OGH 4Ob15/09y

OGH4Ob15/09y24.3.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Johann H*****, 2. Franz K*****, 3. Wolfgang P*****, 4. Gerhard S*****, 5. Siegfried K*****, alle vertreten durch Dr. Wolfgang Berger, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Anton G*****, vertreten durch Dr. Herbert Pflanzl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 25.000 EUR), infolge Revisionsrekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 17. Dezember 2008, GZ 4 R 226/08w-12, womit der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 3. November 2008, GZ 10 Cg 197/08s-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 1.836,90 EUR (darin 306,21 EUR USt und 1,80 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Streitteile sind als Schischulbetreiber Mitbewerber. Das Schischulbüro des Beklagten befindet sich in einer Blockhütte, die angrenzend an die Parkplatzfläche der Talstation der Gondelbahn aufgestellt ist und die der Beklagte von der A***** Bergbahnen AG (in der Folge: Liegenschaftseigentümerin) angemietet hat. Für diese Blockhütte erteilte die zuständige Gemeinde der Liegenschaftseigentümerin eine bis 31. 8. 2000 befristete baupolizeiliche Bewilligung (Bescheid vom 22. 8. 1995); das Land Salzburg erteilte eine eisenbahnbehördliche Baugenehmigung (Bescheid vom 10. 3. 1997) mit der Begründung, die Liegenschaftseigentümerin beabsichtige, die bisher zur Lagerung von Material verwendete Hütte auch als Informationsbüro zu nutzen, weshalb das Objekt zur Eisenbahnanlage werde.

Mit Schreiben vom 12. 11. 1999 teilte das Land Salzburg der betreffenden Gemeinde mit, dass die Blockhütte offensichtlich nicht mehr als Eisenbahnanlage im Sinn des § 10 EisbG 1957 verwendet werde, und ersuchte diese als nunmehr wieder zuständige Behörde, allenfalls nach eigener Überprüfung eine Rückwidmung des Objekts zur Kenntnis zu nehmen und allfällige weitere Veranlassungen zu treffen. Die Gemeinde trug daraufhin der Liegenschaftseigentümerin auf, die Blockhütte bis spätestens 30. 1. 2000 zu räumen und alle Schischulwerbetafeln zu entfernen (Bescheid vom 3. 1. 2000) und forderte sie auf, die Hütte ehestmöglich zu entfernen (Bescheid vom 4. 10. 2000). Mit Schreiben vom 17. 1. 2000 sprach die Liegenschaftseigentümerin die vorzeitige Aufhebung des Mietverhältnisses gegenüber dem Beklagten aus und forderte ihn auf, die Blockhütte bis zum 1. 2. 2000 geräumt zu übergeben. Die Liegenschaftseigentümerin transportierte die Blockhütte am 13. 11. 2000 in einem Stück von ihrem Aufstellungsort ab. Nach einer Einigung zwischen der Liegenschaftseigentümerin und dem Beklagten stellte der Beklagte die Hütte auf ihrem alten Standort neuerlich auf; sie dient ihm seit Beginn der Wintersaison 2006/2007 wieder als Schischulbüro. Am 16. 11. 2006 erließ die Gemeinde gegenüber dem Beklagten einen Bescheid, in dem ihm eine Übertretung des Salzburger Baupolizeigesetzes durch Aufstellen einer Blockhütte ohne baubehördliche Bewilligung vorgeworfen und zugleich aufgetragen wird, das Bauwerk bis spätestens 15. 12. 2006 zu entfernen. Gegen diesen Bescheid erhob der Beklagte rechtzeitig Berufung. Unstrittig ist auch, dass der Beklagte Ende 2006 eine seilbahnrechtliche Baugenehmigung für einen Schischulschlepplift beantragt hat, wobei die Blockhütte Teil dieses Projekts ist; das Verfahren über diesen Antrag ist anhängig. Die Kläger beantragten, dem Beklagten zu verbieten, in der näher beschriebenen Blockhütte ein Schischulbüro zu betreiben, solange für die Errichtung und Benützung dieser Blockhütte als Schischulbüro keine behördliche Genehmigung vorliege. Der Beklagte habe die Blockhütte ohne baubehördliche Genehmigung errichtet. Die 1997 erteilte eisenbahnrechtliche Baugenehmigung sei mit Beseitigung der Blockhütte im November 2000 erloschen. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach der Baukonsens mit der Abtragung des Objekts untergehe. Der Beklagte leiste dem gegen ihn ergangenen Beseitigungsauftrag nicht Folge, setze sich auf diese Weise bewusst über ein Gesetz hinweg, um sich im Wettbewerb einen Vorsprung gegenüber Mitbewerbern zu verschaffen, und verstoße damit gegen § 1 UWG. Aufgrund des Abbruchauftrags und des gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahrens sei der Rechtsbruch dem Beklagten auch vorwerfbar.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung sei trotz rechtswidrigen Entfernens der Blockhütte durch die Liegenschaftseigentümerin nicht erloschen, weil dieselbe Hütte am ursprünglichen Standort unzerstört wieder aufgestellt worden sei.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die Auffassung des Beklagten, die eisenbahnbehördliche Baugenehmigung bestehe unter den hier vorliegenden Umständen weiterhin, sei eine vertretbare Rechtsansicht; ob sie auch zutreffend sei, müsse im Lauterkeitsverfahren nicht geprüft werden.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage zulässig sei, ob eine Rechtsansicht vertretbar im Sinne des § 1 UWG sei, wenn Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (nur) zu einer ähnlichen Materie vorliege. Fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Zulässigkeit eines bestimmten Verhaltens, sei die Rechtsauffassung der zuständigen Verwaltungsbehörde und die jeweilige Verwaltungspraxis heranzuziehen. Zwar liege im Anlassfall die Rechtsmeinung der Baubehörde erster Instanz und der Strafbaubehörde erster und zweiter Instanz bereits vor; für die Genehmigung einer eisenbahnrechtlichen Baubewilligung sei jedoch in erster Instanz der Landeshauptmann des jeweiligen Bundeslands zuständig (§ 12 Abs 2 Z 3 EisbG 1957); dessen Rechtsmeinung sei nicht bekannt. Auch habe der Verwaltungsgerichtshof noch nicht zur Frage Stellung genommen, ob der zu den Bauordnungen ergangene Rechtssatz, dass die Abtragung eines Gebäudes zum Erlöschen der Baubewilligung führe, auch auf eisenbahnrechtliche Baubewilligungen anzuwenden sei. Eine solche Analogie ergebe sich nicht zwangsläufig, weil eisenbahnrechtliche Baugenehmigungen unter anderen Gesichtspunkten als herkömmliche Baubewilligungen zu erteilen seien. Zu bedenken sei, dass die Holzhütte - ohne zerstört oder abgetragen worden zu sein - in einem Stück entfernt und sodann im selben Zustand wieder am selben Standort aufgestellt worden sei. Deshalb sei die Rechtsansicht des Beklagten vertretbar, dass die eisenbahnrechtliche Baubewilligung nach wie vor aufrecht sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig; entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) - Ausspruch des Rekursgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO ab.

