghanistan's fall into the hands of the Taliban, https://www.amnesty.org/en/documents/asa11/4727/2021/en/ , Zugriff 28.10.2021
AP - Associated Press (10.11.2021): Taliban urge ex-Afghan military pilots to stay, serve nation, https://apnews.com/article/afghanistan-taliban-islamic-state-group-zabihullah-mujahid-tajikistan-7706909db19c59f15a845a8282ff2a4c , Zugriff 16.11.2021
BBC - British Broadcasting Corporation (8.11.2022): طالبانو د افغانستان د قول اردوګانو نومونه بدل کړي, https://www.bbc.com/pashto/afghanistan-59210788 , Zugriff 12.4.2022
BBC - British Broadcasting Corporation (5.9.2021): Afghanistan: Taliban accused of killing pregnant police officer, https://www.bbc.com/news/world-asia-58455826 , Zugriff 29.10.2021
CNN - Cable News Network (8.9.2021): Taliban fighters use whips against Afghan women protesting the all-male interim government, https://edition.cnn.com/2021/09/08/asia/afghanistan-women-taliban-government-intl/index.html , Zugriff 9.9.2021
EASO - European Asylum Support Office (1.2022): Afghanistan Country focus, https://coi.euaa.europa.eu/administration/easo/PLib/2022_01_EASO_COI_Report_Afghanistan_Country_focus.pdf , Zugriff 12.4.2022
HRW - Human Rights Watch (30.11.2021): "No Forgiveness for People Like You", https://www.hrw.org/report/2021/11/30/no-forgiveness-people-you/executions-and-enforced-disappearances-afghanistan , Zugriff 1.12.2021
KP - Khaama Press (8.11.2021): Taliban retitles all military corps in Afghanistan, https://www.khaama.com/taliban-retitles-all-military-corps-in-afghanistan-45747/ , Zugriff 12.11.2021
PAJ - Pajhwok Afghan News (21.10.2021): Ex-policeman found dead in Khost, file:///run/user/1000/gvfs/dav:host=cloud.staatendokumentation.at ,ssl=true,user=florian.tschabuschnig,prefix=%252Fremote.php%252Fwebdav/Zone%20Asien/Afghanistan/L%C3%A4nderinformationen/Gesamtaktualisierung%202021-6-11%20bis%202022-xx-xx/PAJ%2021.10.2021_(2021-11-19).html, Zugriff 10.1.2021
REU - Reuters (3.9.2021): Hunted by the men they jailed, Afghanistan's women judges seek escape, https://www.reuters.com/world/asia-pacific/hunted-by-men-they-jailed-afghanistans-women-judges-seek-escape-2021-09-03/ , Zugriff 8.9.2021
RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (23.10.2021): Afghan Pilots Who Fled To Tajikistan Say Taliban Is Threatening Relatives Back Home, https://gandhara.rferl.org/a/afghan-pilots-taliban-threatening-families/31525885.html , Zugriff 19.11.2021
TD - The Diplomat (10.11.2021): Afghan Pilots Held in Tajikistan Finally Out, https://thediplomat.com/2021/11/afghan-pilots-held-in-tajikistan-finally-out/ , Zugriff 16.11.2021
UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (28.1.2022): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, https://www.ecoi.net/en/file/local/2067517/A_76_667--S_2022_64-EN.pdf , Zugriff 28.3.2022
UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (12.3.2021): The Situation in Afghanistan and its Implications for International Peace and Security, https://www.ecoi.net/en/document/2048484.html#alert , Zugriff 20.4.2021
USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Afghanistan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2022/03/313615_AFGHANISTAN-2021-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 14.4.2022
Folter und unmenschliche Behandlung
Letzte Änderung: 03.05.2022
Unter der vormaligen Regierung war laut der afghanischen Verfassung (Artikel 29) sowie dem Strafgesetzbuch (Penal Code) und dem afghanischen Strafverfahrensrecht (Criminal Procedure Code) Folter verboten (UNAMA 2.2021b; vgl. AA 16.7.2021). Die Regierung erzielte Fortschritte bei der Verringerung der Folter in einigen Haftanstalten, versäumte es jedoch, Mitglieder der Sicherheitskräfte und prominente politische Persönlichkeiten für Misshandlungen, einschließlich sexueller Übergriffe, zur Rechenschaft zu ziehen (HRW 4.2.2021; vgl. HRW 13.1.2021). Obwohl die Verfassung von 2004 und die Gesetze der früheren Regierung solche Praktiken untersagten, gab es zahlreiche Berichte über Misshandlungen durch Regierungsbeamte, Sicherheitskräfte, Behörden von Haftanstalten und die Polizei (USDOS 12.4.2022).
Über systematische staatliche Folter ist bislang nichts bekannt (AA 21.10.2021). Es gibt jedoch zahlreiche Berichte über Folter und grausame, unmenschliche und erniedrigende Bestrafung durch die Taliban, ISKP und andere regierungsfeindliche Gruppen. UNAMA berichtet, dass zu den von den Taliban durchgeführten Bestrafungen Schläge, Amputationen und Hinrichtungen gehörten. Die Taliban hielten UNAMA zufolge Häftlinge unter schlechten Bedingungen fest und setzten sie Zwangsarbeit aus (UNAMA 26.5.2019; vgl. USDOS 12.4.2022). Auch gibt es Berichte über die Folter von Journalisten (AA 21.10.2021; vgl. HRW 8.9.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.10.2021): Bericht über die Lage in Afghanistan (Stand: 21.10.2021), https://www.ecoi.net/en/document/2062872.html , Zugriff 4.11.2021
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (16.7.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Mai 2021), https://www.ecoi.net/en/document/2057829.html , Zugriff 1.9.2021
HRW - Human Rights Watch (8.9.2021): 2 journalists from media outlet Etilaat-e Roz arrested and beaten by Taliban after covering women protests in Kabul, https://www.ecoi.net/en/document/2059996.html ,Zugriff 16.9.2021
HRW - Human Rights Watch (4.2.2021): Still No Safeguards to Stop Torture in Afghanistan, https://www.hrw.org/news/2021/02/04/still-no-safeguards-stop-torture-afghanistan , Zugriff 1.9.2021
HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Afghanistan, https://www.hrw.org/world-report/2021/country-chapters/afghanistan , Zugriff 8.9.2021
UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (2.2021b): Preventing Torture and Upholding the Rights of Detainees in Afghanistan: A Factor for Peace, https://www.ecoi.net/en/file/local/2044716/treatment_of_conflict_related_detainees_feb_2021_english.pdf , Zugriff 1.9.2021
UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (26.5.2019): Grave Concern about accounts of taliban ill-treatment of detainees, https://unama.unmissions.org/un-grave-concern-about-accounts-taliban-ill-treatment-detainees , Zugriff 1.9.2021
USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Afghanistan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2022/03/313615_AFGHANISTAN-2021-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 14.4.2022
Korruption
Letzte Änderung: 03.05.2022
Mit einer Bewertung von 16 Punkten (von 100 möglichen Punkten - 0= highly corrupt und 100 = very clean), belegt Afghanistan auf dem Korruptionswahrnehmungsindex für 2021 von Transparency International von 180 untersuchten Ländern den 174. Platz, was eine Verschlechterung um neun Ränge im Vergleich zum Jahr davor darstellt (TI 25.1.2022; vgl. TI 28.1.2021).
Die [ehemalige] Regierung setzte Maßnahmen gegen Korruption nicht effektiv um (USDOS 12.4.2022) und unternahm nur kleine Schritte, um gegen Korruption vorzugehen, wie das Verfassen von Vorschriften oder das Abhalten von Treffen, anstatt konkreter Maßnahmen (SIGAR 30.1.2021), während Beamte häufig ungestraft korrupte Praktiken ausübten. Berichte deuten an, dass Korruption innerhalb der Gesellschaft endemisch ist - Geldflüsse von Militär, internationalen Gebern und aus dem Drogenhandel verstärken das Problem (USDOS 12.4.2022). Die weitverbreitete Korruption und Misswirtschaft schwächten in weiterer Folge die staatlichen Strukturen. Das gilt für die Sicherheitskräfte ebenso wie für das Parlament und die Gerichte (NZZ 11.8.2021). Im Laufe des Jahres 2021 gab es Berichte über "Landgrabbing" durch private und öffentliche Akteure, einschließlich der Taliban (USDOS 12.4.2022).
Der hohe Grad an Korruption wird von vielen auch als einer der Gründe für den schnellen Erfolg der Taliban gesehen (NZZ 11.8.2021; vgl. TD 17.8.2021, BBC 13.8.2021).
Der mit August 2021 neue amtierende Bürgermeister von Kabul erklärt, dass gegen korrupte Elemente nach den Regeln der Scharia vorgegangen wird. Seinen Angaben zufolge gab es in der Vergangenheit in allen Bereichen Afghanistans massive Korruption, aber das "Islamische Emirat" hätte nun alle Personen begnadigt und es würde niemand für frühere Korruption verhaftet werden (PAJ 30.8.2021).
Die Taliban kündigten nach ihrer Machtübernahme Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung an, darunter die Einrichtung von Kommissionen in Kabul und auf Provinzebene, die korrupte oder kriminelle Beamte aufspüren, und eine harte Haltung gegen Bestechung zeigen sollen. Die Taliban richteten über das Verteidigungsministerium eine Kommission ein, die Mitglieder ausfindig machen sollte, die sich über die Richtlinien der Bewegung hinwegsetzten. Ein Sprecher des Ministeriums erklärte, dass 2.840 Taliban-Mitglieder wegen Korruption und Drogenkonsums entlassen worden seien. Aus Berichten mehrerer lokaler Geschäftsleute ging hervor, dass der grenzüberschreitende Handel unter der Führung der Taliban viel einfacher geworden war, da die "Geschenke", die normalerweise für Zollbeamte erforderlich sind, abgeschafft wurden. Örtliche Taliban-Führer in Balkh leiteten Ermittlungen wegen Korruptionsvorwürfen im Zusammenhang mit Invaliditätsleistungen ein, und in Nangarhar richteten sie Sondereinheiten ein, um illegale Landbesetzungen und Abholzungen zu verhindern (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
BBC - British Broadcasting Corporation (13.8.2021): Afghanistan: How the Taliban gained ground so quickly, https://www.bbc.com/news/world-asia-58187410 , Zugriff 1.9.2021
NZZ - Neue Züricher Zeitung (11.8.2021): Power games and corruption among Afghanistan’s political elite explain the Taliban’s whirlwind advance, https://www.nzz.ch/english/talibans-rapid-advance-due-to-afghan-elites-corruption-ld.1639784 , Zugriff 1.9.2021
PAJ - Pajhwok Afghan News (30.8.2021): Corrupt individuals to be dealt with under Sharia law: Mayor, https://pajhwok.com/2021/08/30/corrupt-individuals-to-be-dealt-with-sharia-law-mayor/ , Zugriff 9.9.2021
SIGAR - Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction [USA] (30.1.2021): SIGAR Quarterly Reports to Congress, https://www.ecoi.net/en/file/local/2045009/2021-01-30qr.pdf , Zugriff 1.9.2021
TD - The Diplomat (17.8.2021): Taliban Take Kabul Via Path Paved by Corruption, https://thediplomat.com/2021/08/taliban-take-kabul-via-path-paved-by-corruption/ , Zugriff 1.9.2021
TI - Transparency International (25.1.2022): Corruption Perceptions Index 2021, https://www.transparency.org/en/publications/corruption-perceptions-index-2021 , Zugriff 17.2.2022
TI - Transparency International (28.1.2021): Corruption Perceptions Index 2020, https://www.transparency.org/en/cpi/2020/index/afg , Zugriff 1.9.2021
TI - Transparency International (23.1.2020): Corruption Perceptions Index 2019, https://www.transparency.org/en/cpi/2019/results/afg , Zugriff 1.9.2021
USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Afghanistan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2022/03/313615_AFGHANISTAN-2021-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 14.4.2022
Wehrdienst und Zwangsrekrutierung
Letzte Änderung: 03.05.2022
Vor der Machtübernahme der Taliban im August 2021
Bis zur Machtübernahme der Taliban im August 2021 gab es in Afghanistan keine Wehrpflicht. Das vorgeschriebene Mindestalter für die freiwillige Meldung betrug 18 Jahre. Da die Tätigkeit als Soldat oder Polizist für den großen Teil der jungen männlichen Bevölkerung eine der wenigen Verdienstmöglichkeiten darstellte, bestand grundsätzlich kein Anlass für Zwangsrekrutierungen zu staatlichen Sicherheitskräften (AA 16.7.2021).
Das Problem der Rekrutierung von Kindern, einschließlich Zwangsrekrutierung sowie Entführungen und sexueller Missbrauch von Minderjährigen durch regierungsfeindliche Gruppen, Milizen oder afghanische Sicherheitskräfte bestand bis zur Übernahme der Taliban weiter. Für 2020 ist die Rekrutierung von insgesamt 196 Jungen belegt, davon 172 durch die Taliban. Weitere 17 Vorfälle gingen auf das Konto der staatlichen Sicherheitskräfte (AA 16.7.2021).
Ein Bericht über die Rekrutierungspraxis der Taliban teilte die Taliban-Kämpfer in zwei Kategorien: professionelle Vollzeitkämpfer, die oft in den Madrassen rekrutiert wurden, und Teilzeit-Kämpfer vor Ort, die gegenüber einem lokalen Kommandanten loyal und in die lokale Gesellschaft eingebettet waren (LI 29.6.2017).
Es besteht relativer Konsens darüber, wie die Rekrutierung für die Streitkräfte der Taliban erfolgte: Sie lief hauptsächlich über bestehende traditionelle Netzwerke und organisierte Aktivitäten im Zusammenhang mit religiösen Institutionen. Layha, der Verhaltenskodex der Taliban, enthält einige Bestimmungen über verschiedene Formen der Einladung sowie Bestimmungen, wie sich die Kader verhalten sollen, um Menschen zu gewinnen und Sympathien aufzubauen. Eines der Sonderkomitees der Quetta Schura [Anm.: militante afghanische Organisation der Taliban mit Basis in Quetta/Pakistan] war für die Rekrutierung verantwortlich (LI 29.6.2017). UNAMA hat Fälle der Rekrutierung und des Einsatzes von Kindern durch die Taliban dokumentiert, um IEDs (Improvised Explosive Devices) zu platzieren, Sprengstoff zu transportieren, bei der Sammlung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse zu helfen und Selbstmordattentate zu verüben, wobei auch positive Schritte von der Taliban-Kommission für die Verhütung ziviler Opfer und Beschwerden unternommen wurden, um Fälle von Rekrutierung und Einsatz von Kindern zu untersuchen und korrigierend einzugreifen (UNAMA 2.2021a; vgl. UNAMA 7.2020).
In Gebieten, in denen regierungsfeindliche Gruppen in der Vergangenheit Kontrolle ausübten, gab es eine Vielzahl an Methoden, um Kämpfer zu rekrutieren, darunter auch solche, die auf Zwang basieren (DAI/CNRR 10.2016), wobei der Begriff Zwangsrekrutierung von Quellen unterschiedlich interpretiert und Informationen zur Rekrutierung unterschiedlich kategorisiert werden (LI 29.6.2017). Grundsätzlich hatten die Taliban keinen Mangel an freiwilligen Rekruten und machten nur in Ausnahmefällen von Zwangsrekrutierung Gebrauch. Druck und Zwang, den Taliban beizutreten, waren jedoch nicht immer gewalttätig (EASO 6.2018). Landinfo versteht Zwang im Zusammenhang mit Rekrutierung dahingehend, dass jemand, der sich einer Mobilisierung widersetzt, speziellen Zwangsmaßnahmen und Übergriffen (zumeist körperlicher Bestrafung) durch den Rekrutierer ausgesetzt ist. Die Zwangsmaßnahmen können auch andere schwerwiegende Maßnahmen beinhalten und gegen Dritte, beispielsweise Familienmitglieder, gerichtet sein. Auch wenn jemand keinen Drohungen oder körperlichen Übergriffen ausgesetzt ist, können Faktoren wie Armut, kulturelle Gegebenheiten und Ausgrenzung die Unterscheidung zwischen freiwilliger und zwangsweiser Beteiligung zum Verschwimmen bringen (LI 29.6.2017).
Sympathisanten der Taliban waren Einzelpersonen und Gruppen von, vielfach jungen, desillusionierten Männern. Ihre Motive waren der Wunsch nach Rache und Heldentum, gepaart mit religiösen und wirtschaftlichen Gründen. Sie fühlten sich nicht zwingend den zentralen Werten der Taliban verpflichtet. Die meisten haben das Vertrauen in das Staatsbildungsprojekt verloren und glaubten nicht länger, dass es möglich ist, ein sicheres und stabiles Afghanistan zu schaffen. Viele schlossen sich den Aufständischen aus Angst oder Frustration über die Übergriffe auf die Zivilbevölkerung an. Armut, Hoffnungslosigkeit und fehlende Zukunftsperspektiven waren die wesentlichen Erklärungsgründe (LI 29.6.2017).
Vor einigen Jahren waren Mittel wie Pamphlete, DVDs und Zeitschriften bis hin zu Radio, Telefon und web-basierter Verbreitung wichtige Instrumente des Propagandaapparats der Taliban. Während Internet und soziale Medien wie Twitter, Blogs und Facebook sich in den letzten Jahren zu sehr wichtigen Foren und Kanälen für die Verbreitung der Botschaft dieser Bewegung entwickelt haben, dienen sie auch als Instrument für die Anwerbung. Über die sozialen Medien konnten die Taliban mit Sympathisanten und potenziellen Rekruten Kontakt aufnehmen. Die Taliban haben verstanden, dass ohne soziale Medien kein Krieg gewonnen werden kann. Sie haben ein umfangreiches Kommunikations- und Mediennetzwerk für Propaganda und Rekrutierung aufgebaut. Zusätzlich unternahmen die Taliban persönlich und direkt Versuche, die Menschen von ihrer Ideologie und Weltanschauung zu überzeugen, damit sie die Bewegung unterstützen. Ein Gutteil dieser Aktivitäten lief über religiöse Netzwerke (LI 29.6.2017).
Die Entscheidung, Rekruten zu mobilisieren, wird von den Familienoberhäuptern, Stammesältesten und Gemeindevorstehern getroffen. Dadurch wird dies nicht als Zwangsrekrutierung wahrgenommen, da die Entscheidungen der Anführer als legitim und akzeptabel gesehen werden. Personen, die sich dem widersetzen, gehen ein Risiko ein, dass sie oder ihre Familien bestraft oder getötet werden (DAI/CNRR 10.2016; vgl. EASO 6.2018), wenngleich die Taliban nachsichtiger als der ISKP seien und lokale Entscheidungen eher akzeptieren würden (TST 22.8.2019). Andererseits wurde berichtet, dass es in Gebieten, die von den Taliban kontrolliert wurden oder in denen die Taliban stark präsent waren, de facto unmöglich war, offenen Widerstand gegen die Bewegung zu leisten (LI 29.6.2017).
Die erweiterte Familie konnte angeblich auch eine Zahlung leisten, anstatt Rekruten zu stellen. Diese Praktiken implizieren, dass es die ärmsten Familien waren, die Kämpfer stellten, da sie keine Mittel haben, um sich freizukaufen (LI 29.6.2017).
Die Taliban wandten, laut Berichten von NGOs und UN, Täuschung, Geldzusagen, falsche religiöse Zusammenhänge oder Zwang an, um Kinder zu Selbstmordattentaten zu bewegen (USDOS 12.4.2022; vgl. EASO 6.2018, DAI/CNRR 10.2016), teilweise wurden die Kinder zur Ausbildung nach Pakistan gebracht (EASO 6.2018). Im Jahr 2020 gab es laut UNAMA insgesamt 196 Jungen, hauptsächlich im Norden und Nordosten des Landes, die sowohl von den Taliban als auch von den afghanischen Sicherheitskräften rekrutiert wurden. Es ist wichtig anzumerken, dass Fälle der Rekrutierung und des Einsatzes von Kindern in Afghanistan aufgrund der damit verbundenen Sensibilität und der Sorge um die Sicherheit der Kinder in hohem Maße unterrepräsentiert sind (UNAMA 2.2021a).
Nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021
Die Taliban haben im Oktober 2021 den Aufbau einer eigenen Armee angekündigt. Diese soll sich sowohl aus den bisherigen Taliban-Milizen als auch aus Resten der aufgelösten vorherigen afghanischen Armee zusammensetzen (ArN 26.10.2021; vgl. AJ 22.2.2022), welche mit den modernsten Waffen ausgerüstet werden sollen, um die Interessen, Werte und Grenzen Afghanistans zu schützen. Im November 2021 gab das Verteidigungsministerium der Taliban bekannt, dass die zukünftige Armee aus acht Korps bestehen soll. Die Taliban haben noch nicht offiziell mit der Ausbildung von Angehörigen für ihre neue Armee begonnen, aber Dutzende von Taliban-Mitgliedern sind damit beschäftigt, sich in verschiedenen Provinzen Afghanistans ausbilden zu lassen (KP 8.11.2021). Es gibt kaum Anzeichen dafür, dass die Taliban ehemalige Truppen in ihre Reihen aufgenommen haben, aber Ende Februar 2022 ernannten sie zwei hochrangige ehemalige Offiziere der afghanischen Nationalarmee zu leitenden Mitarbeitern des Verteidigungsministeriums (AJ 22.2.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (16.7.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2035827/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_16.07.2020.pdf , Zugriff 16.10.2020
AJ - Aljazeera (22.2.2022): Taliban to create Afghanistan ‘grand army’ with old regime troops, https://www.aljazeera.com/news/2022/2/22/taliban-create-grand-army-afghanistan-old-regime-troops , Zugriff 1.4.2022
ArN - Arab News (26.10.2021): Taliban to form new armed forces including former regime troops, https://www.arabnews.com/node/1955266/world , Zugriff 12.11.2021
DAI/CNRR - Direcţia Azil şi Integrare [Rumänien] / Consiliul Naţional Român pentru Refugiaţi [Rumänien] (10.2016): Thematic Report: Forced Recruitment in Afghanistan, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf
EASO - European Asylum Support Office (8.2020c): Afghanistan: Anti-Government Elements (AGEs), https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/2020_08_EASO_COI_Report_Afghanistan_Anti_Governement_Elements_AGEs.pdf , Zugriff 23.10.2020
EASO - European Asylum Support Office (6.2018): Country Guidance: Afghanistan - Guidance note and common analysis, https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/easo-country-guidance-afghanistan-2018.pdf , Zugriff 16.10.2020
KP - Khaama Press (8.11.2021): Taliban retitles all military corps in Afghanistan, https://www.khaama.com/taliban-retitles-all-military-corps-in-afghanistan-45747/ , Zugriff 12.11.2021
LI - Landinfo [Norwegen] (23.8.2017): Afghanistan: Taliban’s organization and structure, Landinfo, https://www.ecoi.net/en/file/local/1406310/1226_1504616422_170824550.pdf , Zugriff 23.10.2020
LI - Landinfo [Norwegen] (29.6.2017): Afghanistan: Recruitment to Taliban, https://www.landinfo.no/asset/3588/1/3588_1.pdf , Zugriff 23.10.2020
NYT - New York Times, The (26.5.2020): How the Taliban Outlasted a Superpower: Tenacity and Carnage, https://www.nytimes.com/2020/05/26/world/asia/taliban-afghanistan-war.html , Zugriff 5.11.2020
Osman, Borham (1.6.2020): Peaceworks - Bourgeois Jihad: Why young, middle-class Afghans join the Islamic State, https://www.usip.org/sites/default/files/2020-06/20200601-pw_162-bourgeois_jihad_why_young_middle-class_afghans_join_the_islamic_state.pdf , Zugriff 5.11.2020
TST - The Straits Times (22.8.2019): Fears in Afghanistan over ISIS gaining from US-Taleban deal, https://www.straitstimes.com/asia/south-asia/fears-in-afghanistan-over-isis-gaining-from-us-taleban-deal , Zugriff 16.10.2020
UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (2.2021a): Afghanistan Annual Report On Protection Of Civilians In Armed Conflict: 2020, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/afghanistan_protection_of_civilians_report_2020.pdf , Zugriff 24.2.2021
UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (7.2020): Afghanistan, Protection of civilians in armed conflict, Midyear report: 1 January - 30 June 2020, https://unama.unmissions.org/protection-of-civilians-reports , Zugriff 16.10.2020
UNSC - United Nations Security Concil (27.5.2020): Eleventh report of the Analytical Support and Sanctions Monitoring Team submitted pursuant to resolution 2501 (2019) concerning the Taliban, S/2020/415, https://www.securitycouncilreport.org/atf/cf/%7B65BFCF9B-6D27-4E9C-8CD3-CF6E4FF96FF9%7D/s_2020_415_e.pdf , Zugriff 23.10.2020
USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Afghanistan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2022/03/313615_AFGHANISTAN-2021-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 14.4.2022
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 09.08.2022
Es ist nicht davon auszugehen, dass die Verfassung der afghanischen Republik aus Sicht der Taliban aktuell fortbesteht. Eine neue oder angepasste Verfassung existiert bislang nicht; politische Aussagen der Taliban, übergangsweise die Verfassung von 1964 in Teilen nutzen zu wollen, blieben bislang ohne unmittelbare Auswirkungen (AA 21.10.2021). Die gewählte Regierung Afghanistans, die durch einen von den Taliban geführten Aufstand sowie durch Gewalt, Korruption und mangelhafte Wahlverfahren unterminiert wurde, bot vor ihrem Zusammenbruch im Jahr 2021 dennoch ein breites Spektrum an individuellen Rechten. Seit dem Sturz der gewählten Regierung haben die Taliban den politischen Raum des Landes geschlossen; Opposition gegen ihre Herrschaft wird nicht geduldet, während Frauen und Minderheitengruppen durch das neue Regime in ihren Rechten beschnitten wurden (FH 28.2.2022). Unter der Taliban-Herrschaft werden die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Freiheit und Versammlungsfreiheit zunehmend eingeschränkt, und jede Form von Dissens wird mit Verschwindenlassen, willkürlichen Verhaftungen und unrechtmäßiger Inhaftierung bestraft (AI 21.3.2022).
Es gibt Berichte über grobe Menschenrechtsverletzungen durch die Taliban nach ihrer Machtübernahme im August 2021 (HRW 23.8.2021; vgl. AA 21.10.2021, USDOS 12.4.2022), wobei diese im Einzelfall nur schwer zu verifizieren sind, darunter Hausdurchsuchungen, Willkürakte und Erschießungen (AA 21.10.2021). Die Gruppe soll Tür-zu-Tür-Durchsuchungen durchführen, und auch an einigen Kontrollpunkten der Taliban wurden gewalttätige Szenen gemeldet (HRW 30.11.2021; vgl. USDOS 12.4.2022). Ebenso deuteten seit August zahlreiche Berichte darauf hin, dass die Taliban gewaltsam in Wohnungen und Büros eindrangen, um nach politischen Gegnern und nach Personen zu suchen, die die NATO- und US-Missionen unterstützt hatten (USDOS 12.4.2022). Diejenigen, die für die Regierung oder andere ausländische Mächte gearbeitet haben, sowie Journalisten und Aktivisten sagen, dass sie Repressalien fürchten (BBC 20.8.2021), und es gibt Berichte über das gewaltsame Verschwindenlassen von Frauen, willkürliche Verhaftungen von Journalisten und Aktivisten der Zivilgesellschaft durch die Taliban (AI 21.3.2022) sowie über Einzeltäter oder kriminelle Gruppen, die sich als Taliban ausgeben und Hausdurchsuchungen, Plünderungen und Ähnliches durchführen (AA 21.10.2021). Im Juni 2022 wurde berichtet, dass einige der Männer, die in der britischen Botschaft in Afghanistan arbeiteten und im Land geblieben waren, geschlagen und gefoltert wurden (BBC 16.7.2022, AN 16.7.2022).
UNAMA, AIHRC und andere Beobachter berichteten, dass es sowohl unter der früheren Regierung als auch unter den Taliban im ganzen Land zu willkürlichen und lang andauernden Inhaftierungen kam, einschließlich von Personen, die ohne richterliche Genehmigung festgehalten wurden. Die ehemaligen Regierungsbehörden informierten die Inhaftierten häufig nicht über die gegen sie erhobenen Anschuldigungen (USDOS 12.4.2022).
Beispielsweise wurde Berichten zufolge ein beliebter Komiker, der früher für die Polizei gearbeitet hatte, aus seinem Haus entführt und von den Taliban am oder um den 28.7.2021 getötet (AI 9.2021; vgl. WP 28.7.2021), ein Folksänger von den Taliban erschossen (AI 9.2021; vgl. RFE/RL 29.8.2021) und eine frühere Polizeiangestellte, die im achten Monat schwanger war, vor ihren Kindern erschossen (AI 9.2021; vgl. BBC 5.9.2021).
