OGH 3Ob7/23k

OGH3Ob7/23k15.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers mj T*, geboren am * 2007, vertreten durch seine Mutter N*, diese vertreten durch Dr. Werner Borns, Rechtsanwalt in Gänserndorf, gegen den Antragsgegner Ing. C*, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in Wien, wegen Vollstreckbarerklärung, über den Revisionsrekurs I.) des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 8. August 2022, GZ 21 R 24/22k‑66, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 3. August 2021, GZ 14 Nc 2/21g‑8, bestätigt wurde, und II.) des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 9. August 2022, GZ 21 R 25/22g bis 28/22y‑67, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 19. August 2021, GZ 14 Nc 2/21‑11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0030OB00007.23K.0315.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Exekutionsrecht, Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht, Unterhaltsrecht inkl. UVG

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

I. Dem Revisionsrekurs des Antragsgegners wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsgegner ist schuldig, dem Antragsteller die mit 2.585,70 EUR (hierin enthalten 430,95 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

II. Der Revisionsrekurs des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller ist schuldig, dem Antragsgegner die mit 2.639,70 EUR (hierin enthalten 439,95 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

III. Die Eingabe des Antragstellers und seiner Mutter vom 6. Februar 2023 wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Zu I.:

[1] Mit Beschluss des Gerichts des Bezirks Zentralniy der Stadt Minsk vom 13. Oktober 2017 wurde der Unterhaltsanspruch des (bei seiner Mutter in Weißrussland lebenden) Antragstellers gegenüber dem Antragsgegner, seinem (in Österreich lebenden) außerehelichen Vater, ab 1. Juni 2016 mit 25 % des Einkommens des Antragsgegners festgesetzt. Dieser Beschluss wurde vom Erstgericht mit Beschluss vom 13. Juni 2018 für Österreich für vollstreckbar erklärt.

[2] Mit Beschluss desselben weißrussischen Gerichts vom 10. Februar 2021 wurde der Beschluss vom 13. Oktober 2017 dahin „verbessert“, dass der Unterhaltsanspruch des Antragstellers ab 1. Jänner 2021 mit der festen Geldsumme von 5.000 EUR pro Monat festgesetzt wurde.

[3] Mit Beschluss vom 3. August 2021 (ON 8) erklärte das Erstgericht den Beschluss des weißrussischen Gerichts vom 10. Februar 2021 für Österreich für vollstreckbar.

[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners nicht Folge. Die Unterhaltsentscheidung widerspreche trotz mangelnder Berücksichtigung einer Luxusgrenze nicht dem österreichischen ordre public. Die für vollstreckbar zu erklärende Entscheidung sei auch nicht das Ergebnis betrügerischer Machenschaften im Verfahren iSd Art 22 lit b HUÜ. Der behauptete Tatbestand des Art 22 lit c HUÜ scheitere bereits daran, dass das vom Antragsgegner genannte Unterhaltsfestsetzungsverfahren nicht mehr anhängig (und überdies im hier relevanten Umfang zu 4 Ob 191/20x für nichtig erklärt worden) sei. Die spätere Entscheidung sei mit der früheren auch nicht iSd Art 22 lit d HUÜ unvereinbar. Auch der Versagungsgrund des Art 22 lit e HUÜ liege nicht vor, zumal der Antragsgegner gar nicht behaupte, dass ihm vom weißrussischen Gericht rechtliches Gehör nicht gewährt worden sei, sondern sich bloß auf den formalen Standpunkt zurückziehe, dass sich dem erstgerichtlichen Beschluss der Nachweis seiner Verständigung vom Verfahren nicht entnehmen lasse.

[5] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur ordre‑public‑Widrigkeit von ausländischen Entscheidungen über Kindesunterhalt ohne bedarfsorientierte Deckelung der monatlichen Unterhaltsbeiträge fehle.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

[7] 1. Entgegen dem Standpunkt des Antragsgegners war das Rekursgericht nicht gehalten, den erstgerichtlichen Beschluss im Hinblick auf die rechtskräftige Vollstreckbarerklärung des im Jahr 2017 gefällten Bruchteilstitels von Amts wegen als nichtig aufzuheben. In der Vollstreckbarerklärung des vom weißrussischen Gericht gefassten „Verbesserungs“beschlusses ist nämlich kein Eingriff in die Rechtskraft der früheren Vollstreckbarerklärung des Bruchteilstitels zu erblicken.

