1.Überblick über die fristenbezogenen Begleitregeln
Das COVID-19-JuBeG enthält in §§ 1 und 2 Regelungen zur Unterbrechung und Hemmung von Fristen, die für alle gerichtlichen Verfahren gelten, sohin auch für das Insolvenzverfahren.4 Ferner enthält § 5 COVID-19-JuBeG eine spezifisch insolvenzrechtliche Regelung, die vorübergehend die Rechtsfolgen des § 156a IO bei einem Verzug in der Sanierungsplanerfüllung ausschließt.5 Schließlich wird die IO selbst dahingehend geändert, dass die Verlängerung der 60-Tages-Frist in § 69 Abs 2a IO auf 120 Tage auch für den Fall einer Epidemie oder Pandemie gilt.6
Gegenständlich interessieren vor allem §§ 1 und § 2 COVID-19-JuBeG. Die wesentliche Anordnung in § 1 Abs 1 COVID-19-JuBeG lautet: "In gerichtlichen Verfahren werden alle verfahrensrechtlichen Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes fällt, sowie verfahrensrechtliche Fristen, die bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen. Sie beginnen mit 1. Mai 2020 neu zu laufen."
Anschließend werden hiervon Ausnahmen für nicht einschlägige Verfahren, aber auch für "Leistungsfristen" (§ 1 Abs 1 letzter HS COVID-19-JuBeG) gemacht. Nach § 1 Abs 2 COVID-19-JuBeG kann das Gericht zudem durch unanfechtbaren Beschluss eine Ausnahme von der Fristenunterbrechung anordnen, muss jedoch gleichzeitig eine neue angemessene Frist festlegen. § 1 Abs 3 COVID-19-JuBeG regelt schließlich die Gründe, die für einen solchen Beschluss nach Abs 2 vorliegen müssen: Eine Ausnahme von der Unterbrechungswirkung darf nur angeordnet werden, wenn dies nach Abwägung aller Umstände "zur Abwendung einer Gefahr für Leib und Leben, Sicherheit und Freiheit oder zur Abwehr eines erheblichen und unwiederbringlichen Schadens einer Verfahrenspartei dringend geboten ist und nicht das Interesse der Allgemeinheit an der Verhütung und Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 sowie der Schutz der Aufrechterhaltung eines geordneten Gerichtsbetriebes die Einzelinteressen überwiegen."
§ 2 COVID-19-JuBeG ist demgegenüber deutlich kürzer gefasst: Er regelt lediglich, dass "[d]ie Zeit vom In-Kraft-Treten dieses Gesetzes" bis zum Ablauf des 30. 4. 2020 "in die Zeit, in der bei einem Gericht eine Klage oder ein Antrag zu erheben oder eine Erklärung abzugeben ist, nicht eingerechnet" wird.
2.Anwendungsbereich der fristenbezogenen Begleitregeln
2.1.§ 1 COVID-19-JuBeG
Die Unterbrechung der Fristen nach § 1 Abs 1 COVID-19-JuBeG bezieht sich nach dessen Wortlaut auf verfahrensrechtliche Fristen in gerichtlichen Verfahren. Wie die Gesetzesmaterialien klarstellen, sind sowohl richterliche als auch gesetzliche Fristen erfasst.7 Dagegen sollen materiellrechtliche Fristen nicht unterbrochen werden; letzteres ergibt sich aus einem Umkehrschluss und wird zudem durch die Gesetzesmaterialien bestätigt, wonach Leistungsfristen ausdrücklich auszunehmen waren, weil ihre Qualifikation als verfahrens- oder materiellrechtlich umstritten sei.8 Dieses Beispiel zeigt freilich bereits, dass die kategorische Unterscheidung zwischen verfahrens- und materiellrechtlichen Fristen, auch wenn sie in der zivilprozessualen Dogmatik fest verankert ist,9 den Rechtsanwender mitunter vor schwierige Abgrenzungsprobleme stellen wird (zB Widerrufsfrist für bedingte Prozessvergleiche).10 Zudem ist zweifelhaft, ob eine Differenzierung nach der Rechtsnatur ausgehend vom verfolgten Regelungsanliegen stets zu sachlich gerechtfertigten Ergebnissen führt.
Wie dem aber auch sei: Gedacht ist in § 1 Abs 1 COVID-19-JuBeG offensichtlich an klassische Fristen zur Vornahme einer Prozesshandlung (vgl § 146 Abs 1 ZPO),11 wie insb Rechtsmittelfristen.12 Die Bestimmung ist mE sogar auf derartige "Handlungsfristen"13 einzuschränken. Auch das lässt sich den Gesetzesmaterialien entnehmen, wenn dort die Fristenunterbrechung damit gerechtfertigt wird, dass "[a]ufgrund krankheitsbedingter oder maßnahmenbedingter Ausfalle sowohl des Gerichtspersonals als auch der rechtsberatenden Berufe und der Parteien ein Tätigwerden innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist nicht immer möglich oder tunlich" sein wird.14 Auch deckt sich dies mit der gängigen Definition verfahrensrechtlicher Fristen als Fristen, binnen derer eine Partei eine Prozesshandlung vornehmen kann oder muss.15 Trotz des insoweit undifferenzierten Wortlauts ist also davon auszugehen, dass nicht alle Fristen in einem gerichtlichen Verfahren, sondern nur solche unterbrochen werden, die zumindest im Ergebnis die Vornahme einer Prozesshandlung zeitlich begrenzen. Aus der im Initiativantrag erwähnten Beeinträchtigung sowohl des Gerichtspersonals, der rechtsberatenden Berufe als auch der Parteien ist weiters abzuleiten, dass sowohl Fristen für Handlungen des Gerichts (zB § 95 Abs 2 IO) als auch der Parteien unterbrochen werden sollen.16
Ob die fristgemäß vorzunehmende Handlung eine Prozesshandlung sein muss, ist letztlich vornehmlich eine Definitionsfrage. In der Sache ist jedenfalls ein weites Begriffsverständnis geboten, wodurch auch Fristen für Handlungen miteinbezogen werden, deren Qualifikation als Prozesshandlungen nach gängigem Begriffsverständnis17 zumindest nicht eindeutig ist (zB freihändige Veräußerung einer Liegenschaft [§ 120a Abs 2 IO]; Annahme eines Sanierungsplans [§ 168 Abs 2 IO]). Maßgeblich ist nach dem telos von § 1 COVID-19-JuBeG im Endeffekt weniger die begriffliche Einordnung als Prozesshandlung als vielmehr die Beantwortung der Frage, ob die vorzunehmende Handlung durch die mit der Bekämpfung der COVID-19-Krise einhergehenden Maßnahmen typischerweise erheblich erschwert wird.
Ausgeschlossen ist eine Anwendung von § 1 COVID-19-JuBeG mE hingegen, wenn sich eine Befristung nur daraus ergibt, dass eine Handlung bis zu einem gewissen Zeitraum vor einem anderen Ereignis vorzunehmen ist (zB § 107 Abs 1 S 3 IO, § 145b Abs 1 Z 1 IO). Die Notwendigkeit der Ausnahme für solche "zurückgerechneten" Fristen ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Zum einen wäre eine Berechnung der Dauer der ursprünglichen und daher nach der Unterbrechung neu zu laufenden Frist nicht sinnvoll möglich, weil das Datum des Ereignisses, von dem die Frist zurückzurechnen ist, im Vorhinein nicht feststehen muss. Zum anderen würde der Zweck solcher Fristen oftmals vereitelt, wenn die Unterbrechung dazu führte, dass die vom Ereignis rückzurechnende Frist erst nach diesem enden würde. Schließlich ist die fristgerechte Vornahme oftmals ohnehin schon deshalb unproblematisch, weil das betreffende Ereignis, zB eine Tagsatzung (vgl § 3 COVID-19-JuBeG), möglicherweise ebenfalls durch das 2. COVID-19-Gesetz aufgeschoben wird.
