Rechtssatz
Bei Beurteilung der lauterkeitsrechtlichen Vertretbarkeit einer Rechtsansicht durch den Obersten Gerichtshof sind - wie auch im Amtshaftungsrecht - zwei Prüfungsstufen zu unterscheiden: Schon auf der ersten - für die Beurteilung durch die Vorinstanzen nach § 1 UWG maßgebenden - Stufe geht es nur um die Frage nach einer vertretbaren Auslegung der Normen, um die Verwirklichung eines zurechenbaren Rechtsbruchs bejahen oder verneinen zu können. Auf der zweiten - für die zulässige Anfechtung eines Urteils beim Obersten Gerichtshof gemäß § 502 Abs 1 ZPO hinzutretenden - Stufe geht es sodann nicht um die Frage, ob das Berufungsgericht jene Vertretbarkeitsfrage richtig, sondern nur, ob es sie ohne eine krasse Fehlbeurteilung gelöst hat.
Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch
4 Ob 40/09z | OGH | 09.06.2009 |
Beisatz: Dies gilt allerdings nur dann uneingeschränkt, wenn das Gericht zweiter Instanz eine vertretbare Rechtsansicht angenommen hat. Denn in diesem Fall ist die „richtige" Auslegung der angeblich übertretenen Norm unerheblich; entscheidend ist allein, ob das Gericht zweiter Instanz die Vertretbarkeitsfrage in vertretbarer Weise beurteilt hatte. (T1)<br/>Beisatz: Das Rechtsmittel an den OGH ist daher nicht schon bei Fehlen von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur „richtigen" Auslegung der angeblich übertretenen Norm zulässig, sondern nur dann, wenn das Gericht zweiter Instanz seinen Ermessensspielraum bei der Beurteilung der Vertretbarkeitsfrage überschritten hat. (T2)<br/>Beisatz: Anders ist die Rechtslage, wenn das Gericht zweiter Instanz eine unvertretbare Rechtsansicht des Beklagten angenommen hat. Denn dies setzt zwingend voraus, dass der Beklagte objektiv gegen eine im konkreten Fall anwendbare Norm verstoßen hat; nur eine unrichtige Auslegung kann auch unvertretbar sein. (T3) |
4 Ob 70/09m | OGH | 19.11.2009 |
Vgl auch; Beisatz: Hier: Schüleraustauschprogramme mit mehrtägigen Aufenthalten in New York oder London in concreto keine Pauschalreise iSd Art 2 RL 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen. (T5)<br/>Beisatz: Unter Verweis auf EuGH C-237/97 . (T6) |
4 Ob 17/10v | OGH | 11.03.2010 |
Vgl auch; Beis ähnlich wie T3; Beisatz: Hier elektronische Lotterie iSv § 12a GSpG. (T7) |
4 Ob 155/10p | OGH | 05.10.2010 |
Vgl; Beis wie T8; Beisatz: Hier: Gesundheitsrisiko nach SV‑Gutachten festgestellt. (T9) |
4 Ob 1/12v | OGH | 28.02.2012 |
Vgl auch; Beis wie T2; Beisatz: Halten die Vorinstanzen die Auslegung einer Vorschrift für richtig, impliziert dies die Vertretbarkeit dieser Ansicht im Sinne der Judikatur zum Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch nach § 1 UWG. (T12)<br/>Beisatz: Hier: § 1 Satz 1 BuchpreisbindungsG. (T13) |
4 Ob 209/12g | OGH | 17.12.2012 |
Vgl auch; Beis ähnlich wie T1; Beis ähnlich wie T2; Beisatz: Hier: Konzessionspflicht nach dem Kraftfahrliniengesetz ‑ KflG. (T14) |
4 Ob 57/13f | OGH | 27.08.2013 |
Vgl auch; Gegenteilig Beis wie T12; Bem: Änderung der Rechtsprechung zum BPrBG. (T15)<br/>Beisatz: Bei Verstößen gegen das BPrBG kommt eine Einordnung in die Fallgruppe „Wettbewerbsvorspruch durch Rechtsbruch“ nicht in Betracht. Es kommt daher nicht auf die Vertretbarkeit der Rechtsansicht an. Zu prüfen ist, ob ein Verstoß vorliegt. (T16) |
4 Ob 193/15h | OGH | 17.11.2015 |
Auch; Beisatz: Hier: Auslegung eines Feststellungsbescheids. (T19) |
4 Ob 180/20d | OGH | 23.02.2021 |
Beis wie T12; Beisatz: Argumentiert ein Rechtsmittel nur dazu, dass die fragliche Norm von den Vorinstanzen falsch ausgelegt worden sei, ohne die Unvertretbarkeit der Rechtsansicht der Beklagten und deren Beurteilung durch das Gericht zweiter Instanz überhaupt zu behaupten, zeigt es schon deswegen keine erhebliche Rechtsfrage auf. (T20) |
Dokumentnummer
JJR_20080826_OGH0002_0040OB00118_08V0000_001
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