Die Europäische Union hat erklärt, dass die von ihr zugesagte Entwicklungshilfe in Höhe von mehreren Milliarden Dollar von Bedingungen wie der Achtung der Menschenrechte durch die Taliban abhängt (MPI 2.9.2021; vgl. REU 3.9.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.10.2021): Bericht über die Lage in Afghanistan (Stand: 21.10.2021), https://www.ecoi.net/en/document/2062872.html , Zugriff 4.11.2021
AI - Amnesty International (21.3.2022): AMNESTY INTERNATIONAL PUBLIC STATEMENT, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069861/ASA1153692022ENGLISH.pdf , Zugriff 11.4.2022
AI - Amnesty International (9.2021): The Fate of thousands hanging in the balance - Afghanistan's fall into the hands of the Taliban, https://www.amnesty.org/en/documents/asa11/4727/2021/en/ , Zugriff 28.10.2021
AN - Arab News (16.7.2022): ‘Disloyal’ Britain left former Afghan guards at Taliban mercy: BBC, https://www.arabnews.com/node/2104661/world , Zugriff 25.7.2022
AP - Associated Press (3.9.2021): Afghan media brace for what's next under Taliban rule, https://apnews.com/article/entertainment-europe-middle-east-business-media-51375cc7363711ee80df4a7fab639650 , Zugriff 8.9.2021
BBC - British Broadcasting Corporation (16.7.2022): Afghanistan: UK embassy staff allege Taliban beatings and torture, https://www.bbc.com/news/uk-61813259 , Zugriff 25.7.2022
BBC - British Broadcasting Corporation (5.9.2021): Afghanistan: Taliban accused of killing pregnant police officer, https://www.bbc.com/news/world-asia-58455826 , Zugriff 29.10.2021
BBC - British Broadcasting Corporation (20.8.2021): 'They will kill me': Desperate Afghans seek way out after Taliban takeover, https://www.bbc.com/news/world-asia-58286372 , Zugriff 8.9.2021
FH - Freedom House (28.2.2022): Afghanistan 2021, https://freedomhouse.org/country/afghanistan/freedom-world/2022 , Zugriff 7.3.2022
HRW - Human Rights Watch (30.11.2021): "No Forgiveness for People Like You", https://www.hrw.org/report/2021/11/30/no-forgiveness-people-you/executions-and-enforced-disappearances-afghanistan , Zugriff 1.12.2021
HRW - Human Rights Watch (23.8.2021): UN Rights Body Needs to Investigate Abuses in Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2058892.html , Zugriff 8.9.2021
MPI - Migration Policy Institute (2.9.2021): Will the Taliban’s takeover lead to a new refugee crisis from Afghanistan?, https://reliefweb.int/report/afghanistan/will-taliban-s-takeover-lead-new-refugee-crisis-afghanistan , Zugriff 8.9.2021
REU - Reuters (3.9.2021): EU says Taliban must respect rights, guarantee security as conditions for help, https://www.reuters.com/world/asia-pacific/eu-will-engage-with-taliban-subject-conditions-foreign-policy-chief-2021-09-03/ , Zugriff 8.9.2021
RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (29.8.2021): Taliban Accused Of Slaying Afghan Folk Singer, https://gandhara.rferl.org/a/taliban-afghan-folk-singer-killing/31433717.html , Zugriff 29.8.2021
USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Afghanistan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2022/03/313615_AFGHANISTAN-2021-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 14.4.2022
WP - Washington Post (28.7.2021): After "comedian" is killed by Taliban, videos of his treatment spark outrage across Afghanistan, https://www.washingtonpost.com/world/2021/07/28/nazar-khasha-afghanistan-comedian/ , Zugriff 28.10.2021
Meinungs- und Pressefreiheit
Letzte Änderung: 03.05.2022
Aufgrund der hohen Analphabetismusrate bevorzugen die meisten Bürger Fernsehen und Radio gegenüber Print- oder Online-Medien. Ein größerer Prozentsatz der Bevölkerung - auch in abgelegenen Provinzen - hat Zugang zu Radio (USDOS 30.3.2021).
Afghanistan rangiert im World Press Freedom Index 2021 (RSF 2021) wie auch schon im Jahr 2020 auf Platz 122 von 180 untersuchten Staaten; dies stellt eine Verschlechterung von einem Platz im Vergleich zu 2019 und drei Plätzen im Vergleich zum Jahr 2018 dar (RSF 2020).
Das Afghanistan Journalists Center (AFJC) zählte 2020 112 gewalttätige Übergriffe auf Medienschaffende, wobei sieben Journalisten und ein Medienmitarbeiter getötet wurden (AFJC o.D.a; vgl. AI 3.5.2021, RSF 10.12.2020, BAMF 11.1.2021). 2021 wurden bis Ende August 51 Vorfälle wie physische Angriffe, Beleidigungen, Drohungen und Festnahmen von Medienschaffenden dokumentiert, wobei das AFJC wieder acht Todesopfer zählte (AFJC o.D.b). Die Taliban stritten in einer Presseerklärung vom 6.1.2021 jede (ihnen von der damaligen Regierung zugeschriebene) Beteiligung an der Tötung von Journalisten und Aktivisten der Zivilgesellschaft ab (BAMF 11.1.2021; vgl. TN 6.1.2021). Nach Angaben von Human Rights Watch (HRW) nehmen Taliban-Kräfte jedoch gezielt Journalisten und andere Medienmitarbeiter ins Visier, darunter auch Frauen (HRW 1.4.2021) und nach Angaben des AFJC waren die Taliban, Daesh [Anm.: auch IS, ISKP] bzw. unbekannte Bewaffnete für die Tötungen von Journalisten verantwortlich (TN 6.1.2021; vgl. AFJC o.D.b).
Nach der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021
Seit dem Fall der Republik hat fast die Hälfte der afghanischen Medien geschlossen, und Tausende von afghanischen Journalisten und Medienmitarbeitern haben entweder das Land verlassen, ihren Arbeitsplatz verloren oder sind untergetaucht (AAN 7.3.2022). Reporter ohne Grenzen und der afghanische Verband unabhängiger Journalisten berichteten, dass etwa 200 Medienunternehmen geschlossen wurden, wodurch fast 60 % der Journalisten arbeitslos wurden. Verschiedene Faktoren, darunter finanzielle Engpässe, Angst und die Abwanderung von Mitarbeitern, trugen ebenfalls zur Schließung bei (USDOS 12.4.2022; vgl. RSF 31.8.2021). Aus den Berichten von Medienbeobachtungsstellen geht hervor, dass der Schaden für den afghanischen Mediensektor in den ersten Tagen nach dem Sturz der Republik am größten war. Bis auf wenige Ausnahmen sind jene Medien, die die ersten Tage der Talibanmachtübernahme überstanden haben, immer noch aktiv, wenn auch unter schwierigen Bedingungen und die Lage von Journalistinnen bleibt prekär, da die Politik der Taliban ihnen gegenüber immer noch unklar ist (AAN 7.3.2022). Es gibt auch Berichte über eine strenge Medienzensur durch die Taliban, um die Veröffentlichung von Nachrichten über die Aktivitäten der Nationalen Widerstandsfront und anderer militanter Bewegungen in Afghanistan zu verhindern (IP 13.11.2021).
Trotz der Zusicherungen, die Meinungsfreiheit zu respektieren, haben die Taliban die Medienfreiheit stark eingeschränkt (AI 29.3.2022; vgl. HRW 13.1.2022, HRW 7.3.2022). Auch der ISKP verübte eine Reihe von tödlichen Angriffen auf Journalisten (HRW 13.1.2022). In den Wochen vor dem Einmarsch der Taliban in Kabul kam es zu Angriffen auf Journalisten (AI 9.2021; vgl. REU 9.8.2021). Am 7.9.2021 verhafteten Sicherheitskräfte der Taliban Journalisten des in Kabul ansässigen Medienunternehmens Etilaat-e Roz. Die Reporter hatten über Proteste von Frauen in Kabul berichtet, die ein Ende der Verstöße der Taliban gegen die Rechte von Frauen und Mädchen forderten. Es wurde berichtet, dass die Taliban-Behörden die beiden Männer zu einer Polizeistation in Kabul brachten, sie in getrennte Zellen steckten und sie mit Kabeln schwer verprügelten. Beide Männer wurden am 8.9.2021 freigelassen und in einem Krankenhaus wegen ihrer Verletzungen am Rücken und im Gesicht medizinisch versorgt (HRW 8.9.2021). Es gibt auch Berichte, wonach Taliban Tränengas und Pfefferspray gegen Demonstranten einsetzen (BBC 7.9.2021). Die Situation für Journalisten außerhalb Kabuls scheint viel schlechter zu sein als innerhalb der Hauptstadt, insbesondere für Frauen (HRW 7.3.2022).
Seit der Machtübernahme der Taliban stehen die Erfahrungen ausländischer Journalisten, die größtenteils ungehindert aus Afghanistan berichten können, selbst von Orten, die zuvor unzugänglich waren, in krassem Gegensatz zu den Erfahrungen afghanischer Journalisten, die weiterhin der Gefahr von Gewalt durch die Taliban ausgesetzt sind (AAN 7.3.2022). Es gibt immer mehr Berichte über Folter, willkürliche Verhaftungen und Schläge von Journalisten, die den Taliban zugeschrieben werden (AAN 7.3.2022; vgl. UNGASC 28.1.2022). Nach außen hin haben sich die Taliban verpflichtet, Journalisten zu schützen und die Pressefreiheit zu respektieren, jedoch existiert eine Reihe von Berichten über die Festnahme und Misshandlung von Journalisten (RSF 24.8.2021; vgl. AA 21.10.2021). Die neuen Behörden verhängen bereits sehr strenge Auflagen für die Nachrichtenmedien, auch wenn sie noch nicht offiziell sind und es gibt Berichte wonach die Taliban Journalisten Schikanen, Drohungen und auch Gewalt aussetzen (RSF 24.8.2021; vgl. AAN 7.3.2022).
Zahlreiche Medienschaffende haben ihre Arbeit nach der Machtübernahme der Taliban aufgegeben oder vermeiden die Berichterstattung zu bestimmten Themen wie Menschenrechtsverletzungen aufgrund von Sicherheitsbedenken, was besonders für Journalistinnen gilt (AA 21.10.2021; vgl. AAN 7.3.2022). Es gibt Berichte unter anderem vom Committee to Protect Journalists (CPJ), dass weibliche Journalisten davon abgehalten wurden, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren (CPJ 19.8.2021; vgl. AI 9.8.2021, TN 19.8.2021) und dass Journalisten bedroht, belästigt, verprügelt oder verhaftet wurden (AI 9.2021; vgl. CPJ 19.8.2021, BBC 9.9.2021). Laut einer von Reporter ohne Grenzen (RSF) durchgeführten Umfrage arbeiten [mit Ende August 2021] weniger als 100 der 700 afghanischen Journalisten (RSF 31.8.2021; vgl. AI 9.2021; AA 21.10.2021). Am 20.8.2021 brachen Taliban-Mitglieder, auf der Suche nach einem Journalisten, der für die Deutsche Welle (DW) arbeitet, in ein Haus ein. Der Journalist war jedoch bereits mit einem Evakuierungsflug nach Deutschland gebracht worden. Anschließend töteten sie ein Mitglied seiner Familie und verletzten ein weiteres (AI 9.2021; vgl. TG 20.8.2021). Im Oktober 2021 gab es Berichte wonach ein Reporter von Tolonews von Soldaten am Grenzübergang Torkham geschlagen wurde, weil er über die Situation an der Grenze berichten wollte (TN 24.10.2021).
Journalisten beklagten sich über den mangelnden Zugang zu Informationen (TN 18.10.2021; vgl. USDOS 12.4.2022) und erklärten, dass der Zugang zu Informationen trotz der Einführung mehrerer Pressesprecher in den Ministerien der Taliban-Regierung weiterhin ein Hindernis darstellt (TN 18.10.2021). Journalisten wird formell und informell vorgeschrieben, was und wie sie zu berichten haben. In einigen Fällen wurden diejenigen, die sich nicht daran hielten, vorgeladen, verhört, bedroht, gefoltert und inhaftiert. Das Ministerium für Information und Kultur ist nicht die einzige staatliche Einrichtung, die Einschränkungen vornimmt; auch Geheimdienstakteure und das Ministerium für Laster und Tugenden schränken die Pressefreiheit ein (AAN 7.3.2022).
Wie andere Sektoren auch, war der afghanische Mediensektor, einschließlich der staatlichen Rundfunkanstalt RTA, stark von ausländischer Finanzierung abhängig und konnte nie eine langfristige finanzielle Stabilität erreichen. Der Mangel an angemessenen Finanzmitteln stellte den afghanischen Mediensektor schon lange vor dem Zusammenbruch der Republik vor Herausforderungen (AAN 7.3.2022).
Internet und Mobiltelefonie
Eine schnelle Verbreitung von Mobiltelefonen, Internet und sozialen Medien hat vielen Bürgern einen besseren Zugang zu unterschiedlichen Ansichten und Informationen ermöglicht (USDOS 30.3.2021). Es gibt Mobiltelefone in 90% der afghanischen Haushalte, wobei sich oft mehrere Personen eines teilen (DFJP/SEM 30.6.2020). Während die Anzahl der Mobiltelefonnutzer auf 23 Mio. geschätzt wird, gibt es weniger als neun Millionen Internetnutzer, was unter anderem auf die hohen Kosten und mangelnde Infrastruktur zurückgeführt wird (GBL 26.11.2021; vgl. BBC 6.9.2021). Internet- und Telekommunikationsdienste sind in allen 34 Provinzen Afghanistans verfügbar, und die Dienste werden von verschiedenen Unternehmen angeboten. In einigen abgelegenen Gebieten ist die Qualität des Internets schlecht. Im Allgemeinen ist die Qualität der Internetdienste in den Städten besser als in den ländlichen Gebieten. Die Weltbank schätzt, dass derzeit nur 13,5 % der Afghanen Zugang zum Internet haben (IOM 12.4.2022; vgl. DW 30.8.2021).
Fünf GSM-Betreiber decken zwei Drittel der bevölkerungsreichsten Gebiete ab. Ungefähr jeder zweite Einwohner hat im Jahr 2020 eine aktive SIM-Karte. Weniger als einer von zehn Nutzern geht mit einem Mobiltelefon ins Internet (DFJP/SEM 30.6.2020).
Im Laufe des Jahres 2021 gab es viele Berichte über Versuche der Taliban, den Zugang zu Informationen einzuschränken, oft durch die Zerstörung oder Abschaltung von Telekommunikationsantennen und anderen Geräten (USDOS 12.4.2022).
Aus strategischen Gründen schnitten die Taliban im Zuge der Kampfhandlungen die Internetverbindungen nach Panjshir zeitweise ab (AAN 1.7.2021) und es gibt auch Berichte wonach die Taliban in Kabul das Internet an- und abschalten würden (DW 30.8.2021). Am 9.9.2021 forderten die Taliban die Telekommunikationsbetreiber auf, die Internetverbindung in mehreren Bezirken Kabuls abzuschalten, darunter auch in Gebieten wie Dasht-e-Barchi, wo in den Tagen zuvor Proteste stattgefunden hatten (AI 9.2021; vgl. IT 9.9.2021, AA 21.10.2021).
Die Taliban sind in den sozialen Medien aktiv und nutzen diese zur Außenkommunikation (BBC 6.9.2021; vgl. USDOS 12.4.2022). Viele afghanische Bürger, die für internationale Streitkräfte, Organisationen und Medien gearbeitet haben, wie auch andere Personen, die sich in den sozialen Medien kritisch über die Taliban äußerten, deaktivierten nach der Machtübernahme der Taliban ihre Konten, da sie befürchteten, dass die Informationen dazu verwendet werden könnten, sie ins Visier zu nehmen (BBC 6.9.2021).
Quellen:
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Todesstrafe
Letzte Änderung: 03.05.2022
Vor der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 war die Todesstrafe in der Verfassung und im Strafgesetzbuch für besonders schwerwiegende Delikte vorgesehen (AA 16.7.2021). Und zwar für Delikte wie Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Angriff gegen den Staat, Mord und Zündung von Sprengladungen, Entführungen bzw. Straßenraub mit tödlicher Folge, Gruppenvergewaltigung von Frauen u.a. (StGb-AFGH 15.5.2017: Art. 170).
Die Taliban haben hierzu bisher keine gesetzlichen Regelungen erlassen (AA 21.10.2021; vgl. EASO 1.2022). Die sowohl während des ersten Talibanregimes, als auch vor dem Zusammenbruch der Republik in von den Taliban kontrollierten Gebieten angewandte Rechtspraxis auf Grundlage einer strikten Auslegung der Scharia sieht die Todesstrafe vor (AA 21.10.2021).
Quellen:
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StGb-AFGH - Strafgesetzbuch Afghanistan [Afghanistan] (15.5.2017): Strafgesetz, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf
Religionsfreiheit
Letzte Änderung: 09.08.2022
Etwa 99 % der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7 % und die Schiiten auf 10 bis 19 % der Gesamtbevölkerung geschätzt (CIA 23.8.2022; vgl. USDOS 2.6.2022, AA 21.10.2021). Andere Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha´i und Christen machen weniger als 0,3 % der Bevölkerung aus (CIA 23.8.2022; vgl. USDOS 2.6.2022). Der letzte bislang in Afghanistan lebende Jude hat nach der Machtübernahme der Taliban das Land verlassen (AP 9.9.2021; vgl. USCIRF 4.2022). Die Zahl der Ahmadiyya-Muslime im Land geht in die Hunderte (USDOS 2.6.2022).
Bereits vor der Machtübernahme der Taliban waren die Möglichkeiten der konkreten Religionsausübung für Nicht-Muslime durch gesellschaftliche Stigmatisierung, Sicherheitsbedenken und die spärliche Existenz von Gebetsstätten extrem eingeschränkt (AA 21.10.2021). In den fünf Jahren vor der Machtübernahme der Taliban im August 2021 gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen wegen Blasphemie oder Apostasie; jedoch berichteten Personen, die vom Islam konvertieren, dass sie weiterhin die Annullierung ihrer Ehen, die Ablehnung durch ihre Familien und Gemeinschaften, den Verlust ihres Arbeitsplatzes und möglicherweise die Todesstrafe riskierten (USDOS 2.6.2022). Nach Angaben der US-Kommission für internationale Religionsfreiheit (USCIRF) sind Angehörige religiöser Gruppen auch weiterhin stark von der Verfolgung durch die Taliban bedroht (WT 6.10.2021; vgl. NAT 6.10.2021). Zuletzt haben auch Salafisten, die wie die Taliban Sunniten sind, jedoch der wahhabitischen Schule angehören (RFE/RL 22.10.2021), die Taliban beschuldigt, ihre Gotteshäuser zu schließen und ihre Mitglieder zu verhaften bzw. zu töten (FH 28.2.2022; vgl. RFE/RL 22.10.2021). Nach Dafürhalten des USCIRF sind trotz anfänglicher Erklärungen der Taliban, dass sie einige Elemente ihrer Ideologie reformiert hätten, Afghanen, die der strengen Auslegung des sunnitischen Islams durch die Taliban nicht folgen, sowie Anhänger anderer Glaubensrichtungen oder Überzeugungen in großer Gefahr. Berichten zufolge verfolgen die Taliban weiterhin religiöse Minderheiten und bestrafen die Bewohner der von ihnen kontrollierten Gebiete gemäß ihrer extremen Auslegung des islamischen Rechts. USCIRF liegen glaubwürdige Berichte vor, wonach religiöse Minderheiten, darunter auch Nichtgläubige und Muslime mit anderen Überzeugungen als die Taliban, schikaniert und ihre Gebetsstätten geschändet wurden (USCIRF 4.2022).
In einigen Gebieten Afghanistans (unter anderem Kabul) haben die Taliban alle Männer zur Teilnahme an den Gebetsversammlungen in den Moscheen verpflichtet und/oder Geldstrafen gegen Einwohner verhängt, die nicht zu den Gebeten erschienen sind (RFE/RL 6.1.2022) bzw. gedroht, dass Männer, die nicht zum Gebet in die Moschee gehen, strafrechtlich verfolgt werden könnten (BAMF 10.1.2022; vgl. RFE/RL 6.1.2022)
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.10.2021): Bericht über die Lage in Afghanistan (Stand: 21.10.2021), https://www.ecoi.net/en/document/2062872.html , Zugriff 4.11.2021
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Ethnische Gruppen
Letzte Änderung: 03.05.2022
In Afghanistan leben laut Schätzungen zwischen 32 und 37,5 Millionen Menschen (NSIA 6.2020; vgl. CIA 23.8.2021). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (STDOK 7.2016; vgl. CIA 23.8.2021). Die größten Bevölkerungsgruppen sind Paschtunen (32-42%), Tadschiken (ca. 27%), Hazara (ca. 9-20%) und Usbeken (ca. 9%), gefolgt von Turkmenen und Belutschen (jeweils ca. 2%) (AA 21.10.2021).
Neben den alten Blöcken der Islamisten und linksgerichteten politischen Organisationen [Anm.: welche oftmals vor dem Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan entstanden] mobilisieren politische Parteien in Afghanistan vornehmlich entlang ethnischer Linien, wobei letztere Tendenz durch den Krieg noch weiter zugenommen hat (AAN 24.3.2021; vgl. Karrell 26.1.2017). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 12.4.2022).
Die am 7.9.2021 gebildete Übergangsregierung der Taliban umfasste nur drei Vertreter der usbekischen bzw. der tadschikischen Minderheiten, durch weitere Ernennungen kamen mittlerweile wenige weitere, darunter ein Vertreter der Hazara, hinzu (AA 21.10.2021).
Darüber hinaus unterliegen - soweit bislang erkennbar - ethnische Minderheiten, aber keiner grundsätzlichen Verfolgung durch die Taliban, solange sie deren Machtanspruch akzeptieren (AA 21.10.2021). So waren zum Beispiel am 20.12.2021 alle 34 Provinzgouverneure männlich und überwiegend Paschtunen, während andere ethnische Gruppen kaum vertreten waren (UNGASC 28.1.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.10.2021): Bericht über die Lage in Afghanistan (Stand: 21.10.2021), https://www.ecoi.net/en/document/2062872.html , Zugriff 4.11.2021
CIA - Central Intelligence Agency [USA] (23.8.2021): The World Factbook - Afghanistan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/afghanistan/#people-and-society , Zugriff 2.9.2021
Karrell, Daniel (26.1.2017): Ethnic Political Mobilization in Contemporary Afghanistan: An Interview with Abdul Rahman Rahmani, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/sena.12216 , Zugriff 15.9.2021 [liegt im Archiv der Staatendokumentation auf]
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Tadschiken
Letzte Änderung: 04.05.2022
Die Volksgruppe der Tadschiken ist die zweitgrößte Volksgruppe in Afghanistan (MRG o.D.d; vgl. RFE/RL 9.8.2019). Sie machen etwa 27 bis 30% der afghanischen Bevölkerung aus. Während sie in der vor-sowjetischen Ära hauptsächlich in den Städten, in und um Kabul und in der bergigen Region Badakhshan im Nordosten siedelten, leben sie heute in verschiedenen Gebieten im ganzen Land, allerdings hauptsächlich im Norden, Nordosten und Westen Afghanistans (MRG o.D.d).
Als rein sesshaftes Volk kennen die Tadschiken im Gegensatz zu den Paschtunen keine Stammesorganisation (MRG o.D.d). Heute werden unter dem Terminus tājik - „Tadschike“ - fast alle dari/persisch sprechenden Personen Afghanistans, mit Ausnahme der Hazara, zusammengefasst (STDOK 7.2016).
Quellen:
MRG - Minority Rights Group (o.D.d): Afghanistan - Tajiks, https://minorityrights.org/minorities/tajiks/ , Zugriff 27.1.2022
RFE/RL - Radio Free Europe Radio Liberty (9.8.2019): Who's Who Among The Afghan Presidential Candidates, https://www.rferl.org/a/afghan-presidential-election-candidates/30102105.html , Zugriff 2.9.2021
STDOK - Staatendokumentation des BFA (7.2016): AfPak - Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur, https://www.ecoi.net/en/file/local/1236701/90_1470057716_afgh-stammes-und-clanstruktur-onlineversion-2016-07.pdf , Zugriff 2.9.2021
IDPs und Flüchtlinge
Letzte Änderung: 04.05.2022
Die Mehrheit der Binnenflüchtlinge lebt, ähnlich wie Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran, in Flüchtlingslagern, angemieteten Unterkünften oder bei Gastfamilien. Die Bedingungen sind prekär. Der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und wirtschaftlicher Teilhabe ist stark eingeschränkt. Der hohe Konkurrenzdruck führt oft zu Konflikten (AA 16.7.2021).
Der begrenzte Zugang zu humanitären Hilfeleistungen führte vor der Machtübernahme durch die Taliban zu Verzögerungen bei der Identifizierung, Einschätzung und zeitnahen Unterstützung von Binnenvertriebenen. Diesen fehlte weiterhin Zugang zu grundlegendem Schutz, einschließlich der persönlichen und physischen Sicherheit sowie Unterkunft (USDOS 12.4.2022).
IDPs waren in den Möglichkeiten eingeschränkt, ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Oft kam es nach der ersten Binnenvertreibung zu einer weiteren Binnenwanderung. Vor allem binnenvertriebene Familien mit einem weiblichen Haushaltsvorstand hatten oft Schwierigkeiten, grundlegende Dienstleistungen zu erhalten, weil sie keine Identitätsdokumente besitzen (USDOS 12.4.2022). Das Einkommen von Binnenvertriebenen und Rückkehrern war gering, da die Mehrheit der Menschen innerhalb dieser Gemeinschaften von Tagelöhnern und/oder Überweisungen von Verwandten im Ausland abhängig war, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten (Halle 12.2020).
Die vier Millionen Binnenvertriebenen in Afghanistan leben unter Bedingungen, die sich perfekt für die schnelle Übertragung eines Virus wie COVID-19 eignen. Die Lager sind beengt, unhygienisch und es fehlt selbst an den grundlegendsten medizinischen Einrichtungen. Sie leben in Hütten aus Lehm, Pfählen und Plastikplanen, in denen bis zu zehn Personen in nur einem oder zwei Räumen untergebracht sind, und sind nicht in der Lage, soziale Distanzierung und Quarantäne zu praktizieren (AI 30.3.2021). Der Zugang zur Gesundheitsversorgung war für Binnenvertriebene und Rückkehrer bereits vor der COVID-19-Pandemie eingeschränkt. Seit Beginn der Pandemie hat sich der Zugang weiter verschlechtert, da einige medizinische Zentren in COVID-19-Behandlungszentren umgewandelt wurden und die Finanzierung der humanitären Hilfe zurückging (Halle 12.2020).
Nach der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021
736.889 Menschen sind seit Anfang 2021 [Anm.: bis 13.3.2022] in Afghanistan intern vertrieben worden, 72.487 bislang im Jahr 2022 (UNHCR 15.3.2022). Im gesamten Jahr 2021 waren es 682,031 Menschen (AI 29.3.2022). Im Jahr 2020 hatte UNOCHA 332.902 Menschen als neue Binnenvertriebene aufgrund des Konflikts und von Naturkatastrophen bestätigt (UNOCHA 27.12.2020; vgl. NRC 11.2020, AI 30.3.2021). Bis Oktober 2021 stieg die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen auf mehr als 3,5 Millionen Menschen (AA 21.10.2021). Ihre genaue Zahl lässt sich jedoch nicht bestimmen (STDOK 10.2020).
Die Unsicherheit ist nicht der einzige Faktor, der die Menschen zwingt, ihre Häuser zu verlassen (UNHCR 15.10.2021; vgl. NH 30.8.2021, UNGASC 28.1.2022). Die Wirtschafts- und Liquiditätskrise seit der Machtübernahme durch die Taliban, die geringeren landwirtschaftlichen Erträge aufgrund der Dürre, die unzuverlässige Stromversorgung und die sich verschlechternde Infrastruktur sowie die anhaltende COVID-19-Pandemie haben die humanitäre Krise verschärft (USDOS 12.4.2022). Darüber hinaus erlebte Afghanistan 2021 die zweite schwere Dürre innerhalb von vier Jahren, die die Nahrungsmittelproduktion stark beeinträchtigte (UNHCR 15.10.2021; vgl. NH 30.8.2021, UNGASC 28.1.2022).
Nachdem die Taliban die Kontrolle über Afghanistan übernommen haben, sind Tausende von Menschen über die Grenze von Chaman ins benachbarte Pakistan (BBC 1.9.2021) oder über den Grenzübergang Islam Qala in den Iran geflohen (DZ 1.9.2021). Insgesamt 32 von 34 Provinzen haben ein gewisses Maß an Vertreibung zu verzeichnen (IOM 19.8.2021). Ein ehemaliger US-Militärvertreter erklärte, Überlandverbindungen seien riskant, aber zurzeit die einzige Möglichkeit zur Flucht. Laut US-Militärkreisen haben die Taliban weitere Kontrollpunkte auf den Hauptstraßen nach Usbekistan und Tadschikistan errichtet. Die Taliban verbieten zudem Frauen, ohne männliche Begleitung zu reisen (DZ 1.9.2021).
