BVwG I412 2124361-3

BVwGI412 2124361-316.12.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z2
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:I412.2124361.3.01

 

Spruch:

I412 2124361-3/5E

 

I412 2225928-1/4E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von XXXX, geb. XXXX, und XXXX, geb. am XXXX, beide StA. Nigeria, vertreten durch die Mutter XXXX, diese wiederum vertreten durch LEGAL FOCUS gegen die Bescheide des BFA RD Kärnten Außenstelle Klagenfurt vom 16.10.2019, Zlen. XXXX und XXXX, zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen mit der Maßgabe, dass betreffend XXXX die Spruchpunkte I. und VII. ersatzlos behoben werden.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

XXXX (in der Folge als BF1 bezeichnet) stellte erstmalig am 03.09.2015 in den Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Diesen begründete sie mit ihrer Homosexualität. Die nigerianische Polizei habe ihre Freundin verhaftet, sie habe fliehen können. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18.03.2016 wurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen und gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.09.2018, GZ I412 2124361-1/14E, als unbegründet abgewiesen.

 

Nach einer Rückübernahme aus Deutschland stellte die Beschwerdeführerin gegenständlichen Folgeantrag am 17.04.2019. Sie hielt ihre bisherigen Fluchtgründe aufrecht und fügte nunmehr hinzu, Opfer von Menschenhandel geworden zu sein. Außerdem gab sie an, im

6. Monat schwanger zu sein.

 

Die belangte Behörde wies den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Staates der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung der Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) mit Bescheid vom 16.05.2019 wegen entschiedener Sache zurück. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen die BF1 eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht (Spruchpunkt VI.). Gegen die BF1 wurde ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.) und wurde ihr aufgetragen, ab 17.04.2019 in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VIII.).

 

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.07.2019, GZ I412 212436-2/4E, wurde der Beschwerde Insofern stattgegeben, als die Spruchpunkte II. bis VII. behoben wurden. Begründet wurde ausgeführt, dass betreffend Familienleben und Existenzmöglichkeiten der hochschwangeren BF1 bzw. ihres zum damaligen Zeitpunkt noch ungeborenen Kindes ein geänderter Sachverhalt vorliegt und diesbezüglich keinerlei Feststellungen getroffen wurden. Diesbezüglich wurde auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vom 07.03.2019, Ra 2018/21/0141, verwiesen, wonach die Situation einer schwangeren Frau auch unter dem Blickwinkel als (potenziell) alleinstehende Mutter eines Säuglings zu betrachten ist und es in diesem Zusammenhang auch einer Bewertung aus der Perspektive des (noch ungeborenen) Kindes bedarf. Damit hat sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt.

 

Am XXXX wurde XXXX (in der Folge als BF2 bezeichnet) in Österreich geboren und wurde auch für diesen ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Nach einer neuerlichen Einvernahme der BF 1, auch als gesetzliche Vertreterin für den BF 2, erließ die belangte Behörde am 16.10.2019 folgende Bescheide:

 

1. betreffend die BF 1, Zl. XXXX, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 17.04.2019 hinsichtlich der Zuerkennung der Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen die BF 1 wurde eine Rückkehrentscheidungen erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise besteht eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Der BF 1 wurde aufgetragen, von 18.04.2019 bis 10.07.2019 in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VII.). Ferner wurde gegen die BF 1 ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

 

2. betreffend den BF 2, Zl. XXXX, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX hinsichtlich der Zuerkennung der Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen den BF 2 wurde eine Rückkehrentscheidungen erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise beträgt die Frist 14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung (Spruchpunkt VI.).

 

Die Beschwerde vom 13.11.2019 richtet sich gegen beide Bescheide und bringt im Wesentlichen vor, dass die BF 1 als unverheiratete Mutter in Nigeria nicht akzeptiert werde. Sie werde von der Gesellschaft ausgegrenzt und würde es ihr verunmöglicht werden, eine Beschäftigung sowie eine Wohnung zu finden.

 

Die Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht samt einer Stellungnahme vom 14.11.2019 von der belangten Behörde zur Entscheidung vorgelegt. Dabei wurde seitens des BFA in Erinnerung gerufen, dass über den Antrag der BF1 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten bereits rechtskräftig entschieden wurde.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Gegenüber der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.09.2018 haben sich zur Person der BF1 keine Änderungen ergeben, abgesehen davon, dass nunmehr der BF 2 am XXXX geboren wurde und sie mit diesem im gemeinsamen Haushalt lebt und ein Familienleben führt.

Im Erkenntnis zu GZ. I412 2124361-1/14E wurde ausgeführt wie folgt:

 

"Die volljährige Beschwerdeführerin ist ledig, kinderlos, Staatsangehörige von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben. Sie gehört der Volksgruppe der Edo an. Ihre Identität steht nicht fest. Die Beschwerdeführerin nimmt ein Medikament aufgrund von Gastritis, ist jedoch ansonsten gesund und arbeitsfähig. Die Beschwerdeführerin reiste illegal nach Österreich ein. Sie hält sich seit (mindestens) 04.09.2015 in Österreich auf. Die Beschwerdeführerin hat einige Jahre die Schule in Nigeria besucht und verdiente sich selbständig ihren Lebensunterhalt als Friseurin und durch die Vermittlung von Telefonanrufen. Es ist davon auszugehen, dass sie über soziale Anknüpfungspunkte in ihrem Herkunftsland verfügt. In Österreich verfügt die Beschwerdeführerin über keine Verwandten. Sie geht in Österreich abgesehen vom gelegentlichen Verkauf einer Straßenzeitig keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen von der staatlichen Grundversorgung. Die Beschwerdeführerin ist in Österreich nicht vorbestraft. Die Beschwerdeführerin weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf. Sie ist in keinem Verein und hat keine Deutschprüfung absolviert. Nicht festgestellt werden konnte, dass die Beschwerdeführerin derzeit eine Beziehung führt."

