VwGH 90/08/0224

VwGH90/08/022421.12.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des BM für Arbeit und Soziales vom 19. 10. 1990, Zl. 121.158/5-7/90, betr Versicherungspflicht nach ASVG und AlVG (mP: 1. A Handelsgesellschaft mbH, W; 2. WGKK; 3. PVAng;

4. Allg Unfallversicherungsanstalt), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §863;
ASVG §4 Abs2;
VwRallg;
ABGB §863;
ASVG §4 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ersuchte mit Schriftsatz vom 7. Jänner 1988 um bescheidmäßige Feststellung seiner Versicherungspflicht für die Zeit vom 2. Jänner 1985 bis 31. Dezember 1985. Er vertrat dabei im wesentlichen die Auffassung, er sei aufgrund seiner Tätigkeit als Verkaufsrepräsentant (VR) bei der mitbeteiligten

A Handelsgesellschaft mbH (in der Folge: Gesellschaft) in dem genannten Zeitraum keiner Vollversicherungspflicht unterlegen. Er sei nebenberuflich als Provisionsvertreter ohne Fixum tätig gewesen. Die erhaltenen Provisionen hätten größtenteils die Geringfügigkeitsgrenze nicht erreicht. Auf die Bezahlung einer Umsatzsteuer für vom Dienstgeber getätigte Umsätze könne ein Dienstnehmer niemals Anspruch haben, weshalb es sich dabei um keinen Teil vom Entgelt handle.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse vernahm daraufhin den unter anderem für das Personalwesen zuständigen Angestellten der erstmitbeteiligten Gesellschaft R. Dieser gab niederschriftlich an, daß bei der Einstellung von Verkaufsrepräsentanten mit diesen eine schriftliche Vereinbarung getroffen werde, worin unter anderem folgendes enthalten sei:

"1. Hinweis auf die Versicherungspflicht nach dem ASVG

  1. 2. Angestellten-Dienstverhältnis gem. Angestelltengsetz
  2. 3. Wöchentliche Arbeitszeit von 18 Stunden
  3. 4. Entlohnung nach dem Handelskollektivvertrag
  4. 5. Einstufung in Beschäftigungsgruppe 3 - Platzvertreter ohne Fixum
  5. 6. Verpflichtung zur persönlichen Dienstleistung
  6. 7. unbedingte Teilnahme an Wochen - Monats - Meetings
  7. 8. Erstellung der Wochen- (Tätigkeits-)berichte
  8. 9. Dienstverhinderung im Krankheits- oder Unglücksfall
  9. 10. Kündigungsfristen."

    R gab ferner an, daß der kollektivvertragliche Mindestbezug um 2/12 erhöht werde, weshalb keine Sonderzahlungen gebührten. Erreichten die Provisionen den kollektivvertraglichen Mindestbezug nicht, so werde dieser zur Verrechnung gebracht. Die Einteilung der Arbeitszeit lasse sich durch die Geschäftspraktiken nicht vollziehen; sie richte sich nach den Wünschen und Möglichkeiten der Kunden.

    Vom Zeugen R wurde auch ein Muster einer Repräsentanten-Vereinbarung vorgelegt.

    Mit Bescheid vom 19. Juni 1989 stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, daß der Beschwerdeführer aufgrund seiner Beschäftigung als Provisionsvertreter bei der mitbeteiligten Gesellschaft (Dienstgeber) in der Zeit vom 2. Jänner 1985 bis 4. März 1986 gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungpflicht unterlegen sei. Zur Begründung ihrer Entscheidung berief sich die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse nach Wiedergabe der Aussagen des Zeugen R auf den Abschluß einer Repräsentanten-Vereinbarung zwischen dem Beschwerdeführer und der mitbeteiligten Gesellschaft. Danach habe der Beschwerdeführer aufgrund seines Vertrages Anspruch auf Provision zumindest in der kollektivvertraglich festgelegten Höhe. Aus den Auszahlungsbelegen und den Provisionsabrechnungen seien variable Provisionshöhen ersichtlich, deren Höhe teilweise unter den kollektivvertraglichen Beträgen liege. Zwischenzeitig seien jedoch entsprechende Provisionsnachzahlungen erfolgt. Da der Beschwerdeführer in der im Spruch genannten Zeit einen Anspruch auf Provision zumindest in der kollektivvertraglichen Höhe gehabt habe, sei der Bestand der Versicherungspflicht für diesen Zeitraum festzustellen gewesen.

