BVwG G308 2118384-1

BVwGG308 2118384-12.1.2019

ASVG §4 Abs1 Z1
ASVG §4 Abs2
ASVG §4 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:G308.2118384.1.00

 

Spruch:

G308 2118384-1/31E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

1. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, vertreten durch AVISO Wirtschaftstreuhand GmbH in 1230 Wien gegen Spruchpunkt I. des Bescheides der Steiermärkischen

Gebietskrankenkasse vom 20.10.2015, Zahl: XXXX, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 08.05.2018, betreffend Versicherungspflicht in der Voll- und Arbeitslosenversicherung von

Dienstnehmern zu Recht:

 

A)

 

I. Der Beschwerde hinsichtlich der Feststellung der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG des XXXX (VSNR XXXX) wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass XXXX im Zeitraum 01.01.2011 bis 30.06.2013 der Pflichtversicherung als freier Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 4 ASVG und im Zeitraum 01.07.2013 bis 31.12.2013 nicht der Pflichtversicherung nach dem ASVG und AlVG unterlag.

 

II. Der Beschwerde hinsichtlich der Feststellung der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der XXXX (VSNR XXXX) wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass XXXX im Zeitraum 01.01.2011 bis 31.12.2013 der Pflichtversicherung als freie Dienstnehmerin gemäß § 4 Abs. 4 ASVG unterlag.

 

III. Der Beschwerde hinsichtlich der Feststellung der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der XXXX (VSNR XXXX) wird stattgegeben und festgestellt, dass XXXX im Zeitraum 01.01.2011 bis 30.06.2013 nicht der Pflichtversicherung nach dem ASVG und AlVG unterlag.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

BESCHLUSS

 

2. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, vertreten durch AVISO Wirtschaftstreuhand GmbH in 1230 Wien sowie Steuerberater Dr. Michael KOTSCHNIGG in 1020 Wien (dieser ohne Zustellvollmacht), gegen Spruchpunkt II. des Bescheides der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse vom 20.10.2015, Zahl: XXXX, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 08.05.2018, betreffend Nachverrechnung von Meldedifferenzen und Verzugszinsen zu Recht:

 

A)

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid hinsichtlich des Spruchpunktes II. aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Steiermärkische Gebietskrankenkasse zurückverwiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Mit Bescheid der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse (im Folgenden: belangte Behörde) vom 20.10.2015, Zahl: XXXX, sprach diese gemäß §§ 410 Abs. 1 Z 2 iVm 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG aus, dass

 

 

 

 

jeweils gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG iVm. § 1 Abs. 1 lit. a AlVG aufgrund ihrer Tätigkeit für die nunmehrige Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) XXXX der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterliegen würden und die entsprechenden Versicherungsmeldungen von Amts wegen vorgenommen worden seien (Spruchpunkt I.).

 

Darüber hinaus sprach die belangte Behörde gemäß §§ 410 Abs. 1 Z 7 iVm 44 Abs. 1 und 49 Abs. 1 ASVG aus, dass die BF wegen der im Zuge der bei ihr stattgefundenen gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA) festgestellten Meldedifferenzen verpflichtet sei, die in der Beitragsabrechnung vom 03.03.2015 sowie dem zugehörigen Prüfbericht vom 03.03.2015 zur Dienstgeberkontonummer XXXX angeführten allgemeinen Beiträge, Nebenumlagen, Sonderbeiträge, Zuschläge nach den jeweils angeführten Beitragsgrundlagen und für die jeweils näher bezeichneten Zeiten im Betrage von insgesamt EUR 83.233,79 nachzuentrichten. Die Beitragsabrechnung vom 03.03.2015 sowie der zugehörige Prüfbericht vom 03.03.2015 würden einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides bilden (Spruchpunkt II.).

 

Begründend wurde im Wesentlichen angeführt, dass JH und HM aufgrund der zwischen ihnen und der BF geschlossenen Vertriebsvereinbarungen jeweils aufgrund der Ausgestaltung ihrer konkreten Tätigkeit als unselbstständige Handelsvertreter und somit als Dienstnehmer für die BF tätig geworden seien und kein Werkvertrag vorliege. AT hätte im Prüfungszeitraum Kundendaten in Excel-Dateien erfasst. Diese Tätigkeit habe sie an ihrem Wohnsitz ausgeübt und dabei ein von der BF zur Verfügung gestelltes spezielles Analyseprogramm sowie eine entsprechende Excel Datei verwendet. Auch AT sei als Dienstnehmerin für die BF tätig geworden. Zudem habe das Finanzamt mit den rechtskräftigen Abgabenbescheiden jeweils vom 19.03.2015 für die Jahre 2011, 2012 und 2013 auf Grund der gegenständlichen GPLA Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zu den Dienstgeberbeiträgen für die von den drei Betroffenen bezogenen Honorare nachverrechnet. Die Rechtskraft der Bescheide sei seitens des Finanzamtes bestätigt worden, sodass auch von einer rechtskräftigen Lohnsteuerpflicht der Betroffenen gemäß § 47 EStG auszugehen sei, sodass auch aus diesem Grunde jeweils eine Einbeziehung in die Vollversicherung gemäß § 4 Abs. 2 ASVG erfolgt sei.

 

2. Anlass zur Durchführung einer GPLA war eine anonyme Anzeige vom 11.09.2013, wonach bei der BF Scheinselbstständige als Verkäufer beschäftigt seien, sich deren Tätigkeit jedoch nicht von den als angestellte Dienstnehmer beschäftigten Handelsvertretern unterscheide, außer in finanzieller Hinsicht, da die Scheinselbstständigen weniger Weihnachtsgeld erhalten würden.

 

3. Gegen diesen Bescheid erhob die BF durch ihre bevollmächtigte steuerliche Vertretung mit Schriftsatz vom 19.11.2015, bei der belangten Behörde am 24.11.2015 einlangend, fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Es wurde beantragt, die belangte Behörde möge die Beschwerde "einsteilen ruhen lassen" und dem BVwG erst nach Ergänzung der Beschwerdeschrift vorlegen. Das BVwG möge der Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter vollinhaltlich stattgeben und den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde ersatzlos aufheben.

 

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass bei allen drei Betroffenen die Kriterien persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit nicht vorliegen würden und insbesondere JH und HM als selbstständige Handelsvertreter tätig gewesen seien. Die Abgabenbescheide des Finanzamtes vom 19.03.2015 seien nach Ansicht der BF objektiv unrichtig und sei deshalb ein Antrag auf Aufhebung der Bescheide gemäß § 299 BAO eingebracht worden. Angesichts der Bindungswirkung an diese "noch nicht existenten" Bescheide sei eine ausführliche Beschwerdeschrift "im nachgelagerten sozialversicherungsrechtlichen Verfahren" nicht sinnvoll. Um zwei Parallelverfahren zu vermeiden, werde die Beschwerde daher nicht weiter begründet und die Begründung erst nach Abschluss des Verfahrens vor dem Finanzamt nachgeholt.

 

4. Mit Vorlagebericht vom 03.12.2015 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den zugehörigen Verwaltungsakten dem BVwG zur Entscheidung vor, wo sie am 11.12.2015 einlangte.

 

5. Auf Nachfrage des BVwG vom 15.12.2015 wurde von der BF am 28.12.2015 mitgeteilt, dass der in der Beschwerde vorgebrachte Antrag auf Aufhebung der Abgabenbescheide gemäß § 299 BAO beim Finanzamt erst bis Ende Jänner eingebracht werden wird.

 

6. Mit Schreiben des BVwG vom 13.01.2016 wurde der BF bzw. ihrer steuerlichen Vertretung hinsichtlich der Beschwerdegründe ein Verbesserungsauftrag erteilt und weiters der Vorlagebericht der belangten Behörde vom 03.12.2015 zur etwaigen Stellungnahme übermittelt.

 

7. Nach einem Fristerstreckungsersuchen sowie von der steuerlichen Vertretung vorgenommenen Akteneinsicht wurde in Entsprechung des erteilten Verbesserungsauftrages die Beschwerde mit Schriftsatz vom 26.02.2016, am selben Tag beim BVwG per Fax einlangend, fristgerecht ergänzt.

 

Inhaltlich wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Ausgangspunkt für die verfahrensgegenständliche GPLA eine anonyme Anzeige vom 11.09.2013 gewesen sei, welche die belangte Behörde in unvertretbarer Weise als Anlass zu einer neuerlichen Überprüfung genommen hätte, statt diese Anzeige zu ignorieren, zumal bereits für die Beitragsjahre 2007 bis 2010 eine GPLA bei der BF stattgefunden habe, bei welcher die gegenständliche Frage der Selbstständigkeit oder Unselbstständigkeit der Tätigkeit der Handelsvertreter bereits Prüfungsgegenstand gewesen sei und es diesbezüglich lediglich zu einer Nachzahlung von EUR 85,48 und somit zu keiner Beanstandung betreffend der Handelsvertreter gekommen sei. Angesichts der Gleichwertigkeit der Verhältnisse hätten die Ergebnisse der zuvor durchgeführten GPLA im angefochtenen Bescheid angemessen Berücksichtigung finden müssen.

 

Die BF beschäftige sowohl Dienstnehmer im Innendienst als auch selbstständige Handelsvertreter nach dem Handelsvertretergesetz (HVG) im Außendienst. Mit den selbstständigen Handelsvertretern seien vor Jahren Vertriebsvereinbarungen geschlossen worden, welche nach wie vor vollinhaltlich gelten und auch entsprechend gelebt würden. Die belangte Behörde habe nur in eine Richtung Feststellungen getroffen, die Beweiswürdigung sei nicht nachvollziehbar. Bereits aus der Vertriebsvereinbarung gehe der eindeutige Parteiwille einer selbstständigen Tätigkeit der Handelsvertreter hervor. Der vertraglich festgelegte Gebietsschutz stamme aus einer Vereinbarung der Handelsvertreter untereinander und sei von der BF nicht vorgeschrieben worden. Die Vereinbarungen und Punkt IV. - Pflichten - sowie Punkt V. - Verbote - würden §§ 5 und 7 HVG entsprechen. Die Verschwiegenheitspflicht sei kein taugliches Abgrenzungskriterium für die Frage der Selbstständigkeit oder Unselbstständigkeit von bestimmten Tätigkeiten, weil sie in beiden Fällen Bestand haben könne (vgl VwGH Ro 2015/08/0020). Es werde weiters auf das Grundrecht auf Datenschutz verwiesen. Wettbewerbsbeschränkungen seien auch bei selbstständigen Handelsvertretern mehr als üblich. Die Vertriebsvereinbarung enthalte kein Vertretungsverbot und Nebenabreden würden nicht bestehen. Das JH zur Verfügung gestellte Firmenfahrzeug stelle rechnerisch einen Provisionsanteil seiner eher niedrigen Provision dar. Es habe weder eine Bindung an Arbeitszeit, Arbeitsort oder arbeitsbezogenes Verhalten bestanden. Zu AT sei auszuführen, dass diese mit XXXX (im Folgenden: S.G.), einem unselbstständigen Dienstnehmer der BF, im gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Die Handelsvertreter seien alle selbstständig tätig gewesen und hätten entsprechende Erklärungen beim Finanzamt (Einkommenssteuer) und der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) abgegeben.

 

8. Per E-Mail vom 02.03.2016 übermittelte die steuerliche Vertretung der BF die mit Schreiben vom 29.02.2016 an das Finanzamt gerichteten Anträge auf Aufhebung der Bescheide vom 19.03.2015 gemäß § 299 BAO.

 

9. Mit Schreiben vom 23.03.2016, beim BVwG am 24.03.2016 einlangend, nahm die belangte Behörde zur erfolgten Mängelbehebung der BF Stellung und wies dabei im Wesentlichen darauf hin, dass sich der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt neben der Vertriebsvereinbarung ergänzend auf die aufgenommenen Niederschriften mit JH am 30.09.2014, mit SG am 22.09.2014 und AT am 22.09.2014 gründe. Aus dem Gesamtbild der Beschäftigung ergebe sich, dass hinsichtlich aller betroffenen Handelsvertreter die Dienstnehmereigenschaft vorliege, auch wenn im vorliegenden Fall die ansonsten für Arbeitsverhältnisse typische Unterordnung nicht so auffällig zutage trete, weshalb auch für die Beurteilung der Frage des Vorliegens persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit anderen Merkmalen Bedeutung beigemessen werden müsse. Darüber hinaus sei noch einmal hervorzuheben, dass es laut den Angaben des SG in seiner Niederschrift vom 20.09.2014 zwischen dessen Tätigkeit als unselbstständig beschäftigter Dienstnehmer und den Tätigkeiten der selbstständigen Handelsvertreter JH und HM keine Unterschiede gegeben habe.

 

10. Die Stellungnahme der belangten Behörde wurde der BF zur Gegenäußerung übermittelt, welche mit Schriftsatz vom 25.04.2016 unter anderem darauf hinwies, dass der Wechsel des SG in ein Dienstverhältnis auf dessen eigenes dringliches Betreiben erfolgt sei, da er sich in ernsten wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden habe. Die übrigen Handelsvertreter hätten ein entsprechendes Anliegen nicht an die BF herangetragen. Zur von der belangten Behörde ins Treffen geführten Weisungsgebundenheit werde darauf verwiesen, dass es kein einziges Beispiel für eine einem Vertriebsmitarbeiter jeweils erteilten Weisung gäbe und wäre dies angesichts dessen, dass sich diese Personen auch nur wenige Male im Betrieb aufhalten würden, auch nicht vorstellbar. JH habe angegeben, dass er keinerlei Berichte habe abgeben müssen. Zur eigenen Betriebsstätte werde ebenso auf die mit JH aufgenommene Niederschrift verwiesen, wo er angegeben habe, überwiegend von zu Hause aus tätig gewesen und nur gelegentlich in den Betrieb gekommen zu sein. HM habe ihre Tätigkeit in Westösterreich und daher selbstständig in eigener Betriebsstätte vor Ort ausgeführt. JH habe nie behauptet, an die BF derart gebunden gewesen zu sein, dass ihm eine parallele Beschäftigung verboten gewesen wäre. Die GPLA für die Jahre 2007-2010 sei vom Finanzamt durchgeführt worden, wobei selbstständige Beschäftigungen im Grenzbereich zu Dienstverhältnissen seit vielen Jahren Schwerpunkt der Arbeit der Finanzämter seien, sodass mit ziemlicher Sicherheit davon auszugehen sei, dass sich auch der Vorprüfer mit dieser Frage beschäftigt habe. Zu den Kontrollrechten sei auszuführen, dass die Aussagen der Beteiligten sich widersprechen, wenn sie anführen, dass Besprechungen alle vier bis sechs Wochen, etwa alle zwei Monate bzw. HM überhaupt nur zwei bis dreimal pro Jahr im Betrieb gewesen sei (darunter zur Weihnachtsfeier). Für eine Weisungsbindung gebe es keinen schlüssigen Beweis und kein Tatsachensubstrat.

 

11. Mit Schriftsatz der steuerlichen Vertretung der BF vom 20.04.2018 erstattete die BF ihr "abschließendes Vorbringen" vor Durchführung der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG. Im Rahmen dessen gab die BF bekannt, dass der nunmehrige Geschäftsführer (der ursprüngliche Geschäftsführer sei inzwischen verstorben) sowie vier von der BF selbst stellig gemachte Zeugen an der Verhandlung teilnehmen würden. Der Firmensitz der BF habe sich inzwischen verändert. Im Parallelverfahren vor dem Finanzamt sei eine abschließende Sachentscheidung weder vorhanden noch sei eine solche demnächst absehbar. Nach Ansicht der BF habe der GPLA-Prüfer der verfahrensgegenständlichen GPLA willkürlich gehandelt und nur eine einseitige Beurteilung des Sachverhalts in Richtung Dienstnehmer vorgenommen, ohne die Kriterien, die für eine Selbstständigkeit sprächen, entsprechend zu werten. Entgegen der Feststellungen der belangten Behörde habe sich HM maximal zwei- bis dreimal jährlich im Betrieb der BF aufgehalten. Dass HM und JH einer Weisungspflicht unterlegen wären, werde nicht einmal von der belangten Behörde behauptet. Eine Eingliederung in den Betrieb scheitere bei HM schon aufgrund der großen örtlichen Distanz. Es läge auch keine Bindung an Arbeitszeit und Arbeitsplatz vor und wären insbesondere von JH und HM immer regelmäßig Honorarabrechnungen mit Umsatzsteuer-Ausweis gelegt worden. Dem gehe eine Deklaration beim Finanzamt und auch die entsprechende Abfuhr der Steuern voraus, sodass nicht ernstlich vom Vorliegen eines Dienstverhältnisses gesprochen werden könne.

 

Mit dem Schriftsatz wurden zudem ein aktueller Firmenbuchauszug der BF, einige Rechnungen der Handelsvertreter, ein Judikat des Finanzgerichtes Berlin-Brandenburg vom 20.04.2016, 14 K 14207/15, sowie die Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 21.06.2012 über die für den Zeitraum 01.01.2007 bis 31.12.2010 bei der BF durchgeführte GPLA vorgelegt.