 

Zum Gesundheitszustand ist nunmehr festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin ein Medikament gegen Atembeschwerden einnimmt, dazu aber keine ärztlichen Befunde oder Bestätigungen vorliegen.

 

Die Eltern der BF1 sind bereits verstorben, es leben noch zwei Brüder und zwei Schwestern in Nigeria, wobei sie (zumindest) zu einer Schwester und deren Familie Kontakt hält.

 

Zum BF 2 ist festzustellen, dass dieser gesund ist und mit der BF1 in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Der Kindesvater ist unbekannt.

 

Zu den Fluchtgründen des BF 2 ist festzuhalten, dass dieser keine eigenen Gründe hat und sich auf jene der BF 1 stützt, über welche bereits rechtskräftig abgesprochen wurde.

 

Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

 

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer sind gegenüber den in den angefochtenen Bescheiden vom 16.10.2019 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. In den angefochtenen Bescheiden wurde das aktuelle (Stand 12.04.2019) "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt. Fallbezogen werden nachstehende Passagen aus dem LIB hervorgehoben:

 

Politische Lage

 

Nigeria ist in 36 Bundesstaaten (ÖB 10.2018; vgl. AA 10.12.2018; AA 9 .2018a; GIZ 4.2019a) und einen Bundeshauptstadtbezirk sowie 774 Local Government Areas (LGA/Bezirke) untergliedert. Die Bundesstaaten werden von direkt gewählten Gouverneuren regiert (AA 12.10.2018; vgl. AA 9 .2018a; GIZ 4.2019a). Sie verfügen auch über direkt gewählte Parlamente (AA 9 .2018a).

 

Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die am System der USA orientierte Verfassung enthält alle Attribute eines demokratischen Rechtsstaates (inkl. Grundrechtskatalog, Gewaltenteilung). Dem starken Präsidenten - zugleich Oberbefehlshaber der Streitkräfte - und dem Vizepräsidenten stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber (AA 10.12.2018; vgl. AA 9 .2018a). Die Verfassungswirklichkeit wird von der Exekutive in Gestalt des direkt gewählten Präsidenten und von den direkt gewählten Gouverneuren dominiert. Der Kampf um politische Ämter wird mit großer Intensität, häufig auch mit undemokratischen, gewaltsamen Mitteln geführt. Die Justiz ist der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt (AA 10.12.2018).

 

Die Parteienzugehörigkeit orientiert sich meist an Führungspersonen, ethnischer Zugehörigkeit und vor allem strategischen Gesichtspunkten. Parteien werden primär als Zweckbündnisse zur Erlangung von Macht angesehen. Politische Führungskräfte wechseln die Partei, wenn sie andernorts bessere Erfolgschancen sehen. Entsprechend repräsentiert keine der Parteien eine eindeutige politische Richtung (AA 10.12.2018).

 

Bei den Präsidentschaftswahlen am 23.2.2019 wurde Amtsinhaber Muhammadu Buhari im Amt bestätigt (GIZ 4.2019a). Er erhielt 15,1 Millionen Stimmen und siegte in 19 Bundesstaaten, vor allem im Norden und Südwesten des Landes. Sein Herausforderer, Atiku Abubakar, erhielt 11,3 Millionen Stimmen und gewann in 17 Bundesstaaten im Südosten, im Middle-Belt sowie in der Hauptstadt Abuja (GIZ 4.2019a; vgl. BBC 26.2.2019). Die Wahlbeteiligung lag mit 36 Prozent deutlich niedriger als 2015. Überschattet wurden die Wahlen von gewaltsamen Zwischenfällen mit mindestens 53 Toten (GIZ 4.2019a).

 

Die Opposition sprach von Wahlmanipulation. Am 18.3.2019 focht Abubakar das Ergebnis aufgrund von Unregelmäßigkeiten vor dem Obersten Gerichtshof an. Das Verfahren muss gemäß den gesetzlichen Vorgaben innerhalb von 180 Tagen bis spätestens Mitte September abgeschlossen werden. Die Aussichten, dass die Beschwerde Erfolg hat, sind gering. So hatte Präsident Buhari nach den Wahlen von 2003, 2007 und 2011 als Oppositionskandidat ebenfalls vergleichbare Beschwerden eingelegt und diese verloren (GIZ 4.2019a).

 

Am 9.3.2019 wurden Wahlen für Regionalparlamente und Gouverneure in 29 Bundesstaaten durchgeführt. In den restlichen sieben Bundesstaaten hatten die Gouverneurswahlen bereits in den Monaten zuvor stattgefunden. Auch hier kam es zu Unregelmäßigkeiten und gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 4.2019a). Kandidaten der APC von Präsident Buhari konnten 15 Gouverneursposten gewinnen, jene der oppositionellen PDP 14 (Stears 12.4.2019).

 

Neben der modernen Staatsgewalt haben auch die traditionellen Führer immer noch einen - wenn auch weitgehend informellen - Einfluss. Sie gelten als Kommunikationszentrum und moralische Instanz und können wichtige Vermittler in kommunalen und in religiös gefärbten Konflikten sein (AA 9 .2018a).

 

Quellen:

 

 

 

 

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205844 , Zugriff 7.11.2018

 

 

 

 

 

Die BF1 stammt aus Edo State und wird daher auf die Sicherheitslage im Nigerdelta eingegangen:

 

Von 2000 bis 2010 agierten im Nigerdelta militante Gruppen, die den Anspruch erhoben, die Rechte der Deltabewohner zu verteidigen und die Forderungen auf Teilhabe an den Öleinnahmen auch mittels Gewalt (Sabotage der Ölinfrastruktur) durchzusetzen. 2009 gelang dem damaligen Präsidenten Yar'Adua mit einem Amnestieangebot eine Beruhigung des Konflikts. Unter Buhari lief das Programm am 15.12.2015 aus. Nach Wiederaufnahme der Attacken gegen die Ölinfrastruktur ist das Amnestieprogramm bis 2019 verlängert worden. Auch wenn Dialogprozesse zwischen der Regierung und Delta-Interessengruppen laufen und derzeit ein "Waffenstillstand" zumindest grundsätzlich hält, scheint die Regierung nicht wirklich an Mediation interessiert zu sein, sondern die Zurückhaltung der Aufständischen zu "erkaufen" und im Notfall mit militärischer Härte durchzugreifen (AA 10.12.2018).