2.2.§ 2 COVID-19-JuBeG
Prima vista klarer gefasst ist der Wortlaut von § 2 COVID-19-JuBeG. Er ordnet eine Hemmung für jene Fristen an, binnen derer eine Klage oder ein Antrag zu erheben oder eine Erklärung abzugeben sind. Vornehmlicher Anwendungsbereich sind Verjährungs- und Präklusivfristen. Ferner erwähnen die Gesetzesmaterialien die Frist für die Besitzstörungsklage, die Anrufung einer Schlichtungsstelle nach § 40 MRG oder eine Klage gegen einen Bescheid des Sozialversicherungsträgers nach § 67 Abs 2 ASGG.18 Gemein haben all diese Beispiele, dass es sich um Fristen für verfahrenseinleitende Anträge handelt. Auch die Materialien sprechen von "Fristen für das Anhängigmachen eines Verfahrens vor Gericht".
Dennoch hat sich der Gesetzgeber offenbar bewusst dagegen entschieden, die Bestimmung auf verfahrenseinleitende Anträge zu beschränken. Das zeigt zum einen ein Vergleich mit § 2 Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des VwGH und des VfGH, wo ausdrücklich von Fristen für verfahrenseinleitende Anträge die Rede ist. Zum anderen anerkennen die Gesetzesmaterialien explizit auch noch "vergleichbare Fälle", für die § 2 COVID-19-JuBeG gelte, und führen als Beispiel "verschiedene Erklärungen" an, "die dem Gericht gegenüber abzugeben sind, wie etwa die Vorlage von Unterlagen der Rechnungslegung".19 Damit hat der Gesetzgeber wohl die Erfüllung diverser Anmeldungs- und Einreichpflichten gegenüber dem Firmenbuch (vgl § 24 FBG) vor Augen, wie die gebotene Veröffentlichung des Jahresabschlusses (§ 277 UGB).
Lässt sich der Anwendungsbereich von § 2 COVID-19-JuBeG folglich nicht auf verfahrenseinleitende Anträge beschränken, stellt sich die Frage nach der Abgrenzung zu § 1 leg cit. Denn auch eine Rechtsmittelfrist regelt eine "Zeit, in der bei einem Gericht [...] ein Antrag zu erheben ist". Eine Rechtsmittelfrist würde daher nach dem Wortlaut von § 2 COVID-19-JuBeG gehemmt, obwohl sie den Paradeanwendungsfall einer durch § 1 leg cit unterbrochenen Frist darstellt. Abzulehnen ist mE eine dahingehende Differenzierung nach der Rechtsnatur der Frist, dass materiellrechtliche Fristen stets § 2 und verfahrensrechtliche Fristen § 1 COVID-19-JuBeG unterfielen.20 Auch wenn § 1 COVID-19-JuBeG auf verfahrensrechtliche Fristen beschränkt ist, heißt das nicht zwingend, dass § 2 leg cit auf materiellrechtliche beschränkt sein muss. Gerade die ausdrückliche Erwähnung der 30-Tages-Frist für Besitzstörungsklagen in den Gesetzesmaterialien belegt die mangelnde Tauglichkeit eines derartigen Ansatzes, zumal die herrschende Qualifikation der Frist des § 454 ZPO als materiellrechtlich21 seit der grundlegenden Kritik von Kodek 22 durchaus gewichtigen Zweifeln begegnet. Schon das zeigt, dass es - je nach dem herangezogenen Kriterium zur Abgrenzung von materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Fristen23 - durchaus geboten sein kann, auch verfahrensrechtliche Fristen unter § 2 COVID-19-JuBeG zu subsumieren.
Vorzugswürdig ist es mE, darauf abzustellen, ob eine Frist - genauer: die Folgen ihrer Versäumung - in ein laufendes (!) "gerichtliches Verfahren" eingebettet ist. Unter dieser Voraussetzung unterfällt sie § 1 COVID-19-JuBeG; § 1 ist insoweit also lex specialis zu § 2 COVID-19-JuBeG. Bspw werden demnach die in § 2 COVID-19-JuBeG erwähnten Fristen für Erklärungen gegenüber dem Gericht tatsächlich nur dann gehemmt und nicht unterbrochen, wenn sie nicht in einem laufenden Verfahren abzugeben sind (so zB § 180 Abs 2 ZPO). Im Einzelnen lassen sich freilich Abgrenzungsschwierigkeiten auch durch dieses Unterscheidungsmerkmal nicht vermeiden. Geboten ist insoweit eine auch die Adäquanz der Rechtsfolgen miteinbeziehende wertende Beurteilung, ob ausgehend von der konkret vorzunehmenden Handlung der Bezug zu einem laufenden Verfahren oder das "Initiativelement" überwiegt (vgl etwa zur Frist für die Forderungsanmeldung 5.6.).24
Die Formulierung "in der [...] zu erheben oder [...] abzugeben ist" darf schließlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich typischerweise gerade um keine "echte" Verpflichtung zur Einhaltung der Frist handelt. Denn es besteht zB keine Pflicht zur Klage vor Ablauf einer Verjährungs- oder Präklusivfrist; die Missachtung der Frist hat vielmehr nur negative Folgen für den Anspruchsinhaber in Form eines Verlusts der gerichtlichen Durchsetzbarkeit oder gar des Anspruchs selbst. Dennoch ist kein Grund dafür ersichtlich, die Anwendung von § 2 COVID-19-JuBeG auf solche Fälle zu beschränken.25 Das in den Materialien angesprochene Beispiel der Frist zur Einreichung des Jahresabschlusses zeigt vielmehr (vgl nur § 24 FBG), dass eine solche Einschränkung nicht zutrifft.
3.Rechtsfolgen der fristenbezogenen Begleitregeln
3.1.§ 1 COVID-19-JuBeG
Für verfahrensrechtliche Fristen in gerichtlichen Verfahren, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach Inkrafttreten des COVID-19-JuBeG fällt oder die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes noch nicht abgelaufen sind, kommt es zu einer Unterbrechung bis zum Ablauf des 30. 4. 2020. Der Tag des Inkrafttretens des COVID-19-JuBeG ist der 22. 3. 2020, als der auf die Kundmachung am 21.3.2020 folgende Tag (§ 12 COVID-19-JuBeG).26 Jede Frist, die also erst nach dem 21. 3. 2020 enden oder im Zeitraum bis zum 30. 4. 2020 beginnen würde, wird somit unterbrochen. Gleichgültig ist hierfür nach dem undifferenzierten Wortlaut (arg: "noch nicht abgelaufen ist"), ob die Frist im Zeitraum bis zum 30. 4. 2020 enden würde oder sie sogar darüber hinaus weiterliefe.
Die Unterbrechung führt im Grundsatz wie nach § 163 Abs 1 letzter S ZPO dazu, dass die Frist mit 1. 5. 2020 neuerlich, dh zur Gänze von neuem, zu laufen beginnt.27 Der Gesetzgeber hat sich bewusst gegen die "gelindere" Lösung einer bloßen Hemmung entschieden. Es sei nämlich nicht gesichert, inwiefern ab 1. 5. 2020 wieder mit hinreichend geordneten Verhältnisse zu rechnen sei, sodass den Parteien bzw den Gerichten nochmals die volle Frist zur Verfügung stehen soll.28
Die Fristberechnung richtet sich nach § 125 ZPO29 bzw Art 4 Abs 1, 2 Europäisches Übereinkommen über die Berechnung von Fristen (EuFrÜG):30 Nach § 125 Abs 2 ZPO und Art 4 Abs 1, E EuFrÜG endet eine nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Frist mit dem Ablaufe des Tages der letzten Woche, des letzten Monates oder des letzten Jahres, welcher durch seine Benennung oder Zahl dem Tage entspricht, an welchem die Frist begonnen hat. Dass der neuerliche Fristenlauf am 1. 5. 2020, somit an einem Feiertag, beginnt, hat dabei keine Bedeutung (§ 126 ZPO). Eine 4-Wochen-Frist, deren fristauslösendes Ereignis oder deren eigentliches Fristende in die Zeit ab dem 22.3.2020 fällt, endet somit mE am 29. 5. 2020,31 auch wenn dies letztlich zu einer (neuerlichen) Frist von 29 Tagen führt.32 Eine Frist von bspw 3 Monaten endet - vorbehaltlich einer im Insolvenzverfahren ja generell nicht anwendbaren (§ 254 Abs 1 Z 1 IO) Hemmung gem § 222 Abs 1 ZPO - am 1. 8. 2020.
