OGH 5Ob12/24m

OGH5Ob12/24m8.8.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L* GmbH, *, vertreten durch Dr. Christoph Gratl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beklagte K* S*, MSc (WU), *, vertreten durch Mag. Willibald Berger, Rechtsanwalt in Marchtrenk, wegen Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft (Streitwert 1.800.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 13. November 2023, GZ 4 R 138/23a‑100, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00012.24M.0808.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508aAbs 2ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502Abs 1ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin und die Beklagte sind die Miteigentümerinnen einer Liegenschaft. Das im Jahr 1963 errichtete Haus wurde als Wohnung und als *museum genutzt. Der Museumsbetrieb war bereits eingestellt worden, bevor die Klägerin im Jahr 2019 ihre 5/6 Anteile erwarb.

[2] Die Klägerin begehrte die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft durch gerichtliche Feilbietung (Zivilteilung), in eventu durch Begründung von Wohnungseigentum (Realteilung).

[3] Die Beklagte bestritt das Hauptbegehren, anerkannte jedoch das Eventualbegehren.

[4] Das Erstgericht wies das auf Zivilteilung gerichtete Hauptbegehren ab; hingegen gab es dem auf Realteilung durch Begründung von Wohnungseigentum gerichteten Eventualbegehren statt.

[5] Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung über Berufung der Klägerin ab und gab dem Hauptbegehren statt. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

[7] 1. Gemäß § 843 ABGB ist die Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft an einer Liegenschaft durch die Naturalteilung (Realteilung) die Regel und jene durch Zivilteilung die Ausnahme. Das Gesetz räumt der Realteilung damit den Vorrang ein. Die Zivilteilung kommt nur in Betracht, wenn eine Realteilung nicht möglich ist (5 Ob 60/22t; RS0013236).

[8] Die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft durch Begründung von Wohnungseigentum (§ 3 Abs 1 Z 3 WEG 2002) ist eine Sonderform der Realteilung (5 Ob 185/22z; RS0106352 [T1]). Wegen des Vorrangs auch dieser Form der Realteilung gegenüber der Zivilteilung setzt die Berechtigung eines Zivilteilungsbegehrens die Unmöglichkeit oder Untunlichkeit der Begründung von Wohnungseigentum voraus (5 Ob 185/22z; RS0013236 [T7]; RS0106351).

[9] 2. Die für die Realteilung nach § 843 ABGB aufgestellten Grundsätze gelten auch für die Begründung von Wohnungseigentum durch Richterspruch nach § 3 Abs 1 Z 3 WEG 2002 (RS0110439). Es entspricht daher der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass auch im Fall der Teilung durch Begründung von Wohnungseigentum die entstehenden Anteile annähernd gleich beschaffen sein müssen, die gemeinsame Sache also in Teile mit annähernd gleicher Beschaffenheit zerlegt werden können muss (5 Ob 36/09v mwN; RS0013851 [T3]).

[10] Die Frage der Möglichkeit und Tunlichkeit einer Realteilung im Allgemeinen (5 Ob 60/22t; RS0013852 [T12]; RS0112673 [T2]) und die Frage der annähernd gleichen Beschaffenheit der möglichen Wohnungseigentumsobjekte im Besonderen (RS0013851 [T5]; RS0013852 [T13]) sind immer nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. Diese Entscheidung könnte daher nur bei einer groben Überschreitung des den Gerichten bei Lösung dieser Frage eingeräumten Ermessensspielraums eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründen (5 Ob 60/22t; 5 Ob 198/19g; RS0044088).

[11] 3. Eine solche aus Gründen der Rechtssicherheit auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung zeigt die Revision der Beklagten nicht auf.