[8] 2. Dem vom Antragsgegner geltend gemachten Verfahrensmangel, der darin liegen soll, dass das Rekursgericht in seiner Entscheidung die aus mehreren früheren Rechtsmittelverfahren zwischen den Parteien gerichtsbekannte Vorgeschichte darlegte, ohne die entsprechenden Akten verlesen zu haben, fehlt es schon an der erforderlichen Relevanz, weil der Antragsgegner nicht einmal behauptet, der vom Rekursgericht wiedergegebene Ablauf finde in den Vorakten keine Deckung.

[9] 3. Im Verfahren ist unstrittig, dass auf den für vollstreckbar zu erklärenden Beschluss das Haager Unterhaltsübereinkommen 2007 (HUÜ) anwendbar ist. In dessen Art 22 sind diverse Versagungsgründe für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen angeführt, deren Vorliegen der Antragsgegner in seinem Rekurs behauptet hat.

[10] 4.1. Gemäß Art 22 lit a HUÜ können die Anerkennung und Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung verweigert werden, wenn diese mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Vollstreckungsstaats offensichtlich unvereinbar sind.

[11] 4.2. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Verstoß gegen den ordre public nur dann zu bejahen, wenn die Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung mit der österreichischen Rechtsordnung völlig unvereinbar wäre (vgl RS0121001). Weil die ordre‑public‑Klausel eine systemwidrige Ausnahme darstellt, wird allgemein sparsamster Gebrauch gefordert, eine schlichte Unbilligkeit des Ergebnisses genügt ebenso wenig wie der bloße Widerspruch zu zwingenden österreichischen Vorschriften. Gegenstand der Verletzung müssen vielmehr Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung sein. Zweite wesentliche Voraussetzung für das Eingreifen der Vorbehaltsklausel ist, dass das Ergebnis der Anwendung fremden Sachrechts und nicht bloß dieses selbst anstößig ist und überdies eine ausreichende Inlandsbeziehung besteht (vgl RS0110743; vgl auch RS0002402).

[12] 4.3. Ausgehend von dieser Judikatur hat das Rekursgericht zutreffend einen Verstoß der weißrussischen Entscheidung gegen den österreichischen ordre public verneint. Es trifft zwar zu, dass nach der österreichischen Rechtsprechung hohes Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht dazu führen darf, den Unterhaltsberechtigten über die Angemessenheitsgrenze des § 231 ABGB hinaus zu alimentieren (RS0047447). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der sogenannte Unterhaltsstopp (die Luxusgrenze) zwangsläufig nur dann zur Anwendung kommen kann, wenn der Unterhaltsanspruch eines Kindes gerichtlich festgesetzt wird; bezieht ein unterhaltsberechtigtes Kind hingegen Naturalunterhalt, wird es in aller Regel auch an einem (weit) überdurchschnittlichen Einkommen der Eltern partizipieren, ohne dass eine Luxusgrenze eingezogen würde. Aber auch ein gegenüber mehreren Kindern geldunterhaltspflichtiger Elternteil kann nicht daran gehindert werden, (nur) einem dieser Kinder freiwillig höheren (auch die Luxusgrenze übersteigenden) Geldunterhalt zu leisten. Schon aus diesem Grund kann keine Rede davon sein, dass der Unterhaltsstopp eine Grundwertung der österreichischen Rechtsordnung wäre, deren Verletzung einen Verstoß gegen den ordre public begründete. Damit geht auch die Argumentation des Antragsgegners mit dem durch die Überalimentierung gefährdeten Kindeswohl ins Leere.

[13] 4.4. Inwiefern eine Gerichtsentscheidung (sei es der weißrussische Beschluss, sei es die österreichische Vollstreckbarerklärung) auch nur abstrakt geeignet sein sollte, gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot zu verstoßen, ist nicht nachvollziehbar.

[14] 4.5. Die vom Antragsgegner ins Treffen geführte Entscheidung 9 Ob 19/08x betraf zwar eine durchaus vergleichbare Situation (minderjähriges, in Russland lebendes Kind und in Österreich ansässiger unterhaltspflichtiger Vater mit weit überdurchschnittlichem Einkommen), allerdings erging sie in einem (österreichischen) Unterhaltsfestsetzungsverfahren, während im vorliegenden Fall von den österreichischen Gerichten nicht der (nach ausländischem Recht) angemessene Unterhalt zu ermitteln, sondern (nur) zu prüfen ist, ob die ausländische Gerichtsentscheidung Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung widerspricht.