Für nach Tagen berechnete Fristen ordnet § 125 Abs 1 ZPO indes an, dass der Tag nicht mitgerechnet wird, in welchen der Zeitpunkt oder die Ereignung fällt, nach der sich der Anfang der Frist richten soll. Der Anfang des durch § 1 Abs 1 S 2 COVID-19-JuBeG angeordneten (erneuten) Fristenlaufs ist der 1. 5. 2020, weshalb dieser Tag bei wortlautgetreuer Auslegung nicht in die Fristberechnung miteinbezogen wird. Zu demselben Ergebnis führt Art 3 Abs 1 EuFrÜG, wenn danach eine Frist erst ab Mitternacht am fristauslösenden Tags zu laufen beginnt.33 Für eine 14-Tages-Frist heißt das, dass sie am 15. 5. 2020 endet, sofern ihr fristauslösendes Ereignis, also die Zustellung des anzufechtenden Beschlusses, oder ihr eigentliches Fristende in die Zeit ab dem 22.3.2020 fällt.34 Für diese "großzügigere" Berechnung spricht neben dem Gesetzeswortlaut auch die handfeste pragmatische Überlegung, dass bei der Annahme eines Fristendes am 14. 5. 2020 eine Vielzahl - mE wegen der keineswegs eindeutigen Rechtslage: berechtigter35 - Wiedereinsetzungsanträge droht (dieses Argument greift allerdings zugegebenermaßen im Insolvenzverfahren nicht [§ 259 Abs 4 IO]). Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte freilich von vornherein den 14. 5. 2020 (bzw bei einer 4-Wochen-Frist den 28.5.20) kalendieren.36
Fraglich ist schließlich, wie sich die Unterbrechung auf eine richterliche Frist auswirkt, deren Dauer nicht fristmäßig bestimmt ist, sondern sich lediglich aus einem festgelegten Endtermin ergibt (§ 125 Abs 3 ZPO). Unvermeidbar ist diesfalls in einem ersten Schritt die Berechnung der Dauer der Frist ausgehend vom fristauslösenden Ereignis, wobei nur eine Berechnung nach Tagen in allen Fällen zu sinnvollen Ergebnissen führen kann. Was den Beginn des neuerlichen Fristlaufs betrifft, liegt - wegen der Berechnung nach Tagen - eine Anwendung von § 125 Abs 1 ZPO nahe: Die Frist läuft daher erst ab dem 2. 5. 2020.
3.2.§ 2 COVID-19-JuBeG
§ 2 COVID-19-JuBeG bewirkt ausweislich seiner Überschrift lediglich eine Hemmung des Fristenlaufs. Da es sich jedoch - wie soeben gezeigt (oben 2.2.) - bei den gehemmten Fristen grundsätzlich um keine Fristen im Rahmen eines laufenden gerichtlichen Verfahrens, sondern zumindest überwiegend um materiellrechtliche Fristen handelt, ist als "Referenzregelung" wohl weniger die Hemmung nach § 222 ZPO37 als vielmehr §§ 1495 f ABGB über die Fortlaufshemmung heranzuziehen.38 Indem die Zeit zwischen dem 22. 3. 2020 und 30. 4. 2020 nicht in die erfassten Fristen einzuberechnen ist, wird nämlich wie bei einer Fortlaufshemmung39 sowohl der Beginn als auch die Fortsetzung der jeweiligen Frist aufgeschoben.
Fällt das fristauslösende Ereignis (zB Kenntnis von Schaden und Schädiger [§ 1497 ABGB]; Insolvenzeröffnung [§ 43 Abs 2 IO]) in den Zeitraum vom 22.3. bis zum 30. 4. 2020, beginnt der Lauf der Frist somit erst mit 1. 5. 2020 - dieses Datum ist der "dies a quo" iSd Art 2 ff EuFrÜG bzw "der Tag des Ereignisses, mit dem der Lauf der Frist beginnt" (§ 902 Abs 2 ABGB). Für bereits in Gang gesetzte, aber bis zum 22. 3. 202040 noch nicht abgelaufene Fristen bedeutet die Hemmung, dass ab dem 1. 5. 2020 der am 22.3.20 noch offene Rest der Fristdauer verstreichen muss.41 In beiden Fällen ist der 1.5.2020 freilich mitzuzählen.42
Im Ergebnis führt dies - ausgehend von der aktuellen Dauer der Hemmung (vgl jedoch sogleich 4.) - zu einer Verlängerung um 40 Tage gegenüber dem ursprünglichen Ablaufdatum.43 Dass damit im Endeffekt auch Wochen-, Monats oder Jahresfristen in Tagesfristen umgerechnet werden müssen44 und trotz Art 4 Abs 1, 2 EuFrÜG bzw § 902 Abs 2 ABGB an einem anderen Wochen- bzw Monatstag oder bei Jahresfristen an einem anderen Datum enden, als sie begonnen haben, ändert an der Richtigkeit dieser Berechnung mE nichts.45
Beispiele: Bei Insolvenzeröffnung am 30. 3. 2020 beginnt die einjährige Präklusivfrist des § 43 Abs 2 IO (zur Subsumtion unter § 2 COVID-19-JuBeG unten 5.3.) erst am 1. 5. 2020 zu laufen und endet folglich am 1. 5. 2021 um 24:00. Bei Insolvenzeröffnung am 15. 1. 2020 ist die 1-Jahres-Frist am 22. 3. 2020 noch nicht abgelaufen; es kommt daher zu einer Fristverlängerung um 40 Tage gegenüber dem eigentlichen Fristende am 16. 1. 2021 - Fristbeginn ist wegen § 2 Abs 1 IO der 16. 1. 2020 -, sodass die Frist erst am 25. 2. 2021 endet.45a
4."Verlängerung" der Unterbrechung/Hemmung durch Verordnung
Zu beachten ist, dass die Bundesministerin für Justiz durch § 8 COVID-19-JuBeG ermächtigt wird, den Zeitraum der Unterbrechung bzw Hemmung durch Verordnung über den 30. 4. 2020 hinaus zu verlängern. Der Fristenlauf wäre diesfalls ausgehend vom neuen Ablaufdatum der Unterbrechung/Hemmung mutatis mutandis analog zu den obigen Beispielen zu berechnen. Darüber hinaus ist die Bundesministerin ermächtigt, generell Fristen zu verlängern und Säumnisfolgen auszuschließen; letzteres ist auch rückwirkend zulässig, wenn auch nur generell-abstrakt und nicht für konkrete Einzelfälle (§ 8 Abs 1 S 4 COVID-19-JuBeG).46
5.Anwendung von §§ 1, 2 COVID-19-JuBeG im Insolvenzverfahren
5.1.Rechtsmittel- und andere "Rechtsbehelfs"-Fristen
5.1.1.Anwendungsfälle
Die praktisch wichtigste Frist, welche vom COVID-19-JuBeG erfasst wird, dürfte die Rekursfrist gegen Beschlüsse des Insolvenzgerichts sein. Sie unterfällt § 1 COVID-19-JuBeG, wird also unterbrochen, wenn die Frist bis 22. 3. 2020 noch nicht abgelaufen ist oder das fristauslösende Ereignis erst ab diesem Datum stattfindet. Die 14-Tages-Frist (§ 260 Abs 1 IO) für Rekurse, aber auch für eine bei Mehrseitigkeit des Rekursverfahrens gebotene Beantwortung (§ 260 Abs 6 IO; zB § 125 Abs 2 S 6 IO),47 endet in diesen Fällen sohin am 15. 5. 2020 (oben 3.1.). Ebenfalls unter § 1 COVID-19-JuBeG zu subsumieren sind Fristen, die für eine Verbesserung des Rechtsmittels (oder anderer Anträge) angeordnet werden (§ 84 Abs 3 ZPO iVm § 252 IO).