 

12. Das BVwG führte sodann am 08.05.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die BF, vertreten durch ihren nunmehrigen Geschäftsführer XXXX (im Folgenden: GF) und die steuerliche Vertretung sowie ein Vertreter der belangten Behörde teilnahmen. Als Zeugen wurden JM, HM, AT, SG sowie XXXX (im Folgenden: LB) einvernommen.

 

Seitens der BF wurde zusammengefasst vorgebracht, dass es sich bei den in Rede stehenden Handelsvertretern um selbstständige Vertriebspartner gehandelt habe, die eigenständig und eigenverantwortlich am Markt tätig geworden seien. Jene Punkte, die eine Vermutung in eine Einbindung in die Organisation der BF begründen würden, hätten ihre Erklärung darin, dass versucht worden sei, den Vertriebspartner einfache Handgriffe abzunehmen.

 

Der Behördenvertreter wies darauf hin, dass GPLA-Prüfungen immer stichprobenartig erfolgen und die sozialversicherungsrechtliche Einstufung der Vertriebspartner nicht Gegenstand der vom Finanzamt für die Jahre 2007-2010 durchgeführte Teilprüfung gewesen sei, sodass diesbezüglich auch keine Einvernahmen stattgefunden hätten.

 

13. Mit Schriftsatz vom 16.05.2018, beim BVwG am 17.05.2018 per E-Mail einlangend, wurde seitens der steuerlichen Vertretung bezogen auf einzelne in der mündlichen Verhandlung behandelte Themenbereiche vorgebracht, dass es nicht der Wahrheit entsprechen könne, dass HM, wie von ihr in der Verhandlung angegeben, ein- bis zweimal pro Monat im Betrieb der BF an Besprechungen teilgenommen habe. In Anbetracht der erheblichen Entfernung vom Wohn- und Beschäftigungsort vom Betriebssitz der BF und der von HM penibel geführten Reisekostenabrechnungen ergebe sich bis auf eine einzige Reise zum Betrieb der BF am 23.11.2011 (vermutlich die Firmenweihnachtsfeier) keine einzige weitere Tank-, Maut-, Park- oder Nächtigungs- und Verpflegungsrechnung, aus der sich eine Reise zum Betrieb der BF ableiten ließe. Ebenso wenig fänden sich Bahntickets. Das Vorbringen von HM entspreche nicht der Wahrheit.

 

Zu den Angaben des Zeugen SG, wonach im Prüfungszeitraum ein Callcenter für die BF tätig gewesen und für die Handelsvertreter durch Kundenanrufe Termine arrangiert habe, welche diese dann hätten wahrnehmen müssen, werde ausgeführt, dass laut Buchhaltung der BF im Jahr 2011 insgesamt EUR 96,00, im Jahr 2012 EUR 180,00 (jeweils brutto) und im Jahr 2013 EUR 0,00 an Ausgaben für das Callcenter verbucht wurden, wobei ein Anruf durch ein Callcenter EUR 5,00 koste und nicht jeder Anruf zu einem Termin mit einem Kunden führe. Es könnten daher gar nicht überwiegend vom Callcenter vereinbarte Termine zu bearbeiten gewesen sein. Diese geringen Summen ließen vielmehr den Schluss zu, dass gar keine Termine für die Handelsvertreter vom Callcenter vereinbart worden seien.

 

Dem Schriftsatz war ein Kontoausdruck aus der Buchhaltung bezüglich des Callcenters für die Jahre 2011 bis 2013 sowie ein Ausdruck des Routenplans der Strecke vom Wohnort der HM zum Betrieb der BF beigefügt.

 

14. Der Schriftsatz der steuerlichen Vertretung der BF vom 16.05.2018 samt Beilagen wurde sodann der belangten Behörde mit Schreiben des BVwG vom 28.05.2018 zur Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs binnen drei Wochen übermittelt.

 

Die belangte Behörde nahm dazu mit Schreiben vom 21.06.2018, beim BVwG am 29.06.2018 einlangend, Stellung und führte zum Vorbringen der BF zu HM aus, dass HM im Rahmen der mündlichen Verhandlung angegeben habe, dass es erwünscht gewesen sei, dass sie an Besprechungen am Firmensitz der BF teilnehme. Entgegen den Ausführungen der BF habe sie angegeben, glaublich einmal im Monat am Firmensitz gewesen zu sein, habe jedoch auch ausgeführt, dass eine Teilnahme nicht immer möglich gewesen wäre und ihr dann die Besprechungsprotokolle übermittelt worden wären und sie ihre Tätigkeit dann aufgrund dieser Protokolle ausgeführt habe. Ebenso habe HM angegeben, dass die Spesen dieser Reisen teils von ihr selbst, teils von der BF getragen worden seien. Es werde auch festgehalten, dass eine Anreise der HM zum Betrieb der BF verkehrstechnisch sehr wohl ohne Verrechnung von Mautgebühren möglich sei, weshalb es auch nicht zwangsweise zu einer Verrechnung derselben gekommen sein müsse, sollte HM die Kosten hierfür nicht ohnehin selbst getragen haben.

 

Zum Vorbringen der BF zu den vom Callcenter vermittelten Terminen sei auszuführen, dass auch unter der Annahme, dass nur ein geringer Teil der Termine durch ein Callcenter vereinbart worden seien, die Kriterien zur Wertung der Tätigkeit eines Vertreters als unselbstständige Beschäftigung iSd § 4 Abs. 2 ASVG dennoch jedenfalls erfüllt seien. Diese vom VwGH in seiner Judikatur herausgearbeiteten Kriterien seien die Weisungsgebundenheit in einer bestimmten Art, das Konkurrenzverbot, der Bezug eines Fixums, die Berichterstattungspflicht, die Kontrollmöglichkeit und die mangelnde Verfügung über eine eigene Betriebsstätte und eigene Betriebsmittel. Sämtliche Kriterien seien durch die Angaben der einvernommenen Personen in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden. Darüber hinaus hätten sowohl HM als auch SG im Rahmen ihrer Einvernahmen angegeben, dass sie ihre Termine in einem gemeinsamen Kalender eingetragen hätten, der für jedermann einsichtig gewesen sei. Der Kalender habe der Kontrolle gedient, ob die Termine auch wahrgenommen worden seien. Der BF sei damit jedenfalls eine Kontrollmöglichkeit der Tätigkeiten ihrer Mitarbeiter eingeräumt gewesen. Es handle sich daher jedenfalls um Dienstnehmer iSd § 4 Abs. 2 ASVG.

 

15. Mit Schreiben vom 20.07.2018 legte die steuerliche Vertretung der BF ein Konvolut an Originalbelegen zu den Reisespesen von HM vor.

 

16. Mit Schreiben vom 18.10.2018 teilte die BF durch ihre steuerliche Vertretung mit, dass das Verfahren vor dem Finanzamt zu § 299 BAO noch nicht abgeschlossen sei.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Die BF ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom 18.04.2000 gegründete und ins Firmenbuch zur FN XXXX eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in XXXX, deren Geschäftszweig Telekommunikationsdienstleistungen umfasst. Der ursprüngliche Gründer und gemeinsam mit einem weiteren Gesellschafter zur handelsrechtlichen Geschäftsführung befugte Geschäftsführer XXXX (im Folgenden: Ing. K.S.) ist inzwischen bereits verstorben. Seit 16.03.2013 und auch zum Entscheidungszeitpunkt ist die "XXXX" als Alleingesellschafterin der BF in das Firmenbuch eingetragen, welche die BF im Jahr 2012 gekauft hat, und sind zur handelsrechtlichen Geschäftsführung seit 11.03.2013 jeweils selbstständig XXXX (im Folgenden: Geschäftsführer oder GF) sowie XXXX befugt (vgl Firmenbuchauszug zur FN XXXX vom 28.03.2018, AS 292 ff Gerichtsakt; Angaben des GF, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 378 Gerichtsakt).

 

Die BF vertreibt als Subunternehmerin für die großen Telekommunikationsdienstleister wie etwa A1 und Tele2 in Österreich deren Produkte und Dienstleistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation, Datenverarbeitung und Informationstechnik. Die BF beschäftigt zu diesem Zweck Mitarbeiter im Innendienst, die als echte Dienstnehmer zur Sozialversicherung angemeldet sind und Mitarbeiter im Außendienst/Vertrieb, bei welchen es sich nach Ansicht der BF um selbstständig tätige Handelsvertreter nach dem Handelsvertretergesetz (HVG) handelt (vgl etwa angefochtener Bescheid vom 20.10.2015, S 2; BF, Schriftsatz vom 26.02.2016, AS 99 Gerichtsakt; Präambel Vertriebsvereinbarung vom 16.07.2000, Verwaltungsakt).

 

Ing. K.S. war als Firmengründer auch bis zum Verkauf der BF im Jahr 2012 die bestimmende Person und der einzige "Vertriebsleiter" (vgl Angaben des GF, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 378 Gerichtsakt).

 

1.2. Infolge einer bei der belangten Behörde eingelangten anonymen Anzeige vom 11.09.2013 und der dort behaupteten "Scheinselbstständigkeit" von Handelsvertretern im Außendienst wurde seitens der belangten Behörde eine GPLA Prüfung für den - nunmehr verfahrensgegenständlichen - Zeitraum von 01.01.2011 bis 31.12.2013 durchgeführt (vgl aktenkundige anonyme Anzeige vom 11.09.2013, Verwaltungsakt; aktenkundiger Bescheid über den Prüfungsauftrag vom 07.07.2014).

 

Im Zuge dieser GPLA wurde vom Prüfer festgestellt, dass die für die BF als selbstständige Handelsvertreter tätigen Personen, nämlich JH, HM und AT, tatsächlich als Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG zu beurteilen gewesen waren. Mit Prüfbericht und Beitragsabrechnung jeweils vom 03.03.2015 wurden der BF als Dienstgeberin durch die Umqualifizierung der selbstständigen Handelsvertreter in echte Dienstverhältnisse für den Zeitraum 01.01.2011 bis 31.12.2013 EUR 68.704,35 an Sozialversicherungsbeiträgen samt EUR 14.529,44 an Verzugszinsen, gesamt somit EUR 83.233,79, nachverrechnet (vgl aktenkundigen Prüfbericht und Beitragsabrechnung vom 03.03.2015, Verwaltungsakt).

 

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.10.2015 wurde sodann festgestellt, dass die für die BF in diesem Zeitraum selbstständig tätigen Handelsvertreter, und zwar JH und HM im Zeitraum von jeweils 01.01.2011 bis 31.12.2013 sowie AT im Zeitraum von 01.01.2011 bis 30.06.2013, tatsächlich der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterliegen und die BF dazu verpflichtet ist, EUR 83.233,79 an Sozialversicherungsbeiträgen und Verzugszinsen nachzuentrichten (vgl angefochtener Bescheid vom 20.10.2015, Verwaltungsakt).

 

1.3. S.G., ein weiterer ursprünglich selbstständiger Handelsvertreter der BF, war bei der BF von 01.07.2009 bis 31.05.2013 sowie von 01.10.2013 bis 30.11.2013 als Angestellter sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Zwischen 15.07.2013 und 30.07.2013 war SG als gewerblich selbstständiger Erwerbstätiger bei der SVA gemeldet (vgl Sozialversicherungsdatenauszug zu S.G. vom 28.08.2014, Verwaltungsakt; Dienstvertrag vom 01.07.2009, Verwaltungsakt).

 

Infolge finanzieller Probleme wurde über S.G. ein Insolvenzverfahren eröffnet. Dies war der Grund für einen Wechsel in ein Dienstverhältnis zur BF. Mit dem ehemaligen Geschäftsführer Ing. K.S. wurde dann vereinbart, dass die S.G. aus seinen Verkäufen eigentlich zustehende Umsatzprovision über seine Lebensgefährtin A.T. ausbezahlt wird (vgl Angaben LB, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 392 Gerichtsakt).

 

1.4. Zu Ausgestaltung der Tätigkeit von JH und HM:

 

1.4.1. Grundlage für die Beschäftigung von JH und HM als Handelsvertreter der BF bildete eine jeweils abgeschlossene und gleichlautende Vertriebsvereinbarung, ursprünglich datiert vom 16.07.2000. Diese Vertriebsvereinbarung lautet in ihren wesentlichen Punkten wie folgt [die Vertriebsvereinbarung nimmt tatsächlich keine Rücksicht auf Groß-/Kleinschreibung, Anm.] (vgl Vertriebsvereinbarung vom 16.07.2000 von HM, Verwaltungsakt):

 

"I. Präambel

 

Gegenstand des Unternehmens der T. ist der Vertrieb von Produkten und der Verkauf von Dienstleistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation, Datenverarbeitung und Informationstechnik. Der Partner in seiner Eigenschaft als selbstständiger Handelsvertreter wird zu den Bedingungen dieses Vertrages vom Unternehmer mit der Vermittlung und dem Abschluss von Geschäften im Rahmen seines Unternehmensgegenstandes betraut. Beide Vertragspartner vereinbaren und anerkennen ausdrücklich, dass der Provisionsplan in der jeweils gültigen Fassung begleitend zu diesem Vertrag als vereinbart gilt.

 

II. Vertragsgegenstand

 

Vermittlung oder Abschluss von Geschäften im Namen und auf Rechnung des Unternehmens im Rahmen dessen Unternehmensgegenstandes.

 

Der Partner ist nicht berechtigt, den Kaufpreis einzuziehen oder Zahlungsfristen zu gewähren.

 

Der Partner üb diese Tätigkeit selbstständig und gewerbsmäßig aus, er ist demnach auch verpflichtet, seine Einkünfte aus der vertraglichen Tätigkeit selbstständig zu versteuern und für die entsprechende Sozialversicherungspflicht eigenständig aufzukommen.

 

III. Vertragsgebiet

 

Der Partner hat einen Gebietsschutz für das im Anhang definierte Gebiet und hat Anspruch auf das in seinem Stammgebiet vermittelte oder zum Abschluss gebrachte Geschäft.

 

IV. Pflichten

 

Der Partner hat sich um die Vermittlung und den Abschluss von Geschäften zu bemühen. Er hat bei Ausübung seiner Tätigkeit das Interesse des Unternehmers mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes wahrzunehmen und ist insbesondere verpflichtet, diesem die erforderlichen Mitteilungen zu machen und ihn unverzüglich von jedem Geschäft in Kenntnis zu setzen, das er für ihn abgeschlossen hat.

 

Der Partner hat seine Beratungs- und Verkaufstätigkeit ausschließlich auf Grundlage der vom Unternehmer erstellten oder zur Verfügung gestellten Unterlagen durchzuführen.

 

Der Partner ist verpflichtet, Ausbildungs- und Fortbildungsseminare zu besuchen, die vom Unternehmer oder im Einvernehmen mit diesem veranstaltet werden.

 

Der Partner ist zur absoluten Verschwiegenheit über sämtliche geschäftlichen Belange sowohl des Unternehmers, wie auch der Kunden und Geschäftspartner des Unternehmens verpflichtet. Diese Verpflichtung untersagt insbesondere Daten, Informationen sowie sonstige Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens sowie seiner Kunden und Vertragspartner für eigene Zwecke oder für Zwecke anderer Personen in irgendeiner Weise zu verwerten oder auch zu offerieren.

 

Der Partner hat dafür Sorge zu tragen, dass dritte Personen von diesen Informationen, ihm übergebenen Schriftstücken und Schulungsunterlagen keine Kenntnis erlangen.

 

V. Verbote

 

Der Partner darf von Dritten, mit denen er Geschäfte schließt, Provisionen oder Belohnungen nicht annehmen.

 

Zu Unrecht empfangene Belohnungen und Provisionen sind dem Unternehmer herauszugeben. Ein weitergehender Schadenersatzanspruch ist damit nicht ausgeschlossen.

 

Es ist dem Partner untersagt, während der Vertragsdauer direkt oder indirekt für eine branchengleiche Firma tätig zu sein.

 

VI. Provisionen

 

Dem Partner gebührt für jedes durch seine Tätigkeit zustande gekommene Geschäft Provision auf Grundlage des aktuellen Provisionsplanes.

 

Der Anspruch auf Provision entsteht nach Abschluss des Geschäftes und nach Erbringung der Leistung durch den Kunden (Zahlung).

 

Geschäfte, die der Unternehmer aus welchen Gründen immer, nicht akzeptiert oder später storniert, sind nicht provisionspflichtig.

 

Die Höhe der Provision ergibt sich ausschließlich aus dem Provisionsplan. Der Partner anerkennt ausdrücklich, dass der Provisionsplan inhaltlich durch den Unternehmer jederzeit nach den Markterfordernissen abgeändert werden kann, wobei der geänderte Provisionsplan dem Partner zur Kenntnis zu bringen ist. Es ist jeweils der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Geschäfts gültige Provisionsplan für die Berechnung der Provision heranzuziehen.

 

[...]

 

Während aufrechtem Vertragsverhältnis bestehen keine sonstigen Ansprüche des Partners, wie fixe Bezüge, Beihilfen, Kostenentschädigungen, Diäten oder Kilometergeld etc.