1. Bei Beurteilung der lauterkeitsrechtlichen Vertretbarkeit einer Rechtsansicht durch den Obersten Gerichtshof sind - wie auch im Amtshaftungsrecht - zwei Prüfungsstufen zu unterscheiden: Schon auf der ersten - für die Beurteilung durch die Vorinstanzen nach § 1 UWG maßgebenden - Stufe geht es nur um die Frage nach einer vertretbaren Auslegung der Normen, um die Verwirklichung eines zurechenbaren Rechtsbruchs bejahen oder verneinen zu können. Auf der zweiten - für die zulässige Anfechtung einer Entscheidung beim Obersten Gerichtshof hinzutretenden - Stufe geht es sodann nicht um die Frage, ob das Gericht zweiter Instanz jene Vertretbarkeitsfrage richtig, sondern nur, ob es sie ohne eine krasse Fehlbeurteilung gelöst hat (4 Ob 118/08v = RIS-Justiz RS0124004).

2. Die Vertretbarkeit einer Rechtsansicht ist aufgrund des Wortlauts und des offenkundigen Zwecks der angeblich verletzten Normen des Verwaltungsrechts und der dazu ergangenen Entscheidungen der zuständigen Behörden und Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zu beurteilen (RIS-Justiz RS0077771 [T74]).

3.1. Die Zulässigkeitsbeschwerde beruft sich auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu den Baugesetzen der Länder, die die Rechtsmeinung des Beklagten unvertretbar erscheinen lasse.

