European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00193.23B.0528.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Die Klägerin war Bauträgerin und Wohnungseigentumsorganisatorin. Mit Kauf- (und Wohnungseigentums‑)vertrag vom 11. 12. 2018 veräußerte sie dem Beklagten Anteile an der Liegenschaft, mit denen Wohnungseigentum am Objekt Top 2 und Zubehörwohnungseigentum an Gartenflächen verbunden werden sollte. Der in voller Höhe (bei einem Treuhänder) erlegte Kaufpreis wurde der Klägerin entsprechend dem Baufortschritt in mehreren Raten ausbezahlt. Der Kaufvertrag sah vor, dass die letzte Rate in Höhe von 7.900 EUR grundsätzlich erst nach Ablauf von drei Jahren ab Übergabe des Vertragsgegenstands fällig sein sollte, bei Vorliegen einer (anderen) Garantie zur Sicherung allfälliger Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche des Beklagten als Käufer jedoch mit deren Nachweis. Die Klägerin legte eine entsprechende Haftrücklassgarantie vor, worauf auch die letzte Rate an sie ausbezahlt wurde. Kurz vor Ablauf der Gewährleistungsfrist (15. 5. 2022) rief der Beklagte die Haftrücklassgarantie ab, woraufhin ihm die Garantiegeberin den Betrag von 7.900 EUR überwies; die Klägerin ersetzte diesen Betrag der Garantiegeberin.
[2] Sie begehrt vom Beklagten die Zahlung von 7.900 EUR sA; Mängel lägen weder an allgemeinen Teilen der Liegenschaft noch am Objekt des Beklagten vor.
[3] Der Beklagte erhob die Einrede des nicht erfüllten Vertrags. Es lägen – im einzelnen konkret bezeichnete – Mängel vor. Außerdem habe der Magistrat der Stadt Wien mit Bescheid vom 10. 1. 2017 Ersatzpflanzungen aufgetragen, die nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden seien.
[4] Das Berufungsgericht bestätigte das der Klage zur Gänze stattgebende Urteil des Erstgerichts und ließ die Revision über Antrag des Beklagten gemäß § 508 ZPO zu. Es ging – zusammengefasst – davon aus, dass die Klägerin die ihr bekanntgegebenen Mängel behoben habe; die vom Beklagten im Verfahren geltend gemachten Mängel seien erst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist gerügt worden und damit verfristet. Im Zusammenhang mit den bescheidmäßig aufgetragenen Ersatzpflanzungen könne aus dem festgestellten Sachverhalt eine Mangelhaftigkeit nicht abgeleitet werden. Die Revision sei (nachträglich) zuzulassen, weil – soweit überblickbar – Rechtsprechung des Höchstgerichts fehle, ob die in einem Fällungsbescheid angeordneten und in der Folge (nach den Behauptungen) nicht ordnungsgemäß durchgeführten Ersatzpflanzungen ein auf der Liegenschaft lastender Rückstand im Sinn des § 928 letzter Satz ABGB seien, der ohne weitere Voraussetzungen zur Zurückbehaltung des Haftrücklasses berechtige.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die von der Klägerin beantwortete Revision des Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Entscheidung kann sich daher auf die Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
[6] 1. Nach § 928 zweiter Satz ABGB müssen Schulden und Rückstände, welche auf der Sache haften, (vom Veräußerer) stets vertreten werden. Diese Bestimmung enthält der Sache nach die widerlegliche Vermutung, dass der Übernehmer die Sache ohne Schulden und Rückstände übernehmen wolle (vgl RS0018510). Auch öffentliche Lasten sind Schulden und Rückstände im Sinn dieser Bestimmung, wenn gegen den Übergeber bereits ein Bescheid, der einen vollstreckbaren Leistungsbefehl enthält, ergangen ist (RS0018512 [T1]).