 

[...]

 

VII. Geschäftsausübung

 

Es besteht Einvernehmen darüber, dass ein makelloses Image des Unternehmers und des Partners eine wesentliche Voraussetzung für den Geschäftserfolg bilden. Der Partner hat daher zur Erlangung und Erhaltung dieses guten Ansehens des Unternehmers und auch des Partners durch sein eigenes Verhalten beizutragen und andererseits alles zu unterlassen, was diesem guten Ansehen schädlich sein könnte. Es ist dem Partner striktest untersagt, in seiner geschäftlichen Tätigkeit Erklärungen abzugeben und Methoden anzuwenden, die den guten Sitten widersprechen.

 

Werbemaßnahmen (Aussendungen, Inserate, usw.) der Partner, durch die ein unbestimmter Personenkreis oder namentlich auch ein bestimmter Personenkreis angesprochen wird, bedürfen der Zustimmung der T.

 

VIII. Dauer und Kündigung

 

Das Vertragsverhältnis wird grundsätzlich auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

 

[...]

 

IX. Schriftform

 

Sämtliche zwischen den Vertragsteilen vereinbarten Regelungen sind in diesem Vertrag, sowie dem Provisionsplan, enthalten. Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, ebenso ein Abgehen vom vereinbarten Schriftformerfordernis.

 

[...]

 

XI. Anzuwendendes Recht

 

Sofern in diesem Vertrag einzelne Punkte nicht ausdrücklich geregelt wurden, ist das Bundesgesetz über die Rechtsverhältnisse der selbstständigen Handelsvertreter (Handelsvertretergesetz) in seiner jeweils gültigen Fassung heranzuziehen.

 

[...]

 

Es wird vereinbart, dass das Rechtsverhältnis in der bestehenden Form auf allfällige Rechtsnachfolger übertragen wird."

 

1.4.2. Die Vertriebsvereinbarung hatte auch im verfahrensgegenständlichen Zeitraum von 01.01.2011 bis 31.12.2013 nach wie vor ihre Gültigkeit und wurde - unstrittig - auch so gelebt (vgl BF, Schriftsatz vom 26.02.2016, AS 78 Gerichtsakt).

 

1.4.3. HM begann ihre Tätigkeit mit Abschluss ihrer Vertriebsvereinbarung am 16.07.2000. JH nahm seine Tätigkeit für die BF etwa im Jahr 2002 auf. Der Tätigkeitsbereich sowohl für JH als auch HM umfasste - auch im Zeitraum 2011-2013 - die Betreuung von Bestandskunden und die Akquirierung von Neukunden im Bereich Telefonie (Anbieterwechsel), Internet, Domainservice und selten auch Telefone und Telefonanlagen in ihren jeweiligen Gebieten in Österreich (vgl Angaben JH, Niederschrift vom 30.09.2014, S 2, Verwaltungsakt; Angaben JH, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 379 Gerichtsakt; Angaben HM, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 387 Gerichtsakt; Vertriebsvereinbarung vom 16.07.2000 von HM, Verwaltungsakt).

 

Bis etwa 2011 wurden den Handelsvertretern Kundendaten von zu betreuenden Kunden einerseits über ein externes, von der BF beauftragtes, Callcenter und andererseits durch Vermittlungen von bestehenden Kunden oder anderen Personen übermittelt. In erster Linie erlangten die Handelsvertreter aber zusätzliche Kundenkontakte durch Weiterempfehlung von Bestandskunden. Die Herstellung von Kundenkontakten erfolgte sowohl über die Handelsvertreter persönlich als teilweise auch über die BF, welche die Kunden dann an die jeweiligen Vertreter weiterverwies (vgl etwa Angaben JH, Niederschrift vom 30.09.2014, S 2, Verwaltungsakt; Angaben JH, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 380 und 382 Gerichtsakt) Angaben HM, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 384 Gerichtsakt).

 

Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum wurden im Jahr 2011 EUR 96,00 brutto, im Jahr 2012 EUR 180,00 brutto und im Jahr 2013 EUR 0,00 an Ausgaben für das Callcenter verbucht (vgl vorgelegt Kontoauszüge, AS 444f Gerichtsakt). Es kam somit schon aufgrund der sehr geringen Rechnungsbeträge im verfahrensgegenständlichen Zeitraum zu keinen relevanten Zuweisungen von Kundendaten oder Kundenterminen durch das Callcenter.

 

Die potentiellen Kunden wurden daraufhin von den Handelsvertretern angerufen oder per

 

E-Mail kontaktiert. Bei Interesse wurden die Kunden teilweise vor Ort aufgesucht und nach Vorlage von Angeboten per E-Mail oder im persönlichen Gespräch die Verträge mit den Kunden abgeschlossen. Monatlich besuchte JH etwa zwischen zehn bis zwanzig Kunden. Es gab seitens der BF keinerlei Vorgaben bezüglich des Ablaufs des Kundenbesuches. HM wendete sich an das Vor-Ort-Personal der BF für Auskünfte. Es wurden ihr jedoch von der BF keinerlei Vorgaben bezüglich der zu verkaufenden Produkte gemacht. Die tatsächliche Umsetzung der Dienstleistungen in technischen Belangen oblag dann den technisch versierten Dienstnehmern der BF (vgl Angaben JH, Niederschrift vom 30.09.2014, S 2, Verwaltungsakt; Angaben JH, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 382 Gerichtsakt; Angaben LB, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 391f Gerichtsakt).

 

Der Vertragsabschluss erfolgt mit von der BF zur Verfügung gestellten Formularen und im Namen der BF. Auch wurden entsprechende Prospekte über die Produkteigenschaften von der BF zu Verfügung gestellt und mussten diese auch verwendet werden, da es sich bei den vertriebenen Produkten ja überwiegend um jene der eigenen Auftraggeber der BF handelte. JH wurde dort nur als Betreuer angeführt. JH verfügte über Visitenkarten mit seinem Namen und Kontaktdaten sowie auch der BF und deren Kontaktdaten (vgl Angaben JH, Niederschrift vom 30.09.2014, S 2, Verwaltungsakt; Angaben JH, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 382 Gerichtsakt; Angaben Geschäftsführer, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 382 Gerichtsakt).

 

Einen abgeschlossenen Vertrag übermittelten die Handelsvertreter per Fax oder E-Mail an die BF, die den Vertrag bearbeitete und an die für die technische Umsetzung zuständigen Dienstnehmer weiterleitete. Auf Basis des durch den Kunden jeweils erzielten Umsatzes erhielten sie dafür seine einmal monatlich ausbezahlte Provision (vgl Angaben JH, Niederschrift vom 30.09.2014, S 2, Verwaltungsakt; Angaben HM, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 385 Gerichtsakt; Angaben LB, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 392 Gerichtsakt).

 

Im Falle einer Verhinderung wurden die betroffenen Kunden kontaktiert und der Termin verschoben. Auch wenn dies bei JH konkret nie der Fall war, hätte er bei einer länger dauernden Verhinderung/Abwesenheit die BF darüber informiert. Auch HM hat Terminverschiebungen der BF gemeldet (vgl Angaben JH, Niederschrift vom 30.09.2014, S 2, Verwaltungsakt; Angaben HM, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 385 Gerichtsakt).

 

Weder JH noch HM waren an fixe Arbeitszeiten oder an einen konkreten Arbeitsplatz oder Arbeitsort gebunden. Es bestand für beide keine Anwesenheitspflicht und sie konnten sich ihre Arbeit zeitlich selbst einteilen (vgl Angaben JH, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 380f Gerichtsakt; Angaben HM, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 385 Gerichtsakt).

 

Es konnte hingegen nicht festgestellt werden, dass die Handelsvertreter verpflichtet gewesen wären, Urlaube und Krankenstände der BF zu melden.

 

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass es im verfahrensrelevanten Zeitraum tatsächlich einen gemeinsamen Google-Kalender gegeben hätte.

 

JH und HM waren überwiegend zuhause tätig. Ihre Arbeit erledigten sie ausschließlich zuhause oder vor Ort beim Kunden. Zum Betriebssitz der BF kam JH nur gelegentlich um Kontaktpflege zu betreiben oder gegebenenfalls an Besprechungen teilzunehmen, die im verfahrensrelevanten Zeitraum nicht mehr regelmäßig und nur mehr ganz selten stattfanden. Schulungen fanden im Zeitraum 2011-2013 keine mehr statt und verfügten die Handelsvertreter in diesem Zeitraum auch über keine eigenen Arbeitsplätze am Betriebssitz der BF. Es war ihnen lediglich erlaubt, einen freien Arbeitsplatz zu nützen, falls sie sich im Betrieb der BF aufgehalten haben (vgl Angaben JH, Niederschrift vom 30.09.2014, S 2, Verwaltungsakt; Angaben JH, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 380 Gerichtsakt; Angaben HM, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 386 Gerichtsakt).

 

Entgegen dem Vorbringen von HM konnte nicht festgestellt werden, dass sie im verfahrensrelevanten Zeitraum an monatlich stattfindenden Besprechungen am Betriebssitz der BF teilgenommen hat (vgl Angaben JH, Niederschrift vom 30.09.2014, S 2, Verwaltungsakt; Angaben JH, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 380 Gerichtsakt; Angaben LB, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 391 Gerichtsakt).

 

Die Handelsvertreter waren der BF gegenüber nicht verpflichtet, ständige Berichte über ihre Kundenbesuche einzureichen. Es wurden dieser lediglich zu Abrechnungszwecken erfolgte Geschäftsabschlüsse gemeldet (vgl Angaben JH, Niederschrift vom 30.09.2014, S 2, Verwaltungsakt; Angaben JH, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 381 Gerichtsakt).

 

Entsprechend der Vertriebsvereinbarung waren JH und HM einerseits zur Verschwiegenheit verpflichtet und traf sie weiters auch ein Konkurrenzverbot während aufrechter Tätigkeit für die BF. Beide waren während ihrer Tätigkeit für die BF weder für branchengleiche noch andere Unternehmen in irgendeiner Form tätig (vgl Angaben JH, Niederschrift vom 30.09.2014, S 2, Verwaltungsakt; Angaben JH, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 381 Gerichtsakt; Angaben HM, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 385 Gerichtsakt).

 

Ein Vertretungsverbot war nicht ausdrücklich vereinbart. Eine Vertretung durch einen anderen Mitarbeiter oder Handelsvertreter der BF wäre jedoch möglich gewesen (vgl Angaben SG, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 395 Gerichtsakt).

 

JH wurde von der BF ein Firmenfahrzeug der Marke Peugeot zur Verfügung gestellt, mit welchem er seine Kundenbesuche durchführte. Für etwaige Privatfahrten muss er keinen Beitrag an die BF leisten. Privatfahrten führte JH überwiegend mit dem Fahrzeug seiner Ehegattin durch. Von der BF wurde JH auch noch eine SIM-Karte für sein Telefon zur Verfügung gestellt und wurden alle Telefonkosten von der BF getragen. Im Eigentum des JH befand sich hingegen sein eigener Computer bzw. Laptop samt Drucker, Scanner und zweitweise auch ein Fax-Gerät (vgl Angaben JH, Niederschrift vom 30.09.2014, S 2f, Verwaltungsakt; Angaben JH, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 381 ff Gerichtsakt; Angaben LB, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 391 Gerichtsakt).

 

Auch HM arbeitete mit ihrem privaten Laptop (vgl Angaben LB, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 391 Gerichtsakt). Die SIM-Karte für ihr Telefon wurde ihr von der BF zur Verfügung gestellt (vgl Angaben HM, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 387 Gerichtsakt). HM wurde kein Firmenfahrzeug zur Verfügung gestellt, dafür wurden ihr aber - entgegen der Betriebsvereinbarung - sämtliche Reisekosten, Treibstoffkosten, Internetkosten und Parkgebühren von der BF ersetzt (vgl Angaben HM, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 387 Gerichtsakt; von der BF vorgelegtes Konvolut an von HM geltend gemachten Reisekostenabrechnungen für 2011 - 2013; ausgedruckte Kontoblätter der BF über die Reisekostenersätze der HM).

 

Den Handelsvertretern wurden auch IT-Tools zur freiwilligen Benützung zur Verfügung gestellt. Darunter etwa ein Gastzugang zum System der Telekom Austria, um etwa die Vertragsbindung eines Kunden zu prüfen oder eine Mitbewerberanalyse durchzuführen sowie ein VPN-Zugang zum System der BF. Hingegen wurden den Handelsvertretern JH und HM von der BF keinerlei Softwarelizenzen zur Verfügung gestellt und gab es für sie auch keinen Zugang zur Firewall der BF (vgl Angaben GF, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 381 Gerichtsakt; Angaben JH, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 382 Gerichtsakt; Angaben LB, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 391 f Gerichtsakt).

 

Die Handelsvertreter erhielten von der BF in den Jahren 2011 bis 2013 monatlich eine Provisionszahlung in Höhe von 6 % des Umsatzes. Diesbezüglich wurden von den Handelsvertretern monatliche Honorarnoten unter Ausweisung der Umsatzsteuer gelegt. Aus den aktenkundigen Kontoauszügen ergeben sich durchaus erhebliche monatliche Schwankungen. Dass H.M. ein monatliches Fixum von EUR 300,00 ausbezahlt worden ist, konnte nicht festgestellt werden (vgl aktenkundige Kontoauszüge der BF vom 04.11.2014 für die Jahre 2011 bis 2013, Verwaltungsakt; Angaben HM, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 386 Gerichtsakt; vorgelegte Honorarnoten von HM und SG, AS 301 ff Gerichtsakt).

 

1.4.4. JH verfügt seit 01.07.2013 über das freie Gewerbe mit dem Wortlaut "Vermittlung von Werk- und Dienstleistungsverträgen an Befugte unter Ausschluss der Übernahme von Aufträgen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung sowie ausgenommen der den Arbeitsvermittlern, Immobilientreuhändern, Reisebüros, Transportagenten, Spediteuren, Vermögensberatern, Versicherungsvermittlern und Wertpapiervermittlern vorbehaltenen Tätigkeiten". Über JH wurde am 26.04.2016 ein Konkursverfahren eröffnet. Zum Entscheidungszeitpunkt kommt dem Insolvenzverwalter die Gewerbeberechtigung zu (vgl GISA-Auszug zur GISA-Zahl: XXXX vom 07.12.2018, Gerichtsakt).

 

JH war im Zeitraum 01.01.2011 bis 30.06.2013 weder nach dem ASVG, GSVG, FSVG oder BSVG oder einem sonstigen Gesetz pflichtversichert oder freiwillig zu einer Versicherung gemeldet. Von 01.07.2013 bis 31.07.2017 war JH infolge seiner Gewerbeberechtigung ex lege gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG als gewerblich selbstständiger Erwerbstätiger pflichtversichert (vgl Sozialversicherungsdatenauszug vom 10.12.2018, Gerichtsakt).

 

1.4.5. HM verfügte lediglich im Zeitraum 26.11.1991 bis 08.06.1998 über die Gewerbeberechtigung (gebundenes Gewerbe) "Handel gemäß § 103 Abs. 1 lit. b Ziffer 25 GewO 1973 eingeschränkt auf den Handel mit Textilien und Wolle". Während ihrer Tätigkeit für die BF verfügte HM über keine Gewerbeberechtigung, somit auch nicht im verfahrensgegenständlichen Zeitraum von 01.01.2011 bis 31.12.2013 (vgl GISA-Auszug zur GISA-Zahl: XXXX vom 07.12.2018, Gerichtsakt).

 

HM war von 01.01.2002 bis 31.12.2002 sowie von 01.01.2004 bis 31.12.2010 gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG zur Pflichtversicherung bei der SVA gemeldet. Sie bezieht darüber hinaus seit 04.12.2007 eine Witwenpension und war im Rahmen dieses Pensionsbezuges krankenversichert. Im Zeitraum 01.01.2011 bis 14.01.2014 war sie weder nach dem ASVG, GSVG, FSVG oder BSVG oder einem sonstigen Gesetz pflichtversichert oder freiwillig zu einer Versicherung gemeldet (vgl Sozialversicherungsdatenauszug vom 10.12.2018, Gerichtsakt).

 

1.5. Zur Ausgestaltung der Tätigkeit von AT:

 

1.5.1. Grundlage für die Beschäftigung von AT bildete eine im Wesentlichen mit jener von JH und HM gleichlautende Vertriebsvereinbarung vom 31.03.2009. Die von der Vertriebsvereinbarung von JH und HM einzige abweichende Bestimmungen lauten [die Vertriebsvereinbarung nimmt tatsächlich keine Rücksicht auf Groß-/Kleinschreibung, Anm.] (vgl Vertriebsvereinbarung vom 31.03.2009 von AT, Verwaltungsakt):

 

"[...]

 

VI. Provisionen

 

[...]

 

Provisionsplan: der Partner erhält 1 % des monatlichen Nettotelefonvolumens.

 

[...]"