[15] 4.6. Aus der (zwischen den Parteien ergangenen) Entscheidung 4 Ob 191/20x ist für den Antragsgegner ebenfalls nichts zu gewinnen, weil dort für die Unterhaltsfestsetzung (für die Zeit bis 31. Mai 2016) unstrittig österreichisches Sachrecht anzuwenden war. Da mit dieser Entscheidung das Unterhaltsfestsetzungsverfahren für die Zeit ab 1. Juni 2016 im Hinblick auf den für vollstreckbar erklärten Bruchteilstitel mit dem Hinweis für nichtig erklärt wurde, dass gemäß § 405 EO die Anpassung des Bruchteilstitels nur im Exekutionsverfahren erfolgen könne, kann auch die vom Rekursgericht in seiner damaligen Entscheidung vertretene Rechtsansicht zur Anwendbarkeit der Luxusgrenze keinerlei Bindungswirkung entfalten.

[16] 4.7. Aus welchem Grund die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 16. Juni 2022, C‑328/20 (betreffend die Verpflichtung zur Gleichbehandlung bei der Familienbeihilfe) im vorliegenden Fall einschlägig sein sollte, bleibt unerfindlich.

[17] 5.1. Der Versagungsgrund des Art 22 lit b HUÜ liegt vor, wenn die für vollstreckbar zu erklärende Entscheidung das Ergebnis „betrügerischer Machenschaften im Verfahren“ ist.

[18] 5.2. Der Antragsgegner beruft sich in diesem Zusammenhang nur darauf, die Mutter des Antragstellers habe „mutwillig“ – trotz Vorliegens des materiell rechtskräftigen Bruchteilstitels – eine neuerliche Klage in Weißrussland erhoben, nachdem der Oberste Gerichtshof zu 4 Ob 191/20x ausgesprochen habe, dass die Anpassung des Bruchteilstitels dem österreichischen Exekutionsgericht obliege; in dieser Klage habe sie tatsachenwidrig behauptet, die Anpassung sei nur nach Einholung eines Sachverständigengutachtens möglich, wobei die Kosten dem minderjährigen Kind angelastet würden.

[19] 5.3. Mit diesem Vorbringen kann der Antragsgegner von vornherein keine „betrügerischen Machenschaften“ im weißrussischen Verfahren darlegen, sondern höchstens ein (allenfalls bewusst) wahrheitswidriges Vorbringen einer Prozesspartei in einem zweiseitigen Verfahren, dem er, hätte er sich am Verfahren beteiligt, entgegentreten hätte können.

[20] 6.1. Gemäß § 22 lit c HUÜ können die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung verweigert werden, wenn ein denselben Gegenstand betreffendes Verfahren zwischen denselben Parteien vor einer Behörde des Vollstreckungsstaats anhängig und als erstes eingeleitet worden ist.

[21] 6.2. Der Antragsgegner beruft sich in diesem Zusammenhang in dritter Instanz erstmals nicht auf das seinerzeit vor dem Erstgericht zu 5 P 265/17g anhängige Unterhaltsfestsetzungsverfahren, das jedoch auch nach seinem eigenen Vorbringen bereits zu 4 Ob 191/20x beendet wurde, sondern auf den vom Minsker Gericht im Jahr 2017 geschaffenen Bruchteilstitel. Auch dieses Verfahren ist aber zweifellos nicht mehr anhängig. Dass der Antragsteller nach dem Standpunkt des Antragsgegners „durch seine Machenschaften über zwei exekutierbare Titel in Österreich verfügt“, kann den Versagungsgrund des § 22 lit c HUÜ von vornherein nicht verwirklichen.

[22] 7.1. Gemäß Art 22 lit d HUÜ können die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung verweigert werden, wenn die Entscheidung unvereinbar ist mit einer Entscheidung, die zwischen denselben Parteien über denselben Gegenstand entweder im Vollstreckungsstaat oder in einem anderen Staat ergangen ist, sofern diese letztgenannte Entscheidung die Voraussetzungen für die Anerkennung und Vollstreckung im Vollstreckungsstaat erfüllt.

[23] 7.2. Das Rekursgericht hat eine Unvereinbarkeit des weißrussischen Bruchteilstitels und des weißrussischen Festbetragstitels verneint. Eine Unrichtigkeit dieser Beurteilung vermag der Antragsgegner mit der bloßen Behauptung, dem zweiten Gerichtsbeschluss stehe der erste entgegen, nicht darzutun. Dass gemäß § 405 EO aufgrund des Bruchteilstitels während der Zeit seiner aufrechten Vollstreckbarerklärung in einem (österreichischen) Exekutionsverfahren die Festsetzung eines Festbetrags erfolgen hätte können, was tatsächlich nie geschehen ist, führt noch nicht zur Unvereinbarkeit der beiden weißrussischen Entscheidungen.

