OGH 21Ds14/22d

OGH21Ds14/22d27.3.2024

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 27. März 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als weiteren Richter und durch die Rechtsanwälte Mag. Wagner und Dr. Hofmann als Anwaltsrichter in Gegenwart des Schriftführers Mag. Flickinger in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzungvon Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 5. Mai 2022, GZ D 8/18‑19, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Nordmeyer und des Kammeranwalts Dr. Müller zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0210DS00014.22D.0327.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Standes- und Disziplinarrecht der Anwälte

 

Spruch:

 

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Disziplinarbeschuldigte * der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung der Ehre und des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt.

[2] Danach hat er die von ihm in einem Schadenersatzprozess (wegen 435.500 Euro) vertretenen Mit- und Wohnungseigentümer einer Wohnanlage in M*

1./ vor Beginn bzw im Laufe der Prozessvertretung im Zeitraum 25. November 2014 bis 27. Juli 2016 mangelhaft über die zu erwartende Honorarverrechnung aufgeklärt und

2./ diesen gegenüber am 30. Mai 2017 für seine im Zeitraum 25. November 2014 bis 27. Juli 2016 erbrachten Leistungen ein offenkundig weit überhöhtes und nicht leicht überprüfbares Honorar von 190.589,16 Euro geltend gemacht, indem er

a./ in seiner Honorarnote vom 30. Mai 2017 die Dauer der einzelnen Leistungen, die Nacht- und Wochenendzuschläge sowie die Bemessungsgrundlage nicht angeführt hat;

b./ einen Streitgenossenzuschlag von 90 % im Betrag von 89.390,58 Euro verrechnet und eingeklagt hat;

c./ 67 TP 5‑Schreiben, für die kein Honorar gebührt, mit einem Betrag von 12.469,76 Euro (brutto) verrechnet hat;

d./ für die Vorbereitung von Verhandlungen und Besprechungen, ein „allfälliges“ Aktenstudium sowie rechtliche Recherchen insgesamt 37.939,43 Euro brutto verrechnet hat und

e./ für den Entwurf einer am 23. Dezember 2014 erstellten Honorarvereinbarung ein Honorar von 4.875,78 Euro brutto verrechnet hat.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen wegen Vorliegens der Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 1, 5, 9 lit a und 9 lit b StPO (vgl RIS‑Justiz RS0128656 [T1]) sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobene Berufung des Disziplinarbeschuldigten ist nicht berechtigt.

[4] Über den unter einem unter dem Titel „Befangenheitsanzeige“ erhobenen Antrag auf Delegierung wurde – ebenso wie über den mit Schriftsatz vom 3. Oktober 2022 eingebrachten neuerlichen Delegierungsantrag – bereits mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 7. November 2023 entschieden.

Zur Berufung wegen Schuld:

[5] Die Besetzungsrüge (Z 1) zeigt keine Gründe auf, die die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit der Mitglieder des Disziplinarrats in Zweifel ziehen könnten.

[6] Der Beschuldigte vermeint, dass sich „einige Funktionäre“ aufgrund seiner wiederholten Einbringung von (Disziplinar-)Anzeigen gegen „Kammerfunktionäre“ „angegriffen fühlen“ und gezielt gegen ihn vorgingen, sodass nicht auszuschließen sei, dass jene Personen, die in seine „gegenständliche Verurteilung involviert“ sind, „Teil des Angriffes“ gegen ihn sind. Solcherart erschöpft sich das Vorbringen in bloßer Spekulation (siehe aber RIS‑Justiz RS0109958).

[7] Weshalb aus der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses eine Befangenheit der Mitglieder des Disziplinarrats abzuleiten sei (nominell auch Z 5, 9 lit a und lit b), erklärt der Berufungswerber nicht. Dass der Disziplinarrat seiner Rechtsansicht nicht gefolgt ist, erweckt nicht den Anschein der Befangenheit (vgl RIS‑Justiz RS0097054 [T1]).

[8] Die Kritik am Vorgehen des Kammeranwalts übersieht, dass das Einschreiten eines ausgeschlossenen Kammeranwalts kein Gegenstand einer Besetzungsrüge sein kann (Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11 § 26 DSt Rz 26).

[9] Soweit sich das Vorbringen auf eine fehlerhafte Geschäftsverteilung bezieht, mangelt es an der rechtzeitigen Rüge dieses Umstands (RIS‑Justiz RS0097452 [T17]), hat doch auch der Disziplinarbeschuldigte eingangs der Disziplinarverhandlungen vom 7. April und 5. Mai 2022 gegen die Senatsbesetzung keinen Einwand erhoben.

