VwGH 93/08/0171

VwGH93/08/017116.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der

G Handelsges.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Otto Ackerl und Dr. Adalbert Laimer, Rechtsanwälte in 1210 Wien, Brünnerstraße 37/5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 14. Juni 1993, Zl. 120.861/2-7/93, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und AlVG (mP:

  1. 1. O, zuletzt in W, derzeit unbekannten Aufenthaltes;
  2. 2. WGKK;3. PVA der Arbeiter; 4. AUVA), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Vorlageaufwand in der Höhe von S 565,-- und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Schriftsatzaufwand in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 28. Februar 1992 sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, daß der Erstmitbeteiligte aufgrund seiner Beschäftigung als Servicetechniker bei der beschwerdeführenden Partei als Dienstgeber vom 2. Mai 1990 bis 25. Juni 1991 gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht unterliege.

Nach der Begründung habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse im Rahmen einer Beitragsprüfung festgestellt, daß der Erstmitbeteiligte bei der beschwerdeführenden Gesellschaft ohne Anmeldung zur Sozialversicherung beschäftigt gewesen sei. Der Erstmitbeteiligte habe am 21. Juni 1991 niederschriftlich angegeben, seit Mai 1990 bei der beschwerdeführenden Gesellschaft beschäftigt zu sein. Er habe am Beginn seiner Beschäftigung einen Vertrag unterschrieben, dessen Inhalt er aber nicht genau kenne. Seine Arbeitszeit beginne täglich zwischen 07.30 Uhr bzw. 08.00 Uhr und ende je nach Arbeitsanfall oft um 20.00 Uhr. Er müsse sich in der Früh in der Firma melden, wo er seine Aufträge erhalte, seine Lagerbestände aufschreibe und Ersatzteile ausfasse. Er übe seine Tätigkeit in Wien, Steiermark, Kärnten und Teilen von Niederösterreich aus. Er sei dabei mit der Reparatur von Kaffeemaschinen, dem Austauschen von Maschinen, der Einschulung an den Maschinen und der Kaffeeauslieferung beschäftigt. Im Grunde übe er dieselbe Tätigkeit aus wie andere Dienstnehmer der Firma. Es würden ihm ein Servicewagen sowie sämtliche Ersatzteile und Maschinen zur Verfügung gestellt. Die anfallenden Überstunden würden teilweise in Form von Prämien ausbezahlt oder als Zeitausgleich abgegolten. Laut Vertrag könne er sich auch vertreten lassen, Tatsache sei jedoch, daß er keine Möglichkeit habe, einen Vertreter zu stellen, da für seine Tätigkeit eine Ausbildung (Elektromechaniker) erforderlich und eine Einschulung unbedingt notwendig sei. Als Entgelt erhalte er derzeit S 32.400,-- netto. Das Geld werde monatlich abgerechnet (wöchentliches Akonto), wobei er der Firma Belege über Aufträge unterschreibe. Weiters erhalte er Übernachtung, Telefonate, Werkzeug und sonstige Auslagenersätze bezahlt. Das Fahrzeug, das ihm zur Verfügung gestellt werde, verwende er - wie die anderen Servicetechniker - auch für die Fahrt nach Hause, private Fahrten seien ihm jedoch untersagt (es werde ein Fahrtenbuch geführt). Um jederzeit erreichbar zu sein, habe er ein "Piepserl" bei sich. Urlaubs- und Weihnachtsgeld erhalte er keines ausbezahlt.