[24] 8.1. Der Versagungsgrund des Art 22 lit e 1. Fall HUÜ liegt vor, wenn in den Fällen, in denen der Antragsgegner im Verfahren im Ursprungsstaat weder erschienen noch vertreten worden ist, der Antragsgegner, sofern das Recht des Ursprungsstaats eine Benachrichtigung vom Verfahren vorsieht, nicht ordnungsgemäß vom Verfahren benachrichtigt worden ist und nicht Gelegenheit hatte, gehört zu werden.

[25] 8.2. Der Antragsteller hat mit seinem verfahrenseinleitenden Antrag (unter anderem) eine Bescheinigung des weißrussischen Gerichts vorgelegt, wonach dem Antragsgegner (auch) die „Klageschrift über die Verbesserung des Beschlusses und Änderung des Verfahrens und der Methode zur Alimentation für das minderjährige Kind“, die dem für vollstreckbar zu erklärenden Beschluss zugrunde lag, im Rechtshilfeweg über das Erstgericht (zu ergänzen: durch Hinterlegung) zugestellt wurde, er die Dokumente aber nicht abgeholt hat. Des Anschlusses einer Kopie des Rückscheins bedurfte es schon deshalb nicht, weil sich das Original ohnehin im (in der Bescheinigung mit der Aktenzahl angeführten) Rechtshilfeakt des Erstgerichts befinden muss.

[26] 8.3. Der Antragsgegner bemängelt, dass der Rekursentscheidung jegliche Begründung fehle, warum er ordnungsgemäß verständigt worden sei. Dabei ignoriert er jedoch, dass er in seinem Rekurs (wie auch im Revisionsrekurs) kein konkretes Vorbringen erstattet hat, warum die Zustellung nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Dass er die „Klageschrift“ nicht erhalten hat, trifft zwar nach dem Inhalt der Bescheinigung des weißrussischen Gerichts zu, dies ist aber – mangels gegenteiliger Anhaltspunkte – allein der von ihm zu vertretenden Tatsache geschuldet, dass er es unterlassen hat, die hinterlegte Sendung abzuholen.

[27] 8.4. Mag es auch für den Antragsgegner im Februar 2021 einerseits wegen der Corona‑Pandemie und andererseits wegen der politischen Situation in Weißrussland schwierig bis unmöglich gewesen sein, zur Gerichtsverhandlung am 10. Februar 2021 anzureisen, ist seinem Vorbringen kein Hinweis darauf zu entnehmen, warum es ihm nicht möglich gewesen wäre, einen weißrussischen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung zu beauftragen.

[28] 9. Für die Stattgebung der vom Antragsgegner gestellten Eventualanträge, den Beschluss des weißrussischen Gerichts nur insoweit für vollstreckbar zu erklären, dass er ab 1. Jänner 2021 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 518 EUR bzw 1.035 EUR verpflichtet werde, also für eine inhaltliche Änderung (Einschränkung) des für vollstreckbar zu erklärenden Titels, fehlt, wie bereits das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, eine gesetzliche Grundlage.

[29] 10. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 411 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.

[30] Während § 3a Abs 6 UStG für sonstige Leistungen im zwischenunternehmerischen Bereich als Generalklausel das Empfängerortprinzip normiert, gelten gemäß § 3a Abs 7 UStG sonstige Leistungen an einen Nichtunternehmer vorbehaltlich der Abs 8 bis 16 und Art 3a als an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. § 3a Abs 7 UStG regelt somit als Generalklausel für sonstige Leistungen an einen Nichtunternehmer das Unternehmerortprinzip. Die Ausnahmebestimmung des § 3a Abs 14 Z 4 UStG ist nach dem klaren Wortlaut nur anwendbar, wenn der Leistungsempfänger ein Nichtunternehmer ist, der keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet hat. Für den mit seiner Mutter in Weißrussland wohnhaften Antragsteller erbrachten rechtsanwaltlichen Leistungen gilt daher das Unternehmerortprinzip, weshalb österreichische Umsatzsteuer zuzusprechen ist (vgl 3 Ob 73/20m = RS0114955 [T15]).

Zu II.:

[31] Mit „Beschluss (Versäumnisurteil)“ des Gerichts des Bezirks Zentralnij der Stadt Minsk vom 10. Februar 2021 wurde über den Antragsgegner eine Strafe (ein Verzugszuschlag) für die nicht rechtzeitige Alimentation des Antragstellers zugunsten dessen Mutter in Höhe von 200.000 EUR verhängt.