 

1.5.2. Entgegen der Ausgestaltung der konkreten Tätigkeit von JH und HM im Wesentlichen entsprechend der mit ihnen abgeschlossenen Vertriebsvereinbarung, weicht die von AT tatsächlich ausgeübte Tätigkeit von jener in der auch von 01.01.2011 bis 30.06.2013 geltenden Vertriebsvereinbarung erheblich ab:

 

1.5.3. AT begann ihre Tätigkeit mit Abschluss der Vertriebsvereinbarung vom 31.03.2009. Ihre Aufgabe war es, die ihr von der BF bzw. den Kunden per E-Mail zur Verfügung gestellten Daten über Telefonabrechnungen der letzten sechs Monate mit Hilfe eines von der BF zur Verfügung gestellten Analyseprogrammes und einer zur Verfügung gestellten Excel-Datei zu erfassen und auszuwerten (vgl Angaben AT, Niederschrift vom 22.09.2014, S 2, Verwaltungsakt; Angaben AT, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 388 Gerichtsakt).

 

Die fertige Auswertung übermittelte AT an ihren bei der BF zu dieser Zeit als unselbstständiger Dienstnehmer beschäftigten Lebensgefährten SG, der diese Daten dann im Rahmen seiner Tätigkeit für die BF weiterverwendete (vgl Angaben AT, Niederschrift vom 22.09.2014, S 2, Verwaltungsakt; Angaben AT, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 388 Gerichtsakt).

 

AT hat entgegen der Vertriebsvereinbarung keine Neukunden akquiriert, Bestandskunden betreut oder die von der BF zu vertreibenden Produkte der großen Telekommunikationsanbieter an Kunden verkauft (vgl Angaben AT, Niederschrift vom 22.09.2014, S 2, Verwaltungsakt; Angaben AT, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 388ff Gerichtsakt).

 

AT wurde eine Frist zur Fertigstellung der Datenanalyse von SG eingeräumt, da dieser die Daten für seine weitere Tätigkeit benötigte (vgl Angaben AT, Niederschrift vom 22.09.2014, S 2, Verwaltungsakt).

 

AT war ausschließlich für die BF tätig, hatte keinen weiteren Auftraggeber, war im Rahmen dieser Tätigkeit ausschließlich von Zuhause aus tätig und an keine Arbeitszeiten gebunden. Die Tätigkeit nahm etwa fünf Stunden pro Tag in Anspruch. AT benützte dafür den Computer von SG, mit dem sie im gemeinsamen Haushalt lebte. SG hat AT auch gezeigt, was zu tun ist. Eine offizielle Einschulung hat sie nicht erhalten. AT hat weder an Besprechungen, Schulungen oder anderen Veranstaltungen wie Weihnachtsfeiern teilgenommen (vgl Angaben AT, Niederschrift vom 22.09.2014, S 2, Verwaltungsakt; Angaben AT, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 388ff Gerichtsakt; Angaben SG, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 395 Gerichtsakt).

 

Auch AT war - diesfalls den Bestimmungen der Vertriebsvereinbarung entsprechend - an die vereinbarte Verschwiegenheitspflicht gebunden (vgl Angaben AT, Niederschrift vom 22.09.2014, S 2, Verwaltungsakt; aktenkundige Vertriebsvereinbarung).

 

Obwohl AT nur Datenanalysen und Backoffice-Arbeiten durchgeführt hat, erhielt sie nach Stellung einer Honorarnote von der BF nicht nur eine Vergütung für die von ihr tatsächlich erledigten Arbeiten, sondern wurden ihr auch "aufgrund mündlicher Vereinbarung" Provisionszahlungen in Form eines Prozentsatzes der von SG durch seine Kundenbetreuung und Akquise erwirtschafteten Umsätze ohne korrespondierende Tätigkeit der AT ausbezahlt. SG befand sich in diesem Zeitraum trotz fortgesetzter Tätigkeit in einem Dienstverhältnis zur BF ohne Provisionsauszahlung. Sämtliche eigentlich von SG erarbeiteten Provisionszahlungen wurden zur Umgehung des Insolvenzverfahrens des SG der AT ausbezahlt (vgl Angaben AT, Niederschrift vom 22.09.2014, S 2, Verwaltungsakt; Angaben LB, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 392 Gerichtsakt; aktenkundige Rechnung vom 12.05.2009, Verwaltungsakt).

 

AT hat sich bei ihrer Tätigkeit nie von betriebsfremden Personen vertreten lassen. Im Falle ihrer Verhinderung wurden die Datenauswertungen von ihrem Lebensgefährten SG durchgeführt (vgl Angaben AT, Niederschrift vom 22.09.2014, S 2, Verwaltungsakt).

 

1.5.4. AT verfügte im Zeitraum 17.04.2009 bis 09.07.2013 über eine Gewerbeberechtigung (freies Gewerbe) "Handelsagentengewerbe gemäß § 5 Abs. 2 GewO 1994" (vgl GISA-Auszug zur GISA-Zahl: XXXX vom 07.12.2018, Gerichtsakt).

 

Aufgrund ihrer Gewerbeberechtigung unterlag AT im Zeitraum 01.04.2009 bis 31.07.2013 der Pflichtversicherung für gewerblich selbstständig Erwerbstätige gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG. Eine andere Tätigkeit oder eine weitere Beschäftigung in diesem Zeitraum geht aus den Sozialversicherungsdaten nicht hervor (vgl Sozialversicherungsdatenauszug vom 10.12.2018, Gerichtsakt).

 

1.6. Mit Bescheiden jeweils vom 19.03.2015 wurden vom Finanzamt XXXX zur Steuernummer XXXX, infolge der bei der BF durchgeführten GPLA und der Umqualifizierung von JH, HM und AT als echte Dienstnehmer nachfolgende Dienstgeberbeiträge (DB), Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag (DZ) und Säumniszuschläge festgesetzt (vgl aktenkundige Bescheide vom 19.03.2015, Verwaltungsakt):

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Bescheide erwuchsen in Rechtskraft. Es wurde seitens der BF binnen offener Jahresfrist jedoch jeweils ein Aufhebungsantrag gemäß § 299 BAO eingebracht (vgl Antrag gemäß § 299 BAO vom 29.02.2016, AS 177 Gerichtsakt). Über diese Anträge wurde seitens des Finanzamtes laut Angaben der BF bisher noch nicht entschieden (vgl Schreiben BF vom 18.10.2018, AS 461 Gerichtsakt).

 

1.7. Unter Berücksichtigung der seitens des BVwG vorgenommenen Abänderung des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides in wesentlichem Umfang erweist sich der angefochtene Bescheid nunmehr bezüglich der in seinem Spruchpunkt II. nachverrechneten Sozialversicherungsbeiträge und Verzugszinsen bezüglich deren konkreter Höhe als unrichtig. Dem BVwG stehen die zur korrekten Errechnung des Nachverrechnungsbetrages nötigen Berechnungsmittel (insbesondere bezüglich der Verzugszinsen) nicht zur Verfügung. Es ist dem erkennenden Gericht unter Anwendung des nunmehr festgestellten Sachverhalts schon rein technisch nicht möglich, eine korrekte Neuberechnung durchzuführen.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten sowie des nunmehr dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsakts.

 

Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht in der mündlichen Verhandlung und auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

 

2.1. Das Bundesverwaltungsgericht nahm hinsichtlich der im angefochtenen Bescheid angeführten Personen Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Gewerberegister (GISA) sowie in deren Sozialversicherungsdaten.

 

Ein aktueller Firmenbuchauszug der BF wurde von dieser vorgelegt und liegt - ebenso wie die zitierten Vertriebsvereinbarungen und die übrigen zitierten Beweismittel in Kopie im Gerichtsakt ein.

 

Zum durchaus und überwiegend strittigen Vorbringen der BF und der belangten Behörde und der seitens des erkennenden Gerichts basierend auf den angeführten Beweismitteln und deren nachfolgender Würdigung ist einleitend auszuführen, dass sich+ gerade die Angaben von HM und SG im Verlauf des gesamten Verfahrens, aber insbesondere während der mündlichen Beschwerdeverhandlung als wenig bis gar nicht glaubhaft erwiesen haben.

 

Vorweg ist somit zu den Angaben von HM auszuführen, dass diese - insbesondere im unmittelbaren Vergleich zu den Aussagen von JH und LB - nicht nur äußerst vage und wenig ausführliche Angaben machte, sondern sich auch der Großteil ihrer Angaben, die nach Ansicht der belangten Behörde für ein Dienstverhältnis der HM sprechen würden (wie insbesondere die vorgebrachte Teilnahmepflicht an Besprechungen, die Berichtspflicht und die Zuteilung von Terminen durch das Callcenter) und von der belangten Behörde - gleich wie jene des SG - beinahe ausschließlich zur Begründung ihrer Beurteilung des gegenständlichen Falles herangezogen werden, offenbar bewusst auf einen Zeitraum vor dem verfahrensgegenständlichen Zeitraum 01.01.2011 bis 31.12.2013 bezog, indem sie ausführte, wegen des Todes ihres Mannes trotz einer bestehenden Teilnahmeverpflichtung an den monatlich stattfindenden Besprechungen bei der BF an diesen nicht habe öfters teilnehmen können, ohne jedoch dabei zu erwähnen, dass ihr Ehegatte bereits im Jahr 2007 verstorben ist und zum verfahrensgegenständlichen Zeitraum vier Jahre vergangen sind, in welchen sich laut den Angaben von JH und LB durchaus etliche Gepflogenheiten bei der BF geändert hatten. Sie hat damit in Kenntnis des Verfahrensgegenstandes bewusst versucht, einen zeitlich falschen Zusammenhang zu ihren Angaben herzustellen. Darüber hinaus hat HM im Unfrieden ihre Tätigkeit bei der BF beendet und wird sie von der BF als Verfasserin der anonymen Anzeige verdächtigt. Nachdem HM auch seit 31.12.2010 über keine Vollversicherung verfügt und lediglich aufgrund ihres Witwenpensionsbezuges krankenversichert war, ergibt sich für die von ihr getätigten, überwiegend unglaubwürdigen Angaben, ein weiteres Motiv für ihr offenkundiges Streben nach einer Umqualifizierung ihres Beschäftigungsverhältnisses in ein echtes Dienstverhältnis.

 

Zu den Angaben des SG im gesamten Verwaltungsverfahren und auch vor dem BVwG in der mündlichen Verhandlung am 08.05.2018 ist ebenfalls vorweg auszuführen, dass diese in Zusammenschau mit den Angaben der anderen einvernommenen Personen und Zeugen sowie dem vom erkennenden Gericht gewonnenen persönlichen Eindruck, insbesondere auch vor dem Hintergrund der äußerst fragwürdigen Abrechnung seiner Provisionen über seine Lebensgefährtin AT trotz seines laufendem Insolvenzverfahren, nicht restlos glaubwürdig erscheinen, sich seine Angaben in der Einvernahme vom 22.09.2014 zeitlich überhaupt nicht zuordnen lassen und somit nicht von erheblichem Wert für die Feststellung des konkreten Sachverhalts sein konnten und sich seine Angaben in der mündlichen Verhandlung - ebenso wie jene von HM - ganz offenkundig und überwiegend auf einen Zeitraum beziehen, der vor dem verfahrensgegenständlichen liegt. Die Angaben von SG sind in sich nicht schlüssig und widersprüchlich, sodass diese nicht geeignet waren, ein glaubwürdiges Bild der gegenständlichen Tätigkeit darzustellen.

 

Hingegen haben JH sowohl in der Einvernahme als auch in der mündlichen Verhandlung beim BVwG als auch der GF und LB (der im Übrigen vom angefochtenen Bescheid überhaupt nicht betroffen ist) übereinstimmende, gleichlautende, ausführliche und deutliche Angaben gemacht, die in einer Zusammenschau deutlich für deren Glaubwürdigkeit sprechen.

 

Der seit 11.03.2013 selbstständig vertretungsbefugte Geschäftsführer der BF hat etwa angegeben, dass der Gründer und ehemalige Geschäftsführer Ing. K.S. die einzige bestimmende Person und auch der einzige Vertriebsleiter gewesen sei. Demgegenüber gab SG sowohl in der von der belangten Behörde durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme am 22.09.2014 als auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG am 08.05.2018 an, dass er quasi zur Vertriebsleitung zuständig gewesen sei und die übrigen Handelsvertreter im Außendienst ihm gegenüber berichtspflichtig gewesen wären (vgl Angaben GF, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 378 Gerichtsakt; Angaben SG, Verhandlungsprotokoll BVwG vom 08.05.2018, AS 394f Gerichtsakt; Angaben SG, Niederschrift vom 22.09.2014, S 2, Verwaltungsakt). In Anbetracht des Umstandes, dass niemand der einvernommenen Personen sonst ausgeführt hat, SG wäre der inoffizielle Vertriebsleiter gewesen und die insgesamt wenig glaubwürdigen Angaben des SG deutlich jenen des nunmehrigen Geschäftsführers widerstreiten, war festzustellen, dass Ing. K.S. zu seiner Zeit der einzig befugte Vertriebsleiter gewesen ist.

 

Die Feststellung zum Tätigkeitsbeginn des JH für die BF ergibt sich aus seinen diesbezüglichen Angaben im Verfahren. Die Feststellung des Tätigkeitsbeginns von HM ergibt sich aus der aktenkundigen Vertriebsvereinbarung vom 16.07.2000, sodass den Angaben von HM, sie habe glaublich ebenso 2002 ihre Tätigkeit für die BF aufgenommen, dem Sachverhalt nicht zugrunde gelegt werden konnte.

 

Die Feststellungen zum Tätigkeitsbereich der Handelsvertreter ergeben sich aus den diesbezüglich einheitlichen und übereinstimmenden Angaben aller Beteiligten im Verfahren, aus der Vertriebsvereinbarung und den entsprechenden Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.

 

Zu den Feststellungen bezogen auf die konkrete Neukunden-Akquise durch die Handelsvertreter ist vorweg auszuführen, dass insbesondere JH in beiden Einvernahmen (vor der belangten Behörde am 30.09.2014 sowie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 08.05.2018) diesbezüglich trotz des zwischenzeitlich vergangenen Zeitraumes von fast vier Jahren gleichbleibende Angaben gemacht hat. Zu den Feststellungen des Umfanges der Aktivitäten des beauftragten Callcenters gelangte das erkennende Gericht durch die Angaben des JH, der bereits bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 30.09.2014 anführte, dass Termine oder Kundendaten vom Callcenter nur etwa bis 2011 vermittelt worden sind. Darüber hinaus brachte er als in der mündlichen Verhandlung des BVwG als Zeuge einvernommen vor, sich nicht mehr erinnern zu können, ob das Callcenter 2012 oder 2013 (später sogar noch 2011) überhaupt noch Termine für die Handelsvertreter ausgemacht hat. Die BF hat durch die vorgelegten Kontoauszüge nachgewiesen, dass im Jahr 2013 überhaupt keine Zahlung an das Callcenter mehr erfolgte und in den Jahren 2011 bis 2012 die Beträge derart gering waren, dass nicht ernsthaft von einer maßgeblichen Anzahl an vom Callcenter vermittelten Kundenterminen ausgegangen werden kann. Sogar die belangte Behörde nahm die demnach sehr geringe Callcenter-Aktivität in den gegenständlichen Jahren 2011 bis 2013 ohne Gegenargumente zur Kenntnis (wenngleich sie auch in rechtlicher Hinsicht andere Schlüsse daraus zieht; diesbezüglich wird auf die rechtliche Beurteilung verwiesen). Somit konnte den Angaben von HM in der mündlichen Verhandlung, sie hätte ausschließlich Kundendaten und Kundentermine von der BF zugeteilt erhalten und wäre zur Wahrnehmung dieser Termine verpflichtet gewesen (vgl AS 385 Gerichtsakt) dem gegenständlichen Sachverhalt nicht zugrunde gelegt werden, zumal eine tatsächliche Ausgestaltung ihrer Tätigkeit in dieser Form der unstrittigen Tätigkeitsbeschreibung und dem Unternehmensgegenstand massiv zuwiderlaufen würde, wurden die Handelsvertreter doch insbesondere auch zur Neukunden-Akquise beschäftigt. Wären HM von der belangten Behörde ihre Kunden tatsächlich im überwiegenden Ausmaß zugeteilt worden, so hätte die BF in wesentlichen Teilen überhaupt keinen Bedarf an der Tätigkeit der HM gehabt.

 

Sowohl JH als auch der vom angefochtenen Bescheid nicht betroffene LB stellten den Ablauf der Kundenbesuche und etwaigen Vertragsabschlüsse nachvollziehbar und im Wesentlichen übereinstimmend dar. Nicht einmal HM brachte vor, dass ihr seitens der BF Vorgaben in Bezug auf den konkreten Ablauf von Kundenbesuchen erteilt worden seien.

 

Auch wenn HM vorbrachte, sie habe Krankenstände oder Urlaube der BF gemeldet (vgl AS 387 Gerichtsakt), so ergibt sich daraus noch keine Verpflichtung zur Meldung. Weder aus den Angaben des JH, des LB, der BF oder der Vertriebsvereinbarung ergibt sich zudem eine diesbezügliche Verpflichtung. HM hat ihre Meldungen - wenn sie diese überhaupt durchgeführt hat - insofern freiwillig abgegeben. Die diesbezüglichen Angaben des SG, wonach ihm Urlaube zu melden gewesen wären, wurden dem Sachverhalt schon aufgrund des wenig glaubwürdigen Auftretens von SG nicht zugrunde gelegt. Darüber hinaus war SG selbst zuletzt mehrere Jahre als echter Dienstnehmer bei der BF beschäftigt. Entsprechend seinem aktenkundigen Dienstvertrag ist es nachvollziehbar, dass er selbst sowie die übrigen als Dienstnehmer bei der BF beschäftigten Mitarbeiter selbstverständlich zur Meldung von Urlauben und Krankenständen verpflichtet waren. Diese traf jedoch auch eine Anwesenheitspflicht am Betrieb der BF und eine Bindung an Arbeitszeiten, wohingegen dies bei den Handelsvertretern eindeutig nicht der Fall gewesen ist.

 

Der Umstand, dass nicht festgestellt werden konnte, dass im verfahrensrelevanten Zeitraum Termine in einen allgemein einsehbaren Google-Kalender eingetragen wurden, ist einerseits erneut auf einen fehlenden zeitlichen Zusammenhang insbesondere der Angaben von SG im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG und auf die fragwürdige Motivation von SG und HM, sowie andererseits darauf zu verweisen, dass sonst niemand der im Verfahren Beteiligten derartiges angab oder auch nur ein Beweis oder Hinweis darauf hervorgekommen ist. SG gab nämlich in seiner Einvernahme vor dem BVwG an, dass es diesen Kalender gegeben habe, um die Wahrnehmung von vom Callcenter vermittelten Terminen nachzuvollziehen. Wenn aber - wie bereits oben ausgeführt - entgegen den Angaben von SG und HM in nachvollziehbarer Weise von 2011 bis 2013 kaum bis gar keine Callcenter-Termine mehr vermittelt wurden, so nimmt das erkennende Gericht damit an, dass sich auch das Vorbringen zum Google-Kalender auf einen Zeitraum vor dem verfahrensgegenständlichen bezieht, falls es diesen überhaupt gegeben hat, wofür sich nicht der kleinste nachvollziehbare Hinweis findet. Darüber hinaus wäre allein die Führung eines solchen Kalenders per se noch nicht geeignet, eine entsprechende Weisungsbindung oder Kontrollunterworfenheit der Handelsvertreter anzunehmen, zumal sogar HM angab, dass die einzige Konsequenz für die Nichtwahrnehmung von Terminen (kurzfristig) gewesen wäre, dann auch keine Provision zu erhalten und damit nichts zu verdienen (vgl AS 386 Gerichtsakt).

 

Der Umstand, dass nicht festgestellt werden konnte, dass HM an monatlich stattfindenden Besprechungen bei der BF teilgenommen hat oder dazu angehalten gewesen wäre, daran teilzunehmen, ergibt sich schon aus den entsprechend nachvollziehbaren und gegenteiligen Angaben von JH und LB. Darüber hinaus können sich die Angaben von HM angesichts dessen, dass der Ehegatte von HM bereits im Jahr 2007 verstorben ist, ganz offensichtlich nicht auf den verfahrensgegenständlichen Zeitraum von 2011 bis 2013 beziehen. Wenn HM also vorbringt, es hätten regelmäßige monatliche Besprechungen am Betriebssitz der BF stattgefunden, an welchen sie bis zur Erkrankung ihres Ehegatten regelmäßig teilgenommen habe und sich in weiterer Folge die Protokolle der Besprechungen übermitteln habe lassen, da sie wegen der Erkrankung ihres Ehegatten nicht immer an den Besprechungen habe teilnehmen können, so erweckt sie damit angesichts des bekannten verfahrensgegenständlichen Zeitraumes und des sicherlich erinnerlichen Todeszeitpunktes ihres Ehegatten den Eindruck, bewusst einen falschen zeitlichen Zusammenhang herbeigeführt zu haben um das erkennende Gericht zur Feststellung einer Anwesenheitspflicht am Betriebsort der BF und damit zu einem für die Dienstnehmereigenschaft sprechenden Sachverhaltselements zu veranlassen. Wenn man darüber hinaus die Kontoauszüge der BF bezogen auf die HM ersetzten Reisekosten und die dem erkennenden Gericht nunmehr vorliegenden Originalbelege der von HM eingereichten Reisekosten zu Kostenersatz durch die BF für die Jahre 2011 bis 2013 berücksichtigt, so finden sich im relevanten Zeitraum - entsprechend dem Vorbringen der BF - nur Belege für eine einzige Reise an den Betriebssitz der BF, bei der es sich nachvollziehbar auf die damals stattgefundene Weihnachtsfeier gehandelt haben kann. Angesichts der Fülle an Belegen, der peniblen Abrechnung und sogar der Verrechnung von Kosten der HM für das Internet ergibt sich keineswegs, dass HM mit entsprechender Wahrscheinlichkeit im relevanten Zeitraum 2011 bis 2013 überhaupt an einer Besprechung am Sitz der BF teilgenommen hat. Im Anbetracht der Gesamtumstände und den wenig glaubhaften Angaben von HM ist auch die diesbezügliche Argumentation, HM sei wahrscheinlich selbst für ihre Reisekosten zum Betriebssitz aufgekommen, nicht nachvollziehbar.

 

Einmal mehr decken sich die Angaben von HM weder mit der Vertriebsvereinbarung noch mit den Angaben von JH und LB, wenn sie ausführt, dass sie ständig Berichte über ihre Kundenbesuche habe übermitteln müssen und darüber hinaus Analysen durchgeführt und die Kundenzufriedenheit erhoben habe. SG widerspricht sich in der mündlichen Verhandlung erneut selbst, wenn er einerseits ausführt, dass HM und JH ihre Analysen selbst durchgeführt hätten und aber andererseits AT für die Erstellung der Analysen nach Übermittlung der Kundendaten zuständig gewesen sei und er diese Analysen kontrolliert habe. Darüber hinaus war AT ausschließlich zur Erstellung dieser Analysen engagiert. Es erscheint sehr viel wahrscheinlicher, dass HM und JH lediglich die entsprechenden Daten zur Analyseerstellung übermittelt haben. Weder HM, SG noch die belangte Behörde waren darüber hinaus imstande, diesbezüglich Beweismittel vorzulegen. Insofern war auch hinsichtlich HM festzustellen, dass diese keiner Berichtspflicht gegenüber der BF unterlag. Dass eine Meldung der Geschäftsabschlüsse erfolgte, wie auch SG in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 22.09.2014 angab, wurde auch von JH vorgebracht und deckt sich auch mit der Vertriebsvereinbarung.

 

Dem unsubstanziierten Vorbringen der BF, es habe tatsächlich kein Konkurrenzverbot bestanden und dass JH auch für andere Unternehmen tätig gewesen sei, widerspricht nicht nur dem deutlichen Wortlaut der Vertriebsvereinbarung, welche nach den Angaben der BF ja nach wie vor gelebt und ohne Nebenabreden vollzogen worden sei, sondern auch den Angaben des JH und darüber hinaus auch den Sozialversicherungsdatenauszügen, aus welchen sich für keine der betroffenen Personen eine weitere Tätigkeit als für die BF relevanten Zeitraum ergibt.

 

Zur den zur Verfügung gestellten Betriebsmittel hat LB ausführlich und widerspruchsfrei angegeben, dass weder KH (der dies auch nicht behauptet hat) noch HM über von der BF zur Verfügung gestellte Computer oder Laptops verfügt hätten, sondern ihnen lediglich Zugänge via VPN auf das System der BF sowie der Telekom eingeräumt wurde und ihnen auch keine Softwarelizenzen zur Verfügung gestellt wurden. Angesichts dessen war festzustellen, dass HM tatsächlich ihren eigenen Computer/Laptop für ihre Tätigkeit verwendet hat.

 

Ein monatlicher Fixbetrag im Rahmen der Provisionszahlung an HM lässt sich weder aus den aktenkundigen Honorarnoten noch aus der Vertriebsvereinbarung ersehen. Ein Fixum widerspricht der Vertriebsvereinbarung und wurde sonst von niemandem vorgebracht. Entsprechende Nachweise konnte HM nicht erbringen, sodass eine entsprechende Feststellung nicht getroffen werden konnte.

 

Die Feststellungen zur Ausgestaltung der Tätigkeit von AT ergeben sich im Wesentlichen aus ihren eigenen Angaben im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde am 22.09.2014 sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 08.05.2018. Nachdem diesbezüglich keine widerstreitenden Angaben vorliegen, wurden jene der AT den Feststellungen zugrunde gelegt.

 

Dass AT für SG Provisionszahlungen erhalten hat, um sie dessen Insolvenzverfahren zu entziehen, hat sie in ihrer Einvernahme am 22.09.2014 selbst angegeben und wurde dieser Umstand - neben den für die absolvierte Tätigkeit untypisch hohen Zahlungen - auch durch die Aussage des LB bestätigt. Es besteht daher seitens des erkennenden Gerichts kein Anlass, diesbezüglich von einem anderen Sachverhalt auszugehen.

 

2.2. Die übrigen Feststellungen ergeben sich aus den im Verwaltungs- bzw. Gerichtsakt einliegenden Beweismitteln und insbesondere aus den - unter Berücksichtigung der Ausführungen unter 2.1. - von allen Parteien, Beteiligten und Zeugen im gesamten Verfahren gemachten Angaben, welche jeweils in Klammer zitiert und diesfalls weder von der BF noch der belangten Behörde substanziiert bestritten wurden.

 

2.3. Im Übrigen wird auf die rechtliche Beurteilung verwiesen.

 

2.4. Die von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid nachverrechneten Sozialversicherungsbeiträge und Verzugszinsen stimmen infolge der Abänderung der rechtlichen Beurteilung des strittigen Sachverhalts durch das BVwG bezogen auf die Versicherungspflicht der Betroffenen nicht mehr mit den ursprünglichen Ermittlungsergebnissen der belangten Behörde überein. Dem erkennenden Gericht steht mangels entsprechender EDV-technischer Möglichkeiten keine rasche und effiziente Möglichkeit zur korrekten Ermittlung des nunmehrigen Nachverrechnungsbetrages und insbesondere des Verzugszinsenlaufes zur Verfügung.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Anzuwendendes Recht:

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 i.d.F. BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit iSd. Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

 

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

 

Zu Spruchteil 1. A):

 

Im gegenständlichen Fall ist strittig, ob die von der BF im verfahrensgegenständlichen Zeitraum zwischen 01.01.2011 und 31.12.2013 (30.06.2013 hinsichtlich AT) beschäftigten Handelsvertreter bzw. Datenanalysten tatsächlich selbstständig tätig wurden, oder ob es sich - wie von der belangten Behörde angenommen - tatsächlich um echte Dienstverhältnisse gemäß § 4 Abs. 2 ASVG handelte.

 

3.2. Versicherungspflicht von JH und HM - Teilstattgabe;

Versicherungspflicht von AT - Stattgabe:

 

3.2.1. Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG in den im verfahrensgegenständlichen Zeitraum von 01.01.2011 bis 31.12.2013 jeweils geltenden und diesbezüglich gleichlautenden Fassungen BGBl. I Nr. 62/2010 und Nr. 89/2012 sind in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet. Dies gilt gemäß Z 14 leg. cit. auch für die den Dienstnehmern im Sinne des Abs. 4 gleichgestellten Personen.

 

Nach § 4 Abs. 2 ASVG in den oben angeführten Fassungen ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hierzu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen [...]. Als Dienstnehmer gilt vorbehaltlich des § 4 Abs. 2 Z 1 und Z 2 ASVG jedenfalls gemäß § 4 Abs. 2 letzter Satz ASVG jedenfalls auch, wer gemäß § 47 Abs. 1 iVm Abs. 2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist.

 

Den Dienstnehmern stehen im Sinne dieses Bundesgesetzes gemäß § 4 Abs. 4 ASVG Personen gleich, die sich auf Grund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten und zwar für

 

1. einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes, seiner Gewerbeberechtigung, seiner berufsrechtlichen Befugnis (Unternehmen, Betrieb usw.) oder seines statutenmäßigen Wirkungsbereiches (Vereinsziel usw.), mit Ausnahme der bäuerlichen Nachbarschaftshilfe,

 

2. eine Gebietskörperschaft oder eine sonstige juristische Person des öffentlichen Rechts bzw. die von Ihnen verwalteten Betriebe, Anstalten, Stiftungen oder Fonds (im Rahmen einer Teilrechtsfähigkeit),

 

wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im Wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen; es sei denn,

 

a) dass sie auf Grund dieser Tätigkeit bereits nach § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 GSVG oder nach

 

§ 2 Abs. 1 und 2 FSVG versichert sind oder

 

b) dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine (Neben‑)Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Z 1 lit. f B-KUVG handelt oder

 

c) dass eine freiberufliche Tätigkeit, die die Zugehörigkeit zu einer gesetzlichen beruflichen Vertretung (Kammer) begründet, ausgeübt wird oder

 

d) dass es sich um eine Tätigkeit als Kunstschaffender, insbesondere als Künstler im Sinne des § 2 Abs. 1 des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes, handelt.

 

Eine Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 ASVG schließt auf Grund der Bestimmung des

 

§ 4 Abs. 6 ASVG für dieselbe Tätigkeit (Leistung) eine Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 4 ASVG aus.

 

Als Dienstgeber gilt gemäß § 35 Abs. 1 ASVG derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs(Lehr)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgelts verweist. [...]

 

Gemäß § 44 Abs. 1 ASVG ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge der im Beitragszeitraum gebührende auf Cent gerundete Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2 ASVG, welcher den nach § 44 Abs. 1 Z 1 ASVG bei den pflichtversicherten Dienstnehmern und Lehrlingen das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6 ASVG ist.

 

Unter Entgelt sind gemäß § 49 Abs. 1 ASVG Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.

 

Für den Fall der Arbeitslosigkeit sind gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG Dienstnehmer, die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigt sind, versichert (arbeitslosenversichert).

 

Gemäß § 6 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 1 Betriebliches Mitarbeiter- und Selbstständigenvorsorgegesetz (BMSVG) hat der Arbeitgeber für Arbeitnehmer ab dem Beginn des Arbeitsverhältnisses einen laufenden Beitrag in Höhe von 1,53 % des monatlichen Entgelts sowie allfälliger Sonderzahlungen an den für den Arbeitnehmer zuständigen Träger der Krankenversicherung zur Weiterleitung an die BV-Kasse zu überweisen, sofern das Arbeitsverhältnis länger als einen Monat dauert. Der erste Monat ist jedenfalls beitragsfrei.

 

Mit Ausnahme des im dritten Teil des BMSVG normierten Übergangsrechts gelten die im ersten Teil (allgemeine Bestimmungen, Beitrags- und Leistungsrecht) sowie im zweiten Teil (Betriebliches Vorsorgekassenrecht) sowie des § 48 Abs. 1 BMSVG gemäß § 1 Abs. 1a BMSVG auch für freie Dienstverhältnisse im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG, für freie Dienstverhältnisse von geringfügig beschäftigten Personen (§ 5 Abs. 2 ASVG) sowie [...], die auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Begriffe "Arbeitgeber", "Arbeitnehmer" und "Arbeitsverhältnis" die Begriffe "Dienstgeber", "freier Dienstnehmer" und "freies Dienstverhältnis" in der richtigen grammatikalischen Form treten (Z 1), die §§ 6 Abs. 4, 7 Abs. 6 und 6a, 9 Abs. 2 4. Bis 6. Satz, Abs. 3 und 4, 10 Abs. 2 und 3, 14 Abs. 2 Z 4 letzter Satz nicht anzuwenden sind (Z 2), für freie Dienstnehmer, welchen das Entgelt für längere Zeiträume als einen Monat gebührt, das monatliche Entgelt im Hinblick auf die Berechnung der fiktiven Bemessungsgrundlage nach § 7 Abs. 3 oder 4 nach § 44 Abs. 8 ASVG zu berechnen ist (Z 3).

 

Der mit "Grundsätze der Sachverhaltsfeststellung" betitelte § 539a ASVG (in der seit 01.07.1996 bis laufend geltenden Fassung BGBl. Nr. 201/1996) lautet:

 

"§ 539a. (1) Für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend.

 

(2) Durch den Mißbrauch von Formen und durch Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes können Verpflichtungen nach diesem Bundesgesetz, besonders die Versicherungspflicht, nicht umgangen oder gemindert werden.

 

(3) Ein Sachverhalt ist so zu beurteilen, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre.

 

(4) Scheingeschäfte und andere Scheinhandlungen sind für die Feststellung eines Sachverhaltes nach diesem Bundesgesetz ohne Bedeutung. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Beurteilung maßgebend.

 

(5) Die Grundsätze, nach denen

 

1. die wirtschaftliche Betrachtungsweise,

 

2. Scheingeschäfte, Formmängel und Anfechtbarkeit sowie

 

3. die Zurechnung

 

nach den §§ 21 bis 24 der Bundesabgabenordnung für Abgaben zu beurteilen sind, gelten auch dann, wenn eine Pflichtversicherung und die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten nach diesem Bundesgesetz zu beurteilen sind."

 

3.2.2. Die Beschwerde wendet sich ausschließlich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beurteilung der Pflichtversicherung von JH, HM und AT gemäß § 4 Abs. 2 ASVG. Sie bringt dazu im Grunde vor, dass Werkverträge und keine Dienstverträge vorgelegen seien:

 

Für die Abgrenzung des (freien) Dienstvertrages vom Werkvertrag kommt es darauf an, ob sich jemand auf gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen (den Dienstgeber) verpflichtet (diesfalls liegt ein Dienstvertrag vor) oder ob er die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt (in diesem Fall läge ein Werkvertrag vor), wobei es sich im zuletzt genannten Fall um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handelt (vgl VwGH vom 15.05.2013, 2012/08/0163).

 

Im Beschwerdeverfahren wurden alle drei Vertragsverhältnisse auf unbestimmte Zeit geschlossen und sollten daher nicht mit der Herstellung eines bestimmten Werkes enden. Weder enthielten die schriftlichen "Vertriebsvereinbarungen" Umschreibungen der von JH, HM und AT zu erbringenden Werke, noch hat die BF substanziiert behauptet, dass - in Ergänzung zum schriftlichen Vertrag - eine konkrete individualisierte Leistung mit allen drei Personen vereinbart worden wäre, die von allen drei samt entsprechender Erfolgshaftung zu erbringen gewesen wäre (vgl VwGH vom 15.05.2013, 2012/08/0163).

 

Sowohl nach den vorgelegten Vertriebsvereinbarungen für JH und HM als auch dem vom erkennenden Gericht festgestellten Sachverhalt waren diese vielmehr zur Kundenbetreuung, Neukunden-Akquise und zum Verkauf für die BF verpflichtet, während diese - neben der Verpflichtung zur Zahlung von Provisionen - die Verpflichtung traf, JH und HM zu unterstützen, ihnen dabei insbesondere alle erforderlichen Unterlagen kostenlos zur Verfügung zu stellen und alle erforderlichen Informationen zu erteilen.

 

Die mit AT abgeschlossene Vertriebsvereinbarung hat hingegen - entsprechend den diesbezüglichen Feststellungen - nicht ihre tatsächliche Tätigkeit abgebildet. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, war AT zur laufenden Datenverarbeitung und Analyse ebenso auf unbestimmte Zeit engagiert und erhielt dafür ebenso einen Anteil an der Provision sowie die dazu nötigen Programme und Excel - Tabellen.

 

Die belangte Behörde ist daher sowohl hinsichtlich der Tätigkeit von JH und HM als auch jener der AT richtig davon ausgegangen, dass kein Werkvertrag, sondern ein Dienstvertrag vorlag. Der Bezug von Erfolgshonoraren ändert daran nichts, da eine provisionsbezogene Entlohnung allein noch keinen Werkvertrag begründet (vgl VwGH vom 15.05.2013, 2012/08/0163, mit Verweis auf VwGH vom 16.03.2011, 2007/08/0153, mwN).

 

3.2.3. Zur Abgrenzung zwischen freien und echten Dienstverträgen:

 

Die Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 4 ASVG als freier Dienstnehmer ist gemäß dem oben angeführten § 4 Abs. 6 ASVG gegenüber jener als vollversicherter Dienstnehmer nach § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG subsidiär. Eine Pflichtversicherung als Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG schließt damit eine Pflichtversicherung nach Abs. 4 aus. Es ist daher zuerst zu prüfen, ob gegenständlich echte Dienstverhältnisse vorlagen (vgl Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 4 Rz 64 und 174 (Stand 01.03.2015, rdb.at)).

 

3.2.3.1. Persönliche Arbeitspflicht:

 

Grundvoraussetzung für die Annahme eines Dienstverhältnisses gemäß § 4 Abs. 1 iVm Abs. 2 oder § 4 Abs. 4 ASVG ist die persönliche Arbeitspflicht. Fehlt sie, dann liegt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinn dieser Bestimmungen schon deshalb nicht vor (Müller, DRdA 2010, 371; vgl. auch VwGH vom 01.10.2015, Zl. Ro 2015/08/0020, DRdA 2016, 332).

 

Dies ist zum einen der Fall, wenn übernommene Dienste sanktionslos abgelehnt werden können. Dabei ist essenziell, dass bereits zugesagte Dienstleistungen jederzeit abgesagt werden können, der Auftraggeber also nicht verlässlich mit der Arbeitsleistung rechnen kann. Ein solches Ablehnungsrecht kommt somit nur (ausnahmsweise) dann in Betracht, wenn der Betrieb so organisiert ist, dass der Dienstgeber jederzeit Ersatzkräfte heranziehen kann. Erforderlich ist demnach in der Regel ein entsprechend großer Arbeitskräftepool, wobei meist nur einfache Arbeiten einer jederzeitigen Ersetzbarkeit zugänglich sein werden (vgl. VwGH vom 01.10.2015, Zl. Ro 2015/08/0020 mwN). Davon sind nach der Rechtsprechung ausdrücklich Fälle abzugrenzen, in denen - etwa nach Maßgabe einer Rahmenvereinbarung - angebotene Beschäftigungsmöglichkeiten abgelehnt werden können, womit zunächst gar keine Arbeitspflicht besteht (vgl. VwGH vom 14.10.2015, Zl. 2013/08/0226).

 

Zum anderen besteht eine persönliche Arbeitspflicht dann nicht, wenn dem Dienstleistenden das Recht eingeräumt wird, sich generell und jederzeit nach Gutdünken vertreten zu lassen (vgl. etwa VwGH vom 11.06.2014, Zl. 2012/08/0157 DRdA 2015/10, 91) und dieses Recht auch faktisch gelebt wird oder zumindest gelebt werden könnte (vgl. VwGH vom 24.04.2014, Zl. 2013/08/0258 ARD 6437/13/2015). Dafür reicht es nicht aus, dass sich mehrere, vom selben Vertragspartner beschäftigte Personen wechselseitig vertreten können oder ein Vertretungsrecht nur in bestimmten Einzelfällen (zB bei Krankheit oder Urlaub) oder nach Rückfrage gegeben ist (vgl. etwa VwGH vom 19.10.2015, Zl. 2013/08/0185).

 

Die Verpflichtung zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen und ein Konkurrenzverbot sprechen gegen eine umfassende Vertretungsbefugnis (vgl Zehetner in Sonntag (Hrsg), ASVG8 (2017), § 4 Rz 47).

 

Ein entsprechend der dargestellten Rechtsprechung ausgestaltetes, generelles Vertretungsrecht wurde den Feststellungen zufolge weder vereinbart oder gelebt, noch wäre es mit der Art der übernommenen Tätigkeit in Einklang zu bringen gewesen, weil diese eine ständige Überbindung der Arbeitspflicht auf Dritte von vornherein ausschloss, da sich dies nachteilig auf die Kontinuität bzw. Qualität der übernommenen Verpflichtung und darüber hinaus auf die erforderlichen kraftfahrrechtlichen Voraussetzungen ausgewirkt hätte (vgl. VwGH 02.12.2013, 2013/08/0191, VwGH 17.12.2002, 99/08/0008).

 

Alle drei betroffenen Personen waren für die BF im Wesentlichen persönlich und entgeltlich tätig. Zwar ergibt sich auch kein ausdrückliches Vertretungsverbot und war eine Vertretung durch andere Mitarbeiter der BF durchaus möglich. Ein generelles Vertretungsrecht (ohne vorherige Einschulung) war jedoch ausgeschlossen, was entsprechend der oben dargestellten Judikatur auch in der vereinbarten Verschwiegenheitspflicht sowie dem Konkurrenzverbot seinen Niederschlag findet. JH und HM konnten zwar einzelne Kundenaufträge verschieben oder nicht durchführen, insgesamt aber bildete deren Durchführung den eigentlichen Beschäftigungszweck. Auch wenn es zu keinen unmittelbaren Konsequenzen kam, so lag ein generelles Ablehnungsrecht im Sinne der dargestellten Judikatur, welches zu einem Ausschluss der persönlichen Arbeitspflicht geführt hätte, somit ebenfalls nicht vor.

 

Insgesamt wurden JH, HM und auch AT in grundsätzlich persönlicher Arbeitspflicht für die BF tätig.

 

3.2.3.2. Persönliche Abhängigkeit:

 

Eines der wesentlichsten Merkmale für das Vorliegen einer Dienstnehmereigenschaft gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist die persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten vom Dienstgeber.

 

Wird die persönliche Arbeitspflicht bejaht, ist in weiterer Folge zu prüfen, ob im Zuge der konkreten Ausübung der Tätigkeit die Merkmale persönlicher Abhängigkeit gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen (vgl. etwa VwGH vom 24.04.2014, Zl. 2013/08/0258).

 

Für das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung entscheidend, ob nach dem Gesamtbild der Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Tätigwerdenden weitgehend ausgeschaltet oder aber nur beschränkt ist (vgl. etwa VwGH vom 29.04.2015, Zl. 2013/08/0198 mwN).

 

Unterscheidungskräftige Kriterien für die persönliche Abhängigkeit sind nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH primär nur die Bindung an Vorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse (vgl. etwa VwGH vom 14.10.2015, Zl. 2013/08/0226). Nur wenn diese Kriterien keine abschließende Beurteilung ermöglichen, können nach der Rechtsprechung schließlich weitere Kriterien wie die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, ein Weisungsrecht in Bezug auf das Arbeitsverfahren, ein vereinbartes Konkurrenzverbot oder die Art der Entgeltleistung (§ 49 ASVG) von Bedeutung sein (vgl. VwGH vom 29.04.2015, Zl. 2013/08/0198).

 

a) Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit und das arbeitsbezogene Verhalten:

 

Dem Grunde nach ist es völlig unbestritten, dass eine Bindung des Beschäftigten an den im Arbeitsvertrag vereinbarten bzw. in dessen Rahmen vom DG bestimmten Arbeitsort, ein Indiz für persönliche Abhängigkeit darstellt. Gerade in Grenzfällen ist die Bindung an den Arbeitsort allerdings nur wenig zur Abgrenzung zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit geeignet. Nur in den Fällen, in denen die Leistung ohne weiteres auch außerhalb des Betriebs erbracht werden kann, weil keine entsprechende Infrastruktur erforderlich ist (zB das Schreiben von Texten nach Diktat, Übersetzungsarbeiten, telefonische Kundenberatung, einfache Bearbeitung von Waren wie bei der Heimarbeit), spricht ein vom Beschäftiger zugewiesener und nicht selbst gewählter Arbeitsort eindeutig für persönliche Abhängigkeit (vgl Naderhirn, Neuformulierung 7 f) (Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 4 Rz 91 (Stand 01.03.2015).

 

Das Erfordernis einer Anwesenheit am Arbeitsort kann eine Eingliederung in den fremden Betrieb und aus diesem Grund wiederum persönliche Abhängigkeit aber nahelegen (Auer-Mayer, ZAS 2016/23, S 130).

 

Es geht bei der Bindung an den Arbeitsort aber nicht nur darum, ob nach der "Natur der Sache" die Tätigkeit nur an einem bestimmten Ort erbracht werden kann. Es ist vor allem wesentlich, ob die Leistung in oder außerhalb einer Betriebsstätte des Beschäftigers erbracht wird. Die Tätigkeit in einem Betrieb schränkt typischerweise die persönliche Freiheit nicht nur mehr ein als die Arbeit in der eigenen Wohnung oder in selbst gewählter Arbeitsstätte, sondern auch als die im Außendienst. Kundenbetreuer, Vertreter, in fremder Wohnung tätige Pflegekräfte oder in freier Natur tätige Sportlehrer können aufgrund der tendenziell geringeren Bindung im Vergleich zu den Organisationsvorschriften eines Betriebes auch eher selbständig tätig sein, während dies für eine Kassiererin im Handel, einen Bauarbeiter oder eine Sekretariatskraft praktisch nicht möglich ist (Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 4 Rz 92).

 

Ist aufgrund der Natur der Tätigkeit der Arbeitsort ein ständig wechselnder (zB Reiseleiter, LKW-Lenker, Außendienstmitarbeiter) kommt es für das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit ua auf das Ausmaß der Bindungen bei der Wahl der Fahrtroute und der Gestaltung der Tätigkeit an. Ein Zielorte-Reiseleiter, der das Programm völlig selbstständig festlegt und durchführt, wird aufgrund der Verpflichtung, die Gäste an einem bestimmten Ort abzuholen und wieder hinzubringen, nicht zum Dienstnehmer (vgl VwGH 90/08/0131 und 90/08/0146). Bei einem Vertreter ist va die Zuweisung von Kunden oder eines Tätigkeitsgebiets ein Indiz für ein Dienstverhältnis (vgl VwGH 2001/08/0158), noch mehr wohl die Vorgabe und Kontrolle der Fahrtroute (vgl auch Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 4 Rz 96 (Stand 01.03.2015, rdb.at)).

 

Von der absoluten Dauer der vereinbarten oder tatsächlich erfolgten Leistungserbringung ist zu unterscheiden, in welchem Ausmaß der Beschäftigte zur Leistung herangezogen wird. Diesem Kriterium kommt va. dann Bedeutung zu, wenn der Arbeitsort nicht vorgegeben ist. Es spricht dann eine geringe zeitliche Inanspruchnahme im Verhältnis zur Normalarbeitszeit für persönliche Unabhängigkeit, bei zunehmender zeitlicher Inanspruchnahme kommt der freien Wahl des Arbeitsortes eine geringere Bedeutung zu (VwGH 92/08/0155, SVSlg 42.020; 95/08/0222, SVSlg 41.892 = SVSlg 42.021). Der OGH hat sogar in Fällen, in denen der Leistungserbringer nicht nur den Arbeitsort sondern auch die Lage der Arbeitszeit selbst wählen konnte, eine überwiegende Inanspruchnahme der Erwerbstätigkeit für einen längeren Zeitraum als Indiz für ein Dienstverhältnis angesehen (OGH 4 Ob 104/80, Arb 9.972 = SZ 54/75 = DRdA 1982/9, 191 [Strasser] = ZAS 1982/1, 10 [Tomandl] - ORF-Mitarbeiterin; 9 ObA 52/88, ZAS 1989/19, 136 [Schäffl] - Partyvertriebssystem) (Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 4 Rz 118).

 

Auch die Bindung an Arbeitszeitvorschriften ist ein eindeutiges Indiz für persönliche Abhängigkeit. Die Möglichkeit der völlig freien Arbeitszeiteinteilung spricht hingegen für Selbständigkeit. Gerade in Grenzfällen ist allerdings die Arbeitszeitbindung für die Abgrenzung oft nicht besonders aussagekräftig. Eine Bindung, die aus der Art der übernommenen Tätigkeit (zB Öffnungszeiten von Lokalen) resultiert und die einen Selbständigen daher in gleicher Weise wie einen Unselbständigen trifft, ist zur Unterscheidung wenig geeignet (VwGH 91/08/0180, SVSlg 41.953 - Discjockey; 2006/08/0206, infas 2009, S 15). Wie beim Arbeitsort wird es aber auch darauf ankommen, ob zusätzliche Umstände vorliegen, die für eine ungebundene Tätigkeit sprechen. Fehlen solche Umstände hingegen, dann spielt die Frage der Unterscheidungskraft der Bindung an eine bestimmte Arbeitszeit keine Rolle (Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 4 Rz 98).

 

Ein Einfluss des Beschäftigten auf die Arbeitszeitgestaltung spricht jedenfalls dann noch nicht für Selbständigkeit, wenn er sich aus der Art der Arbeitsleistung ergibt oder jedenfalls nicht völlig untypisch für ein Dienstverhältnis ist. Hat die Ungebundenheit des Beschäftigten hinsichtlich Arbeitsablauf und Arbeitszeit ihre Grenze in der unterschiedlichen Dringlichkeit der zu besorgenden Angelegenheiten und den betrieblichen Erfordernissen, sodass die Arbeitserbringung letztlich doch im Kern an den Bedürfnissen des DG orientiert sein muss, spricht dies für persönliche Abhängigkeit (VwGH 2004/08/0221, ZfVB 2008/146 - Experte des Dorotheums, der seine Ausarbeitungen überwiegend in den Räumlichkeiten des DG auszuüben hatte und zudem während der Auktionen anwesend sein musste; 2007/08/0041, SVSlg 55.154 - zu Montagearbeiten bei Sprinkleranlagen) (Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 4 Rz 100 (Stand 01.03.2015).

 

Zu denken ist hier etwa auch an die Vorgabe von (beispielsweise projektgebundenen) Fertigstellungsterminen und die Verpflichtung an regelmäßigen Jour fixes teilzunehmen (VwGH vom 22.12.2009, Zl. 2006/08/0333 ARD 6087/5/2010, Redakteur einer Zeitung) oder jene, für Notfälle erreichbar zu sein (idS auch VwGH vom 16.09.1997, Zl. 93/08/0171 SVSlg. 41.900 zur verlangten Erreichbarkeit eines Servicetechnikers), die die bestehenden Freiheiten erheblich relativieren.

 

Daher schließt auch eine zugunsten des Beschäftigten flexible, besonders "lockere" Arbeitszeiteinteilung persönliche Abhängigkeit nicht aus, wenn etwa durch die Verantwortung für ein Team und gewisse zeitgebundene Tätigkeiten sowie einen wöchentlichen Jour Fixe eine Einbindung in den Betrieb gegeben ist (VwGH 2006/08/0233, VwSlg 17.325 A, zu einem Chefredakteur). Auch die ständige Erreichbarkeit (über Mobiltelefon oder Pager) kann die Freiheit der Arbeitszeiteinteilung entsprechend einschränken (VwGH 93/08/0171, SVSlg 41.900). Einem terminlichen Mitspracherecht kommt jedenfalls dann keine maßgebliche Bedeutung zu, wenn die Arbeitsleistung während eines bestimmten Zeitraums zu erbringen war (VwGH 97/08/0486, VwSlg 15.233 A, zu einem Schauspieler, der auf die Probentermingestaltung Einfluss nehmen konnte). Kann der Beschäftigte die Arbeitszeit völlig frei alleine bestimmen, ist dies zwar ein Indiz für Selbständigkeit, schließt aber ebenso persönliche Abhängigkeit aufgrund anderweitiger Bindungen nicht aus (Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 4 Rz 101).

 

Aus den Feststellungen ergibt sich hinsichtlich den Handelsvertretern JH und HM, dass sie ihre Tätigkeit quasi ausschließlich bei sich zuhause im eigenen Büro bzw. vor Ort bei ihren Kunden ausgeübt haben. Es wurden beiden keinerlei Vorgaben dahingehend gemacht, wann sie welche Kunden aufsuchen mussten, welche Route sie dabei nehmen mussten oder wie sie ihre Gespräche und Kundenkontakte zu gestalten hatten. JH etwa hat angegeben, sich seine Kundentouren selbst zusammengestellt zu haben und je nach akquirierten Terminen monatlich etwa zwischen zehn und zwanzig Kunden besucht zu haben. Eine Überwachung der Kundenbesuche, der Fahrtrouten oder Dienstzeiten konnte ebenfalls nicht festgestellt werden, zumal auch keinerlei Verpflichtung bestand, Abwesenheiten der BF zu melden. Primär wurde der Entfall von Terminen dem betroffenen Kunden mitgeteilt. Es kam im verfahrensgegenständlichen Zeitraum weder zu Schulungen noch zu regelmäßigen und verpflichtenden Besprechungen am Sitz der BF. Das Callcenter war im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nur mehr sehr untergeordnet bis gar nicht mehr für die BF tätig. Dass es durch das Callcenter zu wesentlichen Terminzuweisungen an JH und HM gekommen wäre, konnte nicht substanziiert dargelegt werden, zumal die BF ja auch über angestellte Vertreter in einem echten Dienstverhältnis verfügte und es angesichts dessen nicht davon ausgegangen werden kann, dass JH und HM eine relevante Anzahl an Terminen zugewiesen erhalten hätten.

 

Wenn auch die mit AT abgeschlossene Vertriebsvereinbarung nicht die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit von AT wiedergibt, so war auch AT weder an einen Arbeitsort noch an eine Arbeitszeit oder Weisungen bezüglich ihres arbeitsbezogenen Verhaltens gebunden. Wo sie ihre Tätigkeit ausübte und wann, blieb gänzlich ihr überlassen. Allein aus der Vorgabe eines Abgabezeitpunktes für die von ihr zu erstellende Analyse ergibt sich noch kein überwiegender Ausschluss der Bestimmungsfreiheit der AT.

 

Insgesamt waren daher weder JH und HM noch AT an Arbeitsort, Arbeitszeit oder arbeitsbezogenes Verhalten gebunden.

 

b) Weisungsbindung und Kontrollunterworfenheit:

 

Bei der Beurteilung der Weisungsbindung hält der VwGH regelmäßig (Zl. 99/08/0102) fest, dass die Erteilung von Weisungen betreffend die eigentliche Arbeitsleistung im Wesentlichen in zwei (voneinander nicht immer scharf zu trennenden) Spielarten in Betracht kommt, nämlich in Bezug auf das Arbeitsverfahren einerseits und das arbeitsbezogene Verhalten andererseits (Zehetner in Sonntag (Hrsg), ASVG7 2016 § 4 Rz 34).

 

Nachdem selbst bei relativ wenig qualifizierten Tätigkeiten in der Regel ein gewisser fachlicher Entscheidungsbereich besteht, der sich mit steigender Qualifikation erweitert, stellt die Rechtsprechung weniger auf die Weisungsgebundenheit hinsichtlich des Arbeitsverfahrens und der Arbeitsergebnisse als auf jene bezüglich des arbeitsbezogenen Verhaltens ab (vgl. VwGH vom 17.10.2012, Zl. 2009/08/0188). Es kommt daher insbesondere auf die Erteilung persönlicher Weisungen an, da sachliche (fachliche), das Arbeitsverfahren betreffende Weisungen sowohl bei selbstständiger als auch bei unselbstständiger Tätigkeit möglich sind (Auer-Mayer, ZAS 2016/23, S 131).

 

Die Unterscheidung zwischen sachlichen (fachlichen) und persönlichen Weisungen ist oft schwierig (vgl. VwGH vom 22.12.2009, Zl. 2006/08/0333 ARD 6087/5/2010). Sachliche Dispositionsbefugnisse können schließlich auch ein Indiz für persönliche Unabhängigkeit sein, da sie für eine eigenständige Tätigkeitsgestaltung mehr Spielraum eröffnen (vgl. VwGH vom 19.10.2015, Zl 2013/08/0185). Anders herum betrachtet können konkrete sachliche (fachliche) Weisungen gegen das Bestehen unternehmerischer Gestaltungsmöglichkeiten sprechen (vgl. VwGH vom 11.06.2014, Zl. 2012/08/0157 DRdA 2015/10, 91 (Weissensteiner)).

 

Insgesamt ist daher wieder eine Gesamtbetrachtung entscheidend. Der VwGH hat in diesem Zusammenhang etwa die Vorgabe von Arbeitskleidung oder zum Umgang mit Kunden, Berichtspflichten, Verpflichtungen zur detaillierten Stundenaufzeichnung und Kontrollrechte als für persönliche Abhängigkeit sprechende Merkmale gewertet. Die abstrakte Kontrollmöglichkeit reicht für die Annahme persönlicher Abhängigkeit aber nicht aus (vgl. VwGH vom 29.04.2015, Zl. 2013/08/0198). In Bezug auf Stundenabrechnungen/-aufzeichnungen ist dabei aber auch zu prüfen, ob diese nicht nur in der für eine ordnungsgemäße Abrechnung erforderlichen Weise geführt werden (vgl. VwGH vom 18.01.2012, Zl. 2008/08/0267 infas 2012, S 13).

 

Unabhängig davon können ausdrückliche Weisungen bei entsprechender Eingliederung durch "stille Autorität" substituiert werden (vgl. VwGH vom 11.06.2014, Zl. 2012/08/0157 DRdA 2015/10, 91 (Weissensteiner). Ist wegen bestehender Eingliederung dem Grunde nach von einem, insbesondere durch Kontrollrechte abgesicherten, Weisungsrecht des Dienstgebers auszugehen, ändert es nichts an der persönlichen Abhängigkeit, wenn tatsächliche Weisungen (nur) deshalb unterbleiben, weil der Dienstnehmer von sich aus weiß, wie er sich im Betrieb zu verhalten hat (vgl. VwGH vom 17.09.1991, Zl. 90/08/0152). Einer allfälligen Weisungsfreiheit im Hinblick auf das Arbeitsverfahren kommt im Allgemeinen daher keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Werden aber fachliche Weisungen erteilt, sind sie nicht nur bei Unklarheiten über die Weisungsgebundenheit hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und arbeitsbezogenem Verhalten, sondern generell ein Indiz für das Fehlen unternehmerischer Gestaltungsmöglichkeiten und damit das Vorliegen persönlicher Abhängigkeit heranzuziehen (vgl. etwa VwGH vom 22.12.2009, Zl. 2006/08/0333, ARD 6087/5/2010).

 

Im Gegensatz zu den Fällen einer Einbindung in die Betriebsorganisation im engeren Sinn lässt sich in Fällen einer Beschäftigung "im delegierten Aktionsbereich eines Unternehmens" die Frage nach der Weisungsgebundenheit des Beschäftigten hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und arbeitsbezogenem Verhalten nicht immer leicht beantworten (vgl. VwGH vom 04.06.2008, Zl. 2004/08/0190). In solchen Fällen ist insbesondere auch die Grenzziehung zwischen der Konkretisierung der Hauptleistung bei einer nur nach Gattungsmerkmalen umschriebenen Leistungspflicht durch den "Leistungsabruf", wie er bei Werkverträgen und (vor allem) freien Dienstverträgen häufig ist, und der Erteilung arbeitsrechtlich relevanter Weisungen schwierig, da eine Verpflichtung, welcher der Beschäftigte nachkommt, auch mit Beschäftigungen, die eindeutig in persönlicher Unabhängigkeit ausgeübt werden, vereinbar ist (vgl. VwGH vom 22.01.1991, Zl. 89/08/0349; vom 17.09.1991, Zl. 90/08/0131). Bei einer solchen Tätigkeit (wie beispielsweise der eines Vertreters oder eines Außendienstmitarbeiters) tritt insbesondere die sonst für die abhängigen Arbeitsverhältnisse typische Unterordnung nicht so auffällig zu Tage, sodass bei der Beantwortung der Frage, ob bei einer solchen Tätigkeit ein Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vorgelegen ist, anderen Merkmalen eine ganz besondere Bedeutung zugemessen werden muss. Wesentlich sind in diesem Zusammenhang die Weisungsgebundenheit in einer bestimmten Art, das Konkurrenzverbot, der Bezug eines Fixums oder einer Spesenvergütung, die Berichterstattungspflicht sowie die mangelnde Verfügung über eine eigene Betriebsstätte und eigene Betriebsmittel als für die Versicherungspflicht maßgebliche Merkmale zu bezeichnen, wobei es auch hier jeweils auf das Überwiegen der Merkmale ankommt. Bei einem Arbeitsverhältnis kommt es nicht auf die tatsächlich ausgeübte Kontrolle, sondern auf die Kontrollbefugnis an (Zehetner in Sonntag (Hrsg), ASVG 2016 § 4 Rz 39 mwN).

 

Bezogen auf JH und HM ergibt sich daraus Folgendes:

 

Im entscheidungsrelevanten Zeitraum waren JH, HM und AT nicht dazu verpflichtet, regelmäßig im Betrieb der BF zu erscheinen, es gab keine (zwingenden) Besprechungen, keine Schulungen oder Anweisungen für die konkrete Ausführung ihrer Tätigkeit. Bis auf die zur Abrechnung der Provisionen nötige Meldung des Abschlusses eines Geschäftes waren sie zu keinerlei Berichten an die BF verpflichtet. Sie führten keine Arbeitszeitaufzeichnungen und waren nicht zur Meldung von Abwesenheiten (wie Krankenständen oder Urlauben) verpflichtet.

 

Insgesamt lagen keine maßgeblichen Elemente einer Kontrollunterworfenheit oder Weisungsbindung von JH, HM oder AT vor.

 

c) sonstige Kriterien für persönliche Abhängigkeit:

 

Von der absoluten Dauer der vereinbarten oder tatsächlich erfolgten Leistungserbringung ist zu unterscheiden, in welchem Ausmaß der Beschäftigte zur Leistung herangezogen wird. Diesem Kriterium kommt va. dann Bedeutung zu, wenn der Arbeitsort nicht vorgegeben ist. Es spricht dann eine geringe zeitliche Inanspruchnahme im Verhältnis zur Normalarbeitszeit für persönliche Unabhängigkeit, bei zunehmender zeitlicher Inanspruchnahme kommt der freien Wahl des Arbeitsortes eine geringere Bedeutung zu (VwGH 92/08/0155, SVSlg 42.020; 95/08/0222, SVSlg 41.892 = SVSlg 42.021). Der OGH hat sogar in Fällen, in denen der Leistungserbringer nicht nur den Arbeitsort sondern auch die Lage der Arbeitszeit selbst wählen konnte, eine überwiegende Inanspruchnahme der Erwerbstätigkeit für einen längeren Zeitraum als Indiz für ein Dienstverhältnis angesehen (OGH 4 Ob 104/80, Arb 9.972 = SZ 54/75 = DRdA 1982/9, 191 [Strasser] = ZAS 1982/1, 10 [Tomandl] - ORF-Mitarbeiterin; 9 ObA 52/88, ZAS 1989/19, 136 [Schäffl] - Partyvertriebssystem) (Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 4 Rz 118).

 

In stRsp betont der VwGH, dass immer dann, wenn die Merkmale der organisatorischen Gebundenheit keine abschließende Beurteilung der persönlichen Abhängigkeit erlauben, auch an sich wenig unterscheidungskräftige Kriterien wie die Art des Entgelts und der Entgeltleistung, die grds wegen des gesonderten Tatbestandscharakters des Entgelts für die Dienstnehmereigenschaft für das Vorliegen persönlicher Abhängigkeit nicht aussagekräftig sind, entscheidende Bedeutung erlangen können (zB VwGH 96/08/0351, SVSlg 47.768 = SVSlg 47.819 = SVSlg 47.881 = SVSlg 47.955; 2008/08/0153; 2008/08/0267, infas 2012, S 13). Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Dass § 4 Abs. 2 die Beschäftigung "gegen Entgelt" verlangt, bedeutet nur, dass ohne (Anspruch auf) Entgelt keine Versicherungspflicht besteht. Um welche Art des Entgelts es sich handelt, ist diesbezüglich irrelevant. Die Formulierung "gegen Entgelt" schließt daher die Berücksichtigung der Entgelt- und Entgeltzahlungsmodalitäten im Rahmen der persönlichen Abhängigkeit keineswegs aus. Dass die Art des Entgelts bzw. die Art der Entgeltleistung idR allerdings wenig über das Vorliegen eines Dienstverhältnisses aussagen, zeigt sich schon daran, dass an sich typische Unternehmerentgelte wie zB Provisionen, häufig auch in (zweifelsfreien) Dienstverhältnissen vorkommen und umgekehrt etwa freie Dienstnehmer häufig ein für das Dienstverhältnis typisches (zeitbezogenes) Monatsentgelt beziehen. Daher steht ein leistungsbezogenes Entgelt der Annahme eines Dienstverhältnisses nach § 4 Abs. 2 nicht entgegen (zB VwGH 2005/08/0176, VwSlg 17.116 A; 2007/08/0038, ARD 5890/8/2008; 2008/08/0252, ARD 6251/7/2012). In Grenzfällen ist es allerdings im Rahmen der durchzuführenden Gesamtbeurteilung durchaus schlüssig, auch Nebenaspekte zu berücksichtigen. Daher kann eine monatliche Entlohnung ein Indiz für ein Dienstverhältnis darstellen (OGH 8 ObA 26/99 b, Arb 11.901; zust Rebhahn in ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz 122; VwGH 2013/08/0093, infas 2013, S 50; zum Bezug eines Fixums bei einem Provisionsvertreter VwGH 90/08/0224, ARD 4546/20/94; 96/08/0053, SVSlg 47.758 = SVSlg 47.913). Umgekehrt kann - ebenso nur in Grenzfällen - etwa ein ausschließlich erfolgsbezogenes Entgelt (zB Provision ohne Akontozahlung) ein Indiz dagegen sein. Auf sonstige Kriterien wird von der Rechtsprechung in der Praxis häufig auch dann zurückgegriffen, wenn die "Standardkriterien" aufgrund der Art der Beschäftigung besonders schwach ausgeprägt sind, wie zB bei der Beschäftigung außerhalb von Betriebsstätten im sogenannten "delegierten Aktionsbereich" eines Unternehmens (vgl. zum Begriff Krejci, Sozialversicherungsverhältnis 31, sowie VwGH 2012/08/0261, ZfVB 2013/843/997; 2010/08/0133; 90/08/0131, ZfVB 1993/154 - Zielortreiseleiter uva; weitere Nachweise bei Rudolf Müller, DRdA 2010, 367 [370]; zur Maßgeblichkeit von Kontrollrechten in solchen Fällen vgl. oben Rz 107) (Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 4 Rz 120).

 

Das Vorliegen einer Gewerbeberechtigung schließt eine unselbständige Beschäftigung schon deshalb nicht aus, weil es nicht auf die formale Erlaubtheit, sondern auf die konkreten Umstände des Erbringens der Leistung im konkreten Einzelfall ankommt. Zu Recht hat der VwGH daher bei einfachen manuellen und Hilfstätigkeiten am Bau (Spachtelarbeiten), die von Personen ohne unternehmerische Infrastruktur erbracht wurden, dem Umstand, dass diese über eine Gewerbeberechtigung verfügten, nach dem GSVG versichert waren, nach Leistung entlohnt wurden, keinen Aufwandersatz erhielten, keinem Konkurrenzverbot unterlagen und tatsächlich auch für ein anderes Unternehmen tätig waren, keine Bedeutung beigemessen (VwGH 2013/08/0106; 2013/08/0162, DRdA 2014, 146). Der Versuch, eine abhängige Dienstleistung in einzelne Werke zu zerlegen, die von Scheinselbständigen erbracht werden, war leicht erkennbar und offenkundig (Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 4 Rz 121).