Der handlungsbevollmächtigte Angestellte der beschwerdeführenden Gesellschaft, Gerhard K., habe am 23. September 1991 vor der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zur Beschäftigung des Erstmitbeteiligten angegeben, daß dieser anläßlich seiner Vorstellung erklärt habe, ein eigenes Unternehmen zu haben. Deshalb sei mit ihm ein Werkvertrag als selbständiger Servicetechniker abgeschlossen worden. Er habe Maschinen reparieren und die Kunden mit den notwendigen Grundstoffen versorgen müssen. Ersatzteile und Produkte sowie Kaffee seien von der beschwerdeführenden Gesellschaft zur Verfügung gestellt worden. Die Aufträge habe der Erstmitbeteiligte über die beschwerdeführende Gesellschaft erhalten. Die Kunden hätten bei dieser angerufen und durchgegeben, was benötigt werde. Dies sei dann telefonisch oder persönlich an den Erstmitbeteiligten weitergegeben worden. Dieser hätte sich auch vertreten lassen können, wobei der Vertreter natürlich die fachlichen Kenntnisse hätte aufweisen müssen. Er wisse allerdings nicht, ob ein Vertretungsfall eingetreten sei. Dem Erstmitbeteiligten sei auch ein Firmenauto zur Verfügung gestellt worden. Er habe sich seine Arbeitszeit frei einteilen können. Die Verrechnung der Einsätze sei über Honorarnoten erfolgt. Der Erstmitbeteiligte habe bei den Kunden kassiert und das Geld an die beschwerdeführende Gesellschaft weitergegeben. Für das Auto seien keine Kosten verrechnet worden. Der Erstmitbeteiligte habe sich zumeist telefonisch in der Firma gemeldet. Für dringende Erledigungen sei er über ein "Piepserl" zu erreichen gewesen. Eventuelle Barauslagen habe er selbst tragen müssen; ab und zu sei ihm eine Übernachtung bezahlt worden, um die Autokosten gering zu halten. Der Erstmitbeteiligte habe nur erledigte Aufträge bezahlt bekommen. Dafür habe er eigenhändig geschriebene, mit offenem Mehrwertsteuerausweis versehene Rechnungen ausgestellt. Wären Aufträge nicht erledigt worden, so wäre der Werkvertrag gelöst worden.

Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in weiterer Folge ihrer Begründung "in freier Beweiswürdigung" ein die Versicherungspflicht begründendes Beschäftigungsverhältnis des Erstmitbeteiligten zur beschwerdeführenden Gesellschaft fest. Entscheidend dafür sei, daß sich der Erstmitbeteiligte am Morgen jeden Arbeitstages bei der beschwerdeführenden Gesellschaft habe melden, sowie die Aufträge und die auszuliefernde Ware habe abholen müssen. Sämtliche Ersatzteile und Maschinen habe er von der beschwerdeführenden Gesellschaft erhalten, welche ihm auch einen Servicewagen zur Verfügung gestellt habe. Entgegen der vertraglichen Bestimmung seien ihm auch die Kosten für Übernachtungen, Telefonate, Werkzeuge und sonstige Auslagenersätze vergütet worden. Um jederzeit erreichbar zu sein, habe er ein "Piepserl" mit sich führen müssen. Die im Vertrag angeführte Vertretungsmöglichkeit sei insofern irrelevant, als es unmöglich sei, im gegebenen Fall einen ausgebildeten Elektromechaniker, welcher außerdem eingeschult werden müßte, abrufbereit zur Verfügung zu haben. Darin erblicke die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse lediglich eine Schutzbehauptung, um die Versicherungspflicht zu umgehen. Was die selbständige Erledigung der Aufträge anlange, so müsse jeder Servicetechniker wohl selbständig in der Lage sein, seine Arbeit zu erledigen. Die wirtschaftliche Abhängigkeit sei durch das kostenlose Zurverfügungstellen des Serviceautos, der Maschinen und des notwendigen Werkzeuges sowie der Ersatzteile eindeutig gegeben. Die persönliche Abhängigkeit ergebe sich auch aus der dauernden Arbeitsbereitschaft ("Piepserl"), der täglichen Abholung der Aufträge sowie der daraus resultierenden Eingliederung in den Betriebsorganismus der beschwerdeführenden Gesellschaft.

Die beschwerdeführende Gesellschaft erhob Einspruch. Sie brachte dabei im wesentlichen vor, daß mit dem Erstmitbeteiligten ein Werkvertrag abgeschlossen worden sei. Dabei habe dieser keinerlei fixe Arbeitszeiten vorgegeben bekommen und sei sogar berechtigt gewesen, sich von anderen - selbstverständlich ebenso qualifizierten - Personen vertreten zu lassen. Er sei auch verpflichtet gewesen, im Falle einer Verhinderung zur Erbringung der vereinbarten Leistungen, selbst für eine geeignete Vertretung zu sorgen. Er sei an keine fixe Arbeitszeit gebunden gewesen. Er habe im übrigen neben seiner Tätigkeit aufgrund des Werkvertrages noch andere selbständige Tätigkeiten ausgeübt; deshalb habe er auch mitgeteilt, daß er der Gesellschaft nicht immer zur Verfügung stehen könne. Die von ihm angeführten Überstunden seien nie geleistet worden. Er sei pauschal pro durchgeführtem Service- bzw. Reparatureinsatz, unabhängig vom jeweiligen Zeiteinsatz, entlohnt worden. Da sich seine Tätigkeit auf mehrere Bundesländer erstreckt habe, sei es auch unrichtig, daß er täglich Aufträge von der Firma abgeholt habe. Durch den Einsatz eines "Piepserls" entstehe keine persönliche Abhängigkeit, da ein solches Gerät nur der modernen Kommunikation diene. Durch das kostenlose Zurverfügungstellen eines Serviceautos sowie von notwendigem Werkzeug und Ersatzteilen sei eine wirtschaftliche Abhängigkeit noch nicht eindeutig gegeben.