Unterbrochen werden auch Fristen für sonstige funktionale Rechtsbehelfe: Erfasst ist namentlich die Frist von 14 Tagen für Erinnerungen gegen den Verteilungsentwurf gem § 130 IO48 oder - weniger praktisch - gegen Zusicherungen zur Vermeidung der Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens gem § 220b Abs 1 IO.
5.1.2.Ausnahme von der Unterbrechung gem § 1 Abs 2 COVID-19-JuBeG
Gerade für die Rekursfrist könnte sich die Frage nach der Notwendigkeit einer abweichenden Fristsetzung gem § 1 Abs 2 COVID-19-JuBeG stellen. Von den in Abs 3 leg cit genannten Voraussetzungen kommt im Insolvenzverfahren allerdings wohl von vornherein nur die gebotene Abwehr eines erheblichen und unwiederbringlichen Schadens in Betracht. Zur Auslegung der Unwiederbringlichkeit bietet sich auf den ersten Blick eine Anlehnung an Judikatur und Lehre zu § 381 Z 2 EO an. Das zusätzliche Tatbestandsmerkmal der Erheblichkeit wird zwar in § 381 Z 2 EO nicht explizit erwähnt, doch erfüllen die Konstellationen, in denen ein drohender unwiederbringlicher Schaden von der Rsp bejaht wurde, wohl allesamt dieses Kriterium.
Zu bedenken ist jedoch ohnedies, dass die Unwiederbringlichkeit in § 1 Abs 3 COVID-19-JuBeG mE großzügiger auszulegen ist als in § 381 Z 2 EO. Denn anders als bei § 381 Z 2 EO gibt es im Falle einer durch die Anwendung von § 1 COVID-19-JuBeG bewirkten Verzögerung typischerweise keinen Gegner der gefährdeten Partei, der für allfällige Schaden einstehen muss. Die zu § 381 Z 2 EO etablierte Meinung, wonach reine Vermögensschäden grundsätzlich keinen unwiederbringlichen Schaden rechtfertigen49 (scilicet: weil er ohnehin vom Gegner der gefährdeten Partei zu ersetzen wäre), ist daher nicht auf § 1 Abs 2 COVID-19-JuBeG übertragbar. Vielmehr kann insoweit auch ein ersetzbarer Schaden ein unwiederbringlicher sein, wenn und weil niemand verpflichtet wäre, diesen zu ersetzen.50 Im Ergebnis läuft dies darauf hinaus, dass die Tatbestandsmerkmale erheblich und unwiederbringlich regelmäßig nicht kumulativ, sondern nur alternativ vorliegen müssen, indem ein erheblicher, wenn auch grundsätzlich ersetzbarer Vermögensschaden prinzipiell ausreicht. Dies führt zu keiner überschießenden Ausweitung der Ausnahme nach § 1 Abs 2 COVID-19-JuBeG, weil ohnehin im zweiten Schritt eine Interessenabwägung vorzunehmen ist.
Wie dem aber auch sei: Jedenfalls ausreichend ist ausgehend von Judikatur- und Lehrmeinungen zu § 381 Z 2 EO die Gefahr des Verlusts der wirtschaftlichen Existenz51 oder des Unternehmensbestands.52 In der Tat sind solche Gefahren gerade im Insolvenzverfahren gut vorstellbar: Da einem Rekurs gegen rechtsgestaltende Beschlüsse grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zukommt (§ 252 IO iVm § 524 ZPO), nicht einmal hinsichtlich der besonders "einschneidenden" Insolvenzeröffnung (§ 71c Abs 2 IO), ist die bewirkte Verlängerung der Rekursfrist zwar häufig unproblematisch; dem antragstellenden Gläubiger droht nämlich kein Nachteil, wenn die Frist für einen ohnehin nicht aufschiebenden Rekurs gegen die Eröffnungsentscheidung unterbrochen wird. Allerdings: Wegen der Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens im Eröffnungsverfahren53 würde bei einem Rekurs des eigentlich beschwerten Schuldners auch die Frist für die Beantwortung des antragstellenden Gläubigers unterbrochen. Die dadurch bewirkte Verzögerung ist sehr wohl geeignet, die wirtschaftliche Existenz oder den Unternehmensbestand eines Schuldners zu bedrohen.
Ähnliche Gefahren drohen durch die Unterbrechung der Rekursfrist gegen einen Beschluss, mit dem das Insolvenzverfahren aufgehoben wird. Denn der Aufhebungsbeschluss entfaltet seine Wirkungen grundsätzlich erst mit Rechtskraft (vgl nur § 59 IO),54 womit durch die Unterbrechung kostbare Zeit für Sanierungsmaßnahmen verloren gehen kann. Insb im Fall der Sanierungsplanbestätigung könnte dem Schuldner folglich ein erheblicher und unwiederbringlicher Schaden drohen, wenn die rechtskräftige Insolvenzaufhebung durch die Fristenunterbrechung für den Beschluss gegen die Sanierungsplanbestätigung (vgl § 152b Abs 2 S 1 IO) verzögert wird.55
Verfahrensrechtlich ist zudem ein weiterer Unterschied zur einstweiligen Verfügung beachtlich: Es besteht grundsätzlich keine Last des Gefährdeten, den drohenden erheblichen und unwiederbringlichen Schaden zu bescheinigen. Das Gericht hat derartige Auswirkungen prinzipiell von Amts wegen zu berücksichtigen und abzuwägen; es kann daher eine Ausnahme von der Unterbrechung der Rekursfrist auch56 sogleich im betreffenden Beschluss selbst anordnen. Regelmäßig werden dem Gericht dafür allerdings die notwendigen Informationen fehlen, sodass letztlich doch eine bescheinigte Behauptung des Gefährdeten (oder eines umsichtigen Insolvenzverwalters) mittels Initiativschriftsatzes oder auf anderem Wege (zB im Rahmen der "Anhörung" des Schuldners gem § 70 Abs 2 IO)57 erforderlich sein wird. Gerade in den erwähnten, für Schuldner typischerweise existenzbedrohenden Situationen sollte das Gericht hinsichtlich des Grads seiner Überzeugung einen großzügigen Maßstab anlegen.
Wenn das Gericht von § 1 Abs 2 COVID-19-JuBeG Gebrauch macht, muss58 es eine neue Frist setzen. Diese kann zwar nach den Gesetzesmaterialien sogar kürzer als die ursprüngliche Frist sein.59 Insgesamt, also unter Berücksichtigung eines allenfalls späteren Beginns des Fristlaufs, darf sich für den Adressaten der Befristung allerdings mE keine Verkürzung des zur Verfügung stehenden Zeitraums ergeben. Es ginge nämlich über die Zielsetzung des COVID-19-JuBeG hinaus, Möglichkeiten zur Fristverkürzung zu schaffen, die sonst nicht bestehen. Mohr 60 hat ferner zu Recht darauf hingewiesen, dass die neue Fristsetzung öffentlich bekannt zu machen ist, sofern dies auch auf den zugrundeliegenden Beschluss zutrifft (zB § 74 Abs 1, § 130 Abs 4, § 152 Abs 3 IO uva). Notwendig ist eine gesonderte Bekanntmachung freilich nur, wenn die Ausnahmeregelung nicht sogleich in den ursprünglichen Beschluss aufgenommen wird.