[7] 2. Der Beklagte beruft sich auf diese Bestimmung und macht dazu geltend, dass die der Klägerin mit Bescheid vom 10. 1. 2017 auf der Liegenschaft aufgetragene Ersatzpflanzung eine dingliche Belastung sei, die sie als Übergeberin zu vertreten habe und leitet daraus eine Depurierungspflicht der Klägerin ab.
[8] 2.1. Richtig ist, dass § 5 Abs 4 Wr. BSchG die dingliche Wirkung des Bewilligungsbescheids anordnet. Das ist nach § 5 Abs 3 leg cit jener Bescheid, mit dem über die Genehmigung zur Entfernung von Bäumen abgesprochen und zugleich eine Ersatzpflanzung angeordnet wird. Die Vorschreibung einer Ersatzpflanzung begründet dabei eine Leistungspflicht (dazu Kroneder in Kroneder, Wiener Naturschutzrecht § 6 Wr. BSchG Rz 1), die zunächst den Träger der Bewilligung trifft (§ 6 Abs 3 Wr. BSchG). Da sich die dingliche Wirkung des Bewilligungsbescheids auch auf die Anordnung der Ersatzpflanzung bezieht, geht diese Leistungspflicht auf den Rechtsnachfolger über (Kroneder aaO § 5 Wr. BSchG Rz 9). Rechtsnachfolger der Klägerin im Eigentum an der Liegenschaft sind alle Miteigentümer.
[9] 2.2. Auf die Frage, ob die Klägerin eine Depurierungspflicht im Sinn des § 928 Satz 2 ABGB trifft, wie der Beklagte in seiner Revision geltend macht, und damit auf den Meinungsstand zu dieser Norm (vgl dazu Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 928 Rz 77ff), muss hier jedoch nicht eingegangen werden. Auch die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage stellt sich nicht:
[10] 2.2.1. Die Haftrücklassgarantie bezweckt, den Begünstigten (den Beklagten als Käufer) so zu stellen, als ob er die fragliche Summe (den Kaufpreisrest) noch gar nicht aus der Hand gegeben hätte. Sie soll den Gewährleistungsanspruch sichern und somit auch den Anspruch des Käufers auf Verbesserung der mangelhaften Kaufsache (RS0017002; RS0018098). Nach dem Abruf der Garantie sind die Parteien so gestellt, als hätte der Käufer den entsprechenden Teil des Kaufpreises noch nicht gezahlt (6 Ob 140/16f mwN). Der Verkäufer, der wie hier die Klägerin als Garantieauftraggeber die Rückzahlung der zu Unrecht abgerufenen Garantieleistung begehrt, macht im Ergebnis daher nichts anderes als den restlichen Kaufpreis geltend.
[11] 2.2.2. Nur solange ein Verbesserungsanspruch besteht, wird die Fälligkeit des Kaufpreises hinausgeschoben (RS0019929) und dem Schuldner steht zur Sicherung seines Anspruchs auf Verbesserung die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrags zu (§ 1052 ABGB; RS0018462). Das ist nicht mehr der Fall, wenn die Zahlung des Restkaufpreises nicht mehr verweigert werden kann, weil der Kaufgegenstand nicht mehr mangelhaft ist oder das Recht auf Gewährleistung nicht mehr geltend gemacht werden kann, weil keine rechtzeitige Mängelrüge erfolgte.