    Der Beschwerdeführer erhob Einspruch, wobei er im wesentlichen darauf verwies, bis zur Konkurseröffnung im April 1985 als Einzelhandelskaufmann in seinem Herrenmodengeschäft selbständig gearbeitet zu haben. Ab 2. Jänner 1985 habe er auch als VR bei der mitbeteiligten Gesellschaft gearbeitet. Dabei sei er nicht nach dem Handelskollektivvertrag entlohnt worden, sondern habe nur reine Provisionszahlungen erhalten. Den kollektivvertraglich vorgesehenen Mindestbezug habe er nicht erreicht; dieser sei auch nicht um 2/12 erhöht worden. Er habe weder Reisespesen noch Kilometer-Geld erhalten. Die in der Vereinbarung vorgesehene Arbeitszeit von 18 Stunden pro Woche habe er nie eingehalten. Auch die Wochen- und Monatsmeetings habe er nur fallweise nach eigenem Gutdünken besucht. Auch die Mindesterbringung von monatlich sechs Aufträgen sei von ihm nie erreicht worden. Diese hätte nach der Vereinbarung zur Folge gehabt, daß er der täglichen Anweisung eines Managers hätte Folge leisten müssen. Eine solche Anweisung habe er jedoch nie erhalten.

    Der Landeshauptmann von Wien veranlaßte am 3. Oktober 1989 eine mündliche Verhandlung, in der der Beschwerdeführer im wesentlichen angab, er sei bei der mitbeteiligten Gesellschaft als Vertreter für Haus- und Küchengeschirr tätig gewesen. Dabei habe er zu Beginn Unterlagen betreffend Richtlinien der Gesellschaft erhalten, wie man sich bei Kunden zu verhalten habe und die Ware am besten verkaufe. Ein bestimmtes Tätigkeitsgebiet sei ihm nicht zugewiesen worden; er hätte in ganz Österreich seine Vertretertätigkeit durchführen können. Tatsächlich sei er hauptsächlich in Wien tätig gewesen. Ein bestimmter Personenkreis, den er aufsuchen solle, oder bestimmte Adressen seien ihm nicht vorgeschrieben worden. Die zu verkaufenden Waren seien bei Parties präsentiert worden. Wann diese Parties stattfinden sollten und wo sie abzuhalten gewesen seien, sei dem Beschwerdeführer überlassen gewesen. Nach der Repräsentanten-Vereinbarung hätte er die Präsentation nur nach einem von der Gesellschaft vorgegebenen Ablauf vornehmen dürfen; tatsächlich habe er jedoch die Präsentation durchaus variiert und nach seinem Geschmack selbst gestaltet. Die Kosten dieser Parties seien von den Gastgebern getragen worden. Jedem Vertreter sei von der Gesellschaft ein Mustersatz zur Verfügung gestellt worden. Er sei an Weisungen bezüglich der Art der Verkaufspräsentation und des Ortes, wo er diese durchführe, nicht gebunden gewesen. Es habe allerdings von der Gesellschaft regelmäßig veranstaltete Meetings gegeben. Aufgrund der Vereinbarung mit der Firma hätte er sich bei Ausübung seiner Tätigkeit nicht vertreten lassen können. Es sei richtig, daß er kein Fixum erhalten habe. Seiner Meinung nach habe es keine Berichterstattungspflicht und keine Überwachung gegeben.

