OGH 4Ob209/12g

OGH4Ob209/12g17.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Josef Pfurtscheller und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ivo Greiter und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unterlassung und Beseitigung, Feststellung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 36.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 2. Oktober 2012, GZ 2 R 136/12k-18, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß

§§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. In der Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch“ ist nur die Vertretbarkeit, nicht die Richtigkeit der dem beanstandeten Verhalten zugrunde liegenden Rechtsauffassung zu prüfen.

2.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinne zuzuordnende generelle Norm als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht (RIS-Justiz RS0123239).

2.2. Maßgebend für die Beurteilung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung sind der eindeutige Wortlaut und Zweck der angeblich übertretenen Norm sowie gegebenenfalls die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und eine beständige Praxis von Verwaltungsbehörden (4 Ob 67/11y mwN; RIS-Justiz RS0077771 [T76]).

2.3. Hat das Gericht zweiter Instanz eine vertretbare Rechtsansicht angenommen, ist die „richtige“ Auslegung der angeblich übertretenen Norm unerheblich; entscheidend ist allein, ob das Gericht zweiter Instanz die Vertretbarkeitsfrage in vertretbarer Weise beurteilt hatte. Das Fehlen von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur „richtigen“ Auslegung der angeblich übertretenen Norm schadet daher nicht; das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof ist aus diesem Grund nur dann zulässig, wenn das Gericht zweiter Instanz seinen Ermessensspielraum bei der Beurteilung der Vertretbarkeitsfrage überschritten hat. Das ist im Regelfall nur bei einer „krassen“ Fehlbeurteilung anzunehmen (4 Ob 40/09z; vgl RIS-Justiz RS0124004 [T2]). Eine solche ist dem Rekursgericht im Anlassfall allerdings nicht vorzuwerfen.

3.1. Der Kraftfahrlinienverkehr ist ungeachtet einer etwaigen Verpflichtung zur Buchung für jedermann zugänglich (§ 1 Abs 1 zweiter Satz Kraftfahrliniengesetz - KflG).

3.2. Dem Begriff „jedermann“ in § 1 Abs 1 zweiter Satz KflG idF der KflG-Novelle 1992 ist das Verständnis zuzuordnen, dass ein Kraftfahrlinienverkehr nur dann betrieben wird, wenn er für jedermann ohne Einschränkung auf eine bestimmte Benützergruppe zugänglich ist (VwGH 97/03/0024 und 2000/03/0183).

3.3. Die Definition für Kraftfahrlinienverkehr umfasst für den innerstaatlichen Verkehr gemäß § 1 Abs 1 zweiter Satz KflG nicht die in unionsrechtlichen Normen genannten Sonderformen des Linienverkehrs, die die Beförderung bestimmter Kategorien von Fahrgästen unter Ausschluss anderer Fahrgäste vorsehen (vgl VwGH 97/03/0024).

4. Das Rekursgericht hat die Rechtsauffassung der Beklagten aufgrund der einschlägigen gesetzlichen Bestimmung und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs für vertretbar erachtet, eine entgeltliche Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen unterliege dann nicht der Konzessionspflicht nach den Bestimmungen des KflG, wenn es sich um den Transport eingeschränkt auf solche Personen handle, die entweder über einen Schi-Pass für ein bestimmtes Schigebiet der Vertragspartnerin der Beklagten verfügen oder Nächtigungsgast in einem Beherbergungsbetrieb einer bestimmten Gemeinde seien. Es hat mit dieser Beurteilung den ihm in dieser Frage eingeräumten Ermessensspielraum nicht überschritten.

5. Von der im Rechtsmittel weiter aufgeworfenen Frage, ob der Schibusbetrieb der Beklagten ein „Sonderlinienverkehr“ iSd VO (EWG) 684/92 ist und welche Abgrenzungskriterien gegenüber dem Linienverkehr bestehen, hängt die Entscheidung nicht ab, weil die Beklagte das beanstandete Verhalten nicht im grenzüberschreitenden Personenverkehr mit Kraftomnibussen gesetzt hat.

6. Die Entscheidung 4 Ob 59/89 vom 11. 7. 1989 ist nicht einschlägig, weil es dort um die Reichweite der Befugnisse für das Ausflugswagen- und das Taxi-Gewerbe nach § 3 Abs 1 Z 1 und 3 GelVerkG ging.

Stichworte