Mit Bescheid vom 6. Mai 1992 wies der Landeshauptmann den Einspruch als unbegründet ab und bestätigte den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse. Nach Auffassung des Landeshauptmannes seien im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für ein die Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht begründendes Beschäftigungsverhältnis gegeben, da unzweifelhaft eine Eingliederung des Erstmitbeteiligten in den Betriebsorganismus der beschwerdeführenden Gesellschaft gegeben gewesen sei und dessen Unterordnung unter einem Dienstgeberwillen bestanden habe. Dem Erstmitbeteiligten seien Aufträge und Kunden von der beschwerdeführenden Gesellschaft zugeteilt worden. Von dieser habe er auch Ersatzteile, Produkte und Kaffee erhalten, wobei er das Geld bei den Kunden kassiert habe. Ihm sei auch ein Firmenauto zur Verfügung gestellt worden. Übernachtungen auf Dienstfahrten habe die beschwerdeführende Gesellschaft vergütet. Er habe auch ein "Piepserl" bekommen, damit er für die Gesellschaft jederzeit erreichbar sei.

Die beschwerdeführende Gesellschaft erhob Berufung. Darin brachte sie (zusammengefaßt) vor, daß der Erstmitbeteiligte nur einen Teil seiner Arbeitskraft für die Tätigkeiten bei der beschwerdeführenden Gesellschaft verwendet habe. Darüber hinaus sei er im Rahmen eines eigenen Transport- und Botendienstes selbständig erwerbstätig gewesen. Es fehle somit an seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit. Auch habe keine Weisungsgebundenheit bestanden. Der Erstmitbeteiligte sei nicht verpflichtet gewesen, eine bestimmte Anzahl von Serviceleistungen pro Tag durchzuführen oder alle angebotenen Aufträge zu übernehmen. Auch eine persönliche Arbeitspflicht sei vertraglich ausgeschlossen worden. Der Umstand, daß der Erstmitbeteiligte über einen Anrufmelder erreichbar gewesen sei, stelle noch keine Eingliederung in den Betrieb dar. Eine disziplinäre Verantwortlichkeit habe nicht bestanden. Der Erstmitbeteiligte sei ferner nach erbrachter Leistung entlohnt worden. Das Kraftfahrzeug sei ihm aus Gründen der Zweckmäßigkeit gewährt worden und stelle kein Indiz für eine wirtschaftliche Abhängigkeit dar.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid des Landeshauptmannes bestätigt. Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensgeschehens und der anzuwendenden Rechtslage verwies die belangte Behörde auf die in einem ergänzenden Ermittlungsverfahren erfolgten niederschriftlichen Angaben des Werkstättenleiters der beschwerdeführenden Gesellschaft, Gerhard R. Danach sei der Erstmitbeteiligte zwei- bzw. dreimal pro Woche in die Firma gekommen, um sich Aufträge abzuholen. Er habe anläßlich des Vorstellungsgespräches erklärt, einen eigenen Betrieb zu haben, weshalb er daran interessiert sei, lediglich als freier Mitarbeiter bei der beschwerdeführenden Gesellschaft tätig zu sein. Fixe Arbeitszeiten hätten für den Erstmitbeteiligten nicht bestanden. Es sei wesentlich gewesen, daß die Aufträge ordnungsgemäß ausgeführt worden und die Kunden zufrieden gewesen seien. Zu Beginn der Beschäftigung des Erstmitbeteiligten habe es eine Einschulung gegeben. In der Ausübung seiner Tätigkeit sei er völlig frei gewesen. Die Frage einer Vertretung habe sich nie gestellt. Der Erstmitbeteiligte sei der einzige Servicetechniker gewesen, der als freier Mitarbeiter Kunden besucht habe. Die übrigen Techniker seien in den Betriebsorganismus der beschwerdeführenden Gesellschaft eingegliedert gewesen. Für diese Techniker habe eine fixe Arbeitszeit bestanden, deren Einhaltung auch kontrolliert worden sei.

