European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00092.24H.0827.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin ist schuldig, den Antragstellern die mit 1.713,97 EUR (darin enthalten keine Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).
[2] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nachträglich mit der Begründung zu, dass zu den rechtlichen Detailfragen betreffend die Einbeziehung einer Unfallversicherungsentschädigung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage, insbesondere zur Frage, ob die Invaliditätsentschädigung unabhängig von einem vor dem Unfall bezogenen Erwerbseinkommen zur Gänze einzubeziehen ist, ob aus dieser ein Teilbetrag insbesondere zur Rücklagenbildung als (behauptetem) weiteren Zweck der Versicherungsleistung auszuscheiden ist, und weiters zur Frage, inwiefern sich (vergleichsweise) Dispositionen des Verunfallten über die Höhe und den Auszahlungszeitpunkt der Versicherungsleistung im Zusammenhang mit einem ehelichen Aufteilungsverfahren auf die Unterhaltsbemessungsgrundlage betreffend die Kinder auswirken, noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig; er zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:
[4] 1. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens liegt nicht vor.
[5] 2. Dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem völlig gleich gelagerten Sachverhalt fehlt, begründet noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (vgl RS0102181 [T1]; RS0107773). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Fall – wie hier – mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst wurde (vgl RS0107773 [T3]).
[6] 3.1. Nach gefestigter Rechtsprechung dient die auf Grund einer privaten Unfallversicherung bezahlte Invaliditätsentschädigung nicht dem Ausgleich eines konkreten Mehraufwands (vgl zur Abgrenzung etwa RS0009552) oder wie das Schmerzengeld der Abdeckung eines bestimmten Sonderbedarfs. Sie dient vielmehr dem pauschalen Ausgleich eines typischen Einkommensausfalls und ist daher als Einkommen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen (1 Ob 127/18k [ErwGr 4.]; 8 Ob 127/03i; 7 Ob 48/00k; RS0113787).
[7] 3.2. Auch bei der Invaliditätsentschädigung handelt es sich um eine Summenversicherung, weil die Leistung unabhängig vom Nachweis eines konkreten Vermögensnachteils in voller Höhe gebührt (7 Ob 128/14w; 7 Ob 48/00k; vgl RS0118777 [T4]).
3.3. Die Beurteilung des Rekursgerichts, das die der Antragsgegnerin aus einer privaten Unfallversicherung zugeflossene Invaliditätsentschädigung unabhängig von einem vor dem Unfall bezogenen Erwerbseinkommen der Antragsgegnerin zur Gänze in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezog, findet Deckung in der erörterten Rechtsprechung. Gegenteiliges ist auch der vom Revisionsrekurs angeführten Entscheidung 7 Ob 301/03w nicht zu entnehmen. Ob dies auch für andere Leistungen aus einer privaten Unfallversicherung iSd §§ 179 ff VersVG gilt, ist im vorliegenden Fall nicht relevant.
[8] 3.4. Auch mit dem Argument, bei der Antragsgegnerin scheide ein „eventueller künftiger Einkommensausfall als Zweck der Invaliditätsentschädigung“ aus, weil sie aufgrund schwerster lebenslanger Dauerfolgen nie mehr arbeiten werde können, vermag der Revisionsrekurs eine aufzugreifende Fehlbeurteilung nicht nachvollziehbar aufzuzeigen. Denn Folge einer dauernden Erwerbsunfähigkeit wäre, wie schon das Rekursgericht dargelegt hat, die Unmöglichkeit, künftig ein Erwerbseinkommen zu erzielen, was durch die Invaliditätsentschädigung pauschal ausgeglichen werden soll (vgl Punkt 3.1).
[9] 3.5. Soweit der Revisionsrekurs gegen die gänzliche Einbeziehung der Invaliditätsentschädigung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage außerdem das Erfordernis einer Rücklagenbildung zur Abdeckung eines möglichen künftigen – und noch nicht näher konkretisierbaren – unfallbedingten Mehrbedarfs ins Treffen führt, ist ihm die oben (Punkt 3.1.) dargelegte gefestigte Rechtsprechung entgegen zu halten, wonach die Invaliditätsentschädigung dem pauschalen Ausgleich eines typischen Einkommensausfalls dient. Im Übrigen sind nach ständiger Rechtsprechung derartige Rücklagen als Ausgaben zu Zwecken der Vermögensbildung oder der privaten Vorsorge (vgl RS0107278 [T6, T10]) regelmäßig aus den (nach Leistung des Kindesunterhalts) verbleibenden Einnahmen zu bilden.
[10] 4.1. Kindesunterhaltssrelevante Vereinbarungen zwischen den Eltern sind nur insoweit wirksam, als sie nicht die Unterhaltsinteressen des Kindes beeinträchtigen, darf doch eine solche Vereinbarung niemals zu Lasten des Kindes in der Gestalt gehen, dass dadurch der ihm gebührende Gesamtunterhalt geschmälert würde (3 Ob 6/13y [ErwGr II.2.3.]; 2 Ob 234/07m; RS0047552 [T12]).