[10] Das in den Schriftsätzen vom 2. Februar 2023, 23. Oktober 2023, 11. März 2024 und 25. März 2024 hiezu nachgetragene Vorbringen ist schon deshalb unbeachtlich, weil nur eine Berufungsschrift zulässig ist (Lehner in Engelhart et al, RAO11 § 49 DSt Rz 3). Im Übrigen ist dem Beschwerdeführer die von ihm als verfassungsrechtlich bedenklich eingestufte Geschäftsverteilung des Disziplinarrats durch Anschlag (vgl Lehner in Engelhart et al, RAO11 § 15 DSt Rz 3) zugänglich geworden, sodass er auch insoweit der Rügepflicht nicht entsprochen hätte (Ratz in WK‑StPO § 281 Rz 136 ff). Schließlich machen die spekulativen Überlegungen des Rechtsmittelwerbers, weshalb es zu einer fehlerhaften Besetzung des Disziplinarrats gekommen sein könnte, eine Unfairness ihm gegenüber nicht deutlich (vgl Ratz in WK‑StPO § 281 Rz 106).

[11] Der Behauptung von Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) zuwider wurde im Erkenntnis ausführlich dargelegt (ES 20 ff), in welchen Punkten die Aufklärung der Mandanten über die zu erwartenden Abrechnungsmodalitäten mangelhaft geblieben ist (vgl RIS‑Justiz RS0117995 [insbes T1]).

[12] Die Annahme einer mangelhaften Aufklärung steht auch nicht im Widerspruch (Z 5 dritter Fall, nominell auch Z 9 lit a) zu den Ausführungen betreffend eine ungewöhnlich detaillierte Information über die Kosten (ES 45), denn gerade eine besonders detailreiche, extensive und nicht auf das Wesentliche konzentrierte Mitteilung kann für Mandanten verwirrend und damit mangelhaft sein. Demnach ist auch der diesbezügliche Vorwurf einer Scheinbegründung (Z 5 vierter Fall) unzutreffend.

[13] Indem der Berufungswerber Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) des Erkenntnisses behauptet, jedoch keine den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen entgegenstehende, vom Disziplinarsenat indes übergangene Verfahrensergebnisse (vgl RIS‑Justiz RS0118316) nennt, verfehlt er eine am Gesetz ausgerichtete Darstellung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.

[14] Entgegen der Kritik mangelnder Begründung (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 5 vierter Fall) der Konstatierung zur ohne Mandantenauftrag erstellten Honorar-Zusatzvereinbarung vom 23. Dezember 2014 (ES 25 f) wurde diese auf die Zeugenaussagen der Wohnungseigentümer gestützt (ES 26). Dem stellt der Disziplinarbeschuldigte in seinem Rechtsmittel bloß unbelegte spekulative Überlegungen entgegen, er hätte ohne einen entsprechenden Auftrag einen solchen Entwurf nicht erstellt.

[15] Die das Motiv der Erzielung eines hohen Gewinns betreffenden – eigenständig beweiswürdigenden – Berufungsausführungen zu der entsprechenden Annahme des Disziplinarrats (ES 45) lassen den Bezug zur Feststellung einer entscheidenden Tatsache nicht erkennen.

[16] Soweit sich die Mängelrüge (Z 5 erster, zweiter, dritter und vierter Fall, nominell auch Z 9 lit b) gegen die Annahme eines Tatzeitraums von 25. November 2014 bis 27. Juli 2016 zu 1./ richtet, spricht sie – auch mit Blick auf die eingewendete Verjährung (vgl die untenstehenden Ausführungen zu Z 9 lit b) – keine entscheidende Tatsache an (RIS‑Justiz RS0098557). Im Übrigen wird nicht dargelegt, worin diesbezüglich eine Unvollständigkeit, Undeutlichkeit, Widersprüchlichkeit oder offenbar unzureichende Begründung gelegen sein soll. Der Disziplinarbeschuldigte verkennt nämlich, dass die mangelnde Aufklärung über die gewählte Abrechnungsart und die Höhe der zu erwartenden Kosten ein Dauerdelikt darstellt, welches erst im Zeitpunkt der Beendigung des verpönten Zustands, demnach mit Abschluss der Tätigkeit für die Mandanten endet (RIS‑Justiz RS0124122). Das Ende des Tatzeitraums wurde mit der Aufkündigung des Mandatsverhältnisses durch den Disziplinarbeschuldigten mit Schreiben dieses Tages (Beilage ./P in AZ 7 Cg 79/16m des Landesgerichts Feldkirch) am 27. Juli 2016 angenommen (ES 38, 54).