[12] 2.2.3. Die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels trägt der Übernehmer der Sache oder Leistung (RS0124354; RS0018553; P. Bydlinski in KBB7 § 924 Rz 3). Nach dem Sachverhalt hat der Beklagte bereits Pflanzungen durchgeführt. Offen blieb lediglich, ob damit die im Bescheid vom 10. 1. 2017 aufgetragenen Ersatzpflanzungen (zur Gänze) erfüllt sind. Diese Feststellung kann nur als non-liquet verstanden werden und geht damit zu seinen Lasten, weil damit gerade nicht positiv feststeht, dass insoweit am Kaufgegenstand noch eine Last haftet, die die Klägerin zu vertreten hätte und den Beklagten allenfalls zur Zurückbehaltung des noch ausstehenden Kaufpreisrests berechtigen könnte. Damit ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht – ausgehend von den getroffenen Feststellungen – zum Ergebnis gelangte, dass sich der Beklagte im Zusammenhang mit dem Bescheid vom 10. 1. 2017 auf keinen Mangel berufen könne. Ein dem Berufungsgericht anzulastender Verfahrensmangel, weil es die von der Klägerin „vertraglich“ geschuldeten Ersatzpflanzung nicht erörtert habe, ist bei dieser Sachlage nicht zu erkennen. Mögliche Ersatzansprüche des Beklagten, weil er die Kosten der Pflanzung getragen hat, sind hier schon mangels eines darauf abzielenden Vorbringens nicht zu beurteilen.
[13] 3. Auch darüber hinaus kann die Revision keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen:
[14] 3.1. Soweit sich der Beklagte auch noch in dritter Instanz auf Nässeflecken im Bereich der Garageneinfahrt beruft und offensichtlich davon ausgeht, dabei handle es sich um einen Mangel, der ihn zur Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrags und damit zur Zurückbehaltung des Kaufpreisrests berechtige, ignoriert er, dass die der Klägerin übermittelte Mängelliste Beilage 1 keinen Hinweis auf einen daraus abgeleiteten vertragswidrigen Zustand von allgemeinen Teilen des Hauses enthält. Damit ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht von einer nicht rechtzeitigen Geltendmachung eines allfällig daraus ableitbaren Mangels ausging, weil ein solcher erst im Verfahren konkretisiert worden sei. Soweit er meint, die zugleich mit der Mängelliste der Klägerin übersendete Fotodokumentation (Beilage 2) sei eine ausreichend konkrete Mängelanzeige, weil darin am Asphalt Wasserflecken zu sehen seien, genügt es darauf zu verweisen, dass diese nach der zugehörigen Bildbeschreibung auf herabtropfendes Regenwasser zurückzuführen sind. Inwieweit darin eine mangelhafte Bauausführung, für die die Klägerin einzustehen hätte, und eine darauf gerichtete Anzeige gelegen sein soll, ist damit nicht zu erkennen. Der Kläger versucht in seiner Revision dies auch nicht zu erklären. Auf die Frage nach der Beweislast für eine ordnungsgemäße Mängelbehebung, weil das Erstgericht nicht feststellen konnte, dass solche Wasserflecken nach wie vor vorhanden sind, kommt es damit nicht mehr an. Welche sonstigen Mängel der Klägerin (rechtzeitig) angezeigt, von dieser aber nicht ordnungsgemäß behoben worden sind, führt der Revisionswerber nicht näher aus, sodass sich insoweit auch keine erheblichen Rechtsfragen stellen.
[15] 3.2. Es trifft zu, dass das Gericht eine Partei nicht mit seiner Rechtsansicht überraschen darf (RS0037300). Das gilt auch für das Berufungsgericht (RS0037300 [T38]). Eine Verletzung der Pflichten nach § 182a ZPO durch das Berufungsgericht, weil es ihn nicht zu einer Konkretisierung der aus den Nässeflecken im Bereich der Garageneinfahrt abgeleiteten Mängel angeleitet habe, kann der Beklagte aber schon deshalb nicht nachvollziehbar darlegen, weil das Gericht zweiter Instanz vertretbar insoweit eine rechtzeitige Mängelanzeige verneinte. Ob er im Verfahren (und damit verspätet) dazu Vorbringen erstatten hätte können, ist damit ohne Relevanz.
[16] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
[17] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 40 iVm § 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung nicht darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel des Klägers nicht zulässig ist. Die Revisionsbeantwortung war daher nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich, sodass sie die darauf entfallenden Kosten selbst zu tragen hat (vgl RS0043690 [T6; T7]).
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