    Bei der mündlichen Verhandlung am 3. Oktober 1989 wurde auch R neuerlich vernommen, wobei dieser bestätigte, daß es für die Präsentation der Produkte von der Firma erarbeitete Richtlinien gebe. Dem Repräsentanten sei dabei strikt vorgegeben, wie er sich bei den Präsentationen zu verhalten habe. Die Gesellschaft könne dies jedoch sehr schwer kontrollieren. Die Repräsentanten seien auch verpflichtet, ihre Aufträge wöchentlich bei einem Büromanager abzugeben. An welchem Ort und zu welchem Zeitpunkt die Präsentationen veranstaltet würden, sei nicht vorgegeben, da man sich vor allem an den Kunden zu halten habe. Der Repräsentant müsse aber berichten, bei welchen Kunden er Parties zu veranstalten gedenke. Aufgrund der hereingebrachten Aufträge sowie der gebuchten Präsentationen könne die Gesellschaft feststellen, inwieweit ein Mitarbeiter tätig werde. Dem Repräsentanten sei weder ein bestimmtes Tätigkeitgebiet noch ein bestimmter Kundenkreis zugewiesen. Allerdings bestehe persönliche Dienstleistungspflicht. Für den Repräsentanten bestünde außerdem ein Konkurrenzverbot. Die Repräsentanten benützten ihre eigenen Verkehrsmittel, die sie selbst bezahlen müßten. Neben den bereits erwähnten Repräsentanten-Vereinbarungen würden von der Gesellschaft auch Werkverträge abgeschlossen.

    In einer Stellungnahme vom 24. Oktober 1989 erklärte die mitbeteiligte Gesellschaft, daß der vorliegende Fall noch einmal genau recherchiert worden sei, wobei insbesondere die seinerzeitigen Vorgesetzten des Beschwerdeführers befragt worden seien. Daraus habe sich ergeben, daß der Beschwerdeführer wesentliche Punkte der Repräsentanten-Vereinbarung, wie z.B. Teilnahme an den Meetings, nicht oder nur sehr sporadisch befolgt habe, sodaß sich auch im Hinblick auf den geringen Verkaufserfolg des Beschwerdeführers die Situation so darstelle, daß eine Mitarbeit bei der Gesellschaft zwar vertraglich die eines Angestellten, in der Praxis jedoch die eines freien Mitarbeiters gewesen sei.

    Mit Bescheid vom 15. November 1989 gab der Landeshauptmann von Wien dem Einspruch des Beschwerdeführers Folge und verneinte dessen Versicherungspflicht in der Zeit vom 2. Jänner 1985 bis 4. März 1986. Nach Wiedergabe der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vertrat der Landeshauptmann dabei im wesentlichen die Auffassung, daß der Beschwerdeführer - den tatsächlichen Verhältnissen nach - weder in den Betriebsorganismus der Gesellschaft eingegliedert gewesen sei noch einer Unterordnung unter einen Dienstgeberwillen unterlegen sei. Ein Überwiegen der Verhältnisse persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit sei deshalb im Beschwerdefall zu verneinen gewesen.

    Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erhob Berufung, wobei sie rügte, daß vom Landeshauptmann nicht dargelegt worden sei, weshalb er bei seiner Entscheidung im wesentlichen das Schreiben der mitbeteiligten Gesellschaft und nicht die Aussagen von R berücksichtigt habe.

    Die belangte Behörde veranlaßte daraufhin die Einvernahme des Gebietsmanagers der Gesellschaft Kurt V. Dieser erklärte am 28. März 1990 vor dem Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 14, daß sich der Beschwerdeführer nahezu überhaupt nicht an die mit ihm geschlossene Vereinbarung gehalten habe. Insbesondere habe er sich nicht an die Weisungen gehalten, an den Schulungen bzw. Wochen- und Monatsmeetings teilzunehmen. Seines Wissens habe der Beschwerdeführer auch keine Wochenberichte vorgelegt. Er sei gekommen und gegangen, wie er gewollt habe. Er (Kurt V.) könne über das Beschäftigungsverhältnis genaue Auskünfte machen, weil er zur Gruppe des Beschwerdeführers engen Kontakt gehabt habe. Der Beschwerdeführer sei auch nicht 18 Stunden pro Woche für die Gesellschaft tätig gewesen. Ob er das Konkurrenzgebot beachtet habe, könne er nicht sagen. Bei der Gesellschaft werde nur auf Provisionsbasis gearbeitet. Ein bestimmtes Tätigkeitsgebiet bzw. ein bestimmter Kundenkreis sei in der Vereinbarung nicht vorgesehen. Dem Beschwerdeführer sei ein Musterkoffer zur Verfügung gestellt worden. Im bezug auf Konkurrenzverbot, Spesenvergütung, bestimmtes Tätigkeitsgebiet bzw. bestimmter Kundenkreis sowie Betriebsmittel sei das Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers nicht von der Repräsentanten-Vereinbarung abgewichen. Auf dem Gebiet der Weisungsgebundenheit, Berichterstattungspflicht sowie Kontrolle sei jedoch ein krasses Abweichen festzustellen.