[17] Eine Feststellung, wonach der Vollmachtswechsel nach der Besprechung vom 4. Juni 2016 erfolgt sei, ist dem Erkenntnis nicht zu entnehmen. Eine solche würde aber mit der Annahme der Beendigung des Mandats am 27. Juli 2016 (ES 38, 54) ebenso wenig im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) stehen wie die Konstatierung, dass der Disziplinarbeschuldigte mit Schreiben vom 29. Juni 2016 an Rechtsanwalt Mag. M* eine Leistungsaufstellung übermittelt hat (ES 28).

[18] Allenfalls im Widerspruch zu den Sachverhaltsannahmen im gegenständlichen Erkenntnis stehende Feststellungen im Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 3. März 2021, AZ 7 Cg 79/16m, stellen den Nichtigkeitsgrund nicht her.

[19] Die gesetzmäßige Ausführung einer Rechtsrüge (Z 9 lit a) erfordert ein striktes Festhalten an den Feststellungen in ihrer Gesamtheit und eine auf dieser Grundlage zu führende Darlegung, dass dem Gericht (hier dem Disziplinarsenat) bei Beurteilung des Urteilssachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen ist (vgl Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11 § 49 DSt Rz 6/7).

[20] Diesen Anfechtungsrahmen verfehlt der Beschwerdeführer, wenn er in eigenständiger Würdigung der Beweisergebnisse den Sachverhaltsannahmen des Disziplinarrats seine eigene Ansicht entgegenstellt, wonach die von ihm vorgenommene Aufklärung über die Kosten korrekt und die geforderte Höhe des Honorars angemessen und vereinbarungsgemäß gewesen sei.

[21] Nach den in Bezug auf den Vorwurf der mangelhaften Aufklärung über die zu erwartende Honorarverrechnung (1./) wesentlichen Konstatierungen teilte der Beschuldigte seinen Mandanten nicht mit, dass die Abrechnung nach Einzelleistungen in der Regel teurer ist als jene nach Einheitssatz (ES 21), und klärte er sie auch nicht über das mit einer Verrechnung von Einzelleistungen verbundene Kostenrisiko – da Kostenersatz bei vollständigem Obsiegen „nur“ nach Einheitssatz gebührt, der eigene Rechtsanwalt aber nach Einzelleistungen abrechnen darf – sowie darüber auf, dass auch bei Leistungen nach TP 5, 6 und 8 ein Streitgenossenzuschlag hinzukommt (ES 21 und 24 f iVm 44 ff). Überdies illustrierte er seinen präsumtiven Mandanten die zu erwartenden Kosten bloß mit auf die Verrechnung nach Einheitssatz gestützten Rechenbeispielen.

[22] Das Vorbringen, dass den (ehemaligen) Mandanten bei der gewählten Abrechnungsform im Fall des Prozessgewinns nicht zwingend von der Gegenseite nicht zu ersetzende Kosten verbleiben und ohnedies darüber aufgeklärt wurde, dass selbst bei vollständigem Obsiegen Kosten anfallen „können“, argumentiert prozessordnungswidrig nicht auf der Basis dieses Erkenntnissachverhalts (RIS‑Justiz RS0099810).

[23] Soweit sich die Berufung gegen die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 30. Jänner 2019, 7 Ob 164/18w, richtet, geht sie zur Gänze am Gegenstand vorbei.

[24] Die Argumentation zur umfangreichen und kompetenten Leistungserbringung durch den Disziplinarbeschuldigten sowie betreffend die Einforderung von Akontobeträgen ist keiner Feststellung zu entscheidenden Tatsachen zuordenbar.

[25] Ebenso sind die Ausführungen dazu, dass es den ehemaligen Mandanten freigestanden wäre, einen anderen Rechtsanwalt zu beauftragen, und dass es zu Streitigkeiten unter den Miteigentümern gekommen sei, einer meritorischen Erwiderung nicht zugänglich.

[26] Soweit die Rüge Konstatierungen dazu vermisst, ob die ehemaligen Mandanten den Streitgenossenzuschlag letztlich tragen müssen oder dieser von der Gegenseite zu ersetzen sein wird, legt sie nicht dar, inwiefern diesem Umstand mit Blick auf den Vorwurf der mangelnden Aufklärung über den anfallenden Streitgenossenzuschlag (ES 20) oder betreffend jenem der Verrechnung eines überhöhten Streitgenossenzuschlags von 90 % (ES 1, 37 und 50) Entscheidungsrelevanz zukommt (RIS‑Justiz RS0116565).