5.2.Insolvenzantragstellung und Eröffnungsverfahren
Die erste insolvenzrechtlich beachtliche Frist setzt schon vor Insolvenzeröffnung an: Die 60-Tages-Frist nach § 69 Abs 2 IO als Maximalzeitraum, binnen dem wegen aussichtsreicher und realisierbarer Sanierungsversuche trotz materieller Insolvenz keine Verpflichtung des Schuldners bzw seiner organschaftlichen Vertreter besteht, einen Insolvenzantrag zu stellen.61 Diese Frist wurde - wie eingangs erwähnt (1.) - durch das 2.COVID-Gesetz insoweit geändert, als auch eine Epidemie oder Pandemie als Naturkatastrophe iSd § 69 Abs 2a IO anzusehen ist. Wenn die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung62 durch eine solche Epidemie oder Pandemie ausgelöst wurde, so verlängert sich der maximal zulässige Zeitraum auf 120 Tage.63
Fraglich ist indes, ob die Maximalfrist auch von §§ 1, 2 COVID-19-JuBeG betroffen ist. § 1 COVID-19-JuBeG kommt zwar nicht in Betracht, weil die Frist nicht in ein gerichtliches Verfahren "eingebettet" ist und ihre Missachtung folglich keine innerprozessualen Folgen hat. Sehr wohl einschlägig ist dagegen der Wortlaut von § 2 COVID-19-JuBeG ("Zeit, in der bei einem Gericht [...] ein Antrag zu erheben [..] ist"). Es handelt sich sogar um einen verfahrenseinleitenden Antrag (vgl oben 2.2.). Während Mohr 64 hierauf gar nicht eingeht und lapidar festhält, dass das Gesetz nichts an § 69 IO ändere, erkennt Schneider 65 das Problem, spricht sich aber dennoch gegen eine Hemmung nach § 2 COVID-19-JuBeG aus. Da es bei § 69 IO weniger um einen drohenden Rechtsverlust gehe, sondern die Frist eine haftungsbewehrte Verhaltensanordnung für den Schuldner sei, sei der Zweck von § 2 COVID-19-JuBeG nicht erfüllt. Methodisch plädiert sie somit offenbar für eine teleologische Reduktion.
Richtig daran ist, dass der Gesetzgeber wohl nicht an die Frist nach § 69 Abs 2, 2a IO gedacht haben dürfte.66 Wie das Beispiel der zwangsstrafenbewehrten Pflicht zur Einreichung des Jahresabschlusses zeigt, verfehlt eine Anwendung auf die Insolvenzantragspflicht jedoch nicht allein deshalb den Zweck der Hemmung, weil die Fristversäumnis anders als bei Verjährungsbestimmungen nicht "nur" zu einem drohenden Rechtsverlust führt (oben 2.2.). Im Gegenteil: Gerade die Rechtfertigung der Fristenunterbrechung/-hemmung, nämlich die mit der Bekämpfung der COVID-19-Krise einhergehenden Maßnahmen beeinträchtigen die Möglichkeiten der durch die Frist von § 69 Abs 2, 2a IO ermöglichten Sanierungsversuchen erheblich. Eine Hemmung der Maximalfrist wäre folglich durchaus zweckentsprechend.
Dass der Gesetzgeber durch die Einordnung von Pandemie und Epidemie als Naturkatastrophe in § 69 Abs 2a IO eine spezifische Regel für die Frist zur Insolvenzantragstellung geschaffen hat, spricht bei näherer Betrachtung ebenfalls nicht gegen eine zusätzliche Anwendung von § 2 COVID-19-JuBeG. Denn § 69 Abs 2a IO kommt eben nur unter der zusätzlichen Voraussetzung zur Anwendung, dass die materielle Insolvenz durch die Epidemie oder Pandemie verursacht wurde. Währenddessen soll § 2 COVID-19-JuBeG eine generelle Fristenhemmung aufgrund der allgemeinen Entwicklungen und Einschränkungen bewirken.
Eine teleologische Reduktion des Wortlauts von § 2 COVID-19-JuBeG ist somit mE nicht gerechtfertigt.67 Es verlängert sich damit die absolute Höchstfrist - erforderlich sind trotz der Hemmung aussichtsreiche und realistische (!) Sanierungsbemühungen - des § 69 Abs 2, 2a IO bei Eintritt materieller Insolvenz bis zum 22. 3. 2020 sachgerechterweise um 40 Tage. Dies gilt unabhängig von einem ursächlichen Zusammenhang zur COVID-19-Epidemie/Pandemie.
Die Sperrfrist des § 70 Abs 3 IO für einen neuerlichen Gläubigerantrag wegen derselben Forderung ist dagegen keine "Handlungsfrist" und unterfällt weder § 1 noch § 2 COVID-19-JuBeG.68
Nach Mohr 69 soll indes die in § 72 Abs 1 IO angeordnete 14-Tages-Frist, binnen der die organschaftlichen Vertreter der Schuldnerin zur Leistung eines Kostenvorschusses und zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses verpflichtet sind, durch § 1 COVID-19-JuBeG unterbrochen werden. Da der Leistungsbefehl dieses Aufforderungsbeschlusses - nach Ablauf dieser Frist70 - sofort vollstreckbar ist, handelt es sich jedoch um eine Leistungsfrist, die nach § 1 Abs 1 letzter HS COVID-19-JuBeG von der Unterbrechung ausgenommen ist. Richtig ist dagegen, dass die 3-jährige Verjährungsfrist des Rückgriffanspruchs eines Gläubigers gegenüber den antragspflichtigen Personen wegen des von ihm geleisteten Kostenvorschusses (§ 71d Abs 1 S 2 IO) nach § 2 COVID-19-JuBeG gehemmt wird.71
5.3.Insolvenzanfechtung, Rückschlagsperre und Aufrechnung
Die Präklusivfrist72 zur gerichtlichen Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs in § 43 Abs 2 IO ist das insolvenzrechtliche Paradebeispiel für eine nach § 2 COVID-19-JuBeG gehemmte Frist.73 Das gilt auch, wenn die Frist nur noch wegen einer Verlängerung durch Parteivereinbarung - dies ist seit dem IRÄG 2017 einmalig und für maximal 3 Monate möglich (§ 43 Abs 2 S 3 IO)74 - offen steht.
Auf die von der Insolvenzeröffnung zurückzurechnenden kritischen Fristen der jeweiligen Anfechtungstatbestände hat indes weder die Verlängerung der maximalen Insolvenzantragspflicht durch § 69 Abs 2a IO, noch die - mE gebotene (oben 5.2.) - zusätzliche Fristenhemmung durch § 2 COVID-19-JuBeG Auswirkungen.75 Ein Anfechtungsgegner, der wegen einer deshalb später als sonst vorgenommenen Antragstellung "ungeschoren" davon kommt, hat schlicht Glück gehabt.
