Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.655,08 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens über den Revisionsrekurs (darin 609,18 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Beklagte betreibt Einkaufszentren. Im Rahmen einer „Treuepunkteaktion“ bot sie ihren Kunden Küchengeräte zu Preisen an, die bis zu 87 % unter dem jeweiligen Marktpreis lagen. Die Ersparnis betrug im Höchstfall 20 EUR. Der klagende Verband beanstandet dies als eine durch einen Scheinpreis verschleierte Zugabe, als unzulässiges Vorspannangebot und als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Verkauf unter dem Einstandspreis.
Die Vorinstanzen wiesen den mit der Klage verbundenen Sicherungsantrag ab. Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung zu, dass noch keine Rechtsprechung zur Beurteilung von Vorspannangeboten nach neuem Recht vorliege.
Mit Beschluss vom 24. Februar 2009 (4 Ob 211/08w = ÖBl 2009, 100 [Gamerith] - Treuepunkteaktion) unterbrach der Senat das Verfahren über den Revisionsrekurs des klagenden Verbands bis zur Erledigung des zu 4 Ob 154/08p (= ÖBl 2009, 77 - Fußballer des Jahres II) gestellten Vorabentscheidungsersuchens. Nach Vorliegen der Entscheidung des EuGH (Rs C-540/08 , Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag, MR 2010, 347) beantragt die Beklagte die Fortsetzung des Verfahrens.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs erweist sich als nicht zulässig.
1. Zwar wäre nach der älteren Rechtsprechung zumindest bei einzelnen Angeboten der Beklagten ein Scheinpreis und damit eine nach § 9a Abs 1 Z 1 UWG unzulässige Zugabe vorgelegen (4 Ob 211/08w mwN). Aufgrund der Entscheidung des EuGH im Verfahren C-540/08 ist diese Bestimmung, wie der Senat in 4 Ob 208/10g ausführlich dargelegt hat, nun aber einschränkend auszulegen. Das Ankündigen von Zugaben gegenüber Verbrauchern ist nur mehr dann unzulässig, wenn es im Einzelfall irreführend, aggressiv oder sonst unlauter ist.
2. Eine aggressive Geschäftspraktik könnte, wie der Senat schon im Vorabentscheidungsersuchen (4 Ob 154/08p) dargelegt hat, nur angenommen werden, wenn eine Zugabe aufgrund ihres (tatsächlichen oder angenommenen) Wertes einen so hohen Anlockeffekt ausübte, dass sie auch für einen sonst aufmerksamen und kritischen Verbraucher - unter Ausschaltung rationaler Erwägungen - zum alleinigen Grund für den Erwerb der Hauptware würde. Insofern liegt daher bereits Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor. Von einer solchen Ausschaltung rationaler Erwägungen kann bei einer Ersparnis von höchstens 20 EUR, die noch dazu durch den Erwerb von Treuepunkten, also idR im Zuge mehrerer Einkäufe, „verdient“ werden muss, keine Rede sein.
3. Wenn schon eine unentgeltliche Zugabe zulässig wäre, muss gleiches umso mehr für ein entgeltliches - wenngleich günstiges - Koppelungsangebot (Vorspannangebot) gelten. Auch nach der Rechtsprechung vor der UWG-Novelle 2007 war ein solches Angebot nur dann zu beanstanden, wenn der dadurch hervorgerufene (übersteigerte) Kaufanreiz geeignet war, Verbraucher ohne sachliche Begründung zum Kauf der angebotenen Hauptware zu bewegen (RIS-Justiz RS0077800; zuletzt etwa 4 Ob 227/98f = ÖBl 1999, 95 - PKW-Jahres-Vignette). Weshalb diese Frage nach neuem Recht anders beurteilt werden sollte, zeigt der Revisionsrekurs nicht auf.
4. Der behauptete Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung wäre nur dann eine unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG, wenn er auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruhte (4 Ob 60/09s = jusIT 2009, 181 [Staudegger] = ecolex 2009, 1071 [Tonninger] = ÖBl 2010, 64 [Gamerith] - Rechtsanwaltssoftware; RIS-Justiz RS0124957). Das Rekursgericht hat diese Frage im Ergebnis in vertretbarer Weise verneint (RIS-Justiz RS0124004). Der klagende Verband stützt sich allein darauf, dass die Beklagte die Küchengeräte unter ihrem Einstandspreis verkauft habe (§ 5 Abs 1 Z 5 KartG 2005). Das trifft zwar bei isolierter Betrachtung zu. Allerdings war der Erwerb der Geräte an den vorherigen Kauf anderer Ware geknüpft („Treuepunkteaktion“). Hätte die Beklagte die Geräte unentgeltlich - also als Zugabe ieS - abgegeben, so hätte sie, Marktbeherrschung vorausgesetzt, nur dann gegen das Verbot des Verkaufs unter dem Einstandspreis verstoßen, wenn der Wert der Zugabe den Preis der Hauptware unter deren Einstandspreis gedrückt hätte (4 Ob 23/08y = SZ 2008/44 = OZK 2008, 137 [Gruber] - Tageszeitung Ö). Damit konnte die Beklagte in vertretbarer Weise annehmen, dass eine solche Gesamtbetrachtung auch dann anzustellen ist, wenn die Nebenware zwar nicht unentgeltlich, aber (bei isolierter Betrachtung) unter ihrem Einstandspreis abgegeben wird. Ein Verstoß gegen § 5 Abs 1 Z 5 KartG 2005 läge nach dieser Auffassung nur vor, wenn die Unterdeckung bei der Nebenware nicht durch die Gewinnspanne bei der Hauptware ausgeglichen würde. Dass dies hier zugetroffen hätte, hat der klagende Verband nicht behauptet. Ob aus anderen Gründen ein - lauterkeitsrechtlich relevanter - Verstoß gegen das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung vorliegen könnte, ist mangels entsprechenden Vorbringens nicht zu entscheiden. Unerheblich ist damit auch die vom Rekursgericht verneinte Frage, ob überhaupt eine Marktbeherrschung vorliegt.
5. Bei der Beurteilung, ob eine erhebliche Rechtsfrage vorliegt, ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof abzustellen (RIS-Justiz RS0112921, RS0112769). Wegen der inzwischen erfolgten Klärung der unionsrechtlichen Schranken des Zugabenverbots ist das nicht mehr der Fall. Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte konnte bei Einbringen der Revisionsrekursbeantwortung die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht erkennen, weil die Vorabentscheidung des EuGH und die Folgeentscheidung des Obersten Gerichtshofs zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorlagen. Der fehlende Hinweis auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses schadet daher nicht (RIS-Justiz RS0123861). Die Äußerung zur beabsichtigten Unterbrechung, die Bekanntgabe des Vollmachtwechsels und der Fortsetzungsantrag waren zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich.
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