Nach dem Ende der gewaltsamen Auseinandersetzungen in weiten Teilen des Landes gibt es erste Anzeichen für eine Rückkehr Binnenvertriebener in ihre Heimatprovinzen (AA 21.10.2021; vgl. UNHCR 27.2.2022). Die Taliban haben internationale Organisationen der humanitären Hilfe um Unterstützung bei der Rückführung Binnenvertriebener gebeten, die selbst in der Regel nicht über ausreichende Mittel zur Rückkehr verfügen (AA 21.10.2021).
Aufgrund des Winter gingen viele Binnenflüchtlinge nach Kabul, wo sie auf Hilfe hofften (UNHCR 15.10.2021). Das Ministerium für Flüchtlingsangelegenheiten der Übergangsregierung der Taliban hat zusammen mit einer Reihe von Hilfsorganisationen mit der Umsiedlung von Tausenden von Binnenvertriebenen im Oktober begonnen, die zumeist aus Behelfsunterkünften in Kabul in ihre Heimatprovinzen umgesiedelt wurden (XI 5.10.2021; vgl. KP 3.10.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.10.2021): Bericht über die Lage in Afghanistan (Stand: 21.10.2021), https://www.ecoi.net/en/document/2062872.html , Zugriff 4.11.2021
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (16.7.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Mai 2021), https://www.ecoi.net/en/document/2057829.html , Zugriff 6.9.2021
AI - Amnesty International (29.3.2022): AFGHANISTAN 2021, https://www.amnesty.org/en/location/asia-and-the-pacific/south-asia/afghanistan/report-afghanistan/ . Zugriff 6.4.2022
AI - Amnesty International (30.3.2021): Afghanistan: Country’s four million internally displaced need urgent support amid pandemic, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2021/03/afghanistan-countrys-four-million-internally-displaced-need-urgent-support-amid-pandemic/#:~:text=The%20Afghan%20government%20and%20the ,a%20new%20briefing%20published%20today, Zugriff 6.9.2021
AJ - Al Jazeera (19.8.2021): Afghanistan’s Central Asian neighbours panic, reject refugees, https://www.aljazeera.com/news/2021/8/19/afghanistans-ex-soviet-neighbours-panic-reject-refugees , Zugriff 8.9.2021
BBC - British Broadcasting Corporation (1.9.2021): Afghanistan: Fleeing the Taliban into Pakistan and leaving dreams behind, https://www.bbc.com/news/world-asia-58380551 , Zugriff 7.9.2021
Hall, Samuel (12.2020): COVID-19, Displacement & Older People in Afghanistan, https://static1.squarespace.com/static/5cfe2c8927234e0001688343/t/5ffeb27c3028704f5e2a2253/1610527359472/HelpAge_UNFPA_OlderIDPs+Returnees_Afghanistan_FINAL+FORMAT_3.pdf , Zugriff 6.9.2021
DZ - Die Zeit (1.9.2021): Afghanen drängen an Grenzen zu Pakistan und zum Iran, https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-09/afghanistan-flucht-luftbruecke-grenze-iran-taliban , Zugriff 8.9.2021
IOM - International Organization for Migration (19.8.2021): Afghanistan Situation Report #1, https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-situation-situation-report-1-19-august-2021 , Zugriff 7.9.2021
KP - Khaama Press (3.10.2021): Taliban begins relocating thousands of IDPs from Kabul, https://www.khaama.com/taliban-begins-relocating-thousands-of-idps-from-kabul-78658658/ , Zugriff 2.12.2021
NH- New Humanitarian, The (30.8.2021): The shrinking options for Afghans escaping Taliban rule, https://www.thenewhumanitarian.org/analysis/2021/8/30/Afghan-refugees-escape-Taliban-rule , Zugriff 8.9.2021
NRC - Norwegian Refugee Council (11.2020): NRC’s operations in Afghanistan, https://www.nrc.no/globalassets/pdf/fact-sheets/2020/factsheet_afghanistan_nov2020.pdf , Zugriff 6.9.2021
RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (2.9.2021): Interior Minister Says Tajikistan Unable To Host Many Afghan Refugees, https://www.rferl.org/a/tajikistan-no-refugees-afghanistan/31440251.html ,.Zugriff 8.9.2021
REU - Reuters (2.9.2021): Tajikistan can't afford to take in Afghan refugees without help -police chief, https://www.reuters.com/world/asia-pacific/tajikistan-cant-afford-take-afghan-refugees-without-help-police-chief-2021-09-02/ , Zugriff 2.9.2021
STDOK - Staatendokumentation des BFA [Rasuly-Paleczek Gabriele - Österreich] (10.2020): Die aktuelle sozioökonomische Lage in Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038971/AFGH_THEM_Die+aktuelle+sozio%C3%B6konomische+Lage+in+Afghanistan+%28Rasuly-Paleczek%29_2020-09.pdf , Zugriff 6.9.2021
UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (28.1.2022): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, https://www.ecoi.net/en/file/local/2067517/A_76_667--S_2022_64-EN.pdf , Zugriff 11.3.2022
UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (15.3.2022): KEY DISPLACEMENT FIGURES, https://www.ecoi.net/en/file/local/2070099/2022.03.15+EXTERNAL+AFG+Situation+Emergency+Update.pdf , Zugriff 8.4.2022
UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (27.2.2022): Afghanistan situation: Emergency preparedness and response in Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2068675/UNHCR+Iran+-+Afghanistan+Situation+Update+22.pdf , Zugriff 11.3.2022
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UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (26.11.2021): Weekly Humanitarian Update (15-21 November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2064469/afghanistan_humanitarian_weekly_21_november_2021.pdf , Zugriff 2.12.2021
UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (27.12.2020): Weekly Humanitarian Update (21 - 27 December 2020), https://www.ecoi.net/en/document/2043251.html , Zugriff 6.9.2021
USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Afghanistan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2022/03/313615_AFGHANISTAN-2021-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 14.4.2022
XI - Xinhua News Agency (5.10.2021): Feature: Displaced Afghans face harsh challenges, eager to leave makeshifts, http://www.xinhuanet.com/english/asiapacific/2021-10/05/c_1310227410.htm , Zugriff 2.12.2021
Afghanische Flüchtlinge in Iran und Pakistan
Iran
Letzte Änderung: 04.05.2022
Anm.: Das Unterkapitel "Iran" des Kapitels "Afghanische Flüchtlinge in Iran und Pakistan" entspricht inhaltlich dem Kapitel "Flüchtlinge" der Version 4 der Länderinformation zu Iran (Veröffentlichungsdatum 22.12.2021).
Iran hat die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet und übernimmt seit mehr als drei Jahrzehnten Verantwortung für afghanische und irakische Flüchtlinge im Land (AA 28.1.2022; vgl. ÖB Teheran 11.2021). Die Behörden arbeiten mit dem Büro von UNHCR zusammen, um afghanischen und irakischen Flüchtlingen Hilfe bereitzustellen (USDOS 30.3.2021; vgl. UNHCR 30.9.2020), vor allem in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Lebensunterhalt (UNHCR 2020). Die iranische Regierung ist über das Amt für Ausländer- und Einwanderungsangelegenheiten (BAFIA) für die Registrierung von Asylwerbern und Flüchtlingen sowie für die Feststellung des Flüchtlingsstatus in Iran gemäß den iranischen Rechtsvorschriften zuständig. UNHCR in Iran nimmt keine Asylanträge an und entscheidet nicht über Asylanträge (UNHCR 26.9.2021).
Von den Flüchtlingen stellen die afghanischen weiterhin die größte Gruppe, gefolgt von irakischen. Insgesamt ist Iran eines der größten Aufnahmeländer für Flüchtlinge weltweit (GIZ 12.2020c). In Iran halten sich ca. 3-4,5 Millionen Afghanen auf, wobei ca. 300.000 seit Machtergreifung der Taliban Anfang August 2021 nach Iran geflohen sind (ÖB Teheran 11.2021). Einem eingeschränkten Kreis von 800.000 Amayesh-Karteninhaberinnen und -inhabern, die Zugang zu Gesundheitsdiensten und zum Bildungssystem haben, stehen laut UNHCR 2,6 Mio. nicht registrierte Flüchtlinge und 586.000 Afghanen mit Pass und Visum gegenüber (AA 28.1.2022). Internationale Organisationen wie UNHCR und NGOs bestätigen, dass Iran afghanische Flüchtlinge einerseits in den vergangenen Jahren sehr großzügig aufgenommen und behandelt, andererseits aber sehr wenig internationale Unterstützung erhalten hat (ÖB Teheran 11.2021). Vor dem Hintergrund der faktischen Machtübernahme der Taliban in Afghanistan rechnet die iranische Regierung mit einer Massenfluchtbewegung aus dem Nachbarland und betont mit Blick auf die Wirtschaftslage und die anhaltende COVID-19-Pandemie, dass die Aufnahmekapazität erreicht sei. Deshalb fordert Iran substanzielle finanzielle Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft. UNHCR beobachtet ein erhöhtes Fluchtaufkommen, insb. über illegale Schleuserrouten (AA 28.1.2022).
Mit der Durchführung des Amayesh-Programms für Flüchtlinge in Iran wurde in der Zeit von 2001 bis 2003 begonnen. Im Jahr 2001 begann man mit den Vorregistrierungen und im Jahr 2003 wurde die erste Amayesh-Runde durchgeführt. Die Personen, die durch das Programm registriert worden sind, bekamen sogenannte Amayesh-Karten ausgestellt, die unter anderem das Recht auf medizinische Versorgung und Ausbildung einschließen. Die Amayesh-Karten haben eine begrenzte Gültigkeit und um ihren legalen Status in Iran nicht zu verlieren, müssen sich Amayesh-registrierte Personen bei jeder Registrierungsrunde, die in Iran durchgeführt wird, erneut registrieren. Der Prozess zur erneuten Registrierung ist immer noch mit Schwierigkeiten und unterschiedlichen Ausgaben verbunden, die in den unterschiedlichen Provinzen variieren können. Normalerweise geschieht die Erneuerung jedes Jahr, die Kosten liegen bei 200-300 US-Dollar für eine Familie mit fünf Personen (hierin sind die Kosten für die Arbeitserlaubnis für eine Person sowie die Provinzsteuer inkludiert). Die iranischen Behörden geben im Internet bekannt, wenn es Zeit für eine neue Amayesh-Runde ist. Sie informieren auch über andere Regeln online und erwarten, dass sich die Betroffenen auf dem Laufenden halten, was nicht immer der Fall ist. Hilfsorganisationen richten sich mit extra Information an die am meisten schutzbedürftigen Gruppen, damit sie nicht verpassen, sich erneut für eine neue Amayesh-Karte oder den Schulbesuch der Kinder zu registrieren (Lifos 10.4.2018).
Die Afghanen, die vor 2001 nach Iran gekommen sind, werden - vorausgesetzt, dass sie sich bei sämtlichen Amayesh-Registrierungen registriert haben - von den iranischen Behörden als Flüchtlinge betrachtet. Das Amayesh-System ist aber kein offenes System, was bedeutet, dass neu eingereiste Afghanen kein Asyl in Iran beantragen können. Seit 2001 werden im Prinzip keine Neuregistrierungen mehr vorgenommen. Zu den Ausnahmen gehören wenige, besonders schutzbedürftige Fälle. Kinder von Amayesh-registrierten Eltern werden registriert (Lifos 10.4.2018). Die Behörden erlauben aber auch unregistrierten afghanischen Kindern den Schulbesuch (HRW 14.5.2019; vgl. ÖB Teheran 11.2021). Wenn eine Person ihren Amayesh-Status infolge einer verpassten Registrierung verliert, gibt es keine Möglichkeit zur erneuten Registrierung. Amayesh-Registrierte verlieren ihren Status, wenn sie Iran verlassen, weil der Amayesh-Status keine Ausreise erlaubt (Lifos 10.4.2018).
Amayesh-registrierte Afghanen haben das Recht, eine Arbeitsgenehmigung zu beantragen (Lifos 10.4.2018; vgl. ÖB Teheran 11.2021). Männer im Alter von 18 bis 65 sind dazu verpflichtet, dieses in Zusammenhang mit der Amayesh-Registrierung zu tun. Amayesh-registrierte Frauen können keine offizielle Arbeitserlaubnis in Iran beantragen, aber in der Praxis arbeiten auch einige afghanische Frauen - oft zu Hause. Der Arbeitsmarkt für Afghanen in Iran ist reguliert und Afghanen haben das Recht, in 87 verschiedenen Berufen zu arbeiten. Ein Problem für Amayesh-registrierte, ausgebildete Personen ist, dass die Einschränkungen auf dem Arbeitsmarkt bedeuten können, dass sie nicht in dem Bereich arbeiten können, für den sie ausgebildet sind. Was den Zugang der afghanischen Bevölkerung zum Arbeitsmarkt sowie die Möglichkeiten ihren Lebensunterhalt zu verdienen angeht, haben die iranischen Behörden in den letzten Jahren frühere Restriktionen verringert. In einzelnen Fällen, wo eine Amayesh-registrierte Person eine gewisse Berufskompetenz besitzt, die nicht unter die 87 erlaubten Berufe fällt, kann eine Ausnahme gestattet werden (Lifos 10.4.2018). Gemäß einem anderen Bericht gehen die meisten Flüchtlinge jedoch eher minderwertigen und schlecht bezahlten Arbeiten v.a. im informellen Sektor (Bau, Reinigung/Müllabfuhr oder Landwirtschaft) nach, die offiziell versicherungspflichtig sind, während eine Beschäftigung in hochqualifizierten Berufen nicht erlaubt ist (AA 28.1.2022).
Als Teil der Bestrebungen der iranischen Behörden, Kontrolle über die sich illegal im Land aufhaltenden Afghanen zu bekommen, wurde 2017 ein Programm zur Identifikation und Registrierung afghanischer Staatsbürger durchgeführt. Dieser sogenannte 'headcount' richtete sich zu Beginn nur auf Afghanen, wurde aber später auch auf irakische Staatsbürger im Land ausgeweitet. Bis Mitte September 2017 wurden durch dieses Programm ca. 800.000 ausländische Staatsbürger mit illegalem Aufenthalt im Land identifiziert. Hinsichtlich sich illegal im Land aufhaltender Afghanen wurde das Hauptaugenmerk in der ersten Runde auf drei besondere Kategorien gerichtet:
Unregistrierte Afghanen mit in die Schule gehenden Kindern;
Unregistrierte Afghanen, die mit Amayesh-registrierten Personen verheiratet sind;
Unregistrierte Afghanen, die mit iranischen Staatsbürgern verheiratet sind (Lifos 10.4.2018).
Personen aus diesen Kategorien, die eine dem Programm entsprechende Identifikation durchlaufen haben, haben einen Papierbeleg (headcount slip) erhalten, der sie bis auf Weiteres davor schützt, aus Iran deportiert zu werden. Die Möglichkeit zur Teilnahme an dem Programm wurde auf früher Amayesh-registrierte Personen oder Visumsinhaber, die ihren Status aus irgendeinem Grund verloren haben, ausgeweitet. Der Fokus der iranischen Behörden liegt darauf, den Aufenthalt der Afghanen, die sich illegal im Land befinden, zu erfassen und zu regulieren, und nicht auf Deportationen (Lifos 10.4.2018). Infolge eines Dekrets des Obersten Revolutionsführers aus dem Jahr 2015 sind aktuell 500.080 afghanische und irakische Flüchtlingskinder, darunter 185.000 ohne offiziellen Flüchtlingsstatus, an iranischen Schulen eingeschrieben. Neben dem Schutz vor Abschiebungen für die ganze Familie geht damit der Zugang zu einer besseren Grundversorgung mit Nahrungsmitteln sowie Beratung und Gesundheitsfürsorge einher (AA 28.1.2022). Auch die Schulgebühren für Flüchtlingskinder wurden 2016 aufgehoben. Dennoch finden nicht alle Kinder einen Schulplatz, auch weil erschwingliche Transportmöglichkeiten zur nächsten Schule fehlen (ÖB Teheran 11.2021; vgl. ACCORD 5.2020), die Kinder illegal arbeiten geschickt werden, die allgemeine Einschreibegebühr von umgerechnet 60 USD zu hoch ist, oder Eltern iranischer Kinder gegen die Aufnahme von afghanischen Kindern sind (ÖB Teheran 11.2021). Flüchtlingskinder lernen Seite an Seite mit ihren iranischen Klassenkameraden nach dem iranischen Lehrplan. Allein im Jahr 2019 schuf Iran in seinen Schulen Platz für etwa 60.000 zusätzliche afghanische Schüler. Es gibt einige von der afghanischen Gemeinschaft betriebene Schulen, in denen in Dari oder anderen in Afghanistan gesprochenen Sprachen unterrichtet wird, aber diese Schulen wurden erst vor Kurzem offiziell anerkannt, nachdem sie zuvor regelmäßig von den Behörden geschlossen wurden (ACCORD 5.2020). Auch der Zugang zu höherer Bildung ist möglich, dafür muss jedoch der Flüchtlingsstatus aufgegeben, und ein Studentenvisum beantragt werden. Nach dem Studium besteht daher die Gefahr, keine Aufenthaltserlaubnis mehr zu erlangen. Infolgedessen beantragen viele stattdessen Asyl in Europa, um dort ihre Ausbildung fortzusetzen, obwohl sie dies lieber in Iran gemacht hätten (ÖB Teheran 11.2021).
Die Krankenversicherungsleistungen für registrierte Flüchtlinge sollen erweitert und möglichst alle Flüchtlinge in medizinische Betreuungsmaßnahmen aufgenommen werden. Dazu bedient sich die Flüchtlingsbehörde BAFIA zunehmend eines Überweisungssystems von besonders schwierigen Fällen an internationale NGOs oder den UNHCR. Dieser ist mit Gesundheitsstationen in 18 Provinzen tätig und leistet mit einem zusätzlichen Versicherungsangebot innerhalb des bestehenden Salamat-System (UPHI) im aktuellen 7. Zyklus, der am 24.02.2022 abläuft, Hilfe in bis zu 120.000 Härtefällen. Zudem sind Flüchtlinge Teil der staatlichen COVID-19-Impfkampagne. Bis Ende September hatten ca. 500.000 Personen die Erstdosis erhalten (AA 28.1.2022). Afghanen haben auch ohne Aufenthaltstitel Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Medizinische Grundversorgung ist für alle Menschen in Iran gratis zugänglich, nicht registrierte Flüchtlinge haben jedoch oft Angst, abgeschoben zu werden, und nehmen diese nicht in Anspruch. Seit 2016 können sich alle registrierten Flüchtlinge in der staatlichen Krankenversicherung registrieren, müssen allerdings eine Gebühr zahlen, die sich viele nicht leisten können. UNHCR zahlt diese Gebühr für die vulnerabelsten Flüchtlinge (ÖB Teheran 11.2021). 120.000 Flüchtlinge wurden von UNHCR beim Zugang zur iranischen Krankenversicherung unterstützt. Die Krankenversicherung zielt darauf ab, den am stärksten gefährdeten afghanischen Flüchtlingen den nötigen Zugang zu medizinischer Versorgung zu ermöglichen. UNHCR übernahm die Kosten für die Versicherungsprämien der schutzbedürftigen Flüchtlinge, die 2020 in der iranischen Allgemeinen Krankenversicherung (UPHI) eingeschrieben waren. Angesichts der COVID-19-Pandemie und des anhaltenden wirtschaftlichen Abschwungs in Iran hat UNHCR die Zahl der von dem Programm erfassten Flüchtlinge vorübergehend erhöht. Trotz der Herausforderungen gewährt Iran den Flüchtlingen weiterhin großzügig Zugang zu Bildung und Gesundheitsdiensten. Iran ist eines von nur einer Handvoll Ländern auf der Welt, die Flüchtlingen die Möglichkeit bietet, sich wie iranische Staatsangehörige in eine nationale Krankenversicherung für wesentliche sekundäre und tertiäre öffentliche Gesundheitsdienste einzuschreiben. Das nationale Versicherungssystem ermöglicht eine kostenlose COVID-19-Behandlung und Krankenhausaufenthalte. Es subventioniert auch die Kosten für Operationen, Dialyse, Radiologie, Labortests, ambulante Versorgung und mehr. Viele Flüchtlinge können sich die Prämienkosten jedoch nicht leisten. Die Auswirkungen der Pandemie auf den Lebensunterhalt sind besonders schwerwiegend für Flüchtlinge, die oft auf prekäre und instabile Arbeitsplätze angewiesen sind. Viele können ihre Grundbedürfnisse nicht mehr decken, geschweige denn die Kosten für die Krankenversicherung, die schätzungsweise rund 40% der monatlichen Ausgaben einer durchschnittlichen Flüchtlingsfamilie ausmachen (UNHCR 6.4.2021).
Seit Beginn der Corona-Pandemie gab die Regierung immer wieder bekannt, dass die Behandlung für ausländische COVID-19-Patienten kostenlos erfolge. Mit Unterstützung des GAVI-COVAX-Mechanismus erhält Iran mittlerweile auch kostenlose Impfstoffe zum Impfen für die Afghanen im Land (ÖB Teheran 11.2021).
Kulturell, sprachlich, religiös und in den Grenzbereichen auch ethnisch bestehen Gemeinsamkeiten zwischen Iranern und Afghanen. Iranische Behörden fürchten jedoch einen noch größeren Zustrom von Afghanen in den kommenden Monaten und verweisen auf die bereits große afghanische Gemeinde in Iran, die schlechte Wirtschaftslage angesichts der US-Sanktionen und die Auswirkungen der COVID-Pandemie. Es werden Spannungen zwischen residenter Bevölkerung und den Neuankömmlingen befürchtet. Bereits bisher werden Afghanen teilweise diskriminiert, und es kommt zu Protesten gegen Afghanen, z.B. gegen die Aufnahme afghanischer Kinder an Schulen (ÖB Teheran 11.2021). Die meisten Flüchtlinge sind im Großen und Ganzen - auch wenn sie zum Teil bereits in der zweiten Generation in Iran leben - wenig integriert (AA 28.1.2022). Neu angekommene Afghanen haben meist keine Probleme, in Iran eine Wohnung zu finden. Dies liegt daran, dass die afghanische Gesellschaft eine starke Netzwerkgesellschaft mit festen Beziehungen innerhalb der Netzwerke ist. Diejenigen, die nach Iran kommen, haben oft bereits Familienmitglieder im Land, bei denen sie wohnen können. Afghanen in Iran unterstützen sich gegenseitig und dieses kann auch für Personen gelten, die nicht miteinander verwandt sind. Viele Afghanen mieten große Wohnungen und es können viele Personen in einem Haushalt wohnen. Afghanen in Iran haben ungeachtet dessen, ob sie Amayesh-registriert sind oder nicht, nicht das Recht dazu, ein Haus oder eine Wohnung zu besitzen, sondern können diese nur mieten. Die Wohnungskosten stellen einen der größten Ausgabenposten für Afghanen in Iran dar. Bei der Anmietung eines Hauses wird eine Kaution an den Besitzer bezahlt und je größer die Kaution, die hinterlegt werden kann, desto billiger werden die Mietkosten (Lifos 10.4.2018).
Hochzeiten zwischen Iranern und afghanischen Flüchtlingen sind, obwohl keine Seltenheit, schwierig, da die iranischen Behörden dafür Dokumente der Botschaft oder der afghanischen Behörden benötigen. Staatenlosen wird von einigen Provinzverwaltungen Zugang zur öffentlichen Grundversorgung und das Ausstellen von Reisedokumenten und sonstigen Papieren verwehrt; eine einheitliche Praxis fehlt (ÖB Teheran 11.2021). Mittlerweile ist es möglich, dass iranische Frauen ihre Staatsbürgerschaft an Kinder mit einem ausländischen Vater weitergeben können [vgl. hierzu Kapitel Frauen im COI-CMS Iran] (ÖB Teheran 11.2021; vgl. USDOS 31.3.2021).
Die Revolutionsgarden sollen Tausende von in Iran lebenden afghanischen Migranten mithilfe von Zwangsmaßnahmen für den Kampf in Syrien rekrutiert haben. Human Rights Watch berichtete, dass sich unter den Rekrutierten auch Kinder im Alter von 14 Jahren befinden (FH 28.2.2022; vgl. USDOS 30.3.2021).
Die freiwillige Rückkehr registrierter afghanischer Flüchtlinge sank 2021 mit 800 Personen weiter (Vergleichszeitraum 2020: 947). Nach Angaben des UNHCR erfolgten 60% dieser Ausreisen durch Studierende in der Absicht, mit einem entsprechenden Visum wieder in den Iran einzureisen. Seit Jahresbeginn 2021 sind laut IOM bislang (Stand November 2021) mit 1.063.393 erneut mehr nicht registrierte Afghanen aus dem Iran nach Afghanistan zurückgekehrt. UNHCR führt dies auf die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage in Iran sowie die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zurück (AA 28.1.2022). Von 1.1.2021 bis 28.2.2022 haben 34.185 in Iran ankommende Afghanen bei UNHCR um Unterstützung und Hilfe angesucht. Für den Grenzübertritt wird ein Pass sowie gültiges Visum verlangt (UNHCR 8.3.2022). Infolgedessen meldete UNHCR im September 2021 eine Zunahme der Bewegungen von Afghanen ohne Papiere, die auf dem Landweg irreguläre Grenzübertritte nach Iran vornehmen (AI 10.2021; vgl. AA 28.1.2022).
Am 8.2.2022 wurde berichtet, dass nach Angaben von Beamten der Abteilung für Flüchtlinge und Repatriierung in Herat in Afghanistan in den letzten sechs Monaten fast 100 afghanische Flüchtlinge von iranischen Sicherheitskräften getötet worden seien (UNHCR 27.2.2022). Im Mai 2020 griffen iranische Grenzposten zahlreiche Afghanen auf, darunter auch Minderjährige, die auf der Suche nach Arbeit die Grenze überschritten hatten. Die Personen wurden geschlagen und mit vorgehaltener Waffe in den iranisch-afghanischen Grenzfluss Hariroud gezwungen. Dabei ertranken mehrere Menschen. Die Behörden wiesen jede Verantwortung für den Vorfall zurück (AI 7.4.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Iran (Stand: 23.12.2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2068037/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Iran_%28Stand_23.12.2021%29%2C_28.01.2022.pdf , Zugriff 11.3.2022
ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (5.2020): Das Schulsystem im Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2030055/Schulsystem+Iran_Mai+2020.pdf , Zugriff 13.1.2020
AI - Amnesty International (10.2021): Like an obstacle course: Few routes to safety for Afghans trying to flee their country [ASA 11/4832/2021], https://www.ecoi.net/en/file/local/2062588/ASA1148322021ENGLISH.pdf , Zugriff 11.3.2022
AI - Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 29.4.2021
FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Iran, https://freedomhouse.org/country/iran/freedom-world/2022 , Zugriff 11.3.2022
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 30.12.2020
HRW - Human Rights Watch (14.5.2019): Iran: Parliament OKs Nationality Law Reform, https://www.ecoi.net/de/dokument/2008705.html , Zugriff 28.4.2021
Lifos - Lifos/Migrationsverket [Schweden] (10.4.2018): Afghanistan: Afghanen im Iran [Original: Afghaner i Iran]. Arbeitsübersetzung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [Österreich], https://www.ecoi.net/en/file/local/1434046/5818_1528099872_afgh-ba-analysen-afghanen-im-iran-2018-05.pdf , Zugriff 28.4.2020
ÖB Teheran - Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_%C3%96B-Bericht_2021.pdf , Zugriff 17.12.2021
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (8.3.2022): Afghanistan situation: Emergency preparedness and response in Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069212/UNHCR+Iran+-+Afghanistan+Situation+Update+-+22-28+Febreuary+.pdf , Zugriff 11.3.2022
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (27.2.2022): Afghanistan situation: Emergency preparedness and response in Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2068675/UNHCR+Iran+-+Afghanistan+Situation+Update+22.pdf , Zugriff 11.3.2022
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (26.9.2021): Announcement on Services Available for the Undocumented, https://www.ecoi.net/de/dokument/2060978.html , Zugriff 26.11.2021
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (6.4.2021): 120,000 refugees assisted to access Iran’s health insurance scheme, https://www.unhcr.org/news/briefing/2021/4/606c19ad4/120000-refugees-assisted-access-irans-health-insurance-scheme.html , Zugriff 17.5.2021
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (30.9.2020): Iran, Afghan Voluntary Repatriation - Jan to Sep 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2039223/IRN+VolRep+September+2020+-+EXT.pdf , Zugriff 13.1.2021
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (2020): Iran. Year in Review 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2047227/IRN+Year+in+Review+2020.pdf , Zugriff 26.11.2021
USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 5.5.2021
Grundversorgung und Wirtschaft
Letzte Änderung: 09.08.2022
Trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der afghanischen Regierung und kontinuierlicher Fortschritte belegte Afghanistan 2020 lediglich Platz 169 von 189 des Human Development Index (UNDP o.D.). Afghanistan ist mit mehreren Krisen konfrontiert: einer wachsenden humanitären Notlage, massiver wirtschaftlicher Rückgang, die Lähmung des Banken- und Finanzsystems und die Tatsache, dass eine inklusive Regierung noch gebildet werden muss (UNGASC 28.1.2022).