Ebenso wenig sind die "kritische Frist" für die Aufrechnung nach § 20 Abs 2 IO sowie die 60-Tages-Frist der Rückschlagsperre nach § 12 IO handlungsbezogene prozessualen Fristen oder Fristen zur Einbringung eines Antrags bei Gericht. Sie werden folglich weder durch § 1 COVID-19-JuBeG unterbrochen noch durch § 2 leg cit gehemmt.76
5.4.Sonstiges materielles Insolvenzrecht
Auch Fristen des sonstigen materiellen Insolvenzrechts bleiben vom COVID-19-JuBeG unberührt. Nicht unterbrochen oder gehemmt werden etwa die Frist zur Erklärung über den Nicht-(Eintritt) in ein beiderseitig nicht erfülltes Rechtsgeschäft nach § 21 IO oder auch die Fristen zur erleichterten Kündigung von Arbeitsverhältnissen in § 25 IO.77 Es handelt sich um materiellrechtliche Fristen, deren Nichteinhaltung keine verfahrensrechtlichen Auswirkungen auf das Insolvenzverfahren haben.
Die 6-Monats-Sperre für die Durchsetzung von Ab- und Aussonderungsgläubigern (§ 11 Abs 2 IO) und für die Vertragsauflösung (§ 25a Abs 1 IO) sowie die einjährige Rückforderungssperre nach § 26a IO beziehen sich weder auf die Vornahme einer Handlung noch hat ihr Ablauf (unmittelbare) prozessuale Wirkung im Insolvenzverfahren. Diese Fristen bleiben folglich ebenfalls unberührt. Selbiges gilt für die Fristen, nach deren Ablauf Pfandrechte gem § 12a IO erlöschen78 oder die Zwangsverwaltung gewisser Vermögensstücke des Schuldners gem § 12d IO endet. Auch bei der Regelung, dass ein Absonderungsgläubiger Zinsen bis zum Ablauf von sechs Monaten ab der Verfahrenseröffnung nur in der für die vertragsgemäße Zahlung vereinbarten Höhe geltend machen darf (§ 48 Abs 2 IO), handelt es sich um keine prozessuale Handlungsfrist, die durch § 1 COVID-19-JuBeG unterbrochen wird. Erst recht gilt das für die Beschränkung der vom Bestandgeberpfandrecht gesicherten Forderung (§ 48 Abs 4 IO).79
5.5.Verwertung, Eigenverwaltung und Unternehmensschließung
Soweit auf gewisse Verwertungshandlungen §§ 116 f IO anwendbar sind, muss der Insolvenzverwalter die beabsichtige Handlung im Falle des § 116 IO dem Insolvenzgericht 8 Tage im Vorhinein bekannt geben (§ 116 Abs 1 IO), im Anwendungsbereich von § 117 IO sogar 14 Tage zuvor öffentlich bekannt machen (§ 117 Abs 2, 3 IO). Es handelt sich dabei allerdings um keine "Handlungs-", sondern eine "Stillhaltefrist", auf die § 1 COVID-19-JuBeG nicht anwendbar ist.
Die 14-Tages-Frist für einen Widerspruch des Absonderungsgläubigers gegen eine beabsichtigte freihändige Veräußerung gem § 120 Abs 2 IO ist dagegen eine klassische prozessuale Frist, die durch § 1 COVID-19-JuBeG unterbrochen wird. Dasselbe gilt für die im Ergebnis durch § 120a Abs 2 IO bewirkte Befristung der Aufschiebung der Exekution für 90 Tage, falls der Insolvenzverwalter das Absonderungsgut noch nicht veräußert hat, auch wenn die freihändige Veräußerung keine klassische Prozesshandlung ist (vgl oben 2.1.). Sofern die 90-Tages-Frist bis zum 22. 3. 2020 noch nicht abgelaufen ist, kann das Exekutionsverfahren also frühestens am 30.7.2020 fortgesetzt werden.
Sowohl im Konkurs- als auch Sanierungsverfahren werden Verwertungssperren an die Vornahme gewisser Handlungen binnen einer bestimmten Frist geknüpft: Nach § 168 Abs 2 IO darf das Unternehmen im Sanierungsverfahren erst verwertet werden, wenn ein Sanierungsplan nicht innerhalb von 90 Tagen ab Insolvenzeröffnung angenommen wurde. Im Konkursverfahren kann der Schuldner eine Verwertungssperre erwirken, wenn er binnen einer Frist von maximal 14 Tagen ab der Berichtstagsatzung einen Sanierungsplanantrag stellt (§ 114b Abs 2 IO). § 114c IO sieht wiederum eine mit § 168 Abs 2 IO vergleichbare, wenn auch weniger intensive Verwertungssperre für 90 Tage vor. In all diesen Fällen handelt es sich um verfahrensrechtliche "Handlungsfristen"; die Folge der Fristversäumung ist mit der Zulässigkeit der Masseverwertung im Insolvenzverfahren verfahrensrechtlicher Natur. Die genannten Verwertungssperren werden daher durch § 1 COVID-19-JuBeG unterbrochen und beginnen mit 1. Mai neu zu laufen.80 Die 90-Tages-Frist in §§ 114c, 168 Abs 2 IO endet somit erst am 30. 7. 2020.
Dasselbe gilt für die 90-Tages-Frist des § 170 Abs 1 Z 3 IO, nach deren Ablauf dem Schuldner die Eigenverwaltung zu entziehen ist, wenn bis dahin noch kein Sanierungsplan angenommen wurde.81
§ 115 Abs 1 S 2 IO, wonach eine Unternehmensschließung durch die Bescheinigung vermieden werden kann, dass in den nächsten 14 Tagen die Voraussetzungen zur Abwendung eines Nachteils für die Gläubiger geschaffen sein werden, enthält keine Fristenanordnung, sondern legt einen Prognosezeitraum fest. § 1 COVID-19-JuBeG ist damit nicht einschlägig. Fraglich ist dagegen, ob es gem § 1 COVID-19-JuBeG zu einer Unterbrechung der Jahresfrist nach § 115 Abs 4 IO kommt, nach deren Ablauf das Unternehmen grundsätzlich jedenfalls geschlossen werden muss, wenn ein Sanierungsplan noch nicht angenommen wurde. In der Sache wird dadurch nämlich - ganz ähnlich wie bei den genannten Verwertungssperren - eine Frist für den Schuldner normiert, binnen der er einen Sanierungsplan zustande bringen muss, um die verfahrensrechtliche Folge der Unternehmensschließung zu verhindern. Es ist daher wohl davon auszugehen, dass die Frist des § 115 Abs 4 IO unterbrochen wird. Weil es sich dabei jedoch ohnehin nur um eine Höchstfrist handelt, die zudem auf insgesamt drei Jahre erstreckt werden kann, und die Voraussetzungen für eine Unternehmensfortführung aktuell ohnehin nur selten gegeben sein werden, ist die Unterbrechung wohl von geringer praktischer Bedeutung.
5.6.Forderungsanmeldung und Prüfungsverfahren
Unklar ist die Behandlung der Frist für die Forderungsanmeldung. Mohr 82 geht von einer Unterbrechung nach § 1 COVID-19-JuBeG aus. Diese prima vista naheliegende Lösung würde bedeuten, dass für alle Insolvenzen, in denen diese Frist noch nicht abgelaufen ist, die Fristdauer von der Insolvenzeröffnung bis zu dem gem § 74 Abs 1 Z 8 IO in der Ediktsdatei publizierten Datum in Tagen errechnet werden muss und diese Frist anschließend vom 1. 5. 2020 weg in derselben Länge neu zu laufen beginnt (vgl oben 3.1. aE). Die Prüfungstagsatzung müsste daraufhin wohl entsprechend verschoben werden, damit sie erst 14 Tage nach Ende der Anmeldefrist stattfindet (§ 74 Abs 3 IO). Die damit bewirkte Verzögerung von erheblicher Dauer dürfte in vielen Insolvenzverfahren problematische Konsequenzen nach sich ziehen.