    In einer schriftlichen Stellungnahme vom 22. Mai 1990 erklärte die mitbeteiligte Gesellschaft, daß eine Änderung der Repräsentanten-Vereinbarung mit dem Beschwerdeführer weder schriftlich noch mündlich vereinbart worden sei. Die Änderung des Vertragsverhältnisses sei vom Beschwerdeführer einseitig vorgenommen worden und habe nie die Zustimmung der Gesellschaft gefunden.

    Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Folge gegeben und in Abänderung des Bescheides des Landeshauptmannes festgestellt, daß der Beschwerdeführer aufgrund seiner Beschäftigung für die mitbeteiligte Gesellschaft vom 2. Jänner 1985 bis 4. März 1986 der Versicherungspflicht nach ASVG und AlVG unterlegen sei. Ihre Entscheidung begründete die belangte Behörde im wesentlichen damit, daß der Beschwerdeführer aufgrund der mit der mitbeteiligten Gesellschaft abgeschlossenen Repräsentanten-Vereinbarung als Dienstnehmer zu einer - weisungsgebundenen - Vertretertätigkeit verpflichtet gewesen sei. Die darin enthaltenen Bindungen habe er ohne Zustimmung des Vertragspartners weitgehend mißachtet. Aus dem Umstand, daß die mitbeteiligte Gesellschaft dies geduldet habe, könne aber nicht geschlossen werden, daß die vereinbarten Bindungen nicht bestanden hätten. Da kein Anhaltspunkt dafür bestehe, daß diese Bindungen etwa nur zum Schein vereinbart worden seien, sei vielmehr anzunehmen, daß der Beschwerdeführer an die vereinbarten Bedingungen gebunden gewesen sei. Dies ergebe sich auch aus den Angaben des Zeugen R. Da eine Bindung an eine Weisungsbefugnis des Dienstgebers eine selbständige Erwerbstätigkeit ausschließe - auch wenn tatsächlich keine Weisungen erteilt worden seien -, sei der Beschwerdeführer als Dienstnehmer anzusehen.

    Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

    Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen. Von den mitbeteiligten Parteien hat nur die Wiener Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

    Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

    Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung aufgrund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet. Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

    Nach § 1 Abs. 1 lit. a AlVG sind für den Fall der Arbeitslosigkeit Dienstnehmer versichert (arbeitslosenversichert), die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigt sind, soweit sie in der Krankenversicherung aufgrund gesetzlicher Vorschriften pflichtversichert oder selbst versichert (§ 19a ASVG) und nicht nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen versicherungsfrei sind.

    Die Kriterien, die für die (überwiegende) Annahme persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im einzelnen beachtlich sind, hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur ausführlich dargelegt. Die persönliche Abhängigkeit charakterisierte der Gerichtshof dabei als weitgehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten, die sich insbesondere in seiner Unterwerfung unter betriebliche Ordnungsvorschriften, seiner Verpflichtung zur Befolgung von Weisungen des Dienstgebers, der Überwachung der Arbeit durch den Dienstgeber und die disziplinäre Verantwortlichkeit des Dienstnehmers äußere. Nach der jüngeren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung des Gesamtbildes seiner Beschäftigung für das Rechtsverhältnis der persönlichen Abhängigkeit des Beschäftigten vom Dienstgeber - im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem arbeitsrechtlichen Verständnis dieses Begriffes - allerdings nur die Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzlich) persönliche Arbeitspflicht unterscheidungskräftige Kriterien zur Abgrenzung von anderen Formen rechtlicher Gestaltung der Beschäftigung. Die wirtschaftliche Abhängigkeit ist bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit. Das Fehlen eines an sich unterscheidungskräftigen Merkmales persönlicher Abhängigkeit läßt im Hinblick darauf, daß schon das Überwiegen genügt, keinen zwingenden Schluß darauf zu, daß die zu beurteilende Tätigkeit nicht der Versicherungspflicht unterliegt; es kommt vielmehr darauf an, ob unter Berücksichtigung aller im Einzelfall gegebenen Umstände die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch seine Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet ist (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1986, Zl. 84/08/0188).