Lebensgrundlage für rund 80 % der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (FAO 23.11.2018; vgl. Haider/Kumar 2018), wobei der landwirtschaftliche Sektor gemäß Prognosen der Weltbank im Jahr 2019 einen Anteil von 18,7 % am Bruttoinlandsprodukt (BIP) hatte (Industrie: 24,1 %, tertiärer Sektor: 53,1 %; WB 7.2019). Rund 45 % aller Beschäftigen arbeiten im Agrarsektor, 20 % sind im Dienstleistungsbereich tätig (STDOK 10.2020; vgl. CSO 2018).
Die afghanische Wirtschaft war bereits vor der Machtübernahme durch die Taliban schwach, wenig diversifiziert und in hohem Maße von ausländischen Einkünften abhängig. Diese umfasste zivile Hilfe, finanzielle Unterstützung für die afghanischen nationalen Sicherheitskräfte (ANSF) und Geld, das von ausländischen Armeen im Land ausgegeben wurde (AAN 11.11.2021).
Bevor sie die Macht übernahmen, hatten die Taliban große Teile des Landes kontrolliert oder in ihrem Einfluss und konnten die Bevölkerung und die verschiedenen wirtschaftlichen Aktivitäten, denen die Menschen dort nachgingen, "besteuern". Dazu gehörten unter anderem: die landwirtschaftliche Ernte (Ushr) [Anm.: 10 % Steuer auf landwirtschaftliche Produkte nach islamischem Recht], insbesondere Opium; der grenzüberschreitende Handel, sowohl legal als auch illegal; Bergbau; Gehälter, auch von Beamten und NGO-Mitarbeitern. Sie erzielten auch Einnahmen in Form von Schutzgeldern sowie durch die Einhebung von Geld von Reisenden an Kontrollpunkten. Die Taliban erhielten auch Spenden von afghanischen und ausländischen Anhängern (AAN 11.11.2021).
Nach der Machtübernahme der Taliban bleiben die Banken geschlossen, so haben die Vereinigten Staaten der Taliban-Regierung den Zugang zu praktisch allen Reserven der afghanischen Zentralbank in Höhe von 9 Mrd. USD (7,66 Mrd. EUR) verwehrt, die größtenteils in den USA gehalten werden. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) hat Afghanistan nach der Eroberung Kabuls durch die Taliban den Zugang zu seinen Mitteln verwehrt (DW 24.8.2021; vgl. AAN 11.11.2021). Im November 2021 sagte der Präsident der Weltbank, dass es unwahrscheinlich sei, dass sie die direkte Hilfe für Afghanistan wieder aufnehmen werde, da das Zahlungssystem des Landes Probleme aufweise (KP 9.11.2021; vgl. ANI 9.11.2021).
Die Regierung der Taliban hat einige kleine Schritte zur Bewältigung der Krise unternommen und teilweise die Arbeit mit NGOs und UN-Organisationen aufgenommen (AAN 11.11.2021). Anfang Dezember wurde berichtet, dass die Taliban begonnen haben, landesweit eine Ushr einzutreiben (BAMF 6.12.2021).
Die Vereinten Nationen warnen nachdrücklich vor einer humanitären Katastrophe, falls internationale Hilfsleistungen ausbleiben oder nicht implementiert werden können. Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen ist ebenso wie eine Reihe von UN-Unterorganisationen (z. B. WHO, WFP, UNHCR, IOM) vor Ort – mit Abstrichen – weiter arbeitsfähig. Bei einer internationalen Geberkonferenz am 13. September 2021 hat die internationale Gemeinschaft über 1 Milliarde USD an Nothilfen für Afghanistan zugesagt (AA 21.10.2021).
Die Haushalte haben Einkommensverluste erlitten und kämpfen ums Überleben, was dazu führt, dass die Familien auf problematische Bewältigungsmechanismen zurückgreifen. Eine derart ernste sozioökonomische Situation führt zu psychosozialen Problemen, geschlechtsspezifischer Gewalt und schwerwiegenden Kinderschutzproblemen, einschließlich Kinderarbeit und Ausbeutung, und verhindert den Zugang zu Bildung, da Kinder gezwungen sein können, zu arbeiten oder zu betteln (UNHCR 12.4.2022).
Laut einer Studie des UNHCR, die vom 10.10.2021 bis 31.12.2021 durchgeführt und bei der 142.182 Personen in 34 Provinzen befragt wurden, gab die Mehrheit der untersuchten Haushalte an, zum Zeitpunkt der Befragung keine humanitäre Hilfe erhalten zu haben. Von denjenigen, die Hilfe erhalten hatten, gab die Mehrheit (53 %) an, die Hilfe vor mehr als drei Monaten erhalten zu haben, und zwar in erster Linie in Form von Nahrungsmitteln, während Bargeld (das zur Deckung einer Vielzahl anderer Grundbedürfnisse verwendet werden könnte) nur für 10 % der insgesamt untersuchten Haushalte bereitgestellt wurde (UNHCR 12.4.2022).
Im Zuge einer im Auftrag der Staatendokumentation von ATR Consulting im November 2021 in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif durchgeführten Studie gaben 4 % der Befragten an, dass sie in der Lage sind, ihre Familien mit den grundlegendsten Gütern zu versorgen. In Kabul gaben 80 % der Befragten an, dass sie nicht in der Lage sind, ihren Haushalt zu versorgen, gefolgt von 66 % in Mazar-e Sharif und 45 % in Herat. Ebenso gaben 8 % der Befragten in Kabul an, dass sie kaum in der Lage sind, ihre Familien mit grundlegenden Gütern zu versorgen, gefolgt von 24 % in Mazar-e Sharif und 42 % in Herat (ATR/STDOK 18.1.2022).
Naturkatastrophen
Zu Beginn des Frühjahrs 2022 gibt es Berichte über schwere Regenfälle und Sturzfluten in Nangarhar (XI 20.3.2022; vgl. ANI 20.3.2022) und auch am 4.5.2022 wurden schwere Regenfälle und Sturzfluten in vielen Provinzen gemeldet (BAMF 9.5.2022; vgl. UNOCHA 7.5.2022), z.B. in Badakhshan, Badghis, Baghlan, Bamyan, Faryab, Herat, Jawzjan, Kunar, Kunduz, Samangan und Takhar (UNOCHA 7.5.2022).
Am 22.6.2022 ereignete sich in den Provinzen Paktika und Khost ein Erdbeben der Stärke 5,9, das schätzungsweise 770 Todesopfer und etwa 1.500 Verletzte forderte (USAID 28.6.2022; vgl. WHO 3.7.2022). Zusätzlich zu dem Erdbeben haben Sturzfluten nach schweren Regenfällen am 21.6.2022 in mindestens vier Provinzen Häuser und Lebensgrundlagen zerstört (WFP 23.6.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.10.2021): Bericht über die Lage in Afghanistan (Stand: 21.10.2021)https://www.ecoi.net/en/document/2062872.html, Zugriff 4.11.2021
AAN - Afghanistan Analysts Network (11.11.2021): Killing the Goose that Laid the Golden Egg: Afghanistan’s economic distress post-15 August, https://www.afghanistan-analysts.org/en/reports/economy-development-environment/killing-the-goose-that-laid-the-golden-egg-afghanistans-economic-distress-post-15-august/ , Zugriff 16.12.2021
ANI - Asian News International (20.3.2022): Two killed, farmlands destroyed in flash floods in Afghanistan's Nangarhar, https://www.aninews.in/news/world/asia/two-killed-farmlands-destroyed-in-flash-floods-in-afghanistans-nangarhar20220320190333/ , Zugriff 19.4.2022
ANI - Asian News International (9.11.2021): Due to challenges in Afghanistan's payment system, aid resumption to country unlikely: World Bank, https://www.aninews.in/news/world/asia/due-to-challenges-in-afghanistans-payment-system-aid-resumption-to-country-unlikely-world-bank20211109145416/ , Zugriff 24.11.2021
ATR/STDOK - ATR Consulting (Autor) / veröffentlicht von Staatendokumentation des BFA [Österreich] (18.1.2022): Dossier: Socio-Economic Surveys, Country of Origin Information (COI), https://www.ecoi.net/en/document/2066706.html , Zugriff 18.1.2022
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (9.5.2022): Briefing notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/EN/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw19-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=3 , Zugriff 17.6.2022
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (6.12.2021): Briefing Notes, imap://ft5212%40posteo%2Ede@posteo.de :993/fetch%3EUID%3E.INBOX%3E4012?part=1.2&filename=Briefing_Notes_KW49_06.12.2021_deutsch_extern.pdf&type=application/pdf, Zugriff 14.12.2021
CSO - Central Statistics Organization [jetzt NSIA - National Statistic and Information Authority - Afghanistan] (2018): Afghanistan Living Conditions Survey 2016-17, https://washdata.org/sites/default/files/documents/reports/2018-07/Afghanistan%20ALCS%202016-17%20Analysis%20report.pdf , Zugriff 6.9.2021
DW - Deutsche Welle (24.8.2021): Afghans struggle with empty ATMs, soaring prices, https://www.dw.com/en/afghans-struggle-with-empty-atms-soaring-prices/a-58968652 , Zugriff 2.9.2021
FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (23.11.2018): Afghanistan Drought Response, http://www.fao.org/fileadmin/user_upload/emergencies/docs/CA2268EN.pdf , Zugriff 24.9.2019FAO - Food and Agriculture Organizations of the United Nations (2018): Afghanistan Drought response, http://www.fao.org/fileadmin/user_upload/emergencies/docs/CA2268EN.pdf , Zugriff 6.9.2021
Haider, Mohammad H./Kumar, Sumit (2018): Poverty in Afghanistan. Basingstoke: Palgrave Macmillan, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf
KP - Khaama Press (9.11.2021): Aid resumption to Afghanistan unlikely: World Bank, https://www.khaama.com/aid-resumption-to-afghanistan-unlikely-world-bank-5745745/ , Zugriff 25.11.2021
STDOK - Staatendokumentation des BFA [Rasuly-Paleczek Gabriele - Österreich] (10.2020): Die aktuelle sozioökonomische Lage in Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038971/AFGH_THEM_Die+aktuelle+sozio%C3%B6konomische+Lage+in+Afghanistan+%28Rasuly-Paleczek%29_2020-09.pdf , Zugriff 6.9.2021
UNDP - United Nations Development Programme (o.D.): Human Development Index and its components 2020, http://hdr.undp.org/en/content/latest-human-development-index-ranking , Zugriff 6.9.2021
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USAID - United States Agency for International Development [USA] (28.6.2022): Afghanistan – Complex Emergency, https://www.ecoi.net/en/file/local/2075304/2022-06-28_USG_Afghanistan_Complex_Emergency_Fact_Sheet_8.pdf , Zugriff 26.7.2022
WB - Weltbank (7.2019): Building Confidence Amid Uncertainty, Afghanistan Development Update July 2019, http://documents.worldbank.org/curated/en/546581556051841507/pdf/Building-Confidence-Amid-Uncertainty.pdf , Zugriff 6.9.2021
WFP - World Food Program (23.6.2022): WFP Afghanistan: Situation Report 23 June 2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2075734/External+SitRep+_23.06.2022.pdf , Zugriff 26.7.2022
WHO - World Health Organisation (3.7.2022): Afghanistan: Earthquake in Paktika and Khost,https://reliefweb.int/attachments/9514c8cf-f9d1-42ef-9f55-3ab77bb307c5/WHO_HCC%20Sitrep%238_Earthquake_AFG_3JUL2022.pdf , Zugriff 26.7.2022
XI - Xinhua News Agency (20.3.2022): Flash floods kill 2, destroy farmlands in Afghanistan's eastern Nangarhar, https://english.news.cn/asiapacific/20220320/fb986500c9534b1e80f3e22df458fb87/c.html , Zugriff 19.4.2022
Armut und Lebensmittelunsicherheit
Letzte Änderung: 09.08.2022
Afghanistan kämpft weiterhin mit den Auswirkungen einer Dürre, der Aussicht auf eine weitere schlechte Ernte in diesem Jahr, einer Banken- und Finanzkrise, die so schwerwiegend ist, dass mehr als 80 % der Bevölkerung verschuldet sind, und einem Anstieg der Lebensmittel- und Kraftstoffpreise (UNOCHA 15.3.2022). 18,9 Millionen Menschen - fast die Hälfte der Bevölkerung - werden Schätzungen zufolge zwischen Juni und November 2022 von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen sein. In allen 34 Provinzen herrschte im April 2022 akute Ernährungsunsicherheit auf Krisen- oder Notfallniveau (WFP 23.6.2022). Für die breite Bevölkerung waren seit Februar jeden Monat allmähliche Verbesserungen zu beobachten. Allerdings sind Haushalte mit weiblichem Haushaltsvorstand immer noch weitgehend auf Bewältigungsstrategien angewiesen (87 %), wobei seit fast neun Monaten keine klare Tendenz zur Verbesserung zu erkennen ist (WFP 5.2022). Nach Angaben der Vereinten Nationen sind mit März 2022 die Krankenhäuser voll mit Kindern, die an Unterernährung leiden (UNOCHA 15.3.2022). Der Hunger geht weiterhin über die Kluft zwischen Stadt und Land hinaus, wobei beide Gruppen gleichermaßen betroffen sind: 92 % der Menschen in Afghanistan sind mit unzureichender Nahrungsaufnahme konfrontiert. Beide Gruppen verzeichneten im Mai einen Anstieg der ernsten Ernährungsunsicherheit (WFP 5.2022).
Die folgende Karte zeigt die Situation vom März bis Mai 2022 sowie eine Prognose für die voraussichtliche Ernährungssicherheit in Afghanistan für den Zeitraum von Juni bis November 2022 (IPC o.D.).
IPC o.D.
Nach der Machtübernahme durch die Taliban sind die Lebensmittel- und Kraftstoffpreise in die Höhe geschossen und stiegen im Mai 2022 weiter an. Da die Lebensmittelpreise steigen, wird noch mehr Haushaltseinkommen für Lebensmittel ausgegeben. Die Haushalte geben jetzt 87 % ihres Einkommens für Lebensmittel aus - gegenüber 85 % und 83 % im April bzw. März 2022. Dies geschieht vor dem Hintergrund steigender Preise für wichtige Rohstoffe, wobei Weizenmehl um 4 % und Speiseöl um 8 % im Mai 2022 gestiegen sind (WFP 5.2022).
Nachfolgend eine Tabelle mit Vergleichspreisen vor und nach der Machtübernahme durch die Taliban (RA KBL 8.11.2021, IOM 12.4.2022):
RA KBL 8.11.2021, IOM 12.4.2022; 1 USD entspricht ca 90 AFN *Preise für Kabul
Menge Preis vor 15.8.2021 Preis November 2021 (RA KBL 8.11.2021) Preis April 2022* (IOM 12.4.2022)
Kleines Brot (Naan) 1 Stück 10 AFN 10 AFN 10 AFN
Mehl 50 Kilogramm 1.700-1.900 AFN 2.150 AFN 2.500 AFN
Reis 25 Kilogramm 2.100 AFN 2.300 AFN 3.000 AFN
Bohnen 7 Kilogramm 800 AFN 800 AFN 1.200 AFN
Öl zum Kochen 5 Liter 500-800 AFN 800 AFN 1.000 AFN
Huhn 1 Kilogramm 180-200 AFN 280 AFN 240 AFN
Treibstoff (Benzin) 1 Liter 45-64 AFN 76 AFN 75 AFN
Im Zuge einer im Auftrag der Staatendokumentation von ATR Consulting im November 2021 in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif durchgeführten Studie gaben 3,6 % der Befragten an, dass sie in der Lage seien, ihre Familien ausreichend mit Lebensmitteln zu versorgen. 53 % der Befragten in Herat, 26 % in Balkh und 12 % in Kabul gaben an, sie könnten es sich nicht leisten, ihre Familien ausreichend zu ernähren. Ebenso gaben 33 % der Befragten in Herat und Balkh und 57 % der Befragten in Kabul an, dass sie kaum in der Lage sind, ihre Familien ausreichend zu ernähren (ATR/STDOK 18.1.2022).
Laut dem jüngsten Food Security Update vom März 2022 erreicht die humanitäre Hilfe von Monat zu Monat mehr Menschen. Einer von fünf Haushalten (21 Prozent) meldete, dass er im März humanitäre Nahrungsmittelhilfe erhalten hat - hauptsächlich von UN/NGOs - was einen deutlichen Anstieg gegenüber den Vormonaten darstellt. Diese Hilfe trägt dazu bei, die gravierende Ernährungsunsicherheit in mehreren Regionen (Herat, Kabul, Nordost- und Südostafghanistan) zu verringern. Bei Familien, die in diesen Regionen keine humanitäre Hilfe erhalten haben, hat sich das Niveau der schweren Ernährungsunsicherheit nicht verbessert (WFP 3.2022).
Quellen:
ATR/STDOK - ATR Consulting (Autor) / veröffentlicht von Staatendokumentation des BFA [Österreich] (18.1.2022): Dossier: Socio-Economic Surveys, Country of Origin Information (COI), https://www.ecoi.net/en/document/2066706.html , Zugriff 18.1.2022
IOM - International Organization for Migration (12.4.2022): Information on the socio-economic situation in Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2071112.html , Zugriff 12.4.2022
IPC - Integrated Food Security Phase Classification (o.D.): Afghanistan: Acute Food Insecurity Situation March - May 2022 and Projection for June 2022 - November 2022, https://www.ipcinfo.org/ipc-country-analysis/details-map/en/c/1155595/?iso3=AFG , Zugriff 4.1.2022
RA KBL - Lokaler Rechtsanwalt in Kabul (8.11.2021): Auskunft per E-Mail
UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (28.1.2022): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, https://www.ecoi.net/en/file/local/2067517/A_76_667--S_2022_64-EN.pdf , Zugriff 28.3.2022
UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (15.3.2022): Statement by Dr Ramiz Alakbarov, Deputy Special Representative for the Secretary General, Resident Coordinator and Humanitarian Coordinator, on the Continued Food Insecurity and Malnutrition Crisis Facing People in Afghanistan, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UN_RCHC_STATEMENT_AFGHANISTAN_FOOD_INSECURITY_AND_MALNUTRITION_CRISIS_15MARCH2022.pdf , Zugriff 7.4.2022
WFP - World Food Program (23.6.2022): WFP Afghanistan: Situation Report 23 June 2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2075734/External+SitRep+_23.06.2022.pdf , Zugriff 26.7.2022
WFP - World Food Program (5.2022): Afghanistan Food Security Update, https://docs.wfp.org/api/documents/WFP-0000140735/download/ , Zugriff 26.7.2022
WFP - World Food Program (3.2022): Afghanistan Food Security Update, https://docs.wfp.org/api/documents/WFP-0000138496/download/ , Zugriff 31.5.2022
Wohnungsmarkt und Lebenserhaltungskosten
Letzte Änderung: 09.08.2022
Vor der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 lag die Miete für eine Wohnung im Stadtzentrum von Kabul durchschnittlich zwischen 200 und 350 USD im Monat. Für einen angemessenen Lebensstandard musste zudem mit durchschnittlichen Lebenshaltungskosten von bis zu 350 USD pro Monat (Stand 2020) gerechnet werden (IOM 2020). Auch in Mazar-e Sharif standen zahlreiche Wohnungen zur Miete zur Verfügung. Die Höhe des Mietpreises für eine drei-Zimmer-Wohnung in Mazar-e Sharif schwankte unter anderem je nach Lage zwischen 100 und 300 USD monatlich (STDOK 21.7.2020). Einer anderen Quelle zufolge lagen die Kosten für eine einfache Wohnung in Afghanistan ohne Heizung oder Komfort, aber mit Zugang zu fließendem Wasser, sporadisch verfügbarer Elektrizität, einer einfachen Toilette und einer Möglichkeit zum Kochen zwischen 80 und 100 USD im Monat (Schwörer 30.11.2020).
Es existieren auch andere Unterbringungsmöglichkeiten wie Hotels und Teehäuser, die etwa von Tagelöhnern zur Übernachtung genutzt werden (STDOK 21.7.2020). Auch eine Person, welche in Afghanistan über keine Familie oder Netzwerk verfügt, sollte in der Lage sein, dort Wohnraum zu finden - vorausgesetzt die Person verfügt über die notwendigen finanziellen Mittel (Schwörer 30.11.2020; vgl. STDOK 21.7.2020). Private Immobilienunternehmen in den Städten informieren über Mietpreise für Häuser und Wohnungen (IOM 2020).
Wohnungszuschüsse für sozial Benachteiligte oder Mittellose existieren in Afghanistan nicht (IOM 2020).
Betriebs- und Nebenkosten wie Wasser und Strom kosteten vor der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 in der Regel nicht mehr als 40 USD pro Monat, wobei abhängig vom Verbrauch diese Kosten auch höher liegen konnten. In ländlichen Gebieten konnte man mit mind. 50 % weniger Kosten für die Miete und den Lebensunterhalt rechnen als in den Städten (IOM 2020).
Seit der Machtübernahme der Taliban sind die Mieten um 20-40 % gesunken. Die durchschnittliche Miete für eine Wohnung wird mit November 2021 auf 110 bis 550 USD (10.000 bis 50.000 AFN) für Kabul, Herat und Mazar-e Sharif geschätzt. Je nach Standort und Art der Einrichtung (RA KBL 8.11.2021). Einer anderen Quelle zufolge liegt die durchschnittliche Monatsmiete für eine Wohnung mit drei Schlafzimmern in Kabul im April 2022 bei 120 bis 150 USD. Die monatliche Miete für ein einfaches Haus mit drei Schlafzimmern in einem Vorort liegt bei etwa 100 USD. In Mazar-e Sharif und Herat liegt dieser Satz bei 150 USD pro Monat für eine Wohnung mit drei Schlafzimmern, und für eine Lage weitab vom Stadtzentrum beträgt er 80 USD pro Monat (IOM 12.4.2022). Allerdings steigt wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage die Gefahr der Zwangsräumung, da die Haushalte möglicherweise nicht in der Lage sind, die Miete zu zahlen (UNHCR 12.4.2022).
In einer von der Staatendokumentation in Auftrag gegebenen und von ATR Consulting im November 2021 durchgeführten Studie gaben die meisten der Befragten in Herat (66 %) und Mazar-e Sharif (63 %) an, in einer eigenen Wohnung/einem eigenen Haus zu leben, während weniger als 50 % der Befragten in Kabul angaben, in einer eigenen Wohnung/einem eigenen Haus zu leben. Von jenen, die Miete bezahlten, gaben 54,3 % der Befragten in Kabul, 48,4 % in Balkh und 8,7 % in Herat an, dass sie 5.000 bis 10.000 AFN (ca. 40 bis 80 Euro) pro Monat Miete zahlten. In Kabul mieteten 41,3 % der Befragten Wohnungen/Häuser für weniger als 5.000 AFN pro Monat, in Herat 91,3 % und in Balkh 48,4 %. Nur 4,3 % der Befragten in Kabul mieteten Immobilien zwischen 10.000 und 20.000 AFN, während kein Befragter in Herat und Balkh mehr als 10.000 AFN für Miete zahlte (ATR/STDOK 18.1.2022).
Quellen:
ATR/STDOK - ATR Consulting (Autor) / veröffentlicht von Staatendokumentation des BFA [Österreich] (18.1.2022): Dossier: Socio-Economic Surveys, Country of Origin Information (COI), https://www.ecoi.net/en/document/2066706.html , Zugriff 18.1.2022
IOM - International Organization for Migration (12.4.2022): Information on the socio-economic situation in Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2071112.html , Zugriff 12.4.2022
IOM - International Organization for Migration (2020): Länderinformationsblatt Afghanistan 2020, https://www.ecoi.net/en/document/2044070.html , Zugriff 3.9.2021
Schwörer, Eva-Catharina (30.11.2020): Gutachten: Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf die Lage in Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2045649/201130_Gutachten_Afghanistan-Eva-Catherina-Schwoerer.pdf , Zugriff 3.9.2021
RA KBL - Lokaler Rechtsanwalt in Kabul (8.11.2021): Auskunft per E-Mail
STDOK - Staatendokumentation des BFA [Heugl, Katharina - Österreich] (21.7.2020): Informationen zu sozioökonomischen und sicherheitsrelevanten Faktoren in der Provinz Balkh auf Basis von Interviews im Rahmen der FFM Mazar-e Sharif 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2034797/AFGH_ANALY_Mazar-e+Sharif_2020_07_21_final.pdf , Zugriff 13.9.2021
UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (12.4.2022): Report on the humanitarian situation (shelter; non-food items; health), https://www.ecoi.net/en/file/local/2071765/UNHCR+2021+Multi+Sectorial+Rapid+Assessments+-+Analysis.pdf , Zugriff 30.5.2022
Arbeitsmarkt
Letzte Änderung: 04.05.2022
Jeder vierte Afghane ist offiziell arbeitslos, viele sind unterbeschäftigt. Rückkehrer - etwa 1,5 Millionen in den letzten zwei Jahren - und eine ähnliche Zahl von Binnenvertriebenen erhöhen den Druck auf den Arbeitsmarkt zusätzlich (UNDP 30.11.2021).
Vor der Machtübernahme durch die Taliban war der Arbeitsmarkt durch eine niedrige Erwerbsquote, hohe Arbeitslosigkeit sowie Unterbeschäftigung und prekäre Arbeitsverhältnisse charakterisiert (STDOK 10.2020; vgl. Ahmend 2018; CSO 2018). 80% der afghanischen Arbeitskräfte befanden sich in "prekären Beschäftigungsverhältnissen", mit hoher Arbeitsplatzunsicherheit und schlechten Arbeitsbedingungen (AAN 3.12.2020; vgl.: CSO 2018). Schätzungsweise 16% der prekär Beschäftigten waren Tagelöhner, von denen sich eine unbestimmte Zahl an belebten Straßenkreuzungen der Stadt versammelt und nach Arbeit sucht, die, wenn sie gefunden wird, ihren Familien nur ein Leben von der Hand in den Mund ermöglicht (AAN 3.12.2020).
Nach Angaben der Weltbank ist die Arbeitslosenquote innerhalb der erwerbsfähigen Bevölkerung in den letzten Jahren zwar gesunken, bleibt aber auf hohem Niveau und dürfte wegen der COVID-19-Pandemie wieder steigen (AA 16.7.2020; vgl. IOM 18.3.2021) ebenso wie die Anzahl der prekär Beschäftigten (AAN 3.12.2020).
Schätzungen zufolge sind rund 67% der Bevölkerung unter 25 Jahren alt (NSIA 1.6.2020; vgl STDOK 10.2020). Am Arbeitsmarkt müssen jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neuankömmlinge in den Arbeitsmarkt integrieren zu können (STDOK 4.2018). Somit treten jedes Jahr sehr viele junge Afghanen in den Arbeitsmarkt ein, während die Beschäftigungsmöglichkeiten bislang aufgrund unzureichender Entwicklungsressourcen und mangelnder Sicherheit nicht mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten können (WB 8.2018; vgl. STDOK 10.2020, CSO 2018).
Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Es gibt einen großen Anteil an Selbstständigen und mithelfenden Familienangehörigen, was auf das hohe Maß an Informalität des Arbeitsmarktes hinweist, welches mit der Bedeutung des Agrarsektors in der Wirtschaft einhergeht (CSO 8.6.2017). Bei der Arbeitssuche spielen persönliche Kontakte eine wichtige Rolle. Ohne Netzwerke ist die Arbeitssuche schwierig (STDOK 21.7.2020; vgl. STDOK 13.6.2019, STDOK 4.2018). Bei Ausschreibung einer Stelle in einem Unternehmen gibt es in der Regel eine sehr hohe Anzahl an Bewerbungen und durch persönliche Kontakte und Empfehlungen wird mitunter Einfluss und Druck auf den Arbeitgeber ausgeübt (STDOK 13.6.2019). Eine im Jahr 2012 von der ILO durchgeführte Studie über die Beschäftigungsverhältnisse in Afghanistan bestätigt, dass Arbeitgeber persönliche Beziehungen und Netzwerke höher bewerten als formelle Qualifikationen. Analysen der norwegischen COI-Einheit Landinfo zufolge gibt es keine Hinweise, dass sich die Situation seit 2012 geändert hätte (STDOK 4.2018).