 

Wirtschaftliche Beschränkungen wie ein Wettbewerbsverbot, eine Konkurrenzklausel oder eine strenge Verschwiegenheitspflicht sind zwar idR nicht entscheidend, können aber unter bestimmten Umständen für ein Dienstverhältnis sprechen (Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 4 Rz 121).

 

Daraus ergibt sich fallbezogen:

 

JH, HM und AT haben sich alle auf unbestimmte Dauer der BF gegenüber verpflichtet. Alle drei haben keine anderen Tätigkeiten ausgeübt, wobei AT zwar nur in einem wöchentlichen Stundenausmaß von etwa 20 Stunden tätig wurde, sie aber Betreuungspflichten für zwei Kinder trafen.

 

JH, HM und AT bezogen ausschließlich provisionsbasierte Entgelte ohne ein Fixum, jedoch wurden HM sämtliche Reisespesen ersetzt und JH ein Firmenfahrzeug auf Kosten der BF zur Verfügung gestellt. JH und HM verfügten jedoch auch über eigene Betriebsmittel wie Computer, Drucker, Scanner, Büroausstattung udgl (siehe dazu weiter unten zur wirtschaftlichen Abhängigkeit).

 

Mit allen drei Personen wurde eine Verschwiegenheitspflicht und ein Konkurrenzverbot ausdrücklich vereinbart und wurden diese Vertragsbestimmungen auch tatsächlich gelebt.

 

Die belangte Behörde stützt sich im Rahmen ihrer Beurteilung der persönlichen Abhängigkeit insbesondere auf die Verschwiegenheitspflicht und das Konkurrenzverbot, aus welchen sie die persönliche Arbeitspflicht von JH, HM und AT ableitet (die wie oben ausgeführt auch vorliegt). Weiters nimmt die belangte Behörde bezogen auf die vereinbarten Konkurrenzverbote ein starkes Indiz für das Vorliegen von Dienstverhältnissen an, ohne jedoch die spezifische Ausgestaltung der Tätigkeit von Handelsvertretern und die entsprechenden Regelungen des Handelsvertretergesetzes zu beurteilen:

 

§ 25 Handelsvertretergesetz regelt bezogen auf Konkurrenzklauseln (dh Beschränkungen nach Vertragsende), dass eine Vereinbarung, durch die der Handelsvertreter für die Zeit nach Beendigung des Vertragsverhältnisses in seiner Erwerbstätigkeit beschränkt wird, unwirksam sind.

 

Hingegen dürfen Handelsvertreter während des aufrechten Vertragsverhältnisses sehr wohl in ihrer Erwerbstätigkeit beschränkt werden, auch wenn das Handelsvertretergesetz ein Wettbewerbsverbot nicht ausdrücklich statuiert. Die Zulässigkeit eines Konkurrenz- oder Wettbewerbsverbotes ergibt sich hier bereits aus der allgemeinen Pflicht des Handelsvertreters, die Interessen des Unternehmens, welches er vertritt, zu wahren. Es gilt deshalb, dass der Handelsvertreter dem Unternehmer nicht durch anderweitige Geschäfte, die er in demselben Handelszweig macht oder vermittelt, eine unmittelbar schädigende Konkurrenz bereiten darf (vgl Wirtschaftskammer Österreich,

https://www.wko.at/branchen/handel/handelsagenten/wettbewerbsbeschraenkungen.html ).

 

Ein Konkurrenzverbot während aufrechter Handelsvertretertätigkeit für branchengleiche Unternehmen ist daher auch bei selbstständig tätigten Handelsvertretern bereits aus den allgemeinen Verpflichtungen gegenüber dem Unternehmer die Regel. Nichts anderes wurde auch in den Vertriebsvereinbarungen von JH und HM vereinbart. Das dortige Konkurrenzverbot bezieht sich erstens nur auf den Zeitraum während des aufrechten Vertrages; es ist somit keine Konkurrenzklausel vereinbart; und zweitens gilt es nur auf branchengleiche Unternehmen.

 

Angesichts dessen kann dem hinsichtlich JH und HM vereinbarten Konkurrenzverbot im konkreten Fall ebenso keine maßgebliche Bedeutung zur Beurteilung des Überwiegens der persönlichen Abhängigkeit beigemessen werden.

 

Zu den Angaben des SG ist in diesem Zusammenhang noch auszuführen:

 

Auch wenn SG angegeben hat, dass er erst als "selbstständiger Handelsvertreter", dann als Dienstnehmer und nunmehr wieder als "selbstständiger Handelsvertreter" für die BF tätig gewesen sei und sich die Ausgestaltung seiner Tätigkeit nie geändert habe, so ist daraus im konkreten Fall für die Beurteilung der Tätigkeiten von JH und HM nichts gewonnen, da im Verfahren hervorkam, dass SG von sich aus eine Anstellung als echter Dienstnehmer angestrebt hat um seinen finanziellen Probleme im Rahmen des über ihn eröffneten Insolvenzverfahrens zu entgehen. Auch normiert sein Dienstvertrag einen gewöhnlichen Arbeitsort am Sitz der BF und Dienstzeiten von Montag bis Donnerstag von 08:00 bis 16:30 Uhr und Freitag von 08:00 bis 14:00 Uhr. Wenn sich seine Tätigkeit als Dienstnehmer daher faktisch im Vergleich zu seiner vorangehenden selbstständigen Tätigkeit als Handelsvertreter für die BF tatsächlich nicht verändert haben sollte, so ist eher fraglich, ob überhaupt die Kriterien eines echten Dienstverhältnisses vorgelegen sind.

 

Schlussendlich ist unter Berücksichtigung dieser Ausführungen sowohl hinsichtlich JH, HM und auch AT insgesamt nicht vom Überwiegen der Merkmale persönlicher Abhängigkeit von der BF und damit von einem Dienstverhältnis gemäß § 4 Abs. 2 ASVG auszugehen.

 

Aufgrund der von der BF gestellten Anträge auf Aufhebung der Bescheide des Finanzamtes vom 19.03.2015 gemäß § 299 BAO und des diesbezüglich nicht abgeschlossenen Verfahrens geht das erkennende Gericht im gegenständlichen Verfahren nicht von der Rechtskraft dieser Bescheide aus, zumal diese auf derselben GPLA und derselben Beurteilung durch den Prüfer basieren wie der gegenständlich angefochtene Bescheid.

 

3.2.3.3. wirtschaftliche Abhängigkeit:

 

Die wirtschaftliche Abhängigkeit darf nicht mit Lohnabhängigkeit, also mit dem Angewiesensein des Beschäftigten auf das Entgelt zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes, gleichgesetzt werden. Sie findet vielmehr ihren Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall für den Betrieb wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel und ergibt sich im Allgemeinen bereits aus dem Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit (vgl. VwGH vom 02.04.2008, Zl. 2007/08/0107).

 

Der VwGH hat in seiner Judikatur zum Begriff der "wesentlichen Betriebsmittel" bei freien Dienstnehmern ausgeführt, dass die Wesentlichkeit eines Betriebsmittels nach den jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnissen zu beurteilen ist. Grundsätzlich wird ein Betriebsmittel dann für seine (dadurch als unternehmerisch zu beurteilende) Tätigkeit wesentlich sein, wenn es sich nicht nur um ein geringwertiges Wirtschaftsgut handelt und wenn es der freie Dienstnehmer entweder durch Aufnahme in das Betriebsvermögen (und der damit einhergehenden steuerlichen Verwertung als Betriebsmittel) der Schaffung einer unternehmerischen Struktur gewidmet hat oder wenn es seiner Art nach von vornherein in erster Linie der in Rede stehenden betrieblichen Tätigkeit zu dienen bestimmt ist. Dabei ist stets vorausgesetzt, dass es sich um ein Sachmittel handelt, welches für die konkret in Rede stehende Tätigkeit des freien Dienstnehmers wesentlich ist (Zehetner in Sonntag (Hrsg), ASVG 2016 § 4 Rz 93).

 

Die Handelsvertreter JH und HM verwendeten für ihre Tätigkeit ihre eigene Büroausstattung sowie ihre eigenen Computer, Drucker, Scanner und Faxgeräte. Auch Software wurde ihnen keine zur Verfügung gestellt. Es wurde ihnen lediglich ein VPN - Gastzugang zum Netzwerk der BF sowie zum System der Auftraggeber der BF gewährt.

 

Beiden wurde aber eine SIM-Karte auf Kosten der BF zur Verfügung gestellt. JH erhielt weiters ein Firmenfahrzeug auf Kosten der BF und durfte auch ohne Beiträge Privatfahrten durchführen. HM wurde kein Fahrzeug zur Verfügung gestellt, dafür wurden ihr sämtliche Reisespesen (Kilometergeld, Treibstoff, Parkgebühren, Hotels) sowie die Kosten für ihr Internet von der BF ersetzt.

 

Der VwGH hat im Erkenntnis vom 23.01.2008, 2007/08/0223, ausgesprochen, dass bei der Beurteilung der Verfügung über wesentliche Betriebsmittel im Sinn des § 4 Abs. 4 ASVG zu untersuchen ist, ob sich der freie Dienstnehmer mit Betriebsmitteln eine eigene betriebliche Infrastruktur geschaffen hat. Dabei ist es in erster Linie in der Ingerenz eines (potentiellen) freien Dienstnehmers gelegen, ob er über eine unternehmerische Struktur verfügen möchte oder nicht, ob er also seine Tätigkeit grundsätzlich eher arbeitnehmerähnlich (dh keine Tätigkeit für den "Markt", sondern im Wesentlichen für einen Auftraggeber oder doch eine überschaubare Zahl von Auftraggebern, ohne eigene betriebliche Struktur, gegen gesonderte Abgeltung von Aufwendungen, wie zB durch Kilometergelder, Ersatz von Telefonkosten etc.) ausführen möchte oder ob er eher unternehmerisch tätig sein und das entsprechende wirtschaftliche Risiko tragen will (dh zB - losgelöst vom konkreten Auftrag - spezifische Betriebsmittel anschafft, werbend am Markt auftritt, auch sonst über eine gewisse unternehmerische Infrastruktur verfügt und seine Spesen in die dem Auftraggeber verrechneten Honorare selbst einkalkuliert). Auch in Fällen, in denen eine unternehmerische Organisation bestimmten Ausmaßes nicht klar zutage tritt, ist ein Betriebsmittel grundsätzlich dann für die Tätigkeit wesentlich, wenn es sich nicht bloß um ein geringwertiges Wirtschaftsgut handelt und wenn es der freie Dienstnehmer entweder durch Aufnahme in das Betriebsvermögen (und die damit einhergehende steuerliche Verwertung als Betriebsmittel) der Schaffung der unternehmerischen Struktur gewidmet hat oder wenn es seiner Art nach von vornherein in erster Linie der in Rede stehenden betrieblichen Tätigkeit zu dienen bestimmt ist.

 

Eine demnach maßgebliche eigene betriebliche Infrastruktur ist in den Fällen des JH, der HM und der AT auf Basis der oben angeführten Feststellungen aber zu verneinen. Zwar verfügten JH und HM über eigene Büro- und PC-Ausstattung, es konnte jedoch nicht festgestellt werden, ob diese dem Anlagevermögen ihres Unternehmens zugeordnet und überwiegend ihrem Betrieb dienten, zumal beide von zuhause aus tätig wurden und kein eigenes Büro für ihre Tätigkeit anmieteten. Ausschlaggebend für die Beurteilung des Fehlens einer eigenen betrieblichen Infrastruktur ist aber insbesondere, dass JH über Jahre von der BF ein Firmenfahrzeug zur Verfügung gestellt bekam, mit welchem er seine Kundenbesuche und auch Privatfahrten ohne Kostenersatz durchführte und die BF für sämtliche Kosten des Fahrzeugs aufkam. HM wurde zwar kein Fahrzeug zur Verfügung gestellt, dafür hat sie aber sämtliche anfallende Spesen und Reisekosten (Kilometergeld, Parkgebühren, Mautgebühren, Hotels) und sogar ihre eigene Internetverbindung der BF während des gesamten verfahrensgegenständlichen Zeitraumes in Rechnung gestellt. Sowohl JH als auch HM haben daher die ihnen im Rahmen ihres "Betriebes" anfallenden Kosten nicht selbstständig in die dem Auftraggeber verrechneten Honorare eingegliedert und die anfallenden Spesen somit nicht selbst getragen. Von einer eigenständigen betrieblichen Infrastruktur kann daher nicht gesprochen werden, zumal beide zusätzlich nur ausschließlich für die BF tätig waren und nicht werbend am Markt aufgetreten sind.

 

AT hat den Computer ihres Lebensgefährten SG zur Datenanalyse genützt und dazu von der BF das erforderliche Analyseprogramm sowie eine Excel-Datei zur Verfügung gestellt bekommen. Inwiefern bei ihr eine eigenständige betriebliche Struktur vorgelegen sein sollte, ist demnach nicht ersichtlich.

 

Insgesamt verfügten daher weder JH, HM noch AT über wesentliche eigene Betriebsmittel und waren sie arbeitnehmerähnlich gegen Entgelt für die BF im Sinne des § 4 Abs. 4 Z 1 ASVG tätig, sodass freie Dienstverhältnisse vorlagen.

 

3.3. Ausnahmen von § 4 Abs. 4 ASVG:

 

Zu berücksichtigen war jedoch hinsichtlich JH und AT, dass JH im Zeitraum 01.07.2013 bis 31.12.2013 und AT im gesamten sie betreffenden verfahrensgegenständlichen Zeitraum von 01.01.2013 bis 30.06.2013 jeweils über eine Gewerbeberechtigung und damit ex lege über eine Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG für die von ihnen ausgeübte Tätigkeit bei der BF verfügten.

 

Gemäß § 4 Abs. 4 lit. a ASVG liegt kein freies Dienstverhältnis vor, wenn aufgrund dieser Tätigkeit bereits nach § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 GSVG oder § 2 Abs. 1 BSVG oder nach § 2 Abs. 1 und 2 FSVG eine Pflichtversicherung vorliegt.

 

Dementsprechend war festzustellen, dass JH im Zeitraum 01.07.2013 bis 31.12.2013 und AT im Zeitraum 01.01.2013 bis 30.06.2013 überhaupt nicht der Pflichtversicherung als freie Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 4 ASVG unterlagen.

 

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher aus den angeführten Gründen mit der jeweils angeführten Maßgabe stattzugeben.

 

Zu Spruchteil 2.A):

 

3.4. Zur Zurückverweisung hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde vom 20.10.2015:

 

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

 

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1

 

B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

Unter Berücksichtigung der vom BVwG zu Spruchpunkt I. vorgenommenen rechtlichen Umqualifizierung in freie Dienstverhältnisse und der Ausnahme von der Pflichtversicherung nach dem ASVG kann aus dem aktenkundigen Prüfbericht und der Beitragsabrechnung zur GPLA seitens des BVwG selbstständig keine korrekte Neuberechnung der nachverrechneten Sozialversicherungsbeiträge, mangels Aufgliederung und Angabe der Prozentsätze und Berechnungsgrundlagen jedenfalls aber nicht eine korrekte Neuberechnung der Verzugszinsen erfolgen.

 

Über die Prüfberichte und Beitragsabrechnungen hinaus finden sich keine nachvollziehbaren Angaben, Berechnungen oder Begründungen, wie konkret die gegenständlichen Nachverrechnungsbeträge ermittelt wurden.

 

Der Ausspruch über die Höhe der nachzuverrechnenden Beiträge sowie der augenscheinlich bestehenden Verzugszinsen im Spruch des beschwerdegegenständlichen Bescheides wurde mit keinem Wort begründet, noch ergibt sich diese Begründung aus dem Akteninhalt. Es ist dem BVwG deshalb unmöglich aus dem Akteninhalt den vorliegenden Sachverhalt nachzuvollziehen, festzustellen und in weiterer Folge auf rechtliche und rechnerische Richtigkeit zu überprüfen bzw. die erforderlichen rechnerischen Korrekturen selbst vorzunehmen.

 

Es war somit der Spruchpunkt II. des Bescheides der belangten Behörde vom 20.10.2015 aufzuheben und die Angelegenheit insoweit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

 

Die belangte Behörde hat im Folgenden den Nachverrechnungsbetrag und die Verzugszinsen neu zu berechnen und diese Berechnungen im Bescheid auch transparent darzustellen.

 

Zu Spruchteil 1.B) und 2.B: Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH vertritt eine eindeutige und einheitliche Rechtsprechung, weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. In Bezug auf die Zurückverweisung ist anzuführen, dass die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH zwar zu früheren Rechtslagen ergangen ist, sie jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar ist.

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