    Danach ist zu prüfen, ob die belangte Behörde im gegenständlichen Fall zu Recht ein Überwiegen im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG derjenigen Kriterien angenommen hat, die für ein sozialversicherungspflichtiges Dienstverhältnis des Beschwerdeführers sprechen. Der Beschwerdeführer bringt dabei - wie bereits im Verwaltungsverfahren - vor, sich nicht an die abgeschlossene Vereinbarung gehalten zu haben. Er habe etwa die vorgeschriebene Arbeitszeit nicht eingehalten, die Wochen- und Monatsmeetings nur fallweise nach eigenem Gutdünken besucht und sich auch keinem Dienstgeberwillen unterworfen. Die vorgeschriebene Erbringung von mindestens sechs Aufträgen pro Monat habe er nicht erfüllt, Anweisungen der Gesellschaft - soweit es solche überhaupt gegeben habe - seien von ihm nicht befolgt worden.

    Hinsichtlich der Wertung der Tätigkeit eines Vertreters als unselbständige Beschäftigung im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes zu beachten, daß bei dieser Tätigkeit die ansonsten für die abhängigen Arbeitsverhältnisse typische, oben näher dargestellte Unterordnung nicht so auffällig zutage tritt, sodaß bei der Beurteilung der Frage, ob bei einer solchen Tätigkeit ein Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vorgelegen ist, anderen Merkmalen eine ganz besondere Bedeutung zugemessen werden muß. Insbesondere sind in diesem Zusammenhang die Weisungsgebundenheit in einer bestimmten Art, das Konkurrenzverbot, der Bezug eines Fixums oder einer Spesenvergütung, die Berichterstattungspflicht sowie die mangelnde Verfügung über eine eigene Betriebsstätte und eigene Betriebsmittel als für die Beurteilung der Versicherungspflicht von Vertretern, maßgebliche Merkmale zu bezeichnen. Diese Grundsätze gebieten aber im Einzelfall die Auseinandersetzung mit der Frage, ob tatsächlich diese Kriterien vorliegen, wobei dann bei einem Zusammentreffen von Merkmalen der Abhängigkeit und solchen, die auf eine Unabhängigkeit hinweisen, das Überwiegen der einen oder anderen Merkmale entscheidend ist (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 20. Oktober 1988, Zl. 85/08/0062, mit Hinweis auf die Vorjudikatur).

    Im Beschwerdefall hat zunächst der für Personalangelegenheiten zuständige Bedienstete der mitbeteiligten Gesellschaft R in einer Niederschrift vom 9. April 1988 den Inhalt der mit dem Beschwerdeführer abgeschlossenen Repräsentanten-Vereinbarung dargelegt. Anläßlich seiner Vernehmung vor der Einspruchsbehörde am 3. Oktober 1989 hat R ferner über die sich aus der Vereinbarung ergebenden Verpflichtungen der VR allgemein Auskunft gegeben. Der Beschwerdeführer hat dabei bekräftigt, sich bei seiner Tätigkeit nicht an die von der Gesellschaft herausgegebenen Richtlinien gehalten zu haben. So habe er etwa keine Berichte erstattet und sei keiner Überwachung unterlegen.

    Die mitbeteiligte Gesellschaft hat in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 24. Oktober 1989 die Angaben des Beschwerdeführers insofern bestätigt, als dieser wesentliche Punkte der Repräsentanten-Vereinbarung, wie z.B. Teilnahme an Meetings, nicht oder nur sehr sporadisch befolgt habe. Auch der geringe Verkaufserfolg des Beschwerdeführers lasse seine Argumentation zu, daß seine Mitarbeit bei der Gesellschaft die eines freien Mitarbeiters gewesen sei.