Neben einer mangelnden Arbeitsplatzqualität ist auch die große Anzahl an Personen im wirtschaftlich abhängigen Alter (insbes. Kinder) ein wesentlicher Armutsfaktor (CSO 2018; vgl. Haider/Kumar 2018): Die Notwendigkeit, das Einkommen von Erwerbstätigen mit einer großen Anzahl von Haushaltsmitgliedern zu teilen, führt oft dazu, dass die Armutsgrenze unterschritten wird, selbst wenn Arbeitsplätze eine angemessene Bezahlung bieten würden. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind (CSO 2018).
Ungelernte Arbeiter erwirtschaften ihr Einkommen als Tagelöhner, Straßenverkäufer oder durch das Betreiben kleiner Geschäfte. Der Durchschnittslohn für einen ungelernten Arbeiter ist unterschiedlich, für einen Tagelöhner beträgt er etwa 5 USD pro Tag (IOM 18.3.2021). Während der COVID-19-Pandemie ist die Situation für Tagelöhner sehr schwierig, da viele Wirtschaftszweige durch die Sperr- und Restriktionsmaßnahmen im Zusammenhang mit COVID-19 negativ beeinflusst wurden (IOM 18.3.2021).
Nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021
Das Personal der Streitkräfte, vor allem des Verteidigungsministeriums, des Innenministeriums und des nationalen Sicherheitsministeriums, das auf etwa eine halbe Million Personen geschätzt wird, hat nach der Machtübernahme durch die Taliban keine Arbeit mehr (IPC 10.2021; vgl. RA KBL 8.11.2021). Auch viele Mitarbeiter des Gesundheitssystems haben mit Stand November 2021 seit Monaten keine Gehälter mehr erhalten (MSF 10.11.2021; vgl. IPC 10.2021). Viele Unternehmen und NGOs haben ihre Arbeit eingestellt oder ihre Aktivitäten auf ein Minimum reduziert. Die Bargeldknappheit und die Unterbrechung der Versorgungsketten in Verbindung mit dem Verlust von Investitionen und Kunden haben den privaten Sektor stark beeinträchtigt und zwingen die Unternehmen, in Nachbarländer auszuweichen, ihre Türen zu schließen oder ihre Mitarbeiter zu entlassen, um die Kosten zu senken. Ein Tagelöhner verdient bis zu 350 AFN (3,55 EUR) pro Tag. Tagesarbeit ist jedoch meist nur für zwei Tage in der Woche zu finden. Es ist schwierig geworden, Tagesarbeit zu finden, da viele, die zuvor für Unternehmen, NGOs oder die Regierung gearbeitet haben, jetzt nach Tagesarbeit suchen, um die Einkommensverluste auszugleichen (IOM 12.4.2022).
Das UNDP (United Nations Development Program) erwartet, dass sich die Arbeitslosigkeit in den nächsten zwei Jahren fast verdoppeln wird, während die Löhne Jahr für Jahr um 8 bis 10 % sinken werden (UNDP 30.11.2021). Afghanische Arbeitnehmerinnen machten vor der Krise 20 % der Beschäftigten aus. Die Beschränkungen für die Beschäftigung von Frauen werden sich sowohl auf die Wirtschaft als auch auf die Gesellschaft auswirken. Außerdem wird das Einkommen der Haushalte verringern, deren weibliche Mitglieder nun nicht mehr arbeiten, weniger arbeiten bzw. weniger verdienen, was zu einem Rückgang des Konsums auf der Mikroebene und der Nachfrage auf der Makroebene führen wird (UNDP 30.11.2021).
Die Markt- und Preisbeobachtung des Welternährungsprogramms (WFP) ergab einen drastischen Rückgang der Zahl der Arbeitstage für Gelegenheitsarbeiter in städtischen Gebieten: Im Juli waren es zwei Tage pro Woche, im August nur noch 1,8 Tage und im September nur noch ein Arbeitstag (IPC 10.2021). Die durchschnittliche Anzahl der Tage, an denen Gelegenheitsarbeiter Arbeit finden, lag Ende November 2021 bei 1,4 Tagen pro Woche (BAMF 29.11.2021).
Laut der saisonalen Bewertung der Ernährungssicherheit (SFSA) für das Jahr 2021 meldeten 95 % der Bevölkerung Einkommenseinbußen, davon 76 % einen erheblichen Einkommensrückgang (83 % bei städtischen und 72 % bei ländlichen Haushalten) im Vergleich zum Vorjahr. Die Hauptgründe waren ein Rückgang der Beschäftigung (42 %) und Konflikte (41 %) (IPC 10.2021).
Im Zuge einer im Auftrag der Staatendokumentation von ATR Consulting im November 2021 in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif durchgeführten Studie mit 300 Befragten gaben 58,3 % der Befragten an, keine Arbeit zu haben oder bereits längere Zeit arbeitslos zu sein (Männer: 35,3 %, Frauen: 81,3 %). Was die Art der Beschäftigung betrifft, so gaben 62 % der Befragten an, entweder ständig oder gelegentlich eine Vollzeitstelle zu haben, während 25 % eine Teilzeitstelle hatten, 9 % als Tagelöhner arbeiteten und 2 % mehrere Teilzeit- oder Saisonstellen hatten. Die Mehrheit der Befragten (89,1 %) gaben an, ein Einkommensniveau von weniger als 10.000 AFN (100 US$) pro Monat zu haben. 8,7 % der Befragten gaben an, ein Einkommensniveau zwischen 10.000 und 20.000 AFN (100-200 US$) pro Monat zu haben, und 2,2 % stuften sich auf ein höheres Niveau zwischen 20.000 und 50.000 AFN (200-500 US$) pro Monat ein (ATR/STDOK 18.1.2022).
Es wird geschätzt, dass mehr als eine halbe Million Arbeitnehmer im dritten Quartal 2021 ihren Arbeitsplatz verloren haben und dass der Verlust von Arbeitsplätzen bis zum zweiten Quartal 2022 auf fast 700.000 ansteigen wird. Wenn sich die Situation der Frauen weiter verschlechtert und die Abwanderung zunimmt, könnten die Beschäftigungsverluste bis zum zweiten Quartal 2022 auf mehr als 900.000 Arbeitsplätze ansteigen. Die sich verschärfende Wirtschaftskrise hat sich besonders stark auf einige der wichtigsten Sektoren der afghanischen Wirtschaft ausgewirkt, darunter Landwirtschaft, öffentliche Verwaltung, soziale Dienstleistungen und das Baugewerbe, wo Hunderttausende von Arbeitnehmern, ihren Arbeitsplatz verloren oder keinen Lohn erhielten (ILO 1.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (16.7.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Mai 2021), https://www.ecoi.net/en/document/2057829.html , Zugriff 6.9.2021
AAN - Afghan Analyst Network (3.12.2020): "Eat and Don’t Die": Daily-wage labour as a window into Afghan society, https://www.afghanistan-analysts.org/en/reports/economy-development-environment/eat-and-dont-die-daily-wage-labour-as-a-window-into-afghan-society/ , Zugriff 6.9.2021
AF - Asia Foundation, The (2018): A Survey of the Afghan People, https://asiafoundation.org/wp-content/uploads/2018/12/2018_Afghan-Survey_fullReport-12.4.18.pdf , Zugriff 6.9.2021
Ahmed, Ali (11.2018): Refugees Return to Poverty, Unemployment and Despair. Afghanistan´s labor market and the status of women. VIDC (Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation), https://www.fatt.at/Portals/0//BlogItems/PDF/Afghanistan%E2%80%99s%20labor%20market%20and%20the%20status%20of%20women.pdf , Zugriff 6.9.2021
ATR/STDOK - ATR Consulting (Autor) / veröffentlicht von Staatendokumentation des BFA [Österreich] (18.1.2022): Dossier: Socio-Economic Surveys, Country of Origin Information (COI), https://www.ecoi.net/en/document/2066706.html , Zugriff 18.1.2022
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (29.11.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw48-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=2 , Zugriff 11.11.2021
CSO - Central Statistics Organization [jetzt NSIA - National Statistic and Information Authority - Afghanistan] (2018): Afghanistan Living Conditions Survey 2016-17, https://washdata.org/sites/default/files/documents/reports/2018-07/Afghanistan%20ALCS%202016-17%20Analysis%20report.pdf , Zugriff 6.9.2021
CSO - Central Statistics Organization [jetzt NSIA - National Statistic and Information Authority - Afghanistan] (8.6.2017): Economically Active Population, Provinces of Kabul, Bamiyan, Daykundi, Ghor, Kapisa and Parwan, https://afghanistan.unfpa.org/sites/default/files/pub-pdf/UNFPA%20SDES%20Mono%20Labour%2028%20May%20for%20web.pdf , Zugriff 6.9.2021
Haider, Mohammad H./Kumar, Sumit (2018): Poverty in Afghanistan. Basingstoke: Palgrave Macmillan, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf
ILO - International Labour Organisation (1.2022): Employment prospects in Afghanistan: A rapid impact assessment, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Employment%20prospects%20in%20Afghanistan%20-%20a%20rapid%20impact%20assessment%20%28January%202022%29.pdf , Zugriff 11.2.2022
IOM - International Organization for Migration (12.4.2022): Information on the socio-economic situation in Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2071112.html , Zugriff 12.4.2022
MSF - Medecins Sans Frontieres (10.11.2021): Malnutrition soars in Herat as healthcare reaches breaking point, https://www.msf.org/malnutrition-soars-healthcare-afghanistan-breaking-point , Zugriff 11.11.2021
NSIA - National Statistic and Information Authority [Afghanistan] (1.6.2020):
RA KBL - Lokaler Rechtsanwalt in Kabul (8.11.2021): Auskunft per E-Mail
STDOK - Staatendokumentation des BFA [Rasuly-Paleczek Gabriele - Österreich] (10.2020): Die aktuelle sozioökonomische Lage in Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038971/AFGH_THEM_Die+aktuelle+sozio%C3%B6konomische+Lage+in+Afghanistan+%28Rasuly-Paleczek%29_2020-09.pdf , Zugriff 6.9.2021
STDOK - Staatendokumentation des BFA [Heugl, Katharina - Österreich] (21.7.2020): Informationen zu sozioökonomischen und sicherheitsrelevanten Faktoren in der Provinz Balkh auf Basis von Interviews im Rahmen der FFM Mazar-e Sharif 2019, https://www.ecoi.net/en/document/2034796.html , Zugriff 6.9.2021
STDOK - Staatendokumentation des BFA [Durante, Xenia - Österreich] (13.6.2019): Analyse der Staatendokumentation: Afghanistan - Informationen zu sozioökonomischen Faktoren in der Provinz Herat auf Basis von Interviews im Zeitraum November 2018 bis Jänner 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010507/AFGH_ANALYSE_Herat_2019_06_13.pdf , Zugriff 6.9.2021
STDOK - Staatendokumentation des BFA [Österreich] (4.2018): Fact Finding Mission Report Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/1430912/5818_1524829439_03-onlineversion.pdf , Zugriff 6.9.2021
UNDP - United Nations Development Programme (30.11.2021): Afghanistan: Socio-Economic Outlook 2021-2022, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UNDP-AFG-Afghanistan-Socio-Economic-Outlook-2021-2022.pdf , Zugriff 17.12.2021
WFP - World Food Program (15.11.2021): Afghanistan Countrywide Weekly Market Price Bulletin, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/WFP-0000133876.pdf , Zugriff 16.12.2021
WB - Weltbank (8.2018): Afghanistan Development Update, http://documents.worldbank.org/curated/en/985851533222840038/pdf/129163-REVISED-AFG-Development-Update-Aug-2018-FINAL.pdf , Zugriff 6.9.2021
Bank- und Finanzwesen
Letzte Änderung: 04.05.2022
Nach der Machtübernahme der Taliban wurden Bank- und Geldüberweisungsdienste weithin ausgesetzt. Aus Kabul wird berichtet, dass die Geldautomaten leer sind und Geldwechsel nicht möglich ist und dass einige Menschen seit Monaten keinen Lohn mehr erhalten hätten. Vor den Banken bilden sich lange Schlangen, aber diese bleiben geschlossen. Die Taliban haben einen kommissarischen Leiter der Zentralbank ernannt, der helfen soll, die wirtschaftlichen Turbulenzen zu lindern (DW 24.8.2021). Laut einem Sprecher der Taliban sollen die Banken bald wieder öffnen (REU 25.8.2021). Nach Aussagen des Vorsitzenden der Bankiersgewerkschaft in der Hauptstadt Kabul, hätten die Banken ihren Betrieb aufgrund technischer Probleme noch nicht wieder aufgenommen. Gerüchte, dass die Banken kein Bargeld mehr hätten dementiert er, und fügte hinzu, dass die Banken voraussichtlich in den nächsten Tagen wieder normale Dienstleistungen anbieten würden (AnA 28.8.2021).
Ab November 2021 haben die Banken wieder geöffnet. Bargeldabhebungen und Kundendienste wie Kontoeröffnungen und -schließungen sind derzeit möglich. Einzahlungsmöglichkeiten, z. B. für Stromrechnungen, sind ebenfalls möglich. Die Online-Banking-Systeme funktionieren mit Stand 4.2022 nicht (IOM 12.4.2022). Derzeit kann man 30.000 AFN (ca. 400 USD) pro Woche abheben (RA KBL 11.8.2021; vgl. BAMF 11.8.2021, IOM 12.4.2022). Allerdings kann derzeit nur die Afghanistan International Bank (AIB) in Kabul 400 USD oder 30.000 AFN (367,31 EUR) pro Kunde und Woche auszahlen. In den Provinzen zahlen einige Banken nur den Gegenwert von 100-200 USD (91,83-183,66 EUR) pro Woche aus, je nach Verfügbarkeit der Mittel (IOM 12.4.2022). Anfang November 2021 verbot die Taliban-Regierung die Verwendung von Fremdwährungen im Land. Nur der Afghani dürfe für Zahlungen verwendet werden (BBC 2.11.2021; vgl. REU 2.11.2021). Das Bezahlen der täglichen Ausgaben in USD ist nur in größeren Geschäften möglich, die meisten täglichen Einkäufe werden in der Landeswährung getätigt (IOM 12.4.2022).
Firmenkunden können Inlandsüberweisungen an andere Banken vornehmen; Abhebungen sind auf bis zu 5% ihres Guthabens oder 25.000 USD pro Monat (22.957 EUR) begrenzt, je nachdem, welcher Betrag niedriger ist. Diese Begrenzung gilt jedoch nicht für neue Bareinlagen, die vollständig abgehoben werden können. Was internationale Überweisungen betrifft, so hat die DAB (Da Afghanistan Bank) die Banken angewiesen, am 28.12.2021 die Bearbeitung ausgehender internationaler Überweisungen an Firmenkunden wieder aufzunehmen, vorbehaltlich der vorherigen Genehmigung durch die DAB und der unten aufgeführten Einschränkungen (IOM 12.4.2022).
Ausgehende internationale Überweisungen sind auf den Kauf der folgenden Artikel beschränkt (die durch entsprechende Dokumente nachgewiesen werden müssen) (IOM 12.4.2022):
Lebensmittel
Medikamente
Treibstoff (einschließlich Gas)
Hygieneartikel
Elektrizität
Rohmaterial und Ersatzteile für die Produktion
Transport und Kommunikation
Wartung des Systems
Andere von der DAB für notwendig erachtete Zahlungen
Überweisungen sind auf 25 % des gesamten Kontosaldos eines jeden Lieferanten begrenzt. Wenn die 25 %-Grenze erreicht ist, sind keine weiteren Abhebungen mehr zulässig. Die Obergrenze von 25 % gilt jedoch nicht für neue Bareinlagen (IOM 12.4.2022).
Mitte März 2022 haben die Taliban die Tätigkeit der Versicherungsgesellschaften in Afghanistan bis auf weiteres eingestellt. In einem offiziellen Schreiben an die Versicherungsgesellschaften kündigte die amtierende Regierung die Aussetzung aller Aktivitäten der öffentlichen und privaten Versicherungsunternehmen an. In dem Schreiben heißt es, dass die Wissenschaftsakademie Afghanistans den Geist des Versicherungswesens diskutiert, um zu entscheiden, ob es gegen islamische Praktiken verstößt oder nicht (KP 16.3.2022; vgl. ANI 18.3.2022).
Hawala-System
Derzeit nutzen viele Einwohner das "Hawala"-System (IOM 12.4.2022), eine Form des Geldtausches. Dieses System, welches auf gegenseitigem Vertrauen basiert, funktioniert schnell, zuverlässig und günstig. Spezielle Dokumente sind nicht notwendig und der Geldtransfer ist weltweit möglich. Hawala wird von den unterschiedlichsten Kundengruppen in Anspruch genommen: Gastarbeiter, die ihren Lohn in die Heimat transferieren wollen, große Unternehmen und Hilfsorganisationen bzw. NGOs, aber auch Terrororganisationen (WKO 2.2017; vgl. WB 2003, FA 7.9.2016).
Das System funktioniert folgendermaßen: Person A übergibt ihrem Hawaladar (X) das Geld, z.B. 10.000 Euro und nennt ihm ein Passwort. Daraufhin teilt die Person A der Person B, die das Geld bekommen soll, das Passwort mit. Der Hawaladar (X) teilt das Passwort ebenfalls seinem Empfänger-Hawaladar (Y) mit. Jetzt kann die Person B einfach zu ihrem Hawaladar (Y) gehen. Wenn sie ihm das Passwort nennt, bekommt sie das Geld, z.B. in Afghani, ausbezahlt (WKO 2.2017; vgl. WB 2003).
So ist es möglich, auch größere Geldsummen sicher und schnell zu überweisen. Um etwa eine Summe von Peshawar, Dubai oder London nach Kabul zu überweisen, benötigt man sechs bis zwölf Stunden. Sind Sender und Empfänger bei ihren Hawaladaren anwesend, kann die Transaktion binnen Minuten abgewickelt werden. Kosten dafür belaufen sich auf ca. 1-2 %, hängen aber sehr stark vom Verhandlungsgeschick, den Währungen, der Transaktionssumme, der Vertrauensposition zwischen Kunde und Hawaladar und nicht zuletzt von der Sicherheitssituation in Kabul ab. Die meisten Transaktionen gehen in Afghanistan von der Hauptstadt Kabul aus, weil es dort auch am meisten Hawaladare gibt. Hawaladare bieten aber nicht nur Überweisungen an, sondern eine ganze Auswahl an finanziellen und nicht-finanziellen Leistungen in lokalen, regionalen und internationalen Märkten. Beispiele für das finanzielle Angebot sind Geldwechsel, Spendentransfer, Mikro-Kredite, Tradefinance oder die Möglichkeit, Geld anzusparen. Als nichtmonetäre Leistungen können Hawaladare Fax- oder Telefondienste oder eine Internetverbindung anbieten (WKO 2.2017; vgl. WB 2003).
Quellen:
AnA - Anadolu Agency (28.8.2021): Anxiety grows as banks in Afghanistan remain closed, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/anxiety-grows-as-banks-in-afghanistan-remain-closed/2349246 , Zugriff 2.9.2021
ANI - Asian News International (18.3.2022): Taliban halts insurance industry in Afghanistan, https://www.aninews.in/news/world/asia/taliban-halts-insurance-industry-in-afghanistan20220318180226/ , Zugriff 25.4.2022
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (8.11.2021): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/document/2063527.html , Zugriff 11.11.2021
BBC - British Broadcasting Corporation (2.11.2021): Taliban bans foreign currencies in Afghanistan, https://www.bbc.com/news/business-59129470 , Zugriff 11.11.2021
DW - Deutsche Welle (24.8.2021): Afghans struggle with empty ATMs, soaring prices, https://www.dw.com/en/afghans-struggle-with-empty-atms-soaring-prices/a-58968652 , Zugriff 2.9.2021
FA - Foreign Affairs (7.9.2016): Dirty Money in Afghanistan, https://www.foreignaffairs.com/articles/afghanistan/2016-09-07/dirty-money-afghanistan , Zugriff 2.9.2021
IOM - International Organization for Migration (12.4.2022): Information on the socio-economic situation in Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2071112.html , Zugriff 12.4.2022
KP - Khaama Press (16.3.2022): طالبان فعالیت شرکتهای بیمه را تعلیق کرد , https://www.khaama.com/persian/archives/98293?fbclid=IwAR3GAxAklvm0PIa3M_agNG7UYswvQL8QVboUamwho0FNz43N8Is46kapBf4 , Zugriff 25.4.2022
RA KBL - Lokaler Rechtsanwalt in Kabul (8.11.2021): Auskunft per E-Mail
REU - Reuters (2.11.2021): Taliban ban use of foreign currency in Afghanistan -spokesman, https://www.reuters.com/world/asia-pacific/taliban-ban-use-foreign-currency-afghanistan-spokesman-2021-11-02/ , Zugriff 11.11.2021
REU - Reuters (26.8.2021): Afghanistan's banks brace for bedlam after Taliban takeover, Afghanistan's banks brace for bedlam after Taliban takeover, https://www.reuters.com/world/asia-pacific/afghanistans-banks-brace-bedlam-after-taliban-takeover-2021-08-25/ , Zugriff 2.9.2021
WB - Weltbank (2003): The Money Exchange Dealersof Kabul, http://documents.worldbank.org/curated/en/335241467990983523/pdf/269720PAPER0Money0exchange0dealers.pdf , Zugriff 2.9.2021
WKO - Wirtschaftskammer Österreich [Österreich] (2.2017): Länderreport Afghanistan, Auskunft per E-Mail
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 04.05.2022
In einem Bericht aus dem Jahr 2018 kommt die Weltbank zu dem Schluss, dass sich die Gesundheitsversorgung in Afghanistan im Zeitraum 2004-2010 deutlich verbessert hat, während sich die Verbesserungen im Zeitraum 2011-2016 langsamer fortsetzten (EASO 8.2020b; vgl. UKHO 12.2020). Vor allem in den Bereichen Mütter- und Kindersterblichkeit gab es deutliche Verbesserungen. Allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Behandlung durch Mangel an gut ausgebildetem medizinischem Personal und Medikamenten, Missmanagement und maroder Infrastruktur begrenzt und korruptionsanfällig (AA 16.7.2021).
Im Jahr 2018 gab es 3.135 funktionierende medizinische Institutionen in ganz Afghanistan und 87 % der Bevölkerung wohnten nicht weiter als zwei Stunden von einer solchen Einrichtung entfernt (WHO 12.2018). Eine weitere Quelle spricht von 641 Krankenhäusern bzw. Gesundheitseinrichtungen in Afghanistan, wobei 181 davon öffentliche und 460 private Krankenhäuser waren. Die genaue Anzahl der Gesundheitseinrichtungen in den einzelnen Provinzen ist nicht bekannt (RA KBL 20.10.2020). Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken bestand, war es in den ländlichen Gebieten für viele Afghaninnen und Afghanen schwierig, überhaupt eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (AA 16.7.2021). Laut einer Studie aus dem Jahr 2017, die den Zustand der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen untersuchte, wiesen viele Gesundheitszentren im ganzen Land immer noch große Mängel auf, darunter bauliche und wartungsbedingte Probleme, schlechte Hygiene- und Sanitärbedingungen, wobei ein Viertel der Einrichtungen nicht über Toiletten verfügte, vier von zehn Gesundheitseinrichtungen kein Trinkwassersystem hatten und eine von fünf Einrichtungen keinen Strom hatte. Es gab nicht genügend Krankenwagen und viele Gesundheitseinrichtungen berichteten über einen Mangel an medizinischer Ausrüstung und Material (IWA 8.2017).
Insbesondere die COVID-19-Pandemie offenbarte die Unterfinanzierung und Unterentwicklung des öffentlichen Gesundheitssystems, das akute Defizite in der Prävention (Schutzausrüstung), Diagnose (Tests) und medizinischen Versorgung der Kranken aufweist. Die Verfügbarkeit und Qualität der Basisversorgung ist durch den Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenten (insbesondere Hebammen), den Mangel an Medikamenten, schlechtes Management und schlechte Infrastruktur eingeschränkt. Darüber hinaus herrscht in der Bevölkerung ein starkes Misstrauen gegenüber der staatlich finanzierten medizinischen Versorgung. Die Qualität der Kliniken ist sehr unterschiedlich. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen (AA 16.7.2021; vgl. WHO 8.2020).
Neben dem öffentlichen Gesundheitssystem gibt es auch einen weitverbreiteten, aber teuren privaten Sektor. Trotz dieser höheren Kosten wurde berichtet, dass über 60 % der Afghanen private Gesundheitszentren als Hauptansprechpartner für Gesundheitsdienstleistungen nutzten. Vor allem Afghanen, die außerhalb der großen Städte lebten, bevorzugten die private Gesundheitsversorgung wegen ihrer wahrgenommenen Qualität und Sicherheit, auch wenn die dort erhaltene Versorgung möglicherweise nicht von besserer Qualität war als in öffentlichen Einrichtungen (MedCOI 5.2019).
Bis zur Machtübernahme der Taliban im August 2021 wurden 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan nicht direkt vom Staat erbracht, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die unter Vertrag genommen werden (AA 16.7.2021).
Nach der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021
Schon vor der Machtübernahme durch die Taliban war das afghanische Gesundheitssystem fragil. Es wies jahrelang große Lücken auf, wurde nach der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 schwer in Mitleidenschaft gezogen (IOM 12.4.2022) und ist nun nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen (MSF) (MSF 10.11.2021) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom Zusammenbruch bedroht (WHO 24.1.2022).
Das Programm der Weltbank, das unter der vorherigen Regierung im Rahmen des Sehatmandi-Projekts für Afghanistan Finanzmittel für wichtige Gesundheitseinrichtungen bereitstellte und die Gehälter des medizinischen Personals bezahlte, hatte seine Aktivitäten zunächst weitestgehend eingestellt (WHO 28.8.2021; vgl. HRW 3.9.2021, IOM 12.4.2022). Mehr als 2.500 Gesundheitseinrichtungen und die Gehälter von mehr als 2.000 Gesundheitsfachkräften, die im Rahmen des von der Weltbank finanzierten Sehatmandi-Projekts unterstützt wurden, waren davon betroffen. Mehr als 3.800 Gesundheitseinrichtungen, die im Rahmen des Projekts unterstützt wurden, waren ganz oder teilweise nicht funktionsfähig. Die reduzierte Unterstützung durch das Projekt führte zur sofortigen Einstellung einiger Dienste in den Gesundheitseinrichtungen, darunter Überweisungen und ambulante Essensausgabe. Einige wenige Gesundheitseinrichtungen, die im Rahmen des Projekts unterstützt wurden, verfügten über ausreichende medizinische Vorräte, um die Versorgung für mehrere Monate aufrechtzuerhalten (WHO 28.8.2021). Das Sehatmandi-Projekt, das von der WHO und UNICEF gemeinsam durchgeführt und von dem von der Weltbank geleiteten Treuhandfonds für den Wiederaufbau Afghanistans (ARTF) finanziert wird, geht jedoch vom 2.2022 bis 6.2022 in seine zweite Phase (WHO 21.3.2022).
Anfang November 2021 meldete das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP), dass 15 Mio. USD für die Aufrechterhaltung des Sehatmandi-Projekts und die Bezahlung von Medikamenten für die Kranken verwendet worden seien und dass alle Gehälter für Ärzte und Personal direkt auf deren Konten überwiesen worden seien (insgesamt 8 Mio. USD für 23.500 Mitarbeiter in 31 Provinzen) (BAMF 15. 11.2021; vgl. UN 10.11.2021, NPR 21.12.2021) und bis zum 15.1.2022 haben UNICEF und die WHO den Zugang zu 100 Mio. USD gesichert, um Einrichtungen der primären und sekundären Gesundheitsversorgung in 34 Provinzen zu unterstützen (WHO 15.1.2022, vgl. IOM 12.4.2022). Allerdings gibt es noch viele Lücken zu schließen (IOM 12.4.2022).
Vor allem außerhalb der großen Städte ist die Lage der medizinischen Einrichtungen sehr schlecht. Zwar erhielten viele Mitarbeiter der Krankenhäuser im Dezember nach fünf Monaten erstmalig ihr Gehalt, jedoch waren die Medikamentenvorräte noch gefährlich knapp (BBC 15.12.2021; vgl. NPR 21.12.2021). Die meisten Patienten sind angewiesen, ihre eigenen Medikamente in nahe gelegenen Apotheken zu kaufen (BBC 15.12.2021). Aber auch größere Krankenhäuser, die ein höheres Versorgungsniveau bieten, wie beispielsweise 39 COVID-19 Krankenhäuser, leiden an Unterfinanzierung. Den meisten fehlt es an grundlegenden Leistungen wie Sauerstoff und den für die Behandlung von COVID-19 wichtigen intravenösen Medikamenten (NPR 21.12.2021). Das COVID-19-Krankenhaus in Kabul (Afghan-Japan-Hospital) leidet beispielsweise an einem Mangel an lebenswichtigen Medikamenten, und das Verfallsdatum der verfügbaren Arzneimittel ist weit überschritten (TD 17.12.2021).