In rechtlicher Hinsicht ging die belangte Behörde davon aus, daß für den Erstmitbeteiligten persönliche Arbeitspflicht bestanden habe: Nach dem zwischen der beschwerdeführenden Gesellschaft und dem Erstmitbeteiligten abgeschlossenen Vertrag hätte dieser zwar die Möglichkeit gehabt, sich bei der Ausübung seiner Tätigkeit durch jemand anderen vertreten zu lassen. Wenn auch die vertragliche Gestaltung der Beschäftigung in die Beurteilung miteinzubeziehen sei, so bleibe doch entscheidend, wie die in Aussicht genommene Beschäftigung konkret ausgeübt worden sei. Nach den Angaben von Gerhard R. habe sich die Frage einer Vertretung im Beschwerdefall nicht gestellt. Der Erstmitbeteiligte habe angegeben, daß eine Vertretung schon deshalb nicht möglich gewesen wäre, da für seine Tätigkeit fachliche Kenntnisse erforderlich seien sowie eine Einschulung durch die betreffende Firma.

Dem Erstmitbeteiligten seien bezüglich der Ausführung seiner Arbeit keinerlei Weisungen erteilt worden. Dies bedeute allerdings nicht, daß er bereits persönlich unabhängig gewesen sei. Im arbeitsbezogenen Verhalten sei aber eine mit den festgestellten Arbeiten, großteils in Abwesenheit des Empfängers der Arbeitsleistung, beschäftigte Person nicht schon dadurch persönlich unabhängig, daß sich aufgrund ihrer Erfahrung und/oder der Natur der zu verrichtenden Arbeiten Weisungen über die Reihenfolge und den näheren Inhalt dieser Arbeit erübrigten, der Beschäftigte somit den Arbeitsablauf selbst bestimme, sofern er nur der stillen Autorität des Empfängers der Arbeitsleistung unterliege. Diese Voraussetzungen seien nach Auffassung der belangten Behörde im Beschwerdefall gegeben, wobei für die persönliche Abhängigkeit des Erstmitbeteiligten auch das "Piepserl" spreche, das er immer bei sich habe tragen müssen, um jederzeit für die Firma erreichbar zu sein.

Bezüglich der Arbeitszeit folge die belangte Behörde den Angaben des Erstmitbeteiligten, da diese dem Zeitraum der Beschäftigung zeitlich näher lägen und seine Angaben exakter seien als die von Gerhard R. Dieser habe angegeben, daß die Arbeitszeit "kein Thema gewesen" sei; wesentlich sei gewesen, daß der Erstmitbeteiligte die Aufträge ordnungsgemäß durchführe. Die für die persönliche Abhängigkeit charakteristische weitgehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung könne auch dann vorliegen, wenn der Beschäftigte etwa aufgrund der Art seiner Beschäftigung zum Teil Beginn und Dauer der täglichen Arbeitszeit weithin selbst bestimmen könne. Die Arbeitszeit eines Servicetechnikers müsse sich von der Tätigkeit eines in den Betrieb integrierten Beschäftigten dadurch unterscheiden, daß der Servicetechniker die Kunden zu Hause aufsuche, seine Arbeitszeit sich somit an der Erreichbarkeit der Kunden orientiere.

Hinsichtlich des gezahlten Entgeltes sei darauf zu verweisen, da dieses in der Regel nicht geeignet sei, als Unterscheidungsmerkmal dafür zu dienen, ob ein abhängiges oder ein unabhängiges Arbeitsverhältnis vorliege. Für ein abhängiges Dienstverhältnis spreche zwar die Bezahlung eines Lohnes nach vorausbestimmten Zeitabschnitten, allerdings könnte auch im Rahmen eines Dienstverhältnisses die Lohnhöhe nach der tatsächlich erbrachten Leistung bestimmt werden, ohne daß dadurch die Rechtsfigur eines Dienstverhältnisses geändert werde.

Die belangte Behörde vertrete daher die Auffassung, daß bei der vom Erstmitbeteiligten für die beschwerdeführende Gesellschaft ausgeübten Tätigkeit ein Überwiegen der Merkmale persönlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen persönlicher Unabhängigkeit vorliege. Daß der Erstmitbeteiligte während der von ihm angegebenen Arbeitszeit nicht ausschließlich für die beschwerdeführende Gesellschaft beschäftigt gewesen sei, schließe seine wirtschaftliche Abhängigkeit von dieser nicht aus, zumal er sämtliche erforderliche Betriebsmittel von dieser zur Verfügung gestellt erhalten habe.