[12] Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, dass eine Realteilung durch Begründung von Wohnungseigentum ausscheide, weil die intendierte Aufteilung keine Wohnungseigentumsobjekte von annähernd gleicher Beschaffenheit entstehen ließe. Nach der vom Erstgericht festgestellten Möglichkeit der Begründung von Wohnungseigentum würden der Beklagten nämlich ausschließlich zur gewerblichen Nutzung vorgesehene Räumlichkeiten des vormaligen *museums im Keller- und Erdgeschoß zugewiesen werden, während sich das sich über vier Etagen erstreckende Wohnungseigentumsobjekt der Klägerin einerseits aus den restlichen Räumlichkeiten des Museums (ohne Sanitärräume), andererseits aber in einem nicht unbeträchtlichen Umfang aus Wohnräumlichkeiten im Ober- und Dachgeschoß zusammensetzte, die sich noch dazu im Vergleich zu den Räumen des früheren Museums in einem schlechteren Bauzustand befänden. Damit seien die zu schaffenden Wohnungseigentumsobjekte weder mit Blick auf die ihnen zukommende Widmung und Nutzungsmöglichkeit noch in Bezug auf ihren konkreten Zustand als gleichartig zu qualifizieren.

[13] Diese Beurteilung des Berufungsgerichts beruht auf den von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entwickelten und von ihm zutreffend dargestellten Grundsätzen; das Berufungsgericht geht insbesondere nicht, wie die Beklagte in ihrer Revision unterstellt, davon aus, dass die aus der Teilung hervorgehenden Wohnungseigentumsobjekte (nicht nur annähernd, sondern) exakt gleichartig sein müssten. Es trifft auch zu, dass bei der Beurteilung der gleichartigen Beschaffenheit der Anteile auch die Art der Räumlichkeiten, deren Widmung und die (durch den Bauzustand mitbestimmten) Nutzungsmöglichkeiten beachtlich sein kann (5 Ob 198/19g; 5 Ob 36/09v).

[14] In der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall orientierte sich das Berufungsgericht an Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, in denen dieser durchaus vergleichbare Sachverhalte zu beurteilen hatte (5 Ob 36/09v; 5 Ob 268/09m; 5 Ob 209/10m; 5 Ob 198/19g). Zu 5 Ob 36/09v sah der Fachsenat – unter Hinweis auf die Maßgeblichkeit der Umstände des Einzelfalls – die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, ein Teil im Wesentlichen bestehend aus Geschäftsräumlichkeiten einerseits und ein Teil im Wesentlichen bestehend aus Wohnräumlichkeiten andererseits seien nicht annähernd gleich beschaffen, nicht als korrekturbedürftig an. Bei der zu 5 Ob 268/09m zu beurteilenden Teilung hätte der Kläger bei einem Miteigentumsverhältnis von 75 (Kläger): 25 (Beklagte) und einem Verhältnis der Wohnnutzflächen bei 58,5 (Kläger): 41,5 (Beklagte) zwecks Wahrung der Miteigentumsverhältnisse die Zuteilung einer unverhältnismäßig größeren Gartenfläche (624 m²: 33 m²) anstatt eines größeren Wohnnutzflächenanteils hinnehmen müssen. Auch in diesem Fall sah derFachsenatdieBeurteilung, derartige Teile seien nicht annähernd gleich beschaffen, nicht als korrekturbedürftig an. Zu 5 Ob 209/10m billigte der Fachsenat, dass es sich bei – nicht einmal zusammenhängenden, weil in verschiedenen Trakten liegenden – Keller- und Abstellräumen sowie Garagen gegenüber Wohnungen keinesfalls um Räume gleichartiger Beschaffenheit handle. Zu 5 Ob 198/19g sah der Fachsenat in einem Fall der Aufteilung eines Zinshauses in der Annahme annähernd gleicher Beschaffenheit der zu schaffenden Teile keine aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn beiden Streitteilen sowohl Geschäftslokale als auch – teils leerstehende, teils unbefristet vermietete, bzw teils „ungeliebte“, teils „attraktive“ – Wohnungen zugewiesen werden sollen.