 

Im Nigerdelta, dem Hauptgebiet der Erdölförderung, bestehen zahlreiche bewaffnete Gruppierungen, die sich neben Anschlägen auf Öl- und Gaspipelines auch auf Piraterie im Golf von Guinea und Entführungen mit Lösegelderpressung spezialisiert haben. Im Herbst 2016 konnte mit den bewaffneten Gruppen ein Waffenstillstand vereinbart werden, der bislang großteils eingehalten wird (ÖB 10.2018). Die Lage im Nigerdelta hat sich seit damals beruhigt, ist aber weiterhin volatil; die Bedrohung der dort angesiedelten Öl- und Gasförderung durch militante Gruppen und Piraten bleibt ein Risiko (AA 9 .2018c). Im Berichtszeitraum 1.10.2017 bis 30.9.2018 registrierte ACLED, eine von einer NGO betriebene Datenbank sicherheitsrelevanter Vorfälle, in der Kategorie "Violence against civilians" in den Bundesstaaten des Nigerdeltas insgesamt 116 Vorfälle (insg. 350 sicherheitsrelevante Vorfälle). Die Exekutive war nicht in der Lage kommunale Gewalt zu verhindern. Daher wird auch die Armee im Zuge gemeinsamer Sicherheitsoperationen und -übungen eingesetzt (EASO 11.2018a). Das Militär hat auch die Federführung bei der zivilen Bürgerwehr Civilian Joint Task Force inne, die u.a. gegen militante Gruppierungen im Nigerdelta eingesetzt wird. Auch wenn sie stellenweise recht effektiv vorgeht, begeht diese Gruppe häufig selbst Menschenrechtsverletzungen oder denunziert willkürlich persönliche Feinde bei den Sicherheitsorganen (AA 10.12.2018).

 

Bei den Auseinandersetzungen im Nigerdelta handelte es sich sowohl um einen Konflikt zwischen regionalen militanten Gruppen einerseits und der Staatsgewalt andererseits, als auch um Rivalitäten zwischen unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im ersten Fall stehen in der Regel finanzielle Partikularinteressen der bewaffneten Gruppen im Vordergrund, im zweiten Fall geht es um einen Verteilungskampf rivalisierender Gruppen (AA 10.12.2018).

 

Entführungen sind im Nigerdelta und in den südöstlichen Bundesstaaten Abia, Imo und Anambra besonders häufig. Politiker, Wohlhabende und Ausländer sind die häufigsten Opfer (FH 1.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205790 , Zugriff 22.11.2018

 

 

 

 

(Alleinstehende) Frauen: interne Relokation, Rückkehr, Menschenhandel

 

Für alleinstehende Rückkehrerinnen ist keine generelle Aussage möglich. Nigeria verfügt über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbesondere die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianische Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EU-Staaten bei der Reintegration, ist Rückführungspartner für Drittstaaten und leistet u.a. Integrationshilfe (ÖB 10.2018). Die Agentur ist außerdem für die Bekämpfung des Menschenschmuggels zuständig, hat seit ihrer Gründung 2003

 

359 Verurteilungen von Schleppern erreicht sowie bis heute mehr als 13.000 Opfern von Menschenhandel geholfen (AA 10.12.2018). NAPTIP ist eine zentrale Anlaufstelle für Rückkehrerinnen und bietet unter anderem mehrmonatige Rehabilitierung (psychologische Betreuung) und Berufstraining für ehemalige Zwangsprostituierte an (ÖB 10.2018).

 

Es gibt viele Frauengruppen, welche die Interessen von Frauen vertreten, praktische Hilfe und Zuflucht anbieten (UKHO 8.2016a). Vom Office of the Special Adviser to the President on Relations with Civil Society erhielt die österreichische Botschaft eine Liste mit 203 auf Seriosität/Bonität geprüften NGOs, die sich um Rehabilitierung, Fortbildung und medizinische Betreuung/Versorgung sämtlicher Bevölkerungsgruppen des Staates bemühen. Darin werden regionale bzw. das ganze Staatsgebiet umfassende Organisationen aufgelistet, die sich um Witwen, Vollwaisen, minderjährige Mütter, alleinstehende Frauen, Albinos, HIV-Positive, Ex- Häftlinge, Häftlinge, Prostituierte, Alphabetisierung, FGM oder Opfer häuslicher Gewalt bemühen. Diese Organisationen betreiben Wohn- und Bildungsmöglichkeiten für Frauen, Waisen sowie körperlich und geistig Behinderte. Zusätzlich unterstützen Gattinnen der Gouverneure eigene "pet projects". Die bekannteste Vertreterin ist Dr. Amina Titi Atiku Abubakar, Gründerin und Vorsitzende der NGO WOTCLEF, die es bis zur Akkreditierung durch die UN gebracht hat und zahlreiche Projekte im Frauenbereich unterstützt (ÖB 10.2018).