Justizintern kursiert freilich eine VJ-Info83 (vgl § 80 Abs 3 GOG), wonach Fristen im Zusammenhang mit der Ediktsdatei, insb § 256 IO, vom COVID-19-JuBeG nicht betroffen seien. Auf den ersten Blick könnten damit sämtliche in der Ediktsdatei veröffentlichten Beschlüsse bzw die dazugehörigen Fristen, sohin auch die Frist zur Prüfungsanmeldung, gemeint sein. Diese Auslegung wäre aber offensichtlich gesetzwidrig. Die VJ-Info dürfte sich daher wohl richtigerweise84 nur auf die Einsichtsfrist nach § 256 Abs 2, 4 IO beziehen.85 Für die Frist zur Prüfungsanmeldung ist daraus somit - ganz abgesehen von der mangelnden Bindung dieser internen "Informationen"86 - nichts zu gewinnen.
Fraglich ist jedoch, ob anstelle von einer Unterbrechung nach § 1 COVID-19-JuBeG nicht von einer Hemmung nach § 2 leg cit auszugehen ist. Der Wortlaut von § COVID-19-JuBeG ist allemal erfüllt, weil binnen einer gewissen Zeit ein Antrag bei Gericht zu stellen ist. Auch wenn die Forderungsanmeldung in einem bereits laufenden Insolvenzverfahren vorzunehmen ist, lässt sich zudem sehr wohl argumentieren, dass es sich aus Sicht des anmeldenden Gläubigers bzw mit Blick auf die Geltendmachung seiner Forderung bei er Forderungsanmeldung erst um den verfahrenseinleitenden Antrag handelt. Die Forderungsanmeldung entspricht ja funktional anerkanntermaßen in vielerlei Hinsicht einer Klage (vgl §§ 9, 61, 103 Abs 1 IO).87 Eine Gleichbehandlung der Frist zur Forderungsanmeldung mit der Frist zur Klagseinbringung (Verjährungs-, Präklusivfrist) ist folglich trotz der unterschiedlichen Folgen einer Fristversäumung durchaus naheliegend. Rechtsfolgenseitig führt eine Hemmung außerdem zu einem sachgerechteren Ergebnis als eine Unterbrechung. Bei gebotener wertender Betrachtung (oben 2.2) sprechen die besseren Gründe somit für eine Subsumtion der Anmeldefrist unter § 2 COVID-19-JuBeG.88
Gar keine Auswirkung hat das COVID-19-JuBeG hingegen auf die Anordnung von § 107 Abs 1 letzter S IO, wonach Forderungen bis spätestens 14 Tage vor der Schlusstagsatzung angemeldet sein müssen, andernfalls sie insb bei der Schlussverteilung unberücksichtigt bleiben. Es wurde nämlich schon darauf hingewiesen, dass Fristen, die von einem Ereignis (noch dazu: ex ante unbekannten Datums) zurückzurechnen sind, nicht vom COVID-19-JuBeG erfasst sind (oben 2.1. aE). Das ist konkret zudem insoweit nicht allzu problematisch, als Schlusstagsatzungen nach § 3 COVID-19-JuBeG vorerst ohnehin kaum durchzuführen sein werden.89 Folgerichtig bleibt auch die Erhebung der Prüfungsklage bis zur Einbringung des Verteilungsantrags seitens des Insolvenzverwalters als Bedingung für eine Sicherheitsleistung (§ 131 Abs 3 Fall 2 IO) unberührt.
Durchaus diskutabel ist schließlich, ob auf die vom Gericht festzusetzende Frist zur Einbringung der Prüfungsklage (§ 110 Abs 4 IO) § 1 oder § 2 COVID-19-JuBeG anwendbar ist, weil der Wortlaut beider Bestimmungen einschlägig ist. Mohr 90 geht wegen des verfahrensrechtlichen Charakters der Frist91 von einer Unterbrechung nach § 1 COVID-19-JuBeG aus. Allerdings ändert der verfahrensrechtliche Charakter mE nichts an der potenziellen Subsumtion unter § 2 COVID-19-JuBeG. Maßgeblich für die - im Ergebnis richtige - Anwendung von § 1 COVID-19-JuBeG ist nach der erarbeiteten Abgrenzungsformel (oben 2.2.) jedoch der Umstand, dass die Folgen der Fristversäumung ihre Wirkungen zumindest primär (§ 123b Abs 2, § 131 Abs 3, § 134 Abs 2 IO; vgl allerdings auch § 9 Abs 2 IO) im - auch aus Sicht des anmeldenden Gläubigers - bereits anhängigen Insolvenzverfahren entfalten.
5.7.Sanierungsplan
5.7.1.Sanierungsplanerfüllung (§ 5 COVID-19-JuBeG)
Die wichtigsten Fristen im Zusammenhang mit dem Sanierungsplan betreffen seine Erfüllung. Das Stadium der Sanierungsplanerfüllung ist jedoch nicht mehr Teil eines gerichtlichen Verfahrens, womit eine Anwendung von § 1 COVID-19-JuBeG ausscheidet; auch geht es nicht um Fristen für die Anrufung eines Gerichts iSd § 2 COVID-19-JuBeG. Die Höchstfrist für die Sanierungsplanerfüllung in § 141 Abs 1 IO bleibt daher von §§ 1, 2 COVID-19-JuBeG ebenso unberührt92 wie die konkreten Zahlungsfristen bzw -termine eines bereits angenommenen und bestätigten Sanierungsplans.
Da jedoch "zu befürchten steht, dass aufgrund der mit der Bekämpfung von COVID-19 verbundenen Maßnahmen Schuldner oft nicht in der Lage sein werden, die Quoten des Sanierungsplans rechtzeitig zu erfüllen",93 wurde in § 5 COVID-19-JuBeG für die Sanierungsplanerfüllung eine spezielle Regel geschaffen. Danach kann eine vom 22. 3. 2020 bis zum 30. 4. 2020 abgesendete94 Mahnung für eine Forderung, die erst nach dem 22.3.2020 fällig wird, nicht die Verzugsfolgen des § 156a IO auslösen. Es kann damit zu keinem (relativen) Wiederaufleben der Forderung kommen. Die Befristung dieser Regelung ist mE etwas halbherzig, weil sie weder für eine Mahnung, die vor dem 22. 3. 2020 abgesendet wurde, noch für eine Forderung, die bereits vor diesem Zeitpunkt fällig geworden ist,95 eine - aktuell dringend gebotene - Erleichterung für den Schuldner bringt. Rechtspolitisch wäre mE zumindest eine Hemmung der Verzugsfolge für Unternehmer96 zu präferieren gewesen, wenn die mindestens 14-tägige-Nachfrist zum 22. 3. 2020 noch nicht abgelaufen war.
Die aktuelle Regelung hemmt oder unterbricht den Verzug des Schuldners allerdings nicht nur, sondern erklärt die Mahnung hinsichtlich der Verzugsfolgen nach § 156a IO für unwirksam. Dh, dass der Gläubiger nach dem 30. 4. 2020 nochmals mahnen muss.97 Zu beachten ist, dass auch dieser Zeitraum durch Verordnung der Bundesministerin für Justiz verlängert werden kann (§ 8 Abs 1 COVID-19-JuBeG).
5.7.2.Barquote als Bedingung der Sanierungsplanbestätigung
In der Praxis wird die erste Ratenzahlung oder gar die gesamte Quote des Sanierungsplans in Form einer Barquote mitunter auch noch in das Insolvenzverfahren "integriert", indem die Sanierungsplanbestätigung unter die Bedingung (§ 152a Abs 1 Z 3 IO) des Erlags einer Barquote bis zu einem bestimmten Datum gestellt wird.98 Da diese Bedingung unterm Strich auf eine "Handlungsfrist" in einem gerichtlichen Verfahren hinausläuft, ist mE eine Anwendung von § 1 COVID-19-JuBeG insoweit durchaus in Betracht zu ziehen.