[15] Die Beurteilung des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung. Die Beklagte stützt ihre gegenteilige Auffassung auf Rechtsprechung zum Fehlen der (annähernd) gleichen Beschaffenheit bei einem Gebäude (Haus mit Garten) einerseits und (nur) landwirtschaftlich nutzbaren Ackergrundstücken andererseits (4 Ob 510/82), zwischen einem kleinen Grundstücksteil samt Wohnhaus mit 225 m² Fläche und einer großen Liegenschaft samt Gebäude (Bauhütte) mit nur 20 m² Fläche (7 Ob 23/03p) oder zwischen bebauten und unbebauten Grundstücken (3 Ob 178/05f). Aus diesen Entscheidungen zur Realteilung im Sinn einer „echten“ Liegenschaftsteilung folgt aber – wie die vom Berufungsgericht zitierte Rechtsprechung zeigt – nicht schon im Umkehrschluss, dass verschiedene Räume eines Hauses ungeachtet ihrer Widmung und Nutzungsmöglichkeiten stets als annähernd gleich beschaffen gelten müssten (5 Ob 36/09v). Gerade in der vom Beklagten angesprochenen Entscheidung 5 Ob 89/99w wird für ein Schloss mit sehr unterschiedlichen Räumlichkeiten (baufällige Teile, nicht bewohnbare Räume, Rittersaal, Wirtschaftsräume) nicht nur die Möglichkeit der Schaffung gleichwertiger Teile, sondern auch (ausdrücklich) die Bildung von Teilstücken annähernd gleicher Beschaffenheit bezweifelt. Die Entscheidung 3 Ob 538/82 betraf eine in tatsächlicher Hinsicht ganz außergewöhnliche Fallkonstellation, bei der aber immerhin für jeden Teilhaber ein Betriebsgebäude und insofern gleichartige Objektteile vorgesehen waren (5 Ob 36/09v).

[16] Im Ergebnis zeigt die Argumentation der Beklagten, dass und warum mit der vom Erstgericht – auf Basis des vom Sachverständigen geprüften Teilungsvorschlags der Beklagten – festgestellten Möglichkeit der Wohnungseigentumsbegründung jedem der Streitteile entsprechend ihren Miteigentumsanteilen Wohnungseigentumsobjektein annähernd gleicher Beschaffenheit zugeteilt werden könnten, nur auf, dass auch eine andere rechtliche Beurteilung denkbar wäre. Die Frage, ob im konkreten Einzelfall auch eine andere Beurteilung möglich wäre, hat aber keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung.

[17] 4. Die Beklagte rügt, dass das Berufungsgericht nur die dem Ersturteil zugrundeliegende, ihrem Teilungsvorschlag entsprechende Variante der Aufteilung geprüft (und abgelehnt) habe. Das Gericht sei an Teilungsvorschläge aber nicht gebunden, diesem obliege vielmehr die allgemeine Prüfung, ob die Begründung von Wohnungseigentum möglich und tunlich sei. Zur Beurteilung der Frage, ob die Realteilung durch Begründung von Wohnungseigentum hier generell unmöglich oder untunlich sei, fehle derzeit eine Sachverhaltsgrundlage; dies trotz des schon in erster Instanz erstatteten Vorbringens der Beklagten, dass nicht nur ihr Aufteilungsvorschlag, sondern auch andere Varianten (ohne hohe Umbau- oder Teilungskosten und ohne einen unverhältnismäßigen hohen Wertausgleich) möglich und technisch umsetzbar wären. Das Berufungsgericht hätte die Entscheidung des Erstgerichts aufheben und zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurückverweisen müssen. Nach Verfahrensergänzung wäre hervorgekommen, dass die Teilung der Liegenschaft durch Begründung von Wohnungseigentum zwanglos durch andere Teilungsanordnungen möglich und tunlich sei; insbesondere auch in der Form, dass jedem der Streitteile entsprechend ihren Miteigentumsanteilen Anteile von in etwa gleichwertiger und annähernd gleicher Beschaffenheit zugeteilt werden können.