 

Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind alleinstehende Frauen oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes - und dort vor allem in den Städten - werden alleinstehende oder alleinlebende Frauen eher akzeptiert (AA 10.12.2018). Die Verfassung und Gesetze sehen interne Bewegungsfreiheit vor und Berichten zufolge treten Frauen aus dem ganzen Land kurze oder lange Reisen alleine an. Die Bewegungsfreiheit der Frauen aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt. Im Allgemeinen ist eine interne Relokation insbesondere für alleinstehende und kinderlose Frauen nicht übermäßig hart - z.B. im Falle der Flucht vor einer lokalen Bedrohung, die von ihrer Familie oder nicht-staatlichen Akteuren ausgeht (UKHO 8.2016a).

 

Eine Auswahl spezifischer Hilfsorganisationen für Frauen:

 

African Women Empowerment Guild (AWEG): 29, Airport Road, Benin

City, Edo State Tel.: 08023514832, 08023060147, Email:

info@awegng.org (AWEG o.d.a). Die AWEG ist eine ausschließlich weibliche nicht profitorientierte NGO. Zielgruppe sind Frauen und Jugendliche. Spezielle Programme zielen darauf ab, Frauen beim Erwerb von Fähigkeiten im Bildungsbereich sowie im sozialen, ökonomischen und politischen Bereich zu unterstützen. AWEG führt Studien zu geschlechtsspezifischer Gewalt durch (AWEG o.D.b).

 

Women Aid Collective (WACOL), No 9 Matthias Ilo Avenue, New Haven Extension by Akanu Ibia Airport Flyover, Enugu State. Tel:

+234-8095757590, +234-9091333000, Email: wacolnig@gmail.com , wacolnig@yahoo.com , wacolenugu@wacolnigeria.org . WACOL ist eine Wohltätigkeitsorganisation und bietet verschiedene Unterstützung an:

Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste (WACOL o.D.).

 

Women Advocates Research and Documentation Center (WARDC), 9b james Oluleye Crescent (Harmony Enclave), off Adeniyi Jones by Koko bus stop, Ikeja, Lagos State, (+234) 818 005 6401, Email:

womenadvocate@yahoo.com (WARDC o.d.a). WARDC ist eine Frauenrechts-NGO für weibliche Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt und anderer Menschenrechtsverletzungen. Ca. sechs Frauen pro Woche werden diesbezüglich in rechtlicher und sozialer Hinsicht beraten (WARDC o.d.b.).

 

Womens Health and Equal Rights Initiative (WHER), Adresse nicht online verfügbar, +234 818 645 7675, Email: wher@whernigeria.org (WHER o.d.a): WHER ist eine NGO zur Unterstützung von Frauen, die Angehörige einer sexuellen Minderheit sind (WHER o.d.b).

 

The Women's Consortium of Nigeria (WOCON): 13 Okesuna Street, Off Igbosere Road, Lagos, Nigeria, Tel: +234 8033188767, +234 8037190133, +234 8033347896, Email:

 

wocon95@yahoo.com , info@womenconsortiumofnigeria.org (WOCON o.D.a). WOCON ist eine gemeinnützige NGO, die sich der Durchsetzung der Frauenrechte und der Erzielung von Gleichheit, persönlicher Entwicklung und Frieden widmet. Ziel ist die Aufklärung bezüglich Menschenhandel und der Kampf gegen den Menschenhandel (WOCON o.D.b).

 

Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA): 19, Monrovia Street, Off Aminu Kano Way, Wuse II Abuja, Tel.:

08188699961, 08172125692, 07063807887, Email: Wrapa399@gmail.com , wrapa399@yahoo.com . WRAPA ist eine Organisation, die bundesweit für Frauenrechte eintritt. Aktivitäten umfassen kostenfreie Rechtsberatung, Ausbildung, Mobilisation, Sensibilisierung und Meinungsbildung bezüglich rechtlicher Reformen. Jede Frau, die in irgendeiner Form einen Eingriff in ihre Rechte bzw. eine Diskriminierung erlitten hat, kann in den Genuss der Unterstützung von WRAPA kommen (WRAPA, o.D.).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 13.11.2018

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Grundversorgung

 

Die nigerianische Wirtschaft hat sich 2017 allmählich aus der schlimmsten Rezession seit 25 Jahren erholt, das BIP ist um 0,55 Prozent gestiegen. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die nigerianische Wirtschaft seit Ende 2017 allmählich wieder erholt, unter anderem eine Steigerung der Erdölförderleistung, die Erholung des Erdölpreises und eine verbesserte Leistung von Landwirtschaft und Dienstleistungssektor (GIZ 4.2019c).

 

Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung (AA 10.12.2018). Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei-, und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat - gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung (GIZ 4.2019c). Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten (AA 10.12.2018). Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert (GIZ 4.2019c).

 

Über 60 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt, in ländlichen Gebieten über

 

90 Prozent (AA 9 .2018c). Der Agrarsektor wird durch die Regierung Buhari stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen (GIZ 4.2019c; vgl. AA 9 .2018c). Auch die Mais- und Reisproduktion wurde dadurch kräftig ausgeweitet. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft (AA 9 .2018c) und das Land ist nicht autark, sondern auf Importe - v.a. von Reis - angewiesen (ÖB 10.2018; vgl. AA 9 .2018c). Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt aus Subsistenzbetrieben (AA 9 .2018c). Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. In Ernährungszentren nahe der nördlichen Grenze werden bis zu 25 Prozent der unter fünfjährigen Kinder wegen starker Unterernährung behandelt (ÖB 10.2018).

 

Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2018; vgl. GIZ 4.2019b). Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut (BS 2018; vgl. ÖB 10.2018), fast 50 Prozent unter der Armutsgrenze (GIZ 4.2019b).

 

Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei Jugendlichen wird sie auf über 20 Prozent geschätzt (GIZ 4.2019b). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent - in erster Linie unter 30-jährige - mit großen regionalen Unterschieden (ÖB 10.2018). Der Staat und die Bundesstaaten haben damit begonnen, Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit umzusetzen. Die Resultate sind dürftig (BS 2018). Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 4.2019b).

 

Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige (ÖB 10.2018). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 2018). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2018).

 

Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Nur eine geringe Anzahl von Nigerianern (2016 ca. fünf Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 2018).

 

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 4.2019c).

 

Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für "peppersoup", "garri" oder "pounded yam", für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch "mini-farming" eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als "bushmeat" gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun "grasscutter" (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als "bushmeat" gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und "grasscutter" finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205790 , Zugriff 22.11.2018

 

 

 

 

 

Rückkehr

 

Generell kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria reicht nicht aus, um eine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2018).

 

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 10.12.2018). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation" (ÖB 10.2018). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 10.12.2018).

 

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 10.12.2018). Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2018). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 10.12.2018) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2018) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 10.12.2018; vgl. ÖB 10.2018). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2018).

 

Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten (AA 10.12.2018). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets "overstay" angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2018).

 

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen hat im Herbst 2018 in Lagos das Migrationsberatungszentrum der GIZ seinen Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert (AA 10.12.2018).

 

Quellen:

 

 

 

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführer vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in die bekämpften Bescheide und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria mit Stand 12.04.2019.

 

Die Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

 

Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen.

 

Zu den Beschwerdeführern:

 

Die Feststellungen zur BF 1 ergeben sich weitgehend aus dem vorherigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zu GZ 1412 2124361-1/14E. Laut Angaben der BF 1 habe sich diesbezüglich keine maßgeblichen Änderungen ergeben. Die BFI gab an, ein Medikament gegen Atembeschwerden einzunehmen, legte dafür aber keinerlei ärztliche Befunde oder Atteste vor. Zudem gab sie an, arbeitsfähig zu sein und kann daher davon ausgegangen werden, dass die BF 1 soweit gesund ist.

 

Aus den Angaben der BF 1 ergeben sich auch die Feststellungen zu deren familiären Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat und dass sie nach wie vor in Kontakt zu einer Schwester und deren Familie steht.

 

Die Identitäten der Beschwerdeführer steht nach wie vor nicht fest, da keinerlei Identitätsbezeugende Dokumente vorgelegt wurden. Die BF 1 gab zwar an, ihre Geburtsurkunde im Original mittlerweile zu besitzen, sie legte diese bis dato aber nicht vor. Die Angaben zum BF 2 konnten der Geburtsurkunde entnommen werden. Ein Kindesvater ist nicht eingetragen. Das Beschwerdevorbringen, wonach der Kindesvater sehr wahrscheinlich österreichischer Staatsangehöriger sei, konnte insofern nicht nachvollzogen werden, da die BF 1 angab, quasi nichts über den Mann zu wissen, außer, dass er Nigerianer sei.

 

Zur Lage im Herkunftsstaat:

 

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria samt den top platzierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie z.B. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

 

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der oben angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

 

Die Beschwerdeführer traten diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation in Nigeria nicht substantiiert entgegen.

 

Aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen Erlassung der angefochtenen Bescheide und der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes ergeben sich keine Änderungen zudem in den bekämpften Bescheiden getroffenen Länderfeststellungen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt wird daher diesen Feststellungen vollinhaltlich an.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu Spruchpunkt A)

 

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides betreffend den BF 2):

 

Der BF 2 hat keine eigenen Fluchtgründe und stützt sich sein Antrag auf die vorgetragenen Gründe seiner Mutter. Die Verfahren der BF 1 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde bereits zweimal rechtskräftig entscheiden. Zunächst wurde der Antrag mit Bescheid der belangten Behörde abgewiesen und die Entscheidung durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt. Der Folgeantrag wurde hinsichtlich Asylstatus wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und ist diese Entscheidung nach Rechtsgang zum Bundesverwaltungsgericht seit 04.07.2019 rechtskräftig.

 

Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 ist einem Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, unter bestimmten Voraussetzungen (Z 1 bis 3) derselben Status zuzuerkennen. Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers sind gesondert zu prüfen, die Verfahren sind unter einem zu führen. Unter den Voraussetzungen des Abs. 2 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang (Abs. 4 leg cit.).

 

Da der BF 1 der Status der Asylberechtigten rechtskräftig nicht zugesprochen wurde und der BF 2 keine eigenen Fluchtgründe vorbringt, hat die belangte Behörde folgerichtig seinen Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung der Status des Asylberechtigten abgewiesen und ist demnach auch die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

 

3.2. Zur Behebung des Spruchpunktes l. betreffend die BF 1:

 

Wie bereits ausgeführt, wurde über den Antrag auf internationalen Schutz der BF 1 hinsichtlich der Zuerkennung der Status des Asylberechtigten rechtskräftig abgesprochen. Die belangte Behörde führt zwar begründend aus, dass eine erneute Prüfung daher zu unterbleiben hat, spricht aber in Spruchpunkt l. im Bescheid vom 16.10.2019 neuerlich darüber ab. Aus diesem Grund war der Spruchpunkt l, des Bescheides Zl. XXXX ersatzlos zu beheben.

 

3.2.1. Zur Behebung des Spruchpunktes VII. betreffend die BF 1:

 

Ebenso war Spruchpunkt VII. des Bescheides Zl. XXXX ersatzlos zu beheben, da auch darüber bereits rechtskräftig abgesprochen wurde. Im Bescheid vom 16.05.2019 wurde unter Spruchpunkt VIII. festgehalten: "Gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 wurde Ihnen aufgetragen, ab 17.04.2019 in folgendem Quartierunterkunft zu nehmen: BS West ABE Thalham 80 4880 St. Georgen im Attergau". Die Beschwerde dagegen wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.07.2019 als unbegründet abgewiesen. Da im angefochtenen Bescheid unter Spruchpunkt VII. wiederum aufgetragen wurde, dass die BFI gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 im genannten Quartier Unterkunft zu nehmen hat* hat die belangte Behörde über eine bereits rechtskräftig entschiedene Anordnung neuerlich abgesprochen. Im Übrigen wurde die Unterkunftnahme bis 10.07.2019 befristet und ergibt sich aus dem Wortlaut des § 15b Abs. 4 AsylG 2005, dass die Anordnung der Unterkunftnahme bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gilt. Eine weitere zeitliche Befristung ist nicht vorgesehen.

 

Aufgrund des Gesagten war Spruchpunkt VII. des Bescheides Zl. 1085611208- 190397336 ebenso ersatzlos zu beheben.

 

3.3. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkte II. der angefochtenen Bescheide):

 

3.3.1. Rechtslage:

 

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl. VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102), Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).

 

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können.

 

Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).

 

3.3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

 

Den Beschwerdeführern droht in ihrem Herkunftsstaat, wie oben ausgeführt, keine asylrelevante Verfolgung.

 

Auch dafür, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Die BF 1 ist volljährig, gesund und arbeitsfähig. Sie war bereits vor ihrer Ausreise in Nigeria am Arbeitsmarkt integriert und hat sich ihren Lebensunterhalt als Friseurin und durch Vermittlung von Telefongesprächen verdient. Sie gab auch selbst an, arbeitswillig zu sein und ist es ihr möglich, sich wieder um die Aufnahme einer Tätigkeit zu bemühen. Der BF 2 ist 6 Monate alt und befindet sich daher im anpassungsfähigen Alter. Es wird nicht verkannt, dass das Kleinkind auf die Versorgung durch die Mutter angewiesen ist und sich der Einstieg der BFI ins Berufsleben dadurch naturgemäß erschwert. An dieser Stelle ist anzumerken, dass die Beschwerdeführer bei ihrer Rückkehr nicht gänzlich auf sich alleine gestellt sind, da zumindest der Kontakt zu einer Schwester und deren Familie besteht. Außerdem gab die BF 1 an, noch weitere Geschwister im Herkunftsstaat zu haben und könnte sie auch um Kontakt zu diesen bemühen.

 

Zudem kann die BF 1 die Hilfe von karitativen, staatlichen oder gemeinnützigen Organisationen in Anspruch nehmen. Im Länderinformationsblatt wird dazu zum Beispiel ausgeführt:

"Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2018)". Aus dem Länderinformationsblatt ergeben sich zahlreiche Organisationen und NGOs, die Rückkehrerinnen mehrmonatige Programme zur Rehabilitierung und Berufsorientierung anbieten. Eine vorgeschlagene Berufstätigkeit sind beispielsweise die Eröffnung von mobilen Küchen oder das Sammeln von "bushmeat" und "grasscuttern". Die BF 1 und der minderjährige BF 2 sind somit nicht auf sich alleine gestellt und wird ihnen Unterstützung zuteil. Es liegen keine besonderen Vulnerabilitäten vor, die zu einer besonderen Gefährdung der Beschwerdeführer in Nigeria führen würden.

 

Damit sind die Beschwerdeführer durch die Abschiebung nach Nigeria nicht in ihrem Recht gemäß Art. 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass die Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber ihrer Situation in Nigeria bessergestellt sind, genügt nicht für die Annahme, sie würden in Nigeria keine Lebensgrundlage vorfinden und somit ihre Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

 

Die Beschwerden erweisen sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich der Spruchpunkte Il. der angefochtenen Bescheide abzuweisen waren.

 

3.4. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkte III. der angefochtenen Bescheide):

 

Gemäß § 58 Abs 1 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs 3 AsylG 2005). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG 2005 von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

 

Indizien dafür, dass die Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklichen, bei dem ihnen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht wurden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt der Beschwerdeführer seit mindestens einem Jahr im Sinne des §§ 46 Abs 1 Z 1 oder Z 1a FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlicher Anspruch im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch sind die Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des §§ 57 Abs 1 Z 3 AsylG 2005.

 

Die Erstbeschwerdeführerin hat keine Anzeige bei der Polizei erstattet und daher wurde auch kein Strafverfahren eingeleitet. Auch die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Z 1 und 3 AsylG 2005 sind nicht gegeben.

 

Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 200 war daher nicht zu erteilen und die Beschwerden gegen die Spruchpunkte III. abzuweisen.

 

3.5. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkte IV. der angefochtenen Bescheide):

 

3.5.1. Rechtslage:

 

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG 2005) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erfassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

 

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

 

3.5.2. Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall:

 

Zu prüfen ist, ob eine Rückkehrentscheidung mit Art. 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur ihm verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Art. 8 EMRK ist aus folgenden Gründen gegeben:

 

Im gegenständlichen Fall verfügen die Beschwerdeführer über kein Familienleben in Österreich, Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie, nämlich die BF 1 unter BF 2, betroffen, so greift sie wohl in das Privatleben der Familienmitglieder ein, nicht aber in ihr Familienleben (EGMR, 9.10.2003, 48321/99, Slivenko gg Lettland, EGMR, 16.6.2005, 60654/00 Sisojeva gg Lettland oder auch VwGH 22.11.2012, 2011/23/0067; 26.022013, 2012/22/0239; 19.02.2014, 2013/22/0037). Zu prüfen ist daher ein etwaiger Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführer.

 

Die vorliegenden Asylverfahren erreichten, gerechnet von der Antragstellung bis zum Datum der heutigen Entscheidungen eine kurze Dauer von nur knapp acht Monaten (BF 1) bzw. sechs Monaten (BF 2). Es handelt sich dabei um den bereits zweiten Asylantrag der BF 1 und hält sie sich seit etwa vier Jahren und drei Monaten in Österreich auf. Der Aufenthalt der BF 1 beruhte dessen ungeachtet auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb diese während der gesamten Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durfte, dass sie sich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann.

 

Da es sich um einen Folgeantrag handelt und sie bereits im ersten Verfahren den Rechtsgang zum Bundesverwaltungsgericht bestritt, war der BF 1 gewusst, dass sie sich auf einer ungesicherten rechtlichen Grundlage im Bundesgebiet aufhält. Es fehlen alle Sachverhaltselemente, aus denen sich die Existenz gewisser - unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens relevanter - Bindungen allenfalls hätte ergeben können (wie etwa Teilnahme am Erwerbsleben und am sozialen Leben in Österreich, Selbsterhaltungsfähigkeit, Erwerb von nachweisbaren Sprachkenntnissen). Gleichzeitig hat die BF 1 in ihrem Herkunftsstaat, in dem sie aufgewachsen ist und knapp den Großteil ihres bisherigen Lebens verbracht hat, sprachliche und kulturelle Verbindungen und auch familiäre Anknüpfungspunkte. Der BF 2 ist erst sechs Monate alt, im anpassungsfähigen Alter und wurden für ihn keine privaten Bindungen an Österreich angegeben. Der Vater des Kindes ist unbekannt und kommt keinen Sorgepflichten nach.

 

Dem allenfalls bestehenden Interesse der Beschwerdeführer an einem Verbleiben in Osterreich (bzw. Europa) stehen öffentliche Interessen daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Bei einer Gesamtbetrachtung liegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vergleiche z. B. VwGH 30.04.2009,2 1009/21/0086), schwerer als die schwach ausgebildeten privaten Interessen der Beschwerdeführer am Verbleib im Bundesgebiet.

 

Ebenso wenig vermag die strafgerichtliche Unbescholtenheit der BF 1 ihre persönlichen Interessen entscheidend verstärken (VwGH 25.02.2010,2 1010/18/0029).

 

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 nicht in Betracht kommt. Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 und § 52 Abs 2 Z 2 FPG sind erfüllt. Sie ist auch sonst nicht (z.B. vorübergehend nach Art. 8 EMRK, vgl. § 9 Abs. 3 BFA-VG und VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146) unzulässig. Die Beschwerdeführer verfügen auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.

 

Die Beschwerden hinsichtlich der Spruchpunkte IV. der angefochtenen Bescheide waren daher ebenso abzuweisen.

 

3.6. Zum Ausspruch, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.):

 

3.6.1. Rechtslage:

 

Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

3.6.2. Anwendung auf den vorliegenden Fall:

 

Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig wäre.

 

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs 1 AsylG 2005 (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse VwGH 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 0062).

 

Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs 2 FPG, da den Beschwerdeführern keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.

 

Die in den angefochtenen Bescheiden getroffenen Feststellungen der Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria erfolgte daher zu Recht und waren die Beschwerden daher abzuweisen.

 

3.7. Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkte VI. der angefochtenen Bescheide):

 

Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Derartige "besondere Umstände" wurden von den Beschwerdeführern nicht dargetan und sind auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen.

 

3.8. Zum Einreiseverbot (betrifft Spruchpunkt VIII. des Bescheides gegen BF 1):

 

Gemäß § 53 Abs 1 und Abs 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBI. I Nr. 100/2005 idF BGBI. I Nr. 56/2018, kann vom Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens 5 Jahren erlassen werden. Das Bundesamt hat bei der Bemessung der Dauer das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen miteinzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des

 

Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

§ 53 FPG erging in Umsetzung des Art. 11 Rückführungsrichtlinie und ist vor dem Hintergrund des Ziels der Effektivität einer gesamteuropäischen Rückkehrpolitik zu sehen. Dem Wortlaut der Richtlinie zufolge "hat" eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot zu ergehen, falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde oder falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde, in sonstigen Fällen steht den Mitgliedstaaten die Verbindung der Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot offen (vgl. Filzwieser et al., Asyl- und Fremdenrecht Stand: 15.01.2016, § 53 FPG, K2).

 

Der bloße unrechtmäßige Aufenthalt stellt nach dem System der Rückführungs-RL noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung dar, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbotes gebieten würde (VwGH 15.12.2001, Zl. 2011/21/0237).

 

Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot verpflichten Drittstaatsangehörige zur Ausreise in den Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat und enthalten die normative Anordnung, für den festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet derjenigen Mitgliedsstaaten einzureisen, für die die Rückführungs-RL gilt, und sich dort nicht aufzuhalten (VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151 mwN). Die Frage nach dem Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Drittstaatsangehörigen darf daher nicht allein im Hinblick auf seine Verhältnisse in Osterreich beurteilt werden, vielmehr muss auch die Situation in den anderen Mitgliedstaaten mitberücksichtigt werden (vgl. VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237).

 

Der räumliche Geltungsbereich ist allerdings nicht deckungsgleich mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Ausgenommen sind das Vereinigte Königreich und Irland, hinzu kommen Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein (vgl. Filzwieser et al., Asyl- und Fremdenrecht, § 53 FPG, K3).

 

Der Verhängung eines Einreiseverbotes sowie in weiterer Folge der Bemessung seiner Dauer immanent ist die zum Entscheidungszeitpunkt durchzuführende individuelle Gefährdungsprognose. Der Beurteilung des durch den Fremden potentiell zu erwartenden Gefährdungspotentials kommt sowohl für die Frage, ob ein Einreiseverbot überhaupt zu verhängen ist, als auch hinsichtlich der Bemessung seiner Dauer zentrale Bedeutung zu. Zwar enthalten die Absätze 2 bis 3 des § 55 FPG eine demonstrative Auflistung von Tatbeständen, deren Erfüllung eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit oder anderen in Art. 8 Abs 2 EMRK genannten Interessen durch den Aufenthalt des Fremden indiziert; dennoch ist das Vorliegen eines der genannten Sachverhalte für sich genommen zur Erlassung eines Einreiseverbotes nicht ausreichend, vielmehr hat - unter Berücksichtigung des gesetzten Verhaltens - eine individuelle Gefährdungsprognose zu erfolgen, welche die Verhängung eines Einreiseverbotes in Abwägung mit den persönlichen Interessen des Drittstaatsangehörigen im Einzelfall gerechtfertigt erscheinen lässt (vgl. Filzwieser et al., Asyl- und Fremdenrecht, § 53 FPG, K10).

 

Im Fall der Verhängung eines Einreiseverbots ist im Rahmen einer Gefährlichkeitsprognose das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der begangenen Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230).

 

Nach der gesetzgeberischen Intention kann es allerdings keinem Zweifel unterliegen, dass die Verhängung kurzfristiger Einreiseverbote - oder überhaupt das Unterbleiben eines Einreiseverbotes - regelmäßig nur dann stattzufinden hat, wenn von dem betreffenden Drittstaatsangehörigen keine gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgeht. Das wird verschiedentlich dann der Fall sein, wenn der Drittstaatsangehörige "bloß" einen der Tatbestände des § 53 Abs. 2 Z 1 bis 9 leg. cit. erfüllt (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0207).

 

Die belangte Behörde stützt die Erlassung des 2-jährigen Einreiseverbotes unter anderem auf § 53 Abs. 2 Z. 6 FPG. Die belangte Behörde führte aus, dass die BF1 seit ihrer ersten Einreise in das Bundesgebiet ausschließlich aus Mitteln der öffentlichen Hand lebte. Sie ging keiner regelmäßigen Beschäftigung nach und ihren gesamten Lebensunterhalt bestritt sie aus Mitteln der staatlichen Grundversorgung.

 

Nach den getroffenen Feststellungen geht die BF 1 keiner Erwerbstätigkeit nach und verfügt nicht über eigene, den Lebensunterhalt deckende Mittel. Die BF 1 konnte keine Existenzmittel nachweisen und ist auch aus dem festgestellten Sachverhalt nicht ersichtlich, aus welchen Mitteln sie künftig ihren Lebensunterhalt bestreiten wird.

 

Angesichts des knapp über vier Jahre währenden Aufenthalts im Bundesgebiet ohne nachhaltige Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit und Integration in jeglicher Hinsicht, muss die Zukunftsprognose negativ ausfallen. Die belangte Behörde bezieht in ihre Entscheidung ebenso ein, dass die Beschwerdeführerin schon einmal eine Rückkehrentscheidung missachtete und es sich nunmehr um ihren zweiten Antrag auf internationalem Schutz in Österreich handelt. Aus der Abfrage des zentralen Fremdenregisters zeigt sich, dass die BF 1 nicht nur in Österreich, sondern auch in Griechenland und Deutschland Asylanträge gestellt hat und sich nunmehr ein weiteres Mal auf einem letztlich unbegründeten Asylantrag in Österreich aufhält. Daher kann auch für die nächste Zeit nicht davon ausgegangen werden, dass die BF 1 ihren Lebensunterhalt ohne staatliche Unterstützung bestreiten kann, zumal sie nun auch Sorgepflichten für den minderjährigen BF 2 zu tragen hat.

 

Die Erlassung eines Einreiseverbotes steht allerdings, ebenso wie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, unter dem Vorbehalt des § 9 BFA-VG. Wie bereits oben ausgeführt, verfügt die BF 1 in Österreich über kein schützenswertes Familienleben und nur ein schwach ausgeprägtes Privatleben. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Privat- und Familienleben in einem anderen Staat, deren Geltungsbereich der Rückführungsrichtlinie umfasst ist, liegen nicht vor.

 

In Abwägung der persönlichen Interessen der BF 1 mit dem Interesse an der Verhängung eines Einreiseverbotes erscheint daher die Erfassung eines solchen, insbesondere in Anbetracht der fehlenden Existenzmittel in Zusammenhang mit der Missachtung fremdenbehördlichen Anordnungen, sowie unter Berücksichtigung des geringen Grades und Integration im Bundesgebiet, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung geboten. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes hat sich die belangte Behörde nicht nur auf die in § 53 Abs. 2 Z. 6 FPG angeführte Mittellosigkeit gestützt, sondern hat auch das Gesamtverhalten, insbesondere die Stellung eines weiteren Antrages auf internationalen Schutz, miteinbezogen. Insgesamt konnte erscheint daher die Verhängung eines Einreiseverbotes in der genannten Dauer nicht unverhältnismäßig und war die Beschwerde daher als unbegründet abzuweisen.

 

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

 

Gemäß § 21 Abs 7 BEA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

 

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn - wie im vorliegenden Fall - deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

 

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Bundesverwaltungsgericht knappe sieben Wochen liegen - die gebotene Aktualität auf, Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Das Beschwerdevorbringen fasst den Sachverhalt zusammen und wiederholt bereits Vorgebrachtes. Es ist somit unsubstantiiert. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und waren auch keine Beweise aufzunehmen.

 

Das Bundesverwaltungsgericht musste sich auch nicht neuerlich einen persönlichen Eindruck von den Beschwerdeführern machen, zumal die BF 1 bereits im Rahmen ihres ersten Asylverfahrens vor der erkennenden Richterin vorsprach und sich zwischenzeitlich keine Änderungen ergeben haben, die eine weitere mündliche Erörterung mit der BF 1 erforderlich gemacht hätten. Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme war bereits Gegenstand im Erstverfahren. Selbst unter Berücksichtigung aller zugunsten der Beschwerdeführer sprechenden Fakten ist auch dann für sie kein günstigeres Ergebnis zu erwarten, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht von ihnen nochmal einen persönlichen Eindruck verschafft, weshalb eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233; 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 bis 0423, Ra 2017/19/0424).

 

Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zu den Voraussetzungen zur Gewährung von Subsidiärschutz und zur Prognoseabschätzung für nachgeborene Kinder bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen oder zur Verhängung eines Einreiseverbotes.

 

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.

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