    Der Gebietsmanager der mitbeteiligten Gesellschaft Kurt V. hat am 28. März 1990 niederschriftlich vernommen ebenfalls angegeben, daß sich der Beschwerdeführer nahezu überhaupt nicht an die mit ihm abgeschlossene Vereinbarung gehalten habe. Er könne über das Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers deshalb genauere Auskünfte geben, weil er zu dessen Gruppe engen Kontakt gehabt habe.

    Dazu erklärte die mitbeteiligte Gesellschaft in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 22. Mai 1990, daß die Änderung des Vertragsverhältnisses vom Beschwerdeführer einseitig ohne Zustimmung der Gesellschaft vorgenommen worden sei.

    Im Beschwerdefall ergibt sich somit das Problem des Auseinanderfallens von Vertragsinhalt und praktischer Durchführung des Vertrages und damit die Frage, ob eine konkludente Vertragsänderung vorliegt. Der Abschluß eines Vertrages setzt übereinstimmende Willenserklärungen voraus, die auf die Begründung eines Rechtsverhältnisses gerichtet sind. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen sich über alle von ihnen als erheblich betrachteten Punkte des Vertragsverhältnisses einig sein. Die Erklärung kann nicht nur ausdrücklich, sondern auch schlüssig durch ein Verhalten erfolgen, welches bei Überlegung aller Umstände keinen Grund daran zu zweifeln übrig läßt (§ 863 ABGB), daß der andere Teil sich in bestimmter Weise verpflichten wolle. Erbringt etwa jemand, der als freier Mitarbeiter bei einem Dienstgeber aufgenommen worden ist, jahrelang für diesen Arbeitsleistungen in organisatorischer Gebundenheit und nimmt der Dienstgeber ebensolange diese Arbeitsleistungen entgegen, dann ist dadurch auf schlüssige Weise ein Arbeitsvertrag begründet worden (vgl. OGH 19. Mai 1981, Arb. 9972; ferner OGH 16. März 1982, RdA 1985, Seite 395). Ein längeres vertragswidriges Verhalten berechtigt allerdings noch nicht, davon auszugehen, daß es zu einer Vertragsänderung gekommen sei, da es dem Dienstgeber jederzeit freisteht, auf die Einhaltung der Vertragsbestimmungen zu dringen. Bloßes Stillschweigen ist weder Zustimmung noch Ablehnung, sondern Unterlassung jeder Erklärung. Die Annahme einer "stillschweigenden" Erklärung setzt ein Verhalten voraus, das für den jeweiligen Partner ohne jeden Zweifel auf den entsprechenden Willen schließen läßt.

    Auf den Beschwerdefall übertragen bedeutet dies, daß eine konkludente Vertragsänderung etwa dann denkbar wäre, wenn dem den Beschwerdeführer kontrollierenden Gebietsrepäsentanten Dienstgeberfunktion (d.h. hier: auch die Berechtigung zur Vertragsgestaltung) zugekommen wäre und dieser das der Repräsentanten-Vereinbarung krass widersprechende Verhalten des Beschwerdeführers stillschweigend geduldet hätte. Aus diesem Verhalten könnte dann unter Umständen auf einen entsprechenden Verpflichtungswillen des Dienstgebers geschlossen werden. Wem im Beschwerdefall allerdings Dienstgeberfunktion im vorzitierten Sinne zukam und ob diese Person über das vertragswidrige Verhalten des Beschwerdeführers informiert war bzw. ob der Beschwerdeführer dessen Verhalten bei Überlegung aller Umstände vernünftigerweise und mit allem Grunde als Kundgabe eines bestimmten rechtsgeschäftlichen Willens deuten durfte, ist von der belangten Behörde allerdings nicht geklärt worden. In diesem Zusammenhang ist auf die schriftliche Stellungnahme der mitbeteiligten Gesellschaft vom 22. Mai 1990, wonach die Änderung des Vertragsverhältnisses vom Beschwerdeführer einseitig "ohne Zustimmung der Gesellschaft" vorgenommen worden sei, zu verweisen.

    Da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Unterlassung der Verfahrensmängel zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

    Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Wegen der sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) konnte der geltend gemachte Bundesstempelersatz nicht zugesprochen werden.

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