[32] Mit Beschluss vom 19. August 2021 (ON 11) wies das Erstgericht den Antrag des Antragstellers, diese Entscheidung für Österreich für vollstreckbar zu erklären, ab. Dieser Antrag beziehe sich nicht auf die Geltendmachung oder Hereinbringung seines Unterhaltsanspruchs, sondern auf eine gerichtliche Entscheidung, mit der über den Antragsgegner eine Geldstrafe (Konventionalstrafe) verhängt worden sei. Das HUÜ sei aber auf eine solche Entscheidung nicht anwendbar. Im Verhältnis zwischen Österreich und Weißrussland existiere kein Staatsvertrag, der die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von zivil‑ oder strafrechtlichen Entscheidungen regle.

[33] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge. Beim zugesprochenen Geldbetrag handle es sich nur vordergründig um eine Verzinsung des geschuldeten Unterhalts. Den Entscheidungsgründen des weißrussischen Gerichts sei zu entnehmen, dass die Geldstrafe einerseits von einem tatsächlichen Schaden des „Unterhaltspflichtigen“ (gemeint: Unterhaltsempfängers, hier also der Mutter des unterhaltsberechtigten Antragstellers) unabhängig, andererseits der Strafbetrag aber auf einen tatsächlichen Schaden anzurechnen sei. Gleichzeitig unterliege der Betrag einem richterlichen Mäßigungsrecht, wobei nicht erkennbar sei, nach welchen Kriterien die – nicht unerhebliche – Mäßigung [nämlich von der von der Mutter des Antragstellers beantragten Strafe von 363.168,66 EUR auf 200.000 EUR] vorgenommen worden sei. Es handle sich beim zugesprochenen Betrag daher nicht um schlichte Verzugszinsen, deren Geltendmachung als typische Nebenforderung einer Unterhaltsschuld gemäß Kapitel V des HUÜ vorgesehen sei. Insgesamt sei auch nicht erkennbar, inwieweit der Verhängung der Geldstrafe vorwiegend Alimentationscharakter zukomme, zumal bei deren Bemessung erkennbar nicht auf die Bedürfnisse des „Unterhaltspflichtigen“ (gemeint: Unterhaltsberechtigten) abgestellt werde.

[34] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil höchstgerichtliche Judikatur zur Abgrenzung von Unterhaltstiteln gemäß Art 19 HUÜ zu sonstigen, nicht dem Kapitel V des HUÜ unterliegenden Titeln fehle.

[35] Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

[36] 1. Der Revisionsrekurs setzt sich mit der Argumentation des Rekursgerichts, wonach es sich bei der Geldstrafe nicht um eine Unterhaltsforderung iSd HUÜ handle, inhaltlich nicht auseinander, sondern betont bloß, dass die Zahlungsverpflichtung aus einer Unterhaltspflicht des Antragsgegners resultiere. Dies ist zwar vordergründig richtig. Allerdings übersieht der Antragsteller dabei, dass – wie sich insbesondere aus den in den Entscheidungsgründen (dem „Motivationsteil“) der weißrussischen Entscheidung dargelegten gesetzlichen Bestimmungen ergibt – aus dem Versäumnisurteil berechtigt nicht er selbst (als unterhaltsberechtigtes Kind), sondern seine Mutter (als „Unterhaltsempfängerin“) ist, der der Unterhaltsschuldner bei verschuldetem Unterhaltsrückstand eine Strafe in Höhe von 0,3 % der Summe des nicht bezahlten Unterhalts für jeden Tag der Verspätung zu leisten hat. Schon deshalb liegt es aber auf der Hand, dass es sich hier um keine Unterhaltsforderung iSd HUÜ handeln kann, zu deren Geltendmachung der Antragsteller legitimiert ist.

[37] 2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 411 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO. Der Antragsgegner hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.

Zu III.:

[38] Jeder Partei steht nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zu. Weitere Rechtsmittelschriften und Rechtsmittelgegenschriften, Nachträge oder Ergänzungen sind auch dann unzulässig, wenn sie innerhalb der gesetzlichen Frist angebracht werden (RS0041666). Die vom Antragsteller und seiner Mutter am 6. Februar 2023 – und damit lange nach Ablauf der Revisionsrekurs‑(beantwortungs‑)frist – direkt an den Obersten Gerichtshof übermittelte Eingabe ist daher zurückzuweisen.

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