In ganz Afghanistan wurde mit viertem Quartal 2021 ein starker Anstieg der Fälle von Unterernährung, vor allem betreffend Mütter und Kleinkinder, (BBC 15.12.2021) sowie schwerer Lungenentzündung verzeichnet (NPR 21.12.2021). Die Vereinten Nationen (BBC 15.12.2021) und NGOs warnten davor, dass eine Million Kinder in den folgenden Monaten an den Auswirkungen des Hungers zu sterben drohten (IPC 10.2021; vgl. WFP/FAO 25.10.2021).
Ab dem 8.11.2021 war geplant, in Afghanistan landesweit gegen Kinderlähmung zu impfen. Zum ersten Mal seit drei Jahren sollte die Tür-zu-Tür-Impfkampagne auch Kinder in bisher nicht zugänglichen Gebieten erreichen. Die Taliban-Führung unterstützte das Vorhaben (UNICEF 18.10.2021; vgl. BBC 18.10.2021). In einigen Gebieten werden Impfungen allerdings nicht mehr im Rahmen von Haus-zu-Haus-Kampagnen durchgeführt, da die Taliban den Aufenthalt von Männern und nicht verwandten Frauen in Häusern verbieten. In diesen Gebieten werden die Menschen gebeten, zur Impfung in die nächste Moschee zu gehen, wobei die Frauen von einem männlichen Verwandten begleitet werden. Die erneute Bereitstellung von Mitteln bedeutet auch, dass Ausbrüche von Denguefieber, Cholera und Malaria wieder bekämpft werden können (NPR 21.12.2021).
Die WHO bestätigte am 8.11.2021, dass sie sieben Tonnen an Medizin und medizinischem Gerät nach Kabul geliefert hat. Dies beinhalte Hilfe für 5.000 unterernährte afghanische Kinder (BAMF 15.11.2021; vgl. AN 8.11.2021).
Gemäß einer im Auftrag der Staatendokumentation in Auftrag gegebenen und von ATR Consulting im November 2021 in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif durchgeführten Studie, haben 43,3 % (45 % der männlichen und 42,3 % der weiblichen) Befragten, Zugang zu Ärzten. 42,3 % haben Zugang zu Fachärzten, 37,3 % zu Zahnärzten und 31,3 % zu Krankenhäusern, während der Rest nur begrenzten oder stark eingeschränkten Zugang zu medizinischen Leistungen hat. Insgesamt 17,7 % der Befragten haben Zugang zu Impfungen. Dies bezieht sich jedoch auf ein rein städtisches Publikum. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung in städtischen Ballungszentren ist aufgrund einer umfangreicheren medizinischen Infrastruktur, nachhaltiger öffentlicher und privater Investitionen, der Verfügbarkeit von Ärzten und Krankenschwestern, der Beschäftigungsmöglichkeiten für Ärzte und medizinisches Hilfspersonal, sowie der höheren Entlohnung, deutlich besser ist als in ländlichen oder halbländlichen Gebieten des Landes (ATR/STDOK 18.1.2022).
Anmerkung: Weitere Informationen zu Lage betreffend COVID-19 finden sich im Kapitel "COVID-19".
Quellen:
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ATR/STDOK - ATR Consulting (Autor) / veröffentlicht von Staatendokumentation des BFA [Österreich] (18.1.2022): Dossier: Socio-Economic Surveys, Country of Origin Information (COI), https://www.ecoi.net/en/document/2066706.html , Zugriff 18.1.2022
BBC - British Broadcasting Corporation (15.12.2021): On the front line as Afghan children battle malnutrition and measles https://www.bbc.com/news/world-asia-59637586 , Zugriff 5.1.2021
BBC - British Broadcasting Corporation (18.10.2021): Afghanistan polio: UN plans nationwide vaccine campaign, https://www.bbc.com/news/world-asia-58956624 , Zugriff 12.11.2021
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (15.11.2021): Briefing Notes, via E-Mail
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WHO - World Health Organization (4.2018): From Trauma to Recovery: Addressing Emergency Care in Afghanistan, https://www.who.int/features/2018/emergency-care-afghanistan/en/ , Zugriff 6.9.2021
Medizinische Versorgungseinrichtungen in Afghanistan (Kabul, Herat, Balkh...)
Letzte Änderung: 27.01.2022
[Anm.: Wie dem Überkapitel "Medizinische Versorgung" zu entnehmen ist, sind die medizinischen Einrichtungen in Afghanistan aktuell, durch die Einstellung eines Großteils der internationalen Hilfsmittel, stark unterfinanziert. Viele der Gesundheitseinrichtungen können daher ihre Dienste nur eingeschränkt oder gar nicht anbieten]
Rückkehr
Letzte Änderung: 04.05.2022
IOM (Internationale Organisation für Migration) verzeichnete im Jahr 2020 die bisher größte Rückkehr von undokumentierten afghanischen Migranten (MENAFN 15.2.2021). Von den mehr als 865.700 Afghanen, die im Jahr 2020 nach Afghanistan zurückkehrten, kamen etwa 859.000 aus dem Iran und schätzungsweise 6.700 aus Pakistan (USAID 12.1.2021; vgl. NH 26.1.2021). Im Jahr 2021 wurden bis November 1.2 Mio. Rückkehrer verzeichnet, welche die Grenze aus dem Iran und Pakistan überquerten (USAID 28.2.2022).
UNHCR 21.2.2022
Die Wiedervereinigung mit der Familie wird meist zu Beginn von Rückkehrern als positiv empfunden und ist von großer Wichtigkeit im Hinblick auf eine erfolgreiche Reintegration (MMC 1.2019; vgl. IOM KBL 30.4.2020, Reach 10.2017). Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich (VIDC 1.2021; vgl. IOM KBL 30.4.2020, MMC 1.2019, Reach 10.2017), da es ohne familiäre Netzwerke sehr schwer sein kann, sich selbst zu erhalten. Eine Person ohne familiäres Netzwerk ist jedoch die Ausnahme und der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk (STDOK 13.6.2019, IOM KBL 30.4.2020). Einige wenige Personen verfügen über keine Familienmitglieder in Afghanistan, da diese entweder in den Iran, nach Pakistan oder weiter nach Europa migrierten (IOM KBL 30.4.2020; vgl. Seefar 7.2018). Der Reintegrationsprozess der Rückkehrer ist oft durch einen schlechten psychosozialen Zustand charakterisiert. Viele Rückkehrer sind weniger selbsterhaltungsfähig als die meisten anderen Afghanen. Rückkehrerinnen sind von diesen Problemen im Besonderen betroffen (MMC 1.2019).
Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert (STDOK 13.6.2019). Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken (Kollegen, Mitstudierende etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind manche Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte (STDOK 4.2018; vgl. VIDC 1.2021). Haben die Rückkehrer lange Zeit im Ausland gelebt oder haben sie zusammen mit der gesamten Familie Afghanistan verlassen, ist es wahrscheinlich, dass lokale Netzwerke nicht mehr existieren oder der Zugang zu diesen erheblich eingeschränkt ist. Dies kann die Reintegration stark erschweren (VIDC 1.2021; vgl. STDOK 13.6.2019, STDOK 4.2018).
"Erfolglosen" Rückkehrern aus Europa haftet oft das Stigma des "Versagens" an. Wirtschaftlich befinden sich viele der Rückkehrer in einer schlechteren Situation als vor ihrer Flucht nach Europa (VIDC 1.2021; vgl. SFH 26.3.2021, Seefar 7.2018), was durch die aktuelle Situation im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie noch verschlimmert wird (VIDC 1.2021). Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen (AA 16.7.2021; vgl. SFH 26.3.2021). UNHCR berichtet von Fällen zwangsrückgeführter Personen aus Europa, die von religiösen Extremisten bezichtigt werden, verwestlicht zu sein; viele werden der Spionage verdächtigt. Auch glaubt man, Rückkehrer aus Europa wären reich (STDOK 13.6.2019; vgl. SFH 26.3.2021, VIDC 1.2021) und sie würden die Gastgebergemeinschaft ausnutzen. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (STDOK 13.6.2019).
IOM hat aufgrund der aktuellen Lage vor Ort die Option der Unterstützung der Freiwilligen Rückkehr und Reintegration seit 16.8.2021 für Afghanistan bis auf Weiteres weltweit ausgesetzt. Es können somit derzeit keine freiwilligen Rückkehrer aus Österreich nach Afghanistan im Rahmen des Projektes RESTART III unterstützt werden. Zu Tätigkeiten vor Ort im Rahmen anderer Projekte (RADA, etc.) kann derzeit noch keine Rückmeldung gegeben werden (IOM AUT 8.9.2021; vgl. IOM 19.8.2021).
Während IOM derzeit in allen 34 Provinzen Afghanistans tätig ist, konzentrieren sich ihre Hauptaktivitäten vor allem auf lebensrettende humanitäre Hilfe für die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen, wie z.B. die Bereitstellung von Non-Food-Items (NFIs), Bargeldhilfe sowie Gesundheits- und Schutzleistungen. Aufgrund der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 und der daraus resultierenden Sicherheitsbedenken hat IOM mit Wirkung vom 16.8.2021 eine vollständige Aussetzung aller unterstützten freiwilligen Rückkehr- und Wiedereingliederungsmaßnahmen (AVRR) nach Afghanistan verfügt. Daher wurde seither keine Unterstützung für die freiwillige Rückkehr im Rahmen des Projekts RESTART III mehr geleistet. Projektteilnehmer, die vor dem 16.8.2021 nach Afghanistan zurückkehrten, wurden mit Beratung und Geld- bzw. Sachleistungen bis zur Höhe des ausstehenden förderfähigen Betrags unterstützt. Darüber hinaus sah sich IOM gezwungen, die Aktivitäten im Bereich der Soforthilfe bei der Aufnahme einzustellen, da die Flüge nach Afghanistan eingestellt wurden (IOM 12.4.2022).
Die Taliban haben in öffentlichen Verlautbarungen im Ausland lebende Afghanen aufgefordert, nach Afghanistan zurückzukehren. Zum Umgang der Taliban mit Rückkehrern [Anm.: aus Europa] liegen keine Erkenntnisse vor (AA 21.10.2021).
Am 30.8.2021 gab Taliban-Sprecher Zabihulla Mujahid ein Interview. Laut Mujahid seien viele aus Angst aufgrund von Propaganda aus Afghanistan ausgereist, und die Taliban seien nicht glücklich darüber, dass Menschen Afghanistan verlassen, obwohl jeder, der über Dokumente verfüge, zur Ausreise berechtigt sein sollte. Auf die Frage, ob afghanische Asylbewerber in Deutschland oder Österreich mit abgelehnten Asylanträgen, die möglicherweise auch Straftaten begangen haben, wieder aufgenommen würden, antwortete Mujahid, dass sie aufgenommen würden, wenn sie abgeschoben und einem Gericht zur Entscheidung über das weitere Vorgehen vorgelegt würden (KrZ 30.8.2021). Es war nicht klar, ob sich Mujahid mit dieser Aussage auf Rückkehrer im Allgemeinen oder nur auf Rückkehrer bezog, die Straftaten begangen hatten (EASO 1.2022).
Einem afghanischen Menschenrechtsexperten zufolge gab es unter Taliban-Sympathisanten und einigen Taliban-Segmenten ein negatives Bild von Afghanen, die Afghanistan verlassen hatten. Menschen, die Afghanistan verlassen hatten, würden als Personen angesehen, die keine islamischen Werte vertraten oder auf der Flucht vor Dingen seien, die sie getan haben. Auf der anderen Seite haben die Taliban den Pässen für afghanische Arbeiter, die im Ausland arbeiten, Vorrang eingeräumt, da dies ein Einkommen für das Land bedeuten würde. Auf einer Ebene mögen die Taliban also den wirtschaftlichen Aspekt verstehen, aber sie wissen auch, dass viele derjenigen Afghanen, die ins Ausland gehen, nicht mit ihnen sie nicht einverstanden sind. Ein afghanischer Rechtsprofessor beschrieb zwei Darstellungen der Taliban über Personen, die Afghanistan verlassen, um in westlichen Ländern zu leben. Einerseits jene, die Afghanistan aufgrund von Armut, nicht aus Angst vor den Taliban, verlassen und auf eine bessere wirtschaftliche Lage in westlichen Ländern hoffen. Die andere Darstellung bezog sich auf die "Eliten" die das Land verließen. Sie würden nicht als "Afghanen", sondern als korrupte "Marionetten" der "Besatzung" angesehen, die sich gegen die Bevölkerung stellten. Dieses Narrativ könnte beispielsweise auch Aktivisten, Medienschaffende und Intellektuelle einschließen und nicht nur ehemalige Regierungsbeamte. Der Quelle zufolge sagten die Taliban oft, dass ein "guter Muslim" nicht gehen würde und dass viele, die in den Westen gingen, nicht "gut genug als Muslime" seien. Zwei Anthropologen an der Zayed-Universität, beschrieben ein ähnliches Narrativ, nämlich dass Menschen, die das Land verlassen wollen, nicht als "die richtige Art von Mensch" bzw. nicht als "gute Muslime" wahrgenommen werden. Sie unterschieden jedoch die Tradition der paschtunischen Männer, die ins Ausland gehen, um dort zu arbeiten, was eine lange Tradition hat, von anderen Afghanen, die weggehen und sich in nicht-muslimischen Ländern aufhalten - was nicht "der richtige Weg" sei. Sie erklärten ferner, dass in ländlichen paschtunischen Gebieten eine Person, die nach Europa oder in die USA gehen will, im Allgemeinen mit Misstrauen betrachtet wird, auch wenn es sich nur um Personen mit westlichen Kontakten handelt (EASO 1.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.10.2021): Bericht über die Lage in Afghanistan (Stand: 21.10.2021), https://www.ecoi.net/en/document/2062872.html , Zugriff 4.11.2021
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (16.7.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Mai 2021), https://www.ecoi.net/en/document/2057829.html , Zugriff 7.9.2021
EASO - European Asylum Support Office (1.2022): Afghanistan Country focus, https://coi.euaa.europa.eu/administration/easo/PLib/2022_01_EASO_COI_Report_Afghanistan_Country_focus.pdf , Zugriff 12.4.2022
IOM - International Organization for Migration (12.4.2022): Information on the socio-economic situation in Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2071112.html , Zugriff 12.4.2022
IOM - International Organization for Migration (19.8.2021): Afghanistan Situation Report #1, https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-situation-situation-report-1-19-august-2021 , Zugriff 7.9.2021
IOM AUT - International Organization for Migration in Austria (8.9.2021): Antwortschreiben per E-Mail
IOM KBL - International Organization for Migration Kabul Chapter (30.4.2020): FFC - Fact Finding Call mit Mitarbeiter von IOM Kabul, per Videotelefonie
KrZ - Kronen Zeitung (30.8.2021): „Wir nehmen eure straffälligen Asylwerber zurück!“, https://www.krone.at/2495862 , Zugriff 15.4.2022
MENAFN - Middle East North Africa Financial Network (15.2.2021): Afghanistan- IOM Warns of Drought And Famine after A Relatively Dry Winter, https://menafn.com/1101606492/Afghanistan-IOM-Warns-of-Drought-And-Famine-after-A-Relatively-Dry-Winter , Zugriff 7.9.2021
MMC - Mixed Migration Centre (1.2019): Distant Dreams - Understanding the aspirations of Afghan returnees, http://www.mixedmigration.org/wp-content/uploads/2019/02/061_Distant_Dreams.pdf , Zugriff 7.9.2021
NH - New Humanitarian, The (26.1.2021): As deportations soar, Afghan returnees struggle on home soil, https://www.thenewhumanitarian.org/news/2021/01/26/iran-afghanistan-migrant-returns-refugees-conflict-coronavirus-economy , Zugriff 7.9.2021
Reach (10.2017): Migration from Afghanistan to Europe (2014-2017), https://www.impact-repository.org/document/reach/f786ff0a/reach_afg_report_mmp_drivers_return_and_reintegration_october_2017.pdf , Zugriff 7.9.2021
Seefar (7.2018): Examining Return and Reintegration in Afghanistan: Why Psychosocial Interventions Matter, https://seefar.org/wp-content/uploads/2018/11/Seefar-Afghanistan-Reintegration-Study.pdf , Zugriff 7.9.2021
SFH - Schweizer Flüchtlingshilfe (26.3.2021): Afghanistan: Rückkehrgefährdung aufgrund von "Verwestlichung", https://www.fluechtlingshilfe.ch/fileadmin/user_upload/Publikationen/Herkunftslaenderberichte/Mittlerer_Osten_-_Zentralasien/Afghanistan/210326_AFG_Verwestlichung.pdf , Zugriff 7.9.2021
STDOK - Staatendokumentation des BFA [Durante, Xenia - Österreich] (13.6.2019): Analyse der Staatendokumentation: Afghanistan - Informationen zu sozioökonomischen Faktoren in der Provinz Herat auf Basis von Interviews im Zeitraum November 2018 bis Jänner 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010507/AFGH_ANALYSE_Herat_2019_06_13.pdf , Zugriff 7.9.2021
STDOK - Staatendokumentation des BFA [Österreich] (4.2018): Fact Finding Mission Report - Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/1430912.html , Zugriff 7.9.2021
UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (21.2.2022): Afghanistan Voluntary Repatriation Update, https://www.ecoi.net/en/file/local/2068448/VolRep+Update+Afghanistan+2021_Final.pdf , Zugriff 14.3.2022
UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (12.2018): 2019 Humanitarian Needs Overview - Afghanistan, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/afg_2019_humanitarian_needs_overview.pdf , Zugriff 7.9.2021
USAID - United States Agency for International Development [USA] (28.2.2022): Afghanistan - Complex Emergency, https://www.ecoi.net/en/file/local/2068668/2022-02-28_USG_Afghanistan_Complex_Emergency_Fact_Sheet_4.pdf , Zugriff 14.3.2022
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VIDC - Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation (1.2021): From Austria to Afghanistan - Forced return and a new migration cycle, https://www.vidc.org/fileadmin/michael/studien/fromaustria_web.pdf , Zugriff 7.9.2021
Dokumente
Letzte Änderung: 27.01.2022
Vor der Machtübernahme der Taliban im August 2021
Das Personenstands- und Beurkundungswesen in Afghanistan wies bereits vor der Machtübernahme der Taliban gravierende Mängel auf und stellte aufgrund der Infrastruktur, der langen Kriege, der wenig ausgebildeten Behördenmitarbeiter und weitverbreiteter Korruption ein Problem dar. Von der inhaltlichen Richtigkeit formell echter Urkunden konnte nicht in jedem Fall ausgegangen werden. Personenstandsurkunden wurden oft erst viele Jahre später, ohne adäquaten Nachweis und sehr häufig auf Basis von Aussagen mitgebrachter Zeugen, nachträglich ausgestellt. Gefälligkeitsbescheinigungen und/oder Gefälligkeitsaussagen kamen sehr häufig vor (AA 16.7.2020). Sämtliche Urkunden in Afghanistan waren problemlos gegen finanzielle Zuwendungen oder aus Gefälligkeit erhältlich (ÖB 28.11.2018; vgl. AG DFAT 27.6.2019).
Des Weiteren kamen verfahrensangepasste Dokumente häufig vor. Im Visumverfahren wurden teilweise gefälschte Einladungen oder Arbeitsbescheinigungen vorgelegt. Medienberichten zufolge sollen insbesondere seit den Parlamentswahlen 2018 zahlreiche gefälschte Tazkira [Anm.: nationale Personalausweise] im Rahmen der Wählerregistrierung in Umlauf sein (AA 16.7.2020). Personenstands- und weitere von Gerichten ausgestellte Urkunden wurden zentral vom Afghan State Printing House (SUKUK) ausgestellt (ÖB 28.11.2018).
Auf Grundlage bestimmter Informationen konnten echte Dokumente ausgestellt werden. Dafür notwendige unterstützende Formen der Dokumentation wie etwa Schul-, Studien- oder Bankunterlagen konnten leicht gefälscht werden. Dieser Faktor stellte sich besonders problematisch dar, wenn es sich bei dem primären Dokument um eine Tazkira handelte, welches zur Erlangung anderer Formen der Identifizierung verwendet wurde. Es bestand ein Risiko, dass echte, aber betrügerisch erworbene Tazkira zur Erlangung von Reisepässen verwendet wurden (AG DFAT 27.6.2019).
Eine Tazkira wurde nur afghanischen Staatsangehörigen nach Registrierung und dadurch erfolgtem Nachweis der Abstammung von einem Afghanen ausgestellt. In der Regel erfolgte der Nachweis der Abstammung durch die Vorlage der Tazkira eines Verwandten 1. Grades oder durch Zeugenerklärungen in Afghanistan (AA 16.7.2020). In einem Bericht der afghanischen Regierung vom April 2019 über die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention findet sich die Information, dass für die Ausstellung einer Tazkira die Zeugenaussagen von zwei Personen nötig waren, die Inhaber von einer Tazkira sein müssen. Darüber hinaus musste die Identität des Antragstellers von lokalen Behörden bestätigt werden (ACCORD 15.6.2020). Eine andere Quelle wies darauf hin, dass man bei Beantragung einer Tazkira eine Geburtsurkunde vorweisen musste, dass allerdings die Mehrheit der Afghanen noch immer nicht im Besitz einer solchen waren. Wenn keine Geburtsurkunde vorgewiesen werden konnte, war es erforderlich, die Tazkira eines männlichen Familienmitglieds väterlicherseits (Vater, Bruder, Onkel oder Cousin) vorzuweisen (LI 22.5.2019; vgl. ACCORD 15.6.2020). Wollte jemand sich beispielsweise in Kabul eine Tazkira ausstellen lassen und konnte seine Identität nicht beweisen, so musste diese Person in das Heimatgebiet ihres Vaters oder Großvaters zurückkehren. Dort konnte versucht werden, einen Identitätsnachweis vonseiten des lokalen Dorfvorstehers zu erhalten. Dieser konnte dann bei den örtlichen Behörden eingereicht werden, die auf dessen Grundlage eine Tazkira ausstellten (ACCORD 15.6.2020).
Kinder unter sieben Jahren waren von der Pflicht befreit, persönlich zu erscheinen, um sich eine Tazkira ausstellen zu lassen. Eine Geburtsurkunde wurde als Nachweis akzeptiert. War eine solche nicht vorhanden, waren zwei Zeugen erforderlich. Bis zum Alter von 18 Jahren, war für die Ausstellung der Tazkira die Zustimmung des Vaters erforderlich (ACCORD 15.6.2020).
In der Tazkira waren Informationen zu Vater und Großvater, jedoch nicht zur Mutter enthalten. Erst seit ca. 2014 gab es die Möglichkeit, eine Birth Registration Card zu beantragen, in der ein konkretes Geburtsdatum und die Mutter eines Kindes genannt wurden. Diese konnte aber auch jederzeit nachträglich für Personen ausgestellt werden, die vor 2014 geboren wurden. Es konnte davon ausgegangen werden, dass die Ausstellung daher ohne weitere Prüfung vorgenommen wird (AA 16.7.2020).
Eintragungen in der Tazkira waren oft ungenau. Geburtsdaten wurden häufig lediglich in Form von „Alter im Jahr der Beantragung“, z. B. „17 Jahre im Jahr 20xx“ erfasst, genauere Geburtsdaten wurden selten erfasst und wenn, dann meist geschätzt (AA 2.9.2019). Insgesamt waren in Afghanistan sechs Tazkira-Varianten im Umlauf (AAN 22.2.2018). Es gab keine einheitlichen Druckverfahren oder Sicherheitsmerkmale für die Tazkira in A4-Format. Im Februar 2018 wurde die e-Tazkira (elektronischer Personalausweis) mit der symbolischen Beantragung u.a. durch Präsident Ghani gestartet (AAN 22.2.2018). Nach dem 3.5.2018 wurden e-Tazkira (auch electronic Tazkira) in Form einer Chipkarte ausgestellt, die Einführung lief jedoch nur sehr schleppend (AA 16.7.2020). Im September 2020 verabschiedete die ehemalige Regierung ein Gesetz, das die Aufnahme des Namens der Mutter in die Tazkira erlaubte (HRW 13.1.2021; vgl. TN 2.9.2020).
Die Vorlage einer Tazkira war Voraussetzung für die Ausstellung eines Reisepasses. Seit Ausstellung maschinenlesbarer Reisepässe im Jahr 2014 musste bei Passbeantragung ein Familienname bestimmt werden. Die Bestimmung erfolgte ohne rechtliche Grundlage und ohne Dokumentation. Die Angaben, insbesondere Namen und Geburtsdatum, in Tazkira und Reisepass einer Person stimmten daher häufig nicht miteinander überein (AA 16.7.2020).
Nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021
Im Oktober 2021 gab der Leiter des Passamtes an, dass Afghanistan wieder Reisepässe ausstellen würde (REU 5.10.2021; vgl. AN 5.10.2021), dass zwischen 5.000 und 6.000 Exemplare pro Tag ausgestellt werden würden und dass weibliche Mitarbeiter die Anträge von Frauen bearbeiten würden (AN 5.10.2021). Es ist demnach möglich, einen Reisepass zu beantragen und zu erhalten, aber die Beantragung und Bearbeitung neuer Tazkira-Anträge hat noch nicht begonnen. Die Nationale Statistikbehörde Afghanistans (NSIA) ist für die Verteilung der bereits bearbeiteten und gedruckten Tazkira geöffnet, nimmt aber derzeit keine neuen Anträge an und bearbeitet sie nicht (RA KBL 8.11.2021).
Die Anforderungen zur Ausstellung eines Reisepasses haben sich nicht wesentlich geändert, allerdings gibt es leichte Änderungen bei den Verfahren (RA KBL 8.11.2021). Zunächst nahm nur die Passabteilung in Kabul Anträge an und bearbeitete sie (RA KBL 8.11.2021). Mit Ende November begann die Ausstellung von Pässen in 17 weiteren Provinzen, darunter Balkh, Herat und Kandarhar (TTI 24.11.2021; TN 30.11.2021). Jeden Tag steht eine große Anzahl von Antragstellern oft bereits in der Nacht in der Warteschlange. Vor der Machtübernahme durch die Taliban mussten die Antragsteller ihre Daten in ein Online-System eingeben, welches aktuell gesperrt ist. Es werden jedoch weiterhin Anträge von Personen entgegengenommen, die einen Termin für ein Visumgespräch vereinbart haben, sowie von Personen, die zur Behandlung schwerer Krankheiten ins Ausland reisen (RA KBL 8.11.2021). Seit Mitte Oktober ist die Ausgabe von Reisepässen in der Hauptstadt Kabul ausgesetzt, während die Büros in den Provinzen weiterhin geöffnet sind (TN 29.11.2021). Allerdings gibt es Berichte von starken Überlastungen der Passabteilungen, beispielsweise in Nangarhar (ANI 19.11.2021). Mit Stand Anfang Dezember werden in 32 der 34 Provinzen Reisepässe ausgestellt (ANI 6.12.2021).
Bislang (mit Stand November 2021) haben Reisepässe und Tazkira dasselbe Aussehen und Layout wie vor der Machtübernahme der Taliban. Es ist noch nicht bekannt, ob die Taliban die Formate beibehalten oder Änderungen vornehmen werden und ob sie überhaupt die Kapazität haben, neue Pässe und Tazkira zu drucken (RA KBL 8.11.2021).