[11] 4.2. Ebenso wie die Vermögenssubstanz ist auch eine im Zuge der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse erlangte Ausgleichszahlung in der Regel nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, liegt doch ihr Zweck in der Beschaffung einer Ersatzwohnung, deren Einrichtung und ganz allgemein auch in der Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen. Ist diese Zweckbindung noch nicht preisgegeben und die widmungsgemäße Verwendung nicht ausgeschlossen, so sind Kapital und Zinsen nicht als Einkommen anzurechnen (RS0047461 [T3, T4]).
[12] 4.3. Das Rekursgericht ist von der unstrittigen Tatsache ausgegangen, dass die Invaliditätsentschädigung bei dem im Aufteilungsverfahren mit dem Vater der Kinder geschlossenen Vergleich berücksichtigt wurde und dort zu einer geringeren Ausgleichszahlung an die Antragstellerin geführt hat; ebenso davon, dass der Erwachsenenvertreter der Antragsgegnerin die – nach erfolgter Abtretung durch den Vater als Versicherungsnehmer an die Antragsgegnerin – von der Versicherung am 30. 4. 2019 ausbezahlte Invaliditätsentschädigung aufgrund einer im Zusammenhang mit dem Aufteilungsverfahren getroffenen Treuhandvereinbarung zwischen ihm und den Eltern erst nach Rechtswirksamkeit des im Aufteilungsverfahren geschlossenen Vergleichs auf das Konto der Antragsgegnerin überwiesen hat.
[13] 4.4. Das Rekursgericht war der Ansicht, dass die vergleichsweise vereinbarte und nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage fallende Ausgleichszahlung allenfalls geringer ausgefallen sei, könne nicht zu Lasten der unterhaltsberechtigten Kinder dadurch kompensiert werden, dass die Invaliditätsentschädigung nur zum Teil in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen werde. Auch die Vereinbarung über die Verwahrung der ausbezahlten Invaliditätsentschädigung durch den Erwachsenenvertreter der Antragsgegnerin könne nicht zu Lasten der Kinder gehen, weshalb der Betrag bereits ab Mai 2019 zur Unterhaltsbemessungsgrundlage hinzuzuzählen sei.
[14] Diese Beurteilung findet Deckung in den erörterten Rechtsprechungsgrundsätzen. Dass die Abtretung der Forderung an die Antragsgegnerin von der (späteren) Vereinbarung über die treuhändige Verwahrung durch den Erwachsenenvertreter der Antragsgegnerin abhängig gewesen wäre, behauptet auch der Revisionsrekurs nicht. Weshalb die Antragsgegnerin zu einer derartigen Vereinbarung gezwungen gewesen sein sollte, legte diese weder im bisheringen Verfahren noch im Revisionsrekurs dar, insbesondere nicht, warum ihr bei Unterbleiben dieser Disposition der Betrag nicht bereits ab Mai 2019 als Einkommensersatz zur Verfügung gestanden wäre. Damit bringt der Revisionsrekurs keinen im Einzelfall bestehenden Korrekturbedarf zur Darstellung.
[15] 4.5. Gegen die von den Vorinstanzen vorgenommene und stets von den Umständen des Einzelfalls abhängige (vgl RS0047428; RS0009667) Aufteilung der Invaliditätsentschädigung auf die statistische Restlebensdauer der Antragsgegnerin wendet sich diese im Rechtsmittelverfahren nicht.
[16] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 AußStrG. Der in erster Instanz ausgesprochene Kostenvorbehalt erfasst nur die vom Prozesserfolg in der Hauptsache abhängigen Kosten und steht der Kostenentscheidung im Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht entgegen (vgl RS0129365 [T3]). Die Bemessungsgrundlage beträgt aufgrund des Teilerfolgs der Antragsgegnerin im Rekursverfahren (Punkt 11. der Rekursentscheidung) in dritter Instanz jedoch nur 22.806 EUR. Für die Revisionsrekursbeantwortung gebührt lediglich der einfache Einheitssatz (vgl § 23 Abs 9 RATG), die Erhöhung der Entlohnung im elektronischen Rechtsverkehr beträgt nur 2,60 EUR (§ 23a RATG). § 3a Abs 7 UStG regelt als Generalklausel für sonstige Leistungen an einen Nichtunternehmer das Unternehmerortprinzip (3 Ob 7/23k [ErwGr 10.]; RS0114955 [T15]; Bürgler/Six/Stifter in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/ Wakounig, UStG-ON3.02 [Stand 1. 12. 2021, rdb.at] § 3a Rz 104, Rz 272). Da sich der Sitz der Antragstellervertreter in Liechtenstein befindet, diese kommentarlos 20 % Umsatzsteuer verzeichnet und den nicht gerichtsbekannten Umsatzsteuersatz in Liechtenstein nicht bescheinigt haben, kommt ein Zuspruch von Umsatzsteuer an die Antragsteller nicht in Betracht (vgl RS0114955).
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