3.2. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt zu den Baugesetzen der Länder in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass die Abtragung eines Objekts den Untergang der Baubewilligung zur Folge hat und eine Neuerrichtung dieses Objekts einer neuen Baubewilligung bedarf (VwGH 91/06/0080; 92/06/0139 uva) und dass mit dem Abbruch wesentlicher Teile eines alten Gebäudes (einer alten baulichen Anlage) jedenfalls eine allenfalls bis dahin bestehende Baubewilligung untergeht (VwGH 92/06/0139).

3.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber auch darauf hingewiesen, dass eine eisenbahnrechtliche Baubewilligung keine Baubewilligung nach dem (in casu: Steiermärkischen) Baugesetz ist (mit ausführlichen Erläuterungen zur verfassungsrechtlichen Kompetenzsituation: VwGH 2002/17/0035) und dass die Erteilung einer Bewilligung nach der Bauordnung (oder dem Baugesetz) des betreffenden Landes von der Erteilung einer Bewilligung nach Eisenbahnrecht zu unterscheiden ist. Baubewilligungen für Bauvorhaben im Gefährdungsbereich einer Bahn sind unabhängig davon erforderlich, ob die Baulichkeiten auf einem Eisenbahngrundstück errichtet werden; die eisenbahnrechtliche Ausnahmegenehmigung ersetzt die Baubewilligung nicht (VwGH 1863/68).

3.4. Im Anlassfall wurde das in Frage stehende Blockhaus nicht abgebrochen, sondern unzerstört von seinem Bauplatz abtransportiert, zwischengelagert und später an derselben Stelle unverändert wieder aufgestellt. Ob unter diesen Umständen die ursprünglich erteilte eisenbahnrechtliche Baubewilligung erloschen ist, wurde in der Rechtsprechung des zuständigen Gerichtshofs des öffentlichen Rechts - soweit überblickbar - noch nicht beantwortet und kann auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit aus Grundsätzen der Rechtsprechung dieses Gerichtshofs erschlossen werden, weil diese Frage auch nach den Baugesetzen der Länder noch nicht beantwortet wurde und eine eisenbahnrechtliche Baubewilligung einer Baubewilligung nach dem anzuwendenden Baugesetz nicht gleichgehalten werden kann.

3.5. Es fehlt demnach Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt. Dass Wortlaut und offenkundiger Zweck der angeblich verletzten Normen des Verwaltungsrechts gegen die Auffassung des Beklagten sprechen, dass die eisenbahnrechtliche Baubewilligung durch die kurzzeitige Dislozierung des Blockhauses nicht untergegangen sei, wurde weder geltend gemacht, noch ist solches erkennbar. Unter diesen Umständen hat das Berufungsgericht die Vertretbarkeitsfrage ohne eine krasse Fehlbeurteilung gelöst.

4.1. Soweit die Rechtsmittelwerber geltend machen, es stehe nicht fest, dass die behördlichen (Räumungs-)Aufträge vom 3. 1. 2000 und 4. 10. 2000 beeinsprucht worden seien, sind sie darauf zu verweisen, dass diese Aufträge nicht an den Beklagten, sondern an die Liegenschaftseigentümerin gerichtet waren und deshalb keine den Beklagten unmittelbar verpflichtende Rechtslage herbeiführen konnten.

4.2. Der gegenüber dem Beklagten erlassene Abtragungsbescheid vom 15. 12. 2006 ist hingegen infolge Berufung des Beklagten nicht rechtskräftig; dass er einer ständigen Verwaltungspraxis in vergleichbaren Fällen entspräche und deshalb der Vertretbarkeit der Auffassung des Beklagten entgegenstehe (vgl RIS-Justiz RS0077771 [T51]), haben die Kläger nicht behauptet. Dass die Verwaltungsbehörde erster Instanz eine erstmals an sie herangetragene Rechtsfrage anders beurteilt als der Beklagte, führt nicht automatisch dazu, dass eine andere Rechtsansicht von vornherein unvertretbar sein musste (vgl auch 4 Ob 105/08g). Die im Rechtsmittel zitierte Entscheidung 4 Ob 49/92 ist nicht einschlägig, weil dort nicht die Befolgung eines behördlichen Abbruchauftrags zu beurteilen war, sondern ein gesetzwidriges Verhalten des Beklagten deshalb verneint wurde, weil er von der Behörde die Bau- und Benützungsbewilligung sowie die Betriebsanlagengenehmigung für das benützte Objekt erhalten hat.

5. Der Revisionsrekurs war daher wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.

6. Die Entscheidung über die Kosten des Beklagten beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Da der Beklagte in seiner Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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