Aktuell [Stand September 2021] werden von der afghanischen Botschaft in Wien keine neuen Tazkira und Reisepässe ausgestellt. Davon betroffen sind auch jene Personen, die bereits einen Antrag gestellt haben bzw. eine Bestätigung zur Ausstellung erhalten haben. Hier kann seitens der afghanischen Botschaft nicht abgeschätzt werden, wie lange dieser Umstand noch vorherrschen wird. Abgelaufene biometrische Reisepässe können in Zukunft bei der Botschaft verlängert werden (AFB WIE 22.9.2021). Ende November erklärte der Leiter der Passabteilung, die Abteilung habe dem Außenministerium mindestens 20.000 Pässe zur Verteilung an afghanische Staatsbürger außerhalb des Landes vorgelegt. Nach Angaben der Abteilung werden die Pässe an die Afghanen außerhalb des Landes ausgegeben, deren Pässe abgelaufen sind (TN 30.11.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (16.7.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2035827/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_16.07.2020.pdf , Zugriff 12.11.2021
AAN - Afghanistan Analysts Network (22.2.2018): The E-Tazkera Rift: Yet another political crisis looming?, https://www.afghanistan-analysts.org/the-e-tazkera-rift-yet-another-political-crisis-looming/ , Zugriff 12.11.2021
ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation (28.5.2021): Informationen zur Beantragung einer Tazkira aus dem Ausland („absentee tazkera“); Informationen zur Beantragung einer Tazkira aus dem Ausland für erwachsene, im Iran geborene Personen afghanischer Abstammung, https://www.ecoi.net/en/document/2052580.html , Zugriff 4.6.2021
ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation (15.6.2020): Afghanistan: Taskiras - Grundlage für die Ausstellung, Zugangsbarrieren, Rolle von Geburtsurkunden, https://www.ecoi.net/en/document/2031622.html , Zugriff 12.11.2021
AFB BER - Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan in Berlin [Afghanistan] (22.10.2018): Antwort per E-Mail
AFB BER - Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan in Berlin [Afghanistan] (o.D.): Tazkira, https://botschaft-afghanistan.de/consulate/legal-services/tazkira/ , Zugriff 4.6.2021
AFB LON - Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan in London [Afghanistan] (o.D.): Absentee Tazkera Application, http://afghanistanembassy.org.uk/english/consulate/afghan-national-id-tazkera/ , Zugriff 4.6.2021
AFB OSL - Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan in Oslo [Afghanistan] (o.D.): Absentee Tazkira, https://www.afghanistanembassy.no/consular-services/absentee-tazkira/ , Zugriff 4.6.2021
AFB WIE - Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan in Wien [Afghanistan] (22.9.2021): Mündliche Auskunft
AFB WIE - Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan in Wien [Afghanistan] (22.6.2020): Antwort per E-Mail
AFB WIE - Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan in Wien [Afghanistan] (o.D.): Online Tazkira Service, http://www.afghanistan-vienna.org/consulate/online-tazkira-services/ , Zugriff 4.6.2021
AN - Ariana News (5.10.2021): IEA to start issuing passports again after months of delays, https://ariananews.af/iea-to-start-issuing-passports-again-after-months-of-delays/ , Zugriff 16.11.2021
ANI - Asian News International (6.12.2021): Afghanistan: 32 provinces to commence passport issuance services, https://www.aninews.in/news/world/asia/afghanistan-32-provinces-to-commence-passport-issuance-services20211206070435/ , Zugriff 14.12.2021
ANI - Asian News International (19.11.2021): Afghanistan:Passport requests overwhelm Nangarhar office, issuance delayed, https://www.aninews.in/news/world/asia/afghanistanpassport-requests-overwhelm-nangarhar-office-issuance-delayed20211119171231/ , Zugriff 2.11.2021
DFAT - Government Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (27.6.2019): DFAT Country Information Report Afghanistan, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-afghanistan.pdf , Zugriff 12.11.2021
HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Afghanistan, https://www.hrw.org/world-report/2021/country-chapters/afghanistan , Zugriff 12.11.2021
LI - Landinfo, Utlendingsforvaltningens fagenhet for landinformasjon [Norwegen] (22.5.2019): Afghanistan: Tazkera, pass og andre ID-dokumenter, https://www.ecoi.net/en/document/2009627.html , Zugriff 12.11.2021
ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (28.11.2018): Auskunft per E-Mail
RA KBL - Lokaler Rechtsanwalt in Kabul (8.11.2021): Auskunft per E-Mail
RA KBL - Lokaler Rechtsanwalt in Kabul (12.10.2020b): Auskunft per E-Mail
RA KBL - Lokaler Rechtsanwalt in Kabul (20.1.2020): Auskunft per E-Mail
RA KBL - Lokaler Rechtsanwalt in Kabul (9.5.2018): Auskunft per E-Mail
REU - Reuters (5.10.2021): Afghanistan to start issuing passports again after months of delays, https://www.reuters.com/world/asia-pacific/afghanistan-start-issuing-passports-again-after-months-delays-2021-10-05/ , Zugriff 16.11.2021
TN - Tolonews (30.11.2021): Govt to Issue Passports for Afghan Citizens Abroad, https://tolonews.com/afghanistan-175692 , Zugriff 2.12.2021
TN - Tolonews (29.11.2021): Passport Distribution is Still Halted in the Capital, https://tolonews.com/afghanistan-175669 , Zugriff 2.12.2021
TN - Tolonews (2.9.2021): Law Committee Approves Naming Mothers on National ID Cards, https://tolonews.com/afghanistan/law-committee-approves-naming-mothers-national-id-cards , Zugriff 13.1.2021
TNI - The News International (6.12.2021): 32 provinces to offer passport services in Afghanistan, https://www.thenews.com.pk/print/914449-32-provinces-to-offer-passport-services-in-afghanistan , Zugriff 14.12.2021
TTI - The Times of India (24.11.2021): Afghanistan to resume issuing passports in 10 more provinces, http://timesofindia.indiatimes.com/articleshow/87895522.cms?utm_source=contentofinterest&utm_medium=text&utm_campaign=cppst , Zugriff 2.12.2021
UNHCR-Position zur Rückkehr nach Afghanistan, Stand: August 2021
Einleitung
Als Folge des Rückzugs der internationalen Truppen aus Afghanistan hat sich die Sicherheits- und Menschenrechtslage in großen Teilen des Landes rapide verschlechtert. Die Taliban haben in einer schnell wachsenden Anzahl an Provinzen die Kontrolle übernommen, wobei sich ihr Vormarsch im August 2021 nochmals beschleunigte, als sie 26 von 34 Provinzhauptstädten innerhalb von zehn Tagen einnahmen und schließlich den Präsidentenpalast in KABUL unter ihre Kontrolle brachten. Die stark zunehmende Gewalt hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung, einschließlich Frauen und Kindern. UNHCR ist besorgt über die Gefahr von Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung, einschließlich Frauen und Kindern, sowie an Afghanen, bei denen die Taliban davon ausgehen, dass sie mit der afghanischen Regierung oder den internationalen Streitkräften in Afghanistan oder mit internationalen Organisationen im Land in Verbindung stehen oder standen.
Aufgrund des Konflikts sind seit Anfang 2021 Schätzungen zufolge über 550.000 Afghanen innerhalb des Landes neu vertrieben worden, davon 126.000 neue Binnenvertriebene allein zwischen 7. Juli und 9. August 2021. Während es bis dato noch keine genauen Zahlen gibt, wieviele Afghanen das Land aufgrund der Kampfhandlungen und Menschenrechtsverletzungen verlassen haben, haben Berichten zufolge zehntausende Afghanen in den letzten Wochen die Landesgrenzen überschritten.
[…]
Empfehlung eines Abschiebestopps
Aufgrund der volatilen Situation in Afghanistan, die noch für einige Zeit unsicher bleiben kann, sowie der sich abzeichnenden humanitären Notlage10 fordert UNHCR die Staaten dazu auf, zwangsweise Rückführungen von afghanischen Staatsangehörigen und Personen mit vormaligem gewöhnlichen Aufenthalt in Afghanistan auszusetzen – auch für jene, deren Asylanträge abgelehnt wurden. Ein Moratorium für zwangsweise Rückführungen nach Afghanistan sollte bestehen bleiben, bis sich die Situation im Land stabilisiert hat und geprüft wurde, wann die geänderten Umstände im Land eine Rückkehr in Sicherheit und Würde erlauben würden. Die Hemmung von zwangsweisen Rückführungen stellt eine Mindestanforderung dar, die bestehen bleiben muss, bis sich die Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtslage in Afghanistan signifikant verbessert haben, sodass eine Rückkehr in Sicherheit und Würde von Personen, bei denen kein internationaler Schutzbedarf festgestellt wurde, gewährleistet werden kann.
In Übereinstimmung mit den Zusagen der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen im Rahmen des Globalen Flüchtlingsforums, die Verantwortung für den internationalen Flüchtlingsschutz gerecht aufzuteilen, hält UNHCR es nicht für angemessen, afghanische Staatsangehörige und Personen mit vormaligem gewöhnlichen Aufenthalt in Afghanistan zwangsweise in Länder in der Region zurückzuführen, auch in Anbetracht der Tatsache, dass Länder wie der Iran und Pakistan jahrzehntelang großzügig die überwiegende Mehrheit der Gesamtzahl afghanischer Flüchtlinge weltweit aufgenommen haben.
UNHCR wird die Situation in Afghanistan weiterhin beobachten, um den internationalen Schutzbedarf, der sich aus der aktuellen Situation ergibt, zu prüfen.
Auszug aus der EASO Country Guidance Afghanistan 2022
Dieser Bericht enthält auf Seite 54 f eine Einschätzung über die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative wie folgt:
„Für Männer sind gegenwärtig sind keine Reise- und Aufnahmebeschränkungen innerhalb Afghanistans bekannt. Die Möglichkeiten von Frauen, innerhalb Afghanistans alleine zu reisen, unterlagen bereits zuvor gesellschaftlichen und formalen Beschränkungen, und oftmals wurde ihre Bewegungsfreiheit dadurch begrenzt, dass sie die Zustimmung eines Mannes oder einen männlichen Begleiter benötigten. Nach der Machtübernahme kündigten die Taliban weitere Reisebeschränkungen für Frauen an, sodass Frauen noch weniger in der Lage sein könnten, innerhalb Afghanistans sicher und legal zu reisen. Insbesondere hat das Ministerium für die Förderung der Tugend und die Verhinderung des Lasters Berichten zufolge Anweisungen erlassen, nach denen Frauen nur in Begleitung eines nahen männlichen Verwandten weiter als 45 Meilen (72 Kilometer) befördert werden dürfen und Fahrer gehalten sind, keine Frauen zu befördern, die keinen Hidschab tragen . In den Ausnahmefällen, in denen sowohl das Kriterium der Sicherheit als auch das Kriterium der Reise und Aufnahme im Sinne der Bestimmungen über die innerstaatliche Fluchtalternative erfüllt sein könnten, sollte besonderes Augenmerk auf der gegenwärtigen humanitären Lage in Afghanistan liegen. Letztere wäre relevant für das Kriterium der Zumutbarkeit, das im Rahmen der Prüfung nach Artikel 8 AR zu beurteilen ist, und würde bedeuten, dass die innerstaatliche Fluchtalternative grundsätzlich nicht zumutbar ist. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Dokuments ist daher davon auszugehen, dass grundsätzlich in keinem Teil Afghanistans eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist.
Auszug aus den UNHCR-Richtlinien Afghanistan vom 30.08.2018
[…]
„III.C. Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben
Eine vorgeschlagene Flucht- oder Neuansiedlungsalternative ist nur dann zumutbar, wenn der Antragsteller in dem betreffenden Gebiet seine grundlegenden Menschenrechte ausüben kann und Möglichkeiten für ein wirtschaftliches Überleben unter würdigen Bedingungen vorfindet. In dieser Hinsicht muss bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer vorgeschlagenen Flucht- oder Neuansiedlungsalternative insbesondere auf Folgendes geachtet werden:
(i) Zugang zu einer Unterkunft im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet
(ii) Verfügbarkeit grundlegender Infrastruktur und Zugang zu grundlegender Versorgung im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet wie Trinkwasser, sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung
(iii) Lebensgrundlagen einschließlich des Zugangs zu Land für Afghanen, die aus ländlichen Gebieten stammen, oder im Fall von Antragstellern, von denen nicht erwartet werden kann, dass sie für ihren eigenen Unterhalt sorgen (zum Beispiel ältere Antragsteller), erwiesene und nachhaltige Unterstützung zur Erreichung eines angemessenen Lebensstandards.
Zu den Punkten (i) - (iii) im konkreten Kontext von Afghanistan wurde die Bedeutung der Verfügbarkeit und des Zugangs zu sozialen Netzen, bestehend aus der erweiterten Familie des Antragstellers oder aus Mitgliedern seiner ethnischen Gemeinschaft, bereits ausführlich dokumentiert. In dieser Hinsicht kann allein aus der Anwesenheit von Personen mit demselben ethnischen Hintergrund wie der des Antragstellers im geplanten Neuansiedlungsort nicht geschlossen werden, dass solche Gemeinschaften den Antragsteller maßgeblich unterstützen würden; eine solche Unterstützung würde in der Regel vielmehr konkrete frühere gesellschaftliche Beziehungen zwischen dem Antragsteller und einzelnen Mitgliedern der betreffenden ethnischen Gemeinschaft voraussetzen.
Selbst wenn derartige bereits zuvor bestehende, soziale Beziehungen gegeben sind, sollte aber geprüft werden, ob die Mitglieder dieses Netzes auch bereit und trotz der prekären humanitären Lage in Afghanistan, der niedrigen Entwicklungsindikatoren und der generellen wirtschaftlichen Zwänge, unter denen weite Teile der Bevölkerung leiden, auch wirklich in der Lage sind, den Antragssteller tatsächlich zu unterstützen. Inwiefern Antragsteller auf Unterstützung durch Familiennetzwerke im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet zurückgreifen können, muss auch im Lichte der berichteten Stigmatisierung und Diskriminierung von Personen, die nach einem Aufenthalt im Ausland nach Afghanistan zurückkehren, geprüft werden.
Vor diesem Hintergrund ist UNHCR der Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn die Person Zugang zu
(i) Unterkunft,
(ii) grundlegender Versorgung wie sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung und
(iii) Lebensgrundlagen hat oder über erwiesene und nachhaltige Unterstützung verfügt, die
einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht.
UNHCR ist ferner der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann als zumutbar angesehen werden kann, wenn die Person im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft hat und man sich vergewissert hat, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen. Die einzige Ausnahme von diesem Erfordernis der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter ohne die oben beschriebenen besonderen Gefährdungsfaktoren dar.
Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen.“
2. Beweiswürdigung
2.1. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde sowie in die entscheidungsrelevanten Unterlagen im Beschwerdeverfahren zur Zahl W252 2159588-1/2E.
2.2. Zu den Länderberichten ist festzuhalten, dass Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, kein Grund besteht, an der Richtigkeit der Ausführungen zu zweifeln.
2.3. In Bezug auf die nunmehr im Zuge der gegenständlichen Folgeantragstellung erstmalig präsentierte Konversion zum Christentum ist aus nachstehenden Gründen auszuführen, wonach es sich hiebei um keinerlei nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Rechtsgangs neu entstandenen Sachverhalt (mit glaubhaften Kern) handelt.
Folgt man den Ausführungen des BF in seiner erstinstanzlichen Einvernahme vom 20.08.2020, so wäre dieser noch in einer Heimat vor seiner Ausreise „müde von meinem alten Glauben, vom Islam (Seite 85 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)“ gewesen. Die in dessen Rahmen idealisierten Elemente von Mord und Gewalt hätten ihn schon in seinem Heimatland abgestoßen, weshalb „ich kein Muslim mehr sein wollte (Seite 85 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).“ Noch vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsland „habe ich mich für das Christentum interessiert, aber nicht die Möglichkeit gehabt, meinen Glauben zu wechseln (Seite 85 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).“ Wörtlich führte der Beschwerdeführer in diesem Kontext erläuternd aus, demzufolge „ich auch in Afghanistan vorgehabt habe, dass ich nach Europa komme und meinen Glauben wechsle (Seite 87 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).“
Im ersten Rechtsgang wäre sein Abfall vom muslimischen Glauben und seine Zuwendung zum Christentum seinerseits nur deshalb nie erwähnt worden, da der BF „ängstlich“ gewesen sei und nicht gewusst habe, „was ich bei der Einvernahme sagen sollte (Seite 89 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).“
Aktiv begonnen, die Kirche zu besuchen, hätte er erst mit seiner Inhaftierung im Strafvollzug ab Juni 2018; davor habe ihn die Anwesenheit vieler Landsleute abgeschreckt. Auch sei es ihm seit seiner Einreise ins Bundesgebiet im Jänner 2016 angesichts seiner Angst und seinen mangelnden Sprachkenntnissen nicht gelungen, einen Zugang zu der seinerseits noch in der Heimat favorisierten Religion zu finden. „Ich wusste nicht, wie ich zum Christentum komme (Seite 89 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).“
Folgte man diesen Ausführungen und legte diese – rein hypothetisch – als realitätskonform der gegenständlichen Entscheidung zugrunde, wäre das nunmehr anlässlich der Folgeantragstellung erstmalig präsentierte und im ersten Rechtsgang mit keinem Wort jemals erwähnte Motiv eines Glaubenswechsels vom Islam zum Christentum nicht erst nachträglich nach rechtskräftigem Abschluss des in allen Punkten negativ entschiedenen ersten Asylverfahrens neu entstanden, sondern hätte dieses bereits ursprünglich bestanden, wäre aber vom BF bewusst aus angeblicher Angst heraus verschwiegen worden.
Zusätzlich bestätigt wird die These, wonach der Beschwerdeführer - wenngleich weniger aufgrund religiöser Motive, sondern weitaus stärker von der Absicht getragen, sich seine subjektive Lebensqualität dadurch bequemer gestalten zu können - noch in Afghanistan und somit vor seiner ursprünglichen ersten Antragstellung in Österreich zum Christentum tendiert hätte, durch die von ihm selbst beantragte Zeugenaussage seiner Schwester vor dem entscheidenden Gericht.
Demnach habe sich ihr Bruder noch im gemeinsamen Herkunftsland für das Christentum stark interessiert gezeigt, insbesondere während des Fastenmonats Ramadan, zumal er weder täglich beten noch das Fastenritual vollziehen hätte wollen. Anstatt sich konform der islamischen Glaubenslehre tagsüber nahrungsmäßig zu zügeln, hätte dieser regelmäßig heimlich gegessen und getrunken. Zudem wären wiederholt seine Augen gerötet gewesen, wobei er gleichzeitig dazu aus dem Mund nach Alkohol gerochen habe.
Basierend auf diesen Aussagen des BF wie auch seiner als Zeugin einvernommenen Schwester ließe sich, unter hypothetischer Unterstellung des nunmehr präsentierten Vorbringens als wahr, nur jener Schluss ziehen, wonach es sich hiebei eindeutig um keine neu entstandenen Tatsachen handeln würde, sondern vielmehr um bereits anlässlich der Erstantragstellung existente und dem Beschwerdeführer bekannte Fakten. Die einzig mögliche rechtliche Konsequenz in dieser Variante wäre die in casu ohnehin vorliegende Antragszurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG.
Diese Gefahr scheint dem BF respektive dessen vermeintlich rechtskundigen Beratern im Verlauf seines vorliegenden zweiten Rechtsganges, insbesondere nach Erhalt der erstinstanzlichen Negativentscheidung, zunehmend bewusst geworden zu sein, weshalb dieser zuletzt im Rahmen des Beschwerdeverfahrens intensiv bemüht war, seine bisherigen diesbezüglichen Angaben zielgerichtet zu korrigieren.
In völliger Abwandlung zu seinem vor der belangten Behörde ursprünglich ins Treffen geführten Vorbringen, behauptete dieser anlässlich seiner nunmehr durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, demzufolge er erst ab dem Jahr 2018 damit begonnen habe, sich für das Christentum zu interessieren. Konfrontiert mit seiner Aussage vom 20.08.2020, derzufolge er sich bereits in Afghanistan für das Christentum interessiert und vorgehabt hätte, in Europa die Religion zu wechseln, bestritt der BF vehement, jemals ein derartiges Vorbringen erstattet zu haben. Wenngleich in eine muslimische Familie hineingeboren, habe er selbst nie eine Religion gehabt. Die anderslautenden Passagen früherer Protokolle und Niederschriften wären vermutlich Fehler der involvierten Dolmetscher gewesen.
Bereits hier zeigt sich deutlich die grundsätzliche Tendenz des Beschwerdeführers, keineswegs reale Begebenheiten in sachlich, zeitlich und örtlich korrekter Weise wiederzugeben, sondern vielmehr ein Bild zu kreieren, welches zwar nicht den Tatsachen entspricht, dafür aber die Chancen auf einen gewünschten Verfahrensausgang vermeintlich steigert. So ist in diesem Zusammenhang etwa ausdrücklich auf den Umstand zu verweisen, demzufolge der BF selbst, ebenso wie auch sein persönlich anwesender Rechtsberater und seine Vertrauensperson, allesamt die inhaltliche Richtigkeit der rückübersetzten Angaben in der Niederschrift vom 20.08.2020 dezidiert mit ihrer Unterschrift bestätigt haben statt Einwendungen wegen Fehlern in der Übersetzung erhoben hatten (vgl. Seiten 81 bis 95 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).
Diese Einschätzung, wonach die offiziell durch die Taufe vollzogene Zuwendung zum Christentum nicht so sehr von einer realen inneren Überzeugung des Beschwerdeführers von der zugrundeliegenden Glaubenslehre als vielmehr aus verfahrenstaktischen Überlegungen heraus getragen ist, erfährt durch nachstehende Faktoren eine zusätzliche Bestätigung:
So sah sich der BF bereits vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl außerstande konkrete Bibelstellen oder Gebete zu zitieren, welche ihn besonders berührt hätten. Stattdessen bezeichnete er etwa die Auszüge aus dem Leben und Wirken Jesu, welche er in der Haftanstalt in Schriftform erhalten hätte, wörtlich als „evangelische Zettel (Seite 87 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)“ – ein äußerst laienhafter und wenig respektvoller Terminus, welcher von einem überzeugten Gläubigen nach allgemeiner Lebenserfahrung definitiv nicht verwendet werden würde.
Von einem offiziellen Anhänger der „Legio Mariae“ auch „Legion Mariens“ genannt, darf zudem erwartet werden, dass dieser zumindest in der Lage ist, seine Organisation korrekt zu benennen und nicht fälschlich als „Lege Maria“ (vgl. Seite 91 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes) tituliert.
Ebenso reduziert sich die Begründung, worin sich denn nun konkret die Attraktivität des Christentums im Gegensatz zum Islam manifestiere, in dem eher oberflächlich und vage gehaltenen Verweis auf die in der Bibel enthaltene Vergebungslehre, ohne jedoch auch nur ein einziges Mal die entsprechenden Stellen zitieren zu können. Nicht viel besser verhält es sich in Bezug auf die von Jesus vollbrachten Wunder, deren Schilderung im Ergebnis ausgesprochen dürftig ausfällt, obwohl dieser Themenkreis ebenfalls für den Beschwerdeführer laut eigenen Angaben besonders eindrucksvoll gewesen sein soll.
Generell fällt auf, dass der BF wiederholt seine eklatanten Wissensdefizite hinsichtlich des Christentums vor beiden Instanzen stets mit seinem angeblichen Mangel an Sprachkenntnissen in Kombination mit seiner behaupteten Lese- und Schreibschwäche zu erklären sucht. Es widerspricht jeglicher Lebenserfahrung von Grund auf, wonach sich eine Person, welche trotz explizit behaupteter Anfeindungen und Widerständen aus ihrem näheren Umfeld zu einem Glaubenswechsel entschließt, nicht einmal die Messen und Bibelinhalte vollinhaltlich zu erfassen vermag.
Besonders absurd mutet die behauptete Ängstlichkeit des angeblich so sehr von der Brutalität des Islam (vgl. Seiten 85f des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes) und dem furchteinflößenden Auftreten seiner religiösen Repräsentanten in den Moscheen (vgl. Seite 8 der Verhandlungsschrift vom 03.08.2021) angewiderten Beschwerdeführers in Bezug auf das Verschweigen seiner religiösen Überzeugung im ersten Rechtsgang an (vgl. Seite 89 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes), wenn man demgegenüber die strafrechtlichen Verurteilungen des BF respektive dessen darin offenbarten Verhaltensweisen als valide Parameter für die Beurteilung seiner Persönlichkeitsstruktur miteinbezieht. Die von extremer Brutalität und Gnadenlosigkeit gegenüber den beiden Opfern gekennzeichnete Tatbegehung, welche strafgerichtlich als Erschwerungsgrund entsprechend bei der Strafbemessung deutlich hervorgehoben wurde, steht in einem eklatanten Widerspruch zu der nunmehr im Folgeantrag behaupteten verschüchtertem Naturell des Beschwerdeführers, welches im Übrigen auch beim entscheidenden Richter anlässlich der nunmehr durchgeführten Beschwerdeverhandlung nicht einmal in Ansätzen vor dem Hintergrund eines ausgesprochen selbstbewussten phasenweise geradezu forschen Auftretens des Genannten nicht einmal in Ansätzen erkannt werden konnte.
Vielmehr erweist sich der BF, konfrontiert mit seinen Straftaten, keineswegs in einem Maße schuldeinsichtig, wie es seiner nunmehr behaupteten christlichen Überzeugung als selbstverständlich entsprechen müsste; so macht er für seine Tathandlungen weiterhin einen – strafgerichtlich als eindeutig widerlegt qualifizierten (vgl. Seite 242 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes) – übermäßigen Konsum von Spirituosen verantwortlich (vgl. Seiten 5 und 9 der Verhandlungsschrift vom 03.08.2021) und relativiert dadurch nicht nur sein Fehlverhalten gegenüber den Opfern, welche noch heute massiv an den Auswirkungen seiner Übergriffe zu leiden haben (vgl. persönliches Schreiben eines der Opfer auf Seite 467 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes), sondern rechtfertigt damit auch noch angebliche Erinnerungslücken an sein Verbrechen (vgl. etwa Seite 15 der Verhandlungsschrift vom 03.08.021). Dass er nicht nur seinem Vergewaltigungsopfer gegenüber Todesdrohungen ausgesprochen hat, sondern auch deren Freundin gegenüber ist ihm nicht bewusst, bzw. verdrängt er, obwohl ihm diese Tat im Rahman der strafgerichtlichen Verfahren mehrfach zur Kenntnis gelangt sein muss. Diesbezügliche Gewissenserforschung, Reue oder gar Buße seinerseits waren nicht erkennbar. Auch hat ihn die behauptete Konversion nicht davon abgehalten, erneut eine Straftat (Körperverletzung) zu begehen.
Auch vermeidet der Beschwerdeführer angesichts der massiven Auswirkungen nicht etwa konsequent den Konsum von Alkohol insgesamt, wie dies im Falle eines gläubigen Christen, der behauptetermaßen allein aufgrund des missbräuchlichen Gebrauchs von Spirituosen viel Leid über seine Mitmenschen gebracht haben will, das logische Resultat und zugleich nach außen hin sichtbare Zeichen seiner tiefempfundenen Reue darstellen würde. Stattdessen reduzierte der BF laut eigenen Angaben zwar das Ausmaß seines Alkoholgenusses insoweit, als dass „ich damit nicht meine Kontrolle verliere“ (Seite 9 der Verhandlungsschrift vom 03.08.2021), eine gänzliche Abkehr von der seinerseits offiziell für seine Verbrechen hauptverantwortlich gemachten Substanz hält er offensichtlich nicht für angebracht oder erforderlich.
Eine derartige faktische Scheu moralisch Verantwortung für seine Untaten zu übernehmen, steht im klaren Widerspruch zum Grundkonzept der christlichen Glaubenslehre. Zwar weist der Beschwerdeführer wiederholt darauf hin, wonach ihm nach seiner Überzeugung nunmehr all seine Sünden von Gott vergeben worden wären und er seine Fehler bereuen würde, allerdings erweckt er auf entsprechende Nachfragen des verhandlungsleitenden Richters nachhaltig den Eindruck, weder das Prinzip der Beichte noch jenes der für den Sündenerlass notwendigen Voraussetzungen tatsächlich verstanden zu haben (vgl. Seiten 10 und 15f der Verhandlungsschrift vom 03.08.2021). Stattdessen präsentiert sich der BF zwar vordergründig als geläutert, durch die Taufe reingewaschen, dies jedoch allem Anschein nach nur aus reinem Kalkül, um solcherart einen für ihn positiven Verfahrensausgang zu erreichen. Die diesbezüglichen Beteuerungen seiner angeblichen Schuldeinsicht wirken nicht authentisch, sondern weisen vielmehr den Charakter von im Vorfeld sorgsam einstudierten Textpassagen auf.
Ebensowenig lässt es sich mit der ins Treffen gestellten neu gewonnenen christlichen Überzeugung vereinbaren, wonach der Beschwerdeführer zwar ein glühender Anhänger der Mutter Maria und als solcher Mitglied der „Legio Mariae“ sein will, auf entsprechende Nachfrage hin aber nur mit großer Mühe dazu in der Lage ist, deren wichtigsten Feiertage einigermaßen korrekt zeitlich einzuordnen und über den Hintergrund der selbigen überhaupt nichts zu berichten weiß.
Weshalb es ihm trotz jahrelanger inhaltlicher Auseinandersetzung mit dem Wesen des Christentums und unter gleichzeitig parallel dazu erfolgter engagierter Anleitung des Gefängnisseelsorgers nicht gelingen sollte, den Begriff der „Todsünde“, welcher bekanntlich ein zentrales Element der christlichen Glaubenslehre darstellt, auch nur im Entferntesten korrekt thematisch zuzuordnen, vermochte der Genannte ebenfalls nicht schlüssig zu erklären.
Hinzu tritt die Tatsache, derzufolge der BF nach wie vor in der Haftanstalt nur Speisen welche muslimisch „halal“ zubereitet wurden, konsumierte – seine diesbezügliche Rechtfertigung, wonach dies einfach automatisch eingetragen worden wäre und er es nur vergessen hätte, umändern zu lassen, erscheint angesichts seiner mehrjährigen Haft in Kombination mit seiner dort angeblich intensiv empfundenen christlichen Lebensführung absolut realitätsfremd und wird ebenfalls als bloße Schutzbehauptung qualifiziert – ebenso wie auch die vor der belangten Behörde vorgebrachte und später in Abrede gestellten Begründung für seinen zweieinhalb Jahre verspätet vollzogenen Glaubenswechsel. Dieser sei lediglich dadurch zustande gekommen, als dass „ich nicht wusste, wie ich zum Christentum komme“ (Seite 89 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).