Die belangte Behörde hob schließlich hervor, daß der Erstmitbeteiligte nicht habe ergänzend einvernommen werden können, da er laut Auskunft des Zentralmeldeamtes unbekannt verzogen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Außer der erstmitbeteiligten Partei haben alle andere mitbeteiligten Parteien jeweils eine Gegenschrift erstattet. Schriftsatzaufwand wurde nur von der Wiener Gebietskrankenkasse beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Die Beantwortung der Frage, ob bei der Erfüllung einer übernommenen Arbeitspflicht (also der Beschäftigung) die Merkmale persönlicher Abhängigkeit einer Person vom Arbeitsempfänger gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen, hängt davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen der Beschäftigung (z.B. aufgrund eines Werkvertrages oder eines freien Dienstvertrages) - nur beschränkt ist. Unterscheidungskräftige Kriterien dieser Abgrenzung sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzlich) persönliche Arbeitspflicht, während das Fehlen anderer, im Regelfall freilich auch vorliegender Umstände, wie z. B. die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Arbeitsempfängers, dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt.

Erlaubt allerdings im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit des Beschäftigten in bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit, so können im Rahmen der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamtbildes der Beschäftigung auch an sich nicht unterscheidungskräftige Kriterien von maßgebender Bedeutung sein (vgl.u.a. etwa das Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 92/08/0221, mit Hinweis auf Vorjudikatur).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist daher zu prüfen, ob die belangte Behörde im gegenständlichen Fall zu Recht ein Überwiegen derjenigen Kriterien im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG angenommen hat, die für ein sozialversicherungspflichtiges Dienstverhältnis des Erstmitbeteiligten sprechen.

In der Beschwerde wird dazu im wesentlichen vorgebracht, von einer wirtschaftlichen Abhängigkeit des Erstmitbeteiligten könne schon deshalb nicht gesprochen werden, da dieser, der im Rahmen eines eigenen Transport- und Botendienstes selbständig erwerbstätig gewesen sei, nur einen Teil seiner Arbeitszeit für Tätigkeiten im Unternehmen der beschwerdeführenden Gesellschaft verwendet habe.

Mit diesem Vorbringen verkennt die beschwerdeführende Gesellschaft allerdings das Wesen der wirtschaftlichen Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG. Im Gesetz findet sich nämlich kein Anhaltspunkt dafür, daß die Sozialversicherungspflicht in all jenen Fällen ausgeschlossen wäre, in denen ein Dienstnehmer wegen anderweitiger Einkünfte auf das ihm für seine Dienstleistungen bezahlte Entgelt nicht angewiesen ist. Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Abhängigkeit bleiben nämlich die außerhalb der Erwerbstätigkeit bestehenden Vermögensverhältnisse außer Betracht. Die wirtschaftliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 leg. cit. darf daher nicht mit Lohnabhängigkeit, also mit dem Angewiesensein des Beschäftigten auf das Entgelt zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes, gleichgesetzt werden; sie findet vielmehr ihren Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall für den Betrieb wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel und ist deshalb bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit (vgl. dazu etwa Teschner/Widlar, Allgemeine Sozialversicherung, Ausführungen zu § 4 Abs. 2 ASVG, Anm. 8g).

Im Beschwerdefall kann daher für die Beurteilung der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Erstmitbeteiligten zur beschwerdeführenden Gesellschaft dahinstehen, ob dieser auch im Rahmen eines eigenen Transport- und Botendienstes selbständig erwerbstätig war. Die von der beschwerdeführenden Gesellschaft diesbezüglich beantragte Einvernahme mehrerer Zeugen war somit entbehrlich. Eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Verletzung von Verfahrensvorschriften lag daher nicht vor.

Der beschwerdeführenden Gesellschaft kann auch nicht gefolgt werden, wenn sie die Auffassung vertritt, wegen der Vielzahl der für ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis eher untypischen Merkmale im Zusammenhang mit der eindeutigen Bezeichnung des Vertragsverhältnisses als "Werkvertrag" müsse im Beschwerdefall auch von einem solchen ausgegangen werden.

Bei der Beurteilung der Sozialversicherungspflicht kommt es nicht darauf an, wie das zu beurteilende Beschäftigungsverhältnis von den Vertragsparteien angesehen oder bezeichnet wird, sondern vielmehr auf die inhaltliche Gestaltung dieser Beschäftigung (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 22. Jänner 1991, Zl. 89/08/0349).