[18] Wer als Beklagter im Teilungsverfahren die einer Zivilteilung vorgehende Sonderform der Realteilung durch Wohnungseigentumsbegründung anstrebt, hat deren Möglichkeit und Tunlichkeit darzutun und die dafür notwendigen rechtserzeugenden Tatsachen zu behaupten und zu beweisen (RS0110441; RS0106355 [T1]; RS0101774 [T8, T12]). Sinnvollerweise wird das durch einen entsprechenden Teilungsvorschlag, also Vorschlag für eine konkrete Wohnungseigentumsbegründung durch Festsetzung von Nutzwerten für die Wohnungseigentumsobjekte geschehen (RS0106355). Wenn ein solcher Teilungsvorschlag vorliegt, muss das Gericht über diesen verhandeln, ist aber nicht daran gebunden (5 Ob 110/18i; RS0113832). Eine konkrete Teilung durch Zuordnung bestimmter Wohnungseigentumsobjekte mit entsprechenden Anteilen abweichend vom Teilungsvorschlag ist daher grundsätzlich zulässig (5 Ob 110/18i).

[19] Ein konkreter Teilungsvorschlag ist auch nicht zwingend notwendig. Wenn kein solcher erstattet wird, ist die Möglichkeit und Tunlichkeit der Begründung von Wohnungseigentum allgemein zu prüfen (RS0113832 [T2]). Die Darlegungspflicht desjenigen, der dieBegründung von Wohnungseigentum anstrebt, geht also nicht so weit, dass er einen konkreten Teilungsvorschlag machen muss (RS0101774 [T5]). Ihm obliegt es aber jedenfalls konkret darzutun, dass die Möglichkeit und Tunlichkeit der Begründung von Wohnungseigentum besteht. Die Prüfung des Gerichts hat sich auf die dazu behaupteten rechtserzeugenden Tatsachen zu beschränken. Bleiben Zweifel, geht das zu Lasten desjenigen, der dieBegründung von Wohnungseigentum anstrebt (RS0101774 [T3]).

[20] Die von der Beklagten im Weg der Vorlage einer Studie über die Möglichkeit der Begründung von Wohnungseigentum vorgeschlagene Realteilung in der Sonderform Wohnungseigentum hielt das Berufungsgericht mangels annähender Gleichartigkeit der gebildeten Wohnungseigentumsobjekte für nicht möglich. Im Verfahren vor dem Erstgericht hat die diesbezüglich darlegungspflichtige Beklagte kein konkretes Vorbringen zur Möglichkeit und Tunlichkeit einer anderen Aufteilung erstattet. Die Beklagte hat zwar wiederholt pauschal behauptet, dass der von ihr eingebrachte und vom bestellten Sachverständigen behandelte Aufteilungsvorschlag lediglich eine von vielen Möglichkeiten sei und zwanglos auch andere, den Vorgaben der Rechtsprechung genügende Varianten umsetzbar seien, sie hat diese pauschale Behauptung aber in keiner Weise konkretisiert und ihr Vorbringen um die für diese Beurteilung erforderlichen rechtserzeugenden Tatsachen ergänzt (vgl 5 Ob 130/18f).

[21] Die Vorinstanzen hatten daher keine Veranlassung, diese nicht weiter konkretisierte Hilfsbehauptung der Beklagten einer in diesem Sinn amtswegigen Prüfung zu unterziehen. Die Beklagte kommt ihrer Darlegungsobliegenheit auch im Revisionsverfahren nicht nach und begnügt sich mit der pauschalen Behauptung, eine Verfahrensergänzung hätte das von ihr gewünschte Ergebnis gebracht. Es liegt daher weder ein sekundärer Feststellungsmangel noch die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens vor.

[22] 4. Die Revision war damit mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte