OGH 4Ob118/08v

OGH4Ob118/08v26.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin Dr. Schenk sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei „J*****"*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Walter Müller, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. Ernst K*****, 2. Mag. Markus A*****, beide vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert 65.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 5.000 EUR), infolge Revisionen der klagenden Partei und der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 7. März 2008, GZ 4 R 239/06d-37, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 28. September 2006, GZ 15 Cg 38/05i-20, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beide Revisionen werden zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 2.186,07 EUR (darin 364,34 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 1.537,66 EUR (darin 256,27 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind unzulässig. Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof (OGH) nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab. Dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Bestimmungen des Verwaltungsrechts fehlt, deren Verletzung einem Mitbewerber vorgeworfen wird, begründet für sich allein noch keine erhebliche Rechtsfrage (4 Ob 34/08s).

I. Zur Revision der Klägerin

1. Zu Unrecht unterstellt die Revision dem Berufungsgericht, es habe eine gewerbebehördliche Bewilligung als Voraussetzung der Errichtung der geänderten Betriebsanlage für erforderlich gehalten. Tragendes Argument der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts betreffend die geltend gemachten Verstöße gegen gewerberechtliche Bestimmungen ist - neben dem Fehlen eines spürbaren Wettbewerbsvorteils - vielmehr, dass ein haftungsbegründender Rechtsbruch nicht vorliege, weil die Durchführung der hier maßgebenden Änderungen im Zuge der Errichtung der geänderten Betriebsanlage (ausgenommen allenfalls die Fassadenbeleuchtung) von einer gewerbebehördlichen Bewilligung nicht abhängig sei; selbst eine Genehmigungspflicht der Fassadenbeleuchtung wäre einer Fortführung der Errichtung, einer Überlassung von Geschäftsräumen an Mieter und einer Inbetriebnahme der geänderten Betriebsanlage am 2. 9. 2004 (vier Tage vor der gewerbebehördlichen Genehmigung) nicht im Weg gestanden.

2.1. An der Rechtsprechung des Senats zur Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch" hat sich durch die UWG-Novelle 2007 im Kern nichts geändert (4 Ob 225/07b mwN; 4 Ob 34/08s): Ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm ist (nur) dann als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG idgF zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht.

2.2. Bei Beurteilung der lauterkeitsrechtlichen Vertretbarkeit einer Rechtsansicht durch den Obersten Gerichtshof kann wegen vergleichbarer Sachlage die Rechtsprechung zum Amtshaftungsrecht (siehe dazu Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 Rz 66 mN) fruchtbar gemacht werden, bei der zwei Prüfungsstufen zu unterscheiden sind: Schon auf der ersten - für die Beurteilung durch die Vorinstanzen nach § 1 UWG maßgebenden - Stufe geht es nur um die Frage nach einer vertretbaren Auslegung der (hier: gewerberechtlichen) Normen, um die Verwirklichung eines zurechenbaren Rechtsbruchs bejahen oder verneinen zu können. Auf der zweiten - für die zulässige Anfechtung eines Urteils beim Obersten Gerichtshof gemäß § 502 Abs 1 ZPO hinzutretenden - Stufe geht es sodann nicht um die Frage, ob das Berufungsgericht jene Vertretbarkeitsfrage richtig, sondern nur, ob es sie ohne eine krasse Fehlbeurteilung gelöst hat.

2.3. Der vorliegende rechtskräftige gewerbebehördliche Ursprungskonsens vom 17. 10. 2003 (Beil ./2) betraf die Änderung eines bestehenden eingeschoßigen Lebensmittelmarkts durch Errichtung und Betrieb eines mehrgeschoßigen Einkaufszentrums. Das nunmehr gegenständliche Änderungsverfahren wurde ausgelöst durch die Anbindung des Einkaufszentrums an eine öffentliche Straßenbahn und durch verschiedene Wünsche zukünftiger Mieter. Die Änderungen betrafen vor allem die bautechnische Gestaltung der Gesamtanlage (vgl dazu die Auflistung durch die Kläger im Schriftsatz vom 7. 4. 2005, ON 6, S 3: Umstellung des Fluchtwegsystems von Außen- auf Innenstiegen, Einbau von Aufzügen und Rolltreppen, Umbau von Dachflächen zu Räumen uä), während etwa die verkehrstechnische Erschließung, die tatsächliche Verkaufsfläche und die genehmigten Betriebszeiten unverändert blieben (gewerbebehördlicher Genehmigungsbescheid vom 6. 9. 2004, Beil ./F S 3). Ausgangspunkt eines gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahrens ist die Eignung einer gewerblichen Betriebsanlage, durch das zur dort entfalteten gewerblichen Tätigkeit gehörende Geschehen dort tätige Personen, Kunden oder Nachbarn zu gefährden, zu belästigen, zu beeinträchtigen oder auf diese nachteilig einzuwirken (vgl § 74 Abs 2 GewO; s etwa zu Nachbarn VwGH 8. 10. 1996, 94/04/0191; VwGH 25. 11. 1997, 95/04/0123). Änderungen einer genehmigten Anlage sind gem § 81 Abs 1 GewO nur unter der Voraussetzung genehmigungspflichtig, dass sie nachteilige Einwirkungen iSd § 74 Abs 2 GewO zu verursachen geeignet sind.

Berücksichtigt man, dass der verfahrensgegenständliche Umbau überwiegend bautechnische Änderungen eines bereits gewerbebehördlich genehmigten Einkaufszentrums bei unveränderter verkehrstechnischer Erschließung, gleicher Verkaufsfläche und Betriebszeit sowie gleichem Betriebsgegenstand umfasste, so ist die Beurteilung durch das Berufungsgericht jedenfalls nicht krass und auf der Hand liegend verfehlt. Danach durften die Beklagten - ex ante - mit guten Gründen der Auffassung sein, die verfahrensgegenständlichen Änderungen berührten - ausgenommen allenfalls die Fassadenbeleuchtung - keine in einem gewerbebehördlichen Verfahren zu berücksichtigenden immissionsrechtlichen Interessen und seien vom bestehenden rechtskräftigen gewerbebehördlichen Ursprungskonsens gedeckt. Zutreffend verweist das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auf die Feststellung der Gewerbebehörde, dass die - bewilligten - Änderungen keine Verschlechterung in Ansehung der Schall- und Schadstoffimmissionen gegenüber dem Ursprungskonsens bewirken und dass die Projektänderungen zwar zahlreich, zum Teil aber nur geringfügig und für die Beurteilung der Schutzinteressen iSd § 74 Abs 2 GewO nicht maßgeblich sind (gewerbebehördlicher Genehmigungsbescheid vom 6. 9. 2004, Beil. /F S 30). Dass die Gewerbebehörde - ex post - letztlich doch von einer Genehmigungspflicht der Änderungen ausgegangen ist (wie die im Genehmigungsbescheid ausgesprochenen Auflagen beweisen), spielt für die im Rahmen der Zulässigkeit des Rechtsmittels zu lösende Vertretbarkeitsfrage (zuvor Punkt 2.2.) keine Rolle. Vertretbar ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, dass sich die Durchführung eines gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahrens betreffend die Fassadenbeleuchtung nicht verzögernd auf die Errichtung der baulichen Änderungen, die Überlassung von Geschäftsräumen an Mieter und die Inbetriebnahme der geänderten Betriebsanlage (allenfalls ohne Fassadenbeleuchtung) ausgewirkt hätte.

3. Beruht demnach die Beurteilung des Verhaltens der Beklagten nach dem Gewerberecht als vertretbar nicht auf einer krassen Fehlbeurteilung, wird die Frage nach der lauterkeitsrechtlichen Spürbarkeit eines den Beklagten zurechenbaren Rechtsbruchs nicht mehr aufgeworfen. Auf die in diesem Zusammenhang gemachten Ausführungen im Rechtsmittel zu fehlendem Vorbringen und einem Erörterungsmangel muss deshalb nicht weiter eingegangen werden.

II. Zur Revision der Beklagten

1.1. Unbegründet ist der Vorwurf der Beklagten, das Berufungsgericht habe sich nicht ausreichend mit dem Einwand des Rechtsmissbrauchs befasst.

1.2. Ob Rechtsmissbrauch vorliegt, ist eine nach den Umständen des Einzelfalls zu klärende Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0110900). Die nach den Erwägungen unter I. nur mehr für den baurechtlichen Teil der Einwendungen maßgebende Beurteilung des Berufungsgerichts beruht auf den Leitlinien des in diesem Verfahren ergangenen Aufhebungsbeschlusses 4 Ob 114/07d; dass sie nach den Umständen dieses Falls krass unrichtig angewendet worden wären, ist nicht zu erkennen.

2. Nach den Feststellungen wurden nach der Oö Bauordnung genehmigungspflichtige Änderungen noch vor Rechtskraft des Genehmigungsbescheids herbeigeführt; der durch diesen Gesetzesverstoß bewirkte Wettbewerbsvorteil rechtfertigt das lauterkeitsrechtliche Unterlassungsgebot, ohne dass es weiterer Feststellungen bedürfte, welche konkreten Bauarbeiten durchgeführt worden sind.

3. Die Beklagten sind als Prokuristen jener Gesellschaft, die das streitverfangene Bauvorhaben verwirklicht hat, Adressaten des Unterlassungsgebots (vgl RIS-Justiz RS0079743). Dessen Formulierung kommt keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zu. Bei der Fassung des Unterlassungsgebots ist immer auf die Umstände des einzelnen Falls abzustellen (RIS-Justiz RS0037671 [T1]).

4. Die Klägerin hat am 3. 8. 2004 vom Verstoß gegen die Bauordnung erfahren; ihre am 11. 1. 2005, also innerhalb der Frist des § 20 UWG, überreichte Klage ist nicht verjährt.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Die Streitteile haben in ihren Revisionsbeantwortungen jeweils auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Gegenseite hingewiesen, weshalb ihre Schriftsätze der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw -verteidigung dienten. Bei der Bemessungsgrundlage ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin mit einem von drei gleichwertigen Teilbegehren obsiegt hat.

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