Dagegen könnte zwar sprechen, dass es sich weder um eine gesetzliche noch eine richterliche Frist,99 sondern um eine vereinbarte Frist handelt. Das schadet der erforderlichen Qualifikation als verfahrensrechtlich mE jedoch nicht, weil die Rechtsfolge der Versäumung der Frist mit der mangelnden Bestätigung des Sanierungsplans zweifellos auch eine innerprozessuale ist.100 Daran ändert es nichts, wenn das OLG Wien betont, dass eine gem § 152a Abs 1 Z 3 IO vereinbarte Bedingung nur ein Schuldverhältnis zwischen dem Schuldner und den Gläubigern begründe, in das das Insolvenzgericht nicht im Wege einer Fristverlängerung eingreifen dürfe.101 Auch die Ausnahme für Leistungsfristen in § 1 Abs 1 letzter HS COVID-19-JuBeG greift mE nicht, weil durch die bedingte Sanierungsplanbestätigung noch keine durchsetzbare oder gar exequierbare Leistungspflicht begründet wird.102
Richtigerweise kommt es daher zu einer Unterbrechung der Frist zum Erlag einer Barquote, die als Bedingung der Sanierungsplanbestätigung noch in das Insolvenzverfahren eingebettet ist. Dies ist system- und sachgerecht ist, weil ansonsten gerichtliche Sanierungen vielfach an den mit der Bekämpfung der COVID-19-Krise einhergehenden Maßnahmen scheitern würden, was der aus § 5 COVID-19-JuBeG erkennbaren Intention des Gesetzgebers widerspräche.
5.7.3.Rückforderung von Sonderbegünstigungen gem § 150a IO
Die 3-Jahres-Frist für die Rückforderung von Leistungen, die als Sonderbegünstigungen iSd § 150a IO gewährt wurden, wird gem § 2 COVID-19-JuBeG gehemmt. Selbiges gilt für die Frist nach § 206 Abs 2 S 2 IO wegen geleisteter Sonderbegünstigungen im Abschöpfungsverfahren.
5.7.4.Treuhänderüberwachung
Schwierigkeiten bereitet die Beurteilung der Anwendung des COVID-19-JuBeG auf Fristen im Rahmen der Treuhänderüberwachung der Sanierungsplanerfüllung. Ausgehend von der Erfassung der Treuhänderüberwachung als partieller funktionaler Fortführung des Insolvenzverfahrens103 scheitert eine Subsumtion unter § 1 COVID-19-JuBeG mE allerdings nicht am Erfordernis, dass es sich um eine Frist in einem gerichtlichen Verfahren handeln muss.
Eine im Sanierungsplan vorgesehene Frist für die Übergabe des Vermögens gem § 157m IO wird folglich gem § 1 COVID-19-JuBeG unterbrochen. Dem Schuldner steht die ursprünglich für die Vermögensübergabe vereinbarte Frist also ab 1. 5. 2020 nochmals zur Verfügung, um das Privileg des Nichteintritts der Verzugsfolgen des § 156a Abs 1 IO zu erhalten. Ist § 157m IO indes nicht anwendbar,104 hindert aktuell ohnehin § 5 COVID-19-JuBeG ein Wiederaufleben der Sanierungsplanverbindlichkeiten.
Unterbrochen wird auch die 14-Tages-Frist des § 157e Abs 1 Z 1 IO nach Ablauf der letzten im Sanierungsplan vorgesehenen Zahlungsfrist. Zu einer Einstellung der Treuhänderüberwachung kommt es somit erst, wenn bis einschließlich 15. 5. 2020 kein Antrag auf Beendigung gem § 157d Abs 1 IO gestellt wurde.
5.8.Zahlungsplan und Abschöpfungsverfahren
Für die Erfüllung des Zahlungsplans gelten die Ausführungen zum Sanierungsplan (5.7.) wegen § 193 Abs 1 letzter S IO grundsätzlich entsprechend. Darüber hinaus wird mE die 14-Tages-Frist für einen neuen Zahlungsplan ab Mahnung durch den Gläubiger in § 198 Abs 1 IO unterbrochen. Die "fristbezogenen" Modalitäten hierfür in Z 1, 2 leg cit bleiben aber unberührt. Ob dies auch für die 8-wöchige Frist zur Verteilung der vom Treuhänder eingezogenen Beträge in § 203 Abs 1 IO gilt, hängt davon ab, ob man diese Bestimmung als Leistungsfrist iSd § 1 Abs 1 letzter HS COVID-19-JuBeG qualifiziert. Dass die individuellen Insolvenzgläubiger wohl keinen durchsetzbaren Leistungsanspruch gegen den Treuhänder haben, ändert an der Leistungspflicht des Insolvenzverwalters jedoch nichts, was mE gegen eine Unterbrechung durch § 1 COVID-19-JuBeG spricht.
Zweifelhaft ist schließlich die Behandlung der 1-Jahres-Frist für einen Antrag auf vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens (§ 211 Abs 2 IO) und der 2-Jahres-Frist für einen Antrag auf Widerruf einer bereits erteilten Restschuldbefreiung (§ 216 Abs 1 IO). Mohr 105 wendet hierauf § 1 COVID-19-JuBeG an. Das mag zwar naheliegen, weil es sich zumindest bei § 211 Abs 2 IO nach hA um eine verfahrensrechtliche Frist handele.106 Jedoch ist dies - wie mehrfach betont (oben 2.2.) - für die Abgrenzung von § 1 und § 2 COVID-19-JuBeG nicht ausschlaggebend. Blickt man auf die Rechtsfolgen, so würden einem Gläubiger durch die Unterbrechung plötzlich statt einem Jahr bis zu zwei Jahre und statt zwei Jahren bis zu vier Jahre zur Antragstellung zur Verfügung stehen. Das erscheint äußerst befremdlich, weil der durch die Befristung in § 211 Abs 2, § 216 Abs 1 IO offensichtlich bezweckte (Vertrauens-)Schutz des Schuldners dadurch in einer Intensität verwässert wird, die durch die aktuellen Entwicklungen keineswegs notwendig erscheint. Dogmatisch kommt hinzu, dass der Antrag nach § 216 IO gar nicht mehr Teil eines laufenden gerichtlichen Verfahrens ist, sondern das Verfahren über den Widerruf der Restschuldbefreiung (nach abgeschlossenem Insolvenzverfahren) erst auslöst. Damit ist eine Anwendung von § 1 COVID-19-JuBeG aber ausgeschlossen. Zutreffend ist vielmehr die Anwendung der weit sachgerechteren Rechtsfolge der Hemmung nach § 2 COVID-19-JuBeG. Da eine Differenzierung zwischen § 216 Abs 1 IO und § 211 Abs 2 IO nicht zu überzeugen vermag, gilt dies mE auch für letztere Frist.
5.9.Rechnungslegung
Die Rechnungslegungspflicht des Insolvenzverwalters in § 121 IO knüpft an die Beendigung seiner Tätigkeit (§ 125 Abs 1 IO) und keine spezielle Frist an, sodass sich die Frage einer Anwendung des COVID-19-JuBeG nicht stellt. Auch die von der Sanierungsplantagsatzung zurückzurechnende Frist des § 145b Abs 1 Z 1 IO wird nicht tangiert (oben 2.1. aE).
Für die jährliche Rechnungslegungspflicht des Treuhänders, die mangels anderer Vereinbarung 14 Tage nach Abschluss des Jahres eintritt, ist hingegen von einer Unterbrechung (hinsichtlich der 14-Tages-Frist) gem § 1 COVID-19-JuBeG auszugehen. Dasselbe gilt für die Befristung der Aufforderung zu einer ergänzenden Rechnungslegung durch das Insolvenzgericht und die Bemängelungsfrist für den Schuldner in § 145b Abs 2 IO.