In einer Zusammenschau erweist sich somit die anlässlich der Folgeantragstellung zentral in den Mittelpunkt des Vorbringens gestellte Zuwendung des Beschwerdeführers zum Christentum aus ehrlicher innerer Überzeugung nicht einmal ansatzweise als glaubhaft.
An dieser Einschätzung vermag weder die Zeugenaussage des Gefängnisseelsorgers noch jene der Schwester eine relevante Andersbewertung zu rechtfertigen, letztere fällt im Ergebnis sogar negativ für sein Vorbringen aus.
So scheint es zwar menschlich durchaus nachvollziehbar und verständlich, wonach der Häftlingsseelsorger etwa die physische Teilnahme an wöchentlich stattfindenden religiösen Zeremonien als eindeutiges Zeichen für die tiefe religiöse Überzeugung des BF wertet, doch erweist sich dieser Schluss bei näherer Betrachtung keineswegs als zwingend; vielmehr erscheint die Bereitschaft, während aufrechter mehrjähriger Strafhaft wöchentlich einige Stunden in Aktivitäten zu investieren, die allenfalls zu einer vorzeitigen Entlassung und im Optimalfall zur Zuerkennung des angestrebten Flüchtlingsstatus führen können, ein vergleichsweise geringer Preis dafür zu sein, um ein derartiges Verhalten zu zeigen. Wie ob dargestellt, weist der Beschwerdeführer gravierende Wissenslücken zu tragenden Säulen seiner neuen Religion auf, lebt auch im streng reglementierten Haftalltag das Christentum in wenig überzeugender Weise aus, wie beispielsweise der regelmäßige Konsum von Halal-Speisen und Alkohol zeigt, verspürt offenkundig wenig Anreiz dazu, sich aus eigener Kraft und Anstrengung trotz ausreichender Tagesfreizeit mit den Inhalten der Bibel oder der deutschen Sprache intensiver auseinanderzusetzen und weist trotz plakativ vorgetragener anderslautender Beteuerungen ein markantes Defizit in Bezug auf die moralische Auseinandersetzung mit seinen äußerst brutal und gnadenlos umgesetzten Straftaten auf.
Der Formalakt der Taufe, stellt allein für sich genommen und vor dem Hintergrund der zuvor im Detail dargelegten Ausführungen ebenfalls keinen schlagenden Beweis für eine wahre innere Überzeugung dar, weshalb das entscheidende Gericht im Ergebnis – anders als der Gefängnisseelsorger – eine klare Scheinkonversion für erwiesen ansieht. Die angeblich intensive Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben, welche sich primär durch die physische Teilnahme des Beschwerdeführers an der wöchentlichen Katechese in einer Gesamtdauer von zwei Jahren manifestiert hätte, konnte weder von der belangten Behörde in zutreffender Weise festgestellt werden noch in der nunmehr durchgeführten Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Allein die Tatsache von physischer Teilnahme an Veranstaltungen und Taufe kann nicht (de facto automatisch) dazu führen, dass der BF auch aus innerer Überzeugung eine Konversion zum Christentum vollzogen hätte.
In Bezug auf die Schwester des Beschwerdeführers und deren Zeugenaussage ist auszuführen, demzufolge diese im Falle der hypothetischen Wahrheitsunterstellung zu dem Ergebnis führen würde, wonach ihr Bruder sich bereits in Afghanistan dem Christentum zugewandt hätte – ein Sachverhalt, welcher diesfalls bereits anlässlich der Erstantragstellung vorgelegen, jedoch bis zum rechtskräftigen Abschluss des ersten Rechtsgangs von diesem zur Gänze unerwähnt geblieben wäre.
Tatsächlich zeigt eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Zeugin, dass diese zwar den offenkundigen regelmäßigen Alkoholgenuss des BF ebenso wie dessen permanente Verstöße gegen die islamischen Gebote insbesondere während des Fastenmonats Ramadan sowie dessen vehemente Weigerung, täglich beten zu wollen, als eindeutiges Zeichen für die Zuwendung zum – offenbar vom Beschwerdeführer als weitaus bequemer eingestuften – Christentum interpretiert, aber ist dieser Schluss keineswegs der einzig logisch zulässige. Vielmehr kann das Verhalten des BF zwar durchaus als Abwendung vom Islam qualifiziert werden, dies jedoch primär aufgrund der mit der Religionsausübung verbundenen und als subjektiv lästig bewerteten Obliegenheiten; ein derartiges Motiv ist jedoch keineswegs mit einer gleichzeitigen Zuwendung zum Christentum gleichzusetzen. Um ein derartiges Ergebnis nahezulegen, müssten nach Ansicht des entscheidenden Gerichts noch zusätzliche – in religiöser Hinsicht eindeutig zuordenbare – Faktoren, wie etwa der Verweis auf Bibelinhalte durch den Beschwerdeführer oder das Ersetzen der muslimische durch christliche Rituale hinzugetreten sein.
Die von der Schwester des BF behauptete Informationsweitergabe an ihre Familie in Bezug auf dessen Übertritt zum Christentum durch ehemalige Mithäftlinge, welche zwischenzeitlich nach Afghanistan zurückgeschoben worden seien, wird als nicht tatsachenkonform gewertet, sondern als offenkundiger Versuch, dem Bruder einen dauerhaften Verbleib im Bundesgebiet zu ermöglichen. Angesichts der Größe der afghanischen Hauptstadt XXXX und deren einwohnerstarke multiethnische Zusammensetzung erscheint es ausgesprochen abwegig und lebensfremd anzunehmen, wonach in den selben österreichischen Haftanstalten zur selben Zeit persönlich Bekannte der Familie eingesessen sein könnten, die Kenntnis über die offizielle Zuwendung zum Christentum des Beschwerdeführers erhalten und in weiterer Folge an dessen Angehörige weitergetragen hätten. Dieses Vorbringen wird nicht zuletzt angesichts der ausgesprochen detailarm und lapidar in den Raum gestellten Präsentation der Aussage als reine Schutzbehauptung qualifiziert.
2.5. Zusammenfassend wird somit unter Einbeziehung sämtlicher im Verfahren vorgelegten Beweismittel und einvernommenen Zeugen den Angaben des BF in Bezug auf seine aus innerer Überzeugung heraus erfolgten Zuwendung zum Christentum keinerlei glaubhafter Kern zuerkannt. Beim Übertritt vom Islam zum Christentum handelt es sich augenscheinlich um eine Scheinkonversion, welche rein aus taktischen Motiven heraus vorgenommen worden ist, um sich nach Verbüßung der Strafhaft einer drohenden Abschiebung nach Afghanistan zu entziehen und der keinerlei tatsächliche Ergebenheit in Bezug auf die entsprechende christliche Lehre zugrunde liegt. Sogar nach der von ihm behaupteten Konversion ist der BF erneut durch ein Gewaltdelikt (Körperverletzung) straffällig geworden, was mit der vom BF behaupteten rezenten tiefen Hinwendung zum christlichen Glauben nicht zu vereinbaren wäre.
2.6. Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist sohin inhaltlich beizupflichten, demzufolge in casu kein neuer oder geänderter Sachverhalt mit glaubhaften Kern vorliegt, welcher nach Abschluss des Erstverfahrens entstanden wäre. Die Erstinstanz ist absolut schlüssig und nachvollziehbar zum Ergebnis gelangt, dass sich hinsichtlich der ursprünglichen Fluchtgründe des Beschwerdeführers keine Änderungen dahingehend ergeben hätten, wonach dieser nunmehr als ein (durch innere Hinwendung) überzeugter Christ zu qualifizieren wäre.
Lediglich der Vollständigkeit halber soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, wonach selbst im Falle einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem neuen Fluchtvorbringen im Rahmen eines materiellen Verfahrens für den BF nichts gewonnen wäre, zumal angesichts dessen exzessiver Straffälligkeit in jedem Fall Asylunwürdigkeit vorliegen würde beziehungsweise näher geprüft werden müsste – ein Vorgang, von dem angesichts des vorliegenden Akteninhalts realistisch nicht angenommen werden kann, dass dieser zugunsten des Beschwerdeführers ausgehen könnte.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A)
3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I.
3.1.1. Nach § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, welche die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, (außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG) wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Somit ist „Sache des Beschwerdeverfahrens“ vor dem Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob diese Zurückweisung zu Recht erfolgt ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat diesfalls zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen früheren Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist. Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrags auf Grund geänderten Sachverhalts hat - von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen - im Beschwerdeverfahren nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen (vgl. VwGH .23.09.2020, Zl. Ra 2020/14/0175).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als Vergleichsbescheid derjenige Bescheid heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. VwGH 15.11.2000, Zl. 2000/01/0184; VwGH 16.07.2003, Zl. 2000/01/0440; VwGH 26.07.2005, Zl. 2005/20/0226; VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0783; vgl. weiters Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E 104 zu § 68 AVG).
Im vorliegenden Fall ist hinsichtlich des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz der BF betreffend die Frage der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten als Vergleichsentscheidung das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.06.2017, W252 2159588-1/2E, heranzuziehen.
"Formell rechtskräftige Bescheide können außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG 1991 nur unter der Voraussetzung der Abs. 2 bis 4 des § 68 leg. cit. aufgehoben, abgeändert oder für nichtig erklärt werden. Soweit diese Voraussetzungen nicht zutreffen, sind die Behörden und Verwaltungsgerichte an Bescheide, allenfalls auch ungeachtet der Gesetzwidrigkeit ihres Inhaltes, gebunden und ist ein dennoch gestellter Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (VfSlg. 10.240/1984, 19.269/2010; VwGH 19.11.1979, Z 16/79)" (VfgH 11.06.2015, Zl. E 1286/2014-17). Identität der Sache ist nach der Rechtsprechung des VwGH dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, welcher dem formell rechtskräftigen Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat (vgl. VwGH 26.02.2004, Zl. 2004/07/0014; VwGH 27.06.2006, Zl. 2005/06/0358; VwGH 21.02.2007, Zl. 2006/06/0085). Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. (vgl. VwGH 19.09.2013, Zl. 2011/01/0187; VwGH 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235; VwGH 15.10.1999, Zl. 96/21/0097). Erst nach Erlassung des Bescheides hervorgekommene Umstände, die die Unrichtigkeit des Bescheides dartun, stellen keine Änderung des Sachverhaltes dar, sondern bilden lediglich unter den Voraussetzungen des § 69 AVG einen Wiederaufnahmsgrund (VwGH Zl. 26.02.2004, Zl. 2004/07/0014; VwGH 24.06.2003, Zl. 2001/11/0317, mit Verweis auf E 24.09.1992, Zl. 91/06/0113, E 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235). Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (vgl. VwGH 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235). Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen nach § 28 AsylG - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. VwGH 09.09.1999, Zl. 97/21/0913). Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (vgl. VwGH 25.04.2007, Zl. 2004/20/0100; VwGH 17.09.2008, Zl. 2008/23/0684; VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0783). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den eine positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (VwGH 22.12.2005, Zl. 2005/20/0556; VwGH 06.07.2005, Zl. 2005/20/0343, mwN).
Ein Folgeantrag ist wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn der Asylwerber an seinem (rechtskräftig) nicht geglaubten Fluchtvorbringen unverändert festhält und sich auch in der notorischen Lage im Herkunftsstaat keine - für den internationalen Schutz relevante - Änderung ergeben hat. Werden neue (für den internationalen Schutz relevante) Geschehnisse geltend gemacht, die sich nach dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens ereignet haben sollen, ist es nicht rechtens, die Prüfung dieses geänderten Vorbringens bloß unter Hinweis darauf abzulehnen, dass es auf dem nicht geglaubten Fluchtvorbringen des ersten Asylverfahrens fuße. Das neue Vorbringen muss nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vielmehr daraufhin geprüft werden, ob es einen „glaubhaften Kern“ im Sinne der dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung aufweist. Könnten die behaupteten neuen Tatsachen zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, bedarf es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubhaftigkeit (vgl. dazu etwa VwGH 21.08.2020, Ra 2020/18/0157, RNr ).
Wie bereits in der gegenständlichen Beweiswürdigung dargelegt wurde, bezog sich der BF zur individuellen Begründung seines Folgeantrages auf internationalen Schutz ausschließlich auf Umstände, die keinen glaubhaften Kern aufweisen.
Selbst bei hypothetischer Zugrundelegung des Vorbringens der Abkehr vom Islam und des Übertritts zum Christentum hätte dieser bereits zum Zeitpunkt des Vorverfahrens bestanden.
Ergänzend ist an dieser Stelle nochmals auf den Umstand zu verweisen, wonach angesichts der extremen Qualität der rechtskräftig ausgesprochenen Verurteilung respektive des zugrundeliegenden Verbrechens in Kombination mit einem weiteren Vergehen und zusätzlichem Opfer sowohl hinsichtlich der Zuerkennung von internationalem als auch subsidiärem Schutz ein positiver Verfahrensausgang auch in materiell-rechtlicher Hinsicht auszuschließen ist, da der BF schlichtweg als massiv asylunwürdig zu qualifizieren ist.
Angesichts der vom Bundesamt zum Entscheidungszeitpunkt herangezogenen Länderberichte liegen auch keine Hinweise vor, wonach seit dem rechtskräftigen Abschluss der ersten Asylverfahren im Hinblick auf den BF eine derartige erhebliche Lageänderung im vorliegenden Herkunftsland eingetreten wäre, wonach ihm nach Verlassen des Herkunftslandes und Asylantragstellungen im Ausland im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan im gesamten Staatsgebiet Gefahr für Leib und Leben in einem Maße drohen würde, dass die Ausweisung im Lichte des Art. 3 EMRK unzulässig wäre.
Vor dem Hintergrund der vom Bundesamt getroffenen Feststellungen zu den Verhältnissen im Herkunftsstaat kann auch nicht angenommen werden, dass in der Zwischenzeit Umstände eingetreten wären, wonach der BF nach einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre (vgl. dazu etwa VwGH 25.05.2016, Zl. Ra 2016/19/0036, wonach die Feststellung, dass ein gesunder, arbeitsfähiger und erwachsener Mann ohne Berufsausbildung und -erfahrung bei einer Rückkehr nach XXXX kein berufliches oder familiäres Netz mehr vorfinden würde, zwar geeignet war, eine schwierige Lebenssituation bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht darzutun, jedoch noch keine reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse; VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059, wonach die voraussichtliche Unterbringung eines Asylwerbers in einem notdürftig errichteten, beheizten, mit Stroh ausgelegten Zelt, das er sich mit mehreren Personen teilen hätte müssen, grundsätzlich einer Abschiebung nicht entgegenstand, VwGH 05.10.2016, Zl. Ra 2016/19/0158, Rz 13-14, zur Rückkehrmöglichkeit eines gesunden Revisionswerbers nach Mogadischu ohne familiäre Unterstützung).
Da sohin keine Anhaltspunkte für eine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhalts im Hinblick auf das individuelle Vorbringen bzw. Umstände des BF oder allgemein bekannte Tatsachen, die vom Bundesamt von Amts wegen zu berücksichtigen gewesen wären, vorliegen, und auch die Rechtslage sich in der Zwischenzeit nicht entscheidungswesentlich geändert hat, steht der Behandlung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache nach § 68 Abs. 1 AVG entgegen. Doch wäre auch im gegenteiligen Fall für den BF daraus nichts zu gewinnen, da er – wie oben in der Beweiswürdigung detailliert ausgeführt – Furcht vor Verfolgung wegen seines neuen Glaubens nicht bloß nicht glaubwürdig dargelegt hat, sondern eine solche aufgrund der bloßen Scheinkonversion in seinem Fall auch gar nicht vorliegt.
Doch selbst wenn sich der vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfende Sachverhalt bezüglich der Frage der Zuerkennung internationalen Schutzes nicht auf den Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde zu beziehen hätte, sondern auf den Entscheidungszeitpunkt des BVwG, wären die Auswirkungen für den BF unbeachtlich, da sich zur Thematik der Konversion die Lage in Afghanistan insoweit nicht wesentlich geändert hat, als eine nicht tatsächlich stattgefundene Konversion weder 2020 berechtigte Furcht vor Verfolgung auszulösen vermochte, noch vermag sie dies jetzt. Daher wäre es müßig, Überlegungen anzustellen, ob im Falle tatsächlicher Konversion nunmehr infolge der Machtübernahme durch die Taliban die Folgen für einen tatsächlichen Konvertiten noch schlimmer wären, als sie dies 2020 bereits gewesen sind. Weiters läge aufgrund der schwerwiegenden Delinquenz des BF jedenfalls Asylunwürdigkeit vor.
3.2. Zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 8 AsylG (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Folgend der Judikatur des VfGH hat sich jedoch der zu überprüfende Sachverhalt bezüglich der Frage der Zuerkennung subsidiären Schutzes jedenfalls nicht auf den Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde, sondern auf den Entscheidungszeitpunkt des BVwG zu beziehen.
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 leg. cit. mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg. cit. oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 leg.cit. zu verbinden. Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 leg. cit.) offensteht.
Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.
Das Bundesverwaltungsgericht hat somit vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zahl 95/18/0049; 05.04.1995, Zahl 95/18/0530; 04.04.1997, Zahl 95/18/1127; 26.06.1997, Zahl 95/18/1291; 02.08.2000, Zahl 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zahl 93/18/0214)
Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zahl 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zahl 98/01/0122; 25.01.2001, Zahl 2001/20/0011).
Unter „realer Gefahr“ ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen („a sufficiently real risk“) im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zahl 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zahl 95/21/0294; 25.01.2001, Zahl 2000/20/0438; 30.05.2001, Zahl 97/21/0560).
Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, mwN; 08.09.2016, Ra 2016/20/006; VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016; BVwG 13.02.2017, Zahl W238 2125691-1/17E, die Behandlung der diesbezüglichen Beschwerde wurde mit Beschluss des VfGH vom 28.09.2017 zur Zahl E974/2017-12 abgelehnt).
Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (vgl. jüngst das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2017, Ra 2016/18/0137, mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung sowie die Rechtsprechung des EGMR und EuGH; BVwG 13.02.2017, Zahl W238 2125691-1/17E, die Behandlung der diesbezüglichen Beschwerde wurde mit Beschluss des VfGH vom 28.09.2017 zur Zahl E974/2017-12 abgelehnt).
In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Judikatur des EGMR hinzuweisen, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Nr. 61 204/09; s. dazu zuletzt auch VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214; siehe BVwG 13.02.2017, Zahl W238 2125691-1/17E, die Behandlung der diesbezüglichen Beschwerde wurde mit Beschluss des VfGH vom 28.09.2017 zur Zahl E974/2017-12 abgelehnt).
Für die zur Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des BF bei einer Rückkehr abzustellen. Kommt die Herkunftsregion des BF als Zielort wegen der ihm dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes verwiesen werden (VfGH 12.03.2013; U1674/12; 12.06.2013, U2087/2012; 13.09.2013, U370/2012).
Selbst wenn einem Antragsteller in seiner Herkunftsregion eine Art. 3 EMRK-widrige Situation drohen sollte, ist seine Rückführung dennoch möglich, wenn ihm in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht (§ 11 AsylG 2005). Ihre Inanspruchnahme muss dem Fremden - im Sinne eines zusätzlichen Kriteriums - zumutbar sein (Prüfung der konkreten Lebensumstände am Zielort); für die Frage der Zumutbarkeit (im engeren Sinn) muss daher ein geringerer Maßstab als für die Zuerkennung subsidiären Schutzes als maßgeblich angesehen werden (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, § 11 AsylG 2005, K15). Dass das mögliche Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch bei der Prüfung des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 AsylG 2005, wonach sich die innerstaatliche Fluchtalternative, die als ein Kriterium u.a. die Zumutbarkeit des Aufenthalts in einem bestimmten Teil des Staatsgebietes vorsieht, auf den "Antrag auf internationalen Schutz" und somit auch auf jenen auf Zuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten bezieht (vgl. hierzu auch VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233).
Nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann, und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
Nach allgemeiner Auffassung soll die Frage der Zumutbarkeit danach beurteilt werden, ob der in einem Teil seines Herkunftslandes verfolgte oder von ernsthaften Schäden (iSd Art. 15 Statusrichtlinie) bedrohte Asylwerber in einem anderen Teil des Herkunftsstaates ein „relativ normales Leben“ ohne unangemessene Härte führen kann (vgl. etwa UNHCR Richtlinien Nr. 4., Rz 22 ff; Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie [2009], 226 ff). Dabei ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände des Asylwerbers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 AsylG 2005; vgl. auch die im Wesentlichen gleichlautenden Vorgaben des Art. 8 Abs. 2 Statusrichtlinie).
Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Judikatur eine konkrete Auseinandersetzung mit den dem Asylwerber konkret und individuell betreffenden Umständen, die er bei Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu gewärtigen hätte (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233). Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative erfordert im Hinblick auf das ihr u.a. innewohnende Zumutbarkeitskalkül somit insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet (VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151; 08.09.2016, Ra 2016/20/0063 siehe BVwG 13.02.2017, Zahl W238 2125691-1/17E, die Behandlung der diesbezüglichen Beschwerde wurde mit Beschluss des VfGH vom 28.09.2017 zur Zahl E974/2017-12 abgelehnt).
Dem ist lediglich hinzuzufügen, dass bei dieser Sichtweise dem Kriterium der „Zumutbarkeit“ neben jenem der Gewährleistung von Schutz vor Verhältnissen, die Art. 3 EMRK widersprechen, durchaus Raum gelassen wird. Um von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, reicht es nicht aus, dem Asylwerber entgegen zu halten, dass er in diesem Gebiet keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat. Es muss ihm vielmehr - im Sinne des bisher Gesagten -möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Ob dies der Fall ist, erfordert eine Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlageausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers indem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (vgl. dazu nochmals VwGH 8.8.2017, Ra 2017/19/0118, mwN, VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist den UNHCR-Richtlinien besondere Beachtung zu schenken (s. VwGH 22.11.2016, Ra 2016/20/0259, mwN; 08.08.2017, Ra 2017/19/0118; zur „Indizwirkung“ vgl. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103 bis 0106, mwN). Diese Rechtsprechung geht auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zurück, in der dieser erkannte, dass Empfehlungen internationaler Organisationen zweifelsohne Gewicht zu kommt, wenn es um die Beurteilung der allgemeinen Verhältnisse vor Ort geht. Sie ersparen jedoch nicht eine nähere Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt (vgl. VwGH 13.11.2001, 2000/01/0453).
UNHCR ist in der UNHCR-Position zur Rückkehr nach Afghanistan von August 2021 der Auffassung, dass sich als Folge des Rückzugs der internationalen Truppen aus Afghanistan die Sicherheits- und Menschenrechtslage in großen Teilen des Landes rapide verschlechtert hat. Die stark zunehmende Gewalt hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung, einschließlich Frauen und Kindern. UNHCR ist besorgt über die Gefahr von Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung, einschließlich Frauen und Kindern, sowie an Afghanen, bei denen die Taliban davon ausgehen, dass sie mit der afghanischen Regierung oder den internationalen Streitkräften in Afghanistan oder mit internationalen Organisationen im Land in Verbindung stehen oder standen. Vor dem Hintergrund der volatilen Situation in Afghanistan begrüßt UNHCR den Schritt einiger Aufnahmeländer, Entscheidungen über den internationalen Schutzbedarf von afghanischen Staatsangehörigen und Personen mit vormaligem gewöhnlichen Aufenthalt in Afghanistan auszusetzen, bis sich die Situation im Land stabilisiert hat und zuverlässige Informationen über die Sicherheits- und Menschenrechtslage verfügbar sind, um den internationalen Schutzbedarf der einzelnen Antragsteller zu prüfen. Aufgrund der Unbeständigkeit der Situation in Afghanistan hält UNHCR es nicht für angemessen, afghanischen Staatsangehörigen und Personen mit vormaligem gewöhnlichen Aufenthalt in Afghanistan internationalen Schutz mit der Begründung einer internen Flucht- oder Neuansiedlungsperspektive zu verwehren.
Aufgrund der volatilen Situation in Afghanistan, die noch für einige Zeit unsicher bleiben kann, sowie der sich abzeichnenden humanitären Notlage fordert UNHCR die Staaten dazu auf, zwangsweise Rückführungen von afghanischen Staatsangehörigen und Personen mit vormaligem gewöhnlichen Aufenthalt in Afghanistan auszusetzen – auch für jene, deren Asylanträge abgelehnt wurden. Ein Moratorium für zwangsweise Rückführungen nach Afghanistan sollte bestehen bleiben, bis sich die Situation im Land stabilisiert hat und geprüft wurde, wann die geänderten Umstände im Land eine Rückkehr in Sicherheit und Würde erlauben würden. Die Hemmung von zwangsweisen Rückführungen stellt eine Mindestanforderung dar, die bestehen bleiben muss, bis sich die Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtslage in Afghanistan signifikant verbessert haben, sodass eine Rückkehr in Sicherheit und Würde von Personen, bei denen kein internationaler Schutzbedarf festgestellt wurde, gewährleistet werden kann.
UNHCR änderte damit in Relation zu den Richtlinien vom 30.08.2018 seine Schlussfolgerung zur Relevanz und Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Afghanistan auf Basis der (sofern nichts Anderes angegeben) dem UNHCR im August 2021 bekannten Informationen).
Für den vorliegenden Fall ist Folgendes festzuhalten:
Eine Wiederansiedlung des BF in seiner Herkunftsprovinz würde für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Gefahr seiner in Art. 2 EMRK und Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte mit sich bringen. Im Fall des BF ist weiters auszuführen, dass nunmehr sowohl XXXX als auch HERAT an die Taliban gefallen sind und die Taliban folglich den Krieg in Afghanistan für beendet erklärt haben. Dementsprechend liegen in diesen beiden Städten als auch in der Stadt MAZAR-E SHARIF Bedingungen vor, die gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen. Dies deshalb, weil nun die aufständischen Taliban mit der Übernahme der Hauptstadt XXXX und der Flucht des Präsidenten aus Afghanistan die Herrschaft über ganz Afghanistan übernommen haben. Dementsprechend kann auch nicht mehr von einer bestehenden innerstaatlichen Fluchtalternative ausgegangen werden (siehe dazu UNHCR Position zu Afghanistan 08/2021). Denn laut den Richtlinien des UNHCR müssen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von intern vertriebenen afghanischen Staatsangehörigen bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative berücksichtigt werden, wobei angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft auf Grund jahrzehntelang währender Kriege, massiver Flüchtlingsströme und interner Vertreibung hierfür jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig ist (zur Indizwirkung von UNHCR-Richtlinien vgl. u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103). Diese Indizwirkung wird auch der UNHCR Position zu Afghanistan 08/2021 beigemessen. Aufgrund der allgemeinen schlechten Sicherheitslage in Afghanistan und der Machtübernahme durch die Taliban sowie dem Umstand, dass der BF weder in MAZAR-E SHARIF noch in HERAT eine innerstaatliche Fluchtalternative mehr gegeben ist. Unter Berücksichtigung der Länderberichte, der Kurzinformation der Staatendokumentation vom 17.08.2021 und 20.08.2021, der zahlreichen Berichterstattung und der persönlichen Situation des BF ist in einer Gesamtbetrachtung somit zu erkennen, dass in seinem Fall eine Abschiebung nach Afghanistan nicht zumutbar ist und er mit großer Wahrscheinlichkeit in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Es liegen, aufgrund der derzeitigen in Afghanistan herrschenden Umstände, exzeptionellen Gründe vor, die einer Abschiebung entgegenstehen.
Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem BF eine Ansiedlung in Afghanistan derzeit nicht möglich und nicht zumutbar ist. Diese Beurteilung beruht auf der aktuellen Sicherheitslage, wobei nicht abgeschätzt werden kann, wie sich diese künftig entwickeln wird. Bei einer Stabilisierung der Sicherheitslage wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Neubewertung vorzunehmen haben.
Ausschlussgründe nach § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil sie einerseits nicht hervorgekommen sind (§ 9 Abs. 2 Z 1 und 2 leg. cit.) und der BF andererseits kein Verbrechen im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 3 leg. cit. begangen hat.
Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 stattzugeben.
Aufenthaltsberechtigung
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Fall des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Dem BF war somit gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung in der Dauer von einem Jahr zu erteilen.
Zu Spruchpunkt III. dieses Erkenntnisses (Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung):
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom BFA für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Im gegenständlichen Fall ist dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien zuzuerkennen (siehe Spruchpunkt II.).
Folgerichtig war dem BF gemäß § 8 Abs. 4 AsylG gleichzeitig damit einhergehend eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres zu erteilen.
Zu Spruchpunkt IV. dieses Erkenntnisses (Beschwerde gegen den Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):
Da dem BF mit dieser Entscheidung der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, verliert dieser Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides seine rechtliche Grundlage, weshalb er ersatzlos aufzuheben ist.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die unter A) zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
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