Was dabei die Berechtigung des Erstmitbeteiligten anlangt, sich in Ausübung seiner Tätigkeit von anderen, ebenso qualifizierten Personen vertreten zu lassen, so ist darauf zu verweisen, daß die Berechtigung, die übernommene Arbeitspflicht generell durch Dritte verrichten zu lassen oder sich ohne weitere Verständigung des Vertragspartners zur Verrichtung der bedungenen Arbeitsleistung einer Hilfskraft zu bedienen, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die persönliche Abhängigkeit wegen der dadurch fehlenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Verpflichteten ausschließt. Dabei ist es ohne Belang, ob der Beschäftigte von der ihm zustehenden Berechtigung, sich vertreten zu lassen, auch Gebrauch macht (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 3. Juli 1990, Zl. 88/08/0293). Der belangten Behörde kann zwar nicht gefolgt werden, wenn sie die Auffassung vertritt, eine Vertretung sei schon deshalb nicht möglich gewesen, da für die Tätigkeit des Erstmitbeteiligten fachliche Kenntnisse erforderlich gewesen seien. Für die Annahme genereller Vertretungsbefugnis ist nämlich unmaßgeblich, daß der Beschäftigte nur geeignete Dritte als Vertreter stellig machen darf, weil es ja bei der Vertretungsberechtigung immer nur um eine solche in bezug auf eine übernommene Arbeitspflicht und daher um eine Person geht, die in der Lage ist, diese Arbeitspflicht gegenüber dem Empfänger der Arbeitsleistung zu erfüllen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 25. Jänner 1994, VwSlg. 13.987/A, mit weiteren Judikaturhinweisen). Die Auffassung der belangten Behörde, daß der Erstmitbeteiligte einen Vertreter gar nicht habe stellen können, erweist sich aber dennoch als zutreffend, da nach den von der belangten Behörde aufgrund der Angaben des Erstmitbeteiligten getroffenen Feststellungen für die Ausübung einer Vertretungstätigkeit auch eine Einschulung durch das beschwerdeführende Unternehmen unbedingt erforderlich gewesen wäre.

Die für die persönliche Abhängigkeit charakteristische weitgehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung kann unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles auch dann vorliegen, wenn der Beschäftigte aufgrund einer Vereinbarung oder der Betriebsübung oder der Art seiner Beschäftigung Beginn und Dauer der täglichen Arbeitszeit weithin selbst bestimmen kann; ob dem Beschäftigten eine solche Berechtigung aus betrieblichen Gründen oder aus Gründen, die allein in seiner Sphäre liegen, eingeräumt wurde, ist dabei irrelevant. Im übrigen ist in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach sich bei bewährten fachlichen Kenntnissen von Mitarbeitern eine Überwachung der Arbeitsdurchführung bzw. die Erteilung von Weisungen erübrigt, sofern solche Dienstnehmer einer stillen Autorität des Dienstgebers unterliegen (vgl. etwa das die Tätigkeit eines Büromaschinenmechanikers betreffende Erkenntnis vom 25. Mai 1987, Zl. 83/08/0128, mit weiteren Judikaturhinweisen). Dazu kommt im Beschwerdefall, daß der handlungsbevollmächtigte Angestellte der beschwerdeführenden Gesellschaft, Gerhard K., bereits vor der Behörde erster Instanz angegeben hat, daß der Erstmitbeteiligte für dringende Erledigungen über ein "Piepserl" ständig zu erreichen gewesen sei. Darin kommt die - auch tatsächlich gehandhabte - Befugnis des Dienstgebers zur Bestimmung des arbeitsbezogenen Verhaltens des Erstmitbeteiligten klar zum Ausdruck; diese Einflußnahme wiederum stellt nach der Rechtsprechung ein wesentliches, unterscheidungskräftiges Merkmal eines Dienstverhältnisses im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG dar (vgl. auch dazu das bereits genannte Erkenntnis vom 25. Mai 1987).

Keine rechtserhebliche Bedeutung für die Frage der Dienstnehmereigenschaft kommt hingegen der Art der Versteuerung der Einkünfte, der Entrichtung von Umsatzsteuer sowie dem Bestehen einer allfälligen Pflichtversicherung nach dem GSVG zu, weil aus diesen Umständen keine Rückschlüsse auf eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit bei der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit gewonnen werden können (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. Mai 1985, Zlen. 84/08/0070, 85/08/0011).

Die Auffassung der belangten Behörde, daß bei der Beschäftigung des Erstmitbeteiligten die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung einer Erwerbstätigkeit überwogen habe, kann somit nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Aufgrund dieser Erwägungen war die vorliegende Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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