[27] Die Behauptung, die Ausführungen des Disziplinarrats, wonach am 1. Dezember 2014 nur die Abrechnungsmodalitäten nach „Einheitssatz und Stundensatz“ bzw deren Unterscheidung besprochen wurden, seien unrichtig, geht einmal mehr an der durch Z 9 lit a eröffneten Anfechtungsmöglichkeit vorbei. Überdies wird verkannt, dass der betreffende Erkenntnisteil bloß die (korrekte) Wiedergabe des Aktenvermerks vom 1. Dezember 2014 (ES 12; Beilage ./K) darstellt. Der in diesem Zusammenhang behauptete Widerspruch zu den Feststellungen des Landesgerichts Feldkirch in seinem Urteil vom 3. März 2021 zu AZ 7 Cg 79/16m (S 40) im Honorarprozess, wonach es sich tatsächlich um die Abrechnung nach Einheitssatz und Einzelleistung gehandelt habe, sodass der Aktenvermerk bloß einen Tippfehler enthalte, begründet wie bereits erwähnt keine Nichtigkeit nach Z 5 dritter Fall. Im Übrigen stünde dies den vom Disziplinarrat angenommenen Unzulänglichkeiten der erfolgten Aufklärung nicht erörterungsbedürftig entgegen, wurde doch die mögliche Abrechnung nach Einzelleistungen unter Anführung der Höhe einzelner Tarifposten erwähnt (vgl etwa ES 14, 17, 23).

[28] Der gegen die rechtliche Beurteilung des von Spruchpunkt 2./ umfassten Sachverhalts (auch) als Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt erhobene Einwand, ein Rechtsanwalt handle bei Geltendmachung seines Honorars in eigener Sache (der Sache nach Z 10), übersieht, dass der Rechtsanwalt auch dann in Ausübung seines Berufs tätig ist, wenn dies zwar nicht unmittelbar in der Besorgung fremder Angelegenheiten besteht, damit aber zusammenhängt. Das Tatbild der Berufspflichtenverletzung ist auch dann als erfüllt anzusehen, wenn gesatztes Recht oder die verfestigte Standesauffassung eine Berufspflicht aufstellt und in Ausübung des Berufs offenkundig dagegen verstoßen wird (RIS‑Justiz RS0133953 [insbes T1]). In der gegenständlichen Geltendmachung grob falscher Honorarforderungen liegt ein offenkundiger Verstoß gegen die aus § 9 RAO und § 50 RL‑BA 1977 bzw § 15 RL‑BA 2015 resultierende Pflicht zur Rechnungslegung und zur ordnungsgemäßen Verrechnung. Die Subsumtion auch nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt erweist sich demnach als zutreffend.

[29] Die Argumentation, die Bemessungsgrundlage sei „völlig klar“ und die Dauer der jeweiligen Leistungen unter Ansatz der Tarifposten und des geltend gemachten Betrags einfach zu errechnen gewesen, sodass die Honorarnote leicht überprüfbar gewesen sei, verkennt grundsätzlich, dass einen Rechtsanwalt die aus § 9 Abs 1 RAO und § 15 RL‑BA 2015 ableitbare Verpflichtung trifft, nach Abschluss seiner Tätigkeiten an seine Mandanten eine detaillierte und überprüfbare Honorarnote zu übermitteln (RIS‑Justiz RS0106285). Diese allgemeine Verrechnungspflicht ist bei Vorliegen einer Akontozahlung noch verstärkt (vgl 20 Ds 14/20v). In der fehlenden Anführung der Dauer der einzelnen Leistungen, der Nacht- und Wochenendzuschläge und der Bemessungsgrundlage in der Honorarnote vom 30. Mai 2017 (ES 38) liegt ein klarer Verstoß gegen die dargelegte Pflicht.

[30] Inwiefern dieser Umstand im bisherigen Honorarprozess thematisiert wurde, ist für den Vorwurf der Verrechnung eines überhöhten Streitgenossenzuschlags von 90 % (ES 1, 37 und 50) – und der fehlenden Aufklärung hierüber – irrelevant.

[31] Indem die die Honorarnote vom 30. Mai 2017 betreffenden Pflichtverletzungen (2./) eine tatbestandliche Handlungseinheit darstellen und die Vorwürfe eines offenkundig weit überhöhten und nicht leicht überprüfbaren Honorars bereits durch die Verrechnung des Streitgenossenzuschlags von 90 % sowie die fehlende Anführung der zur Überprüfung der Abrechnung notwendigen Informationen begründet sind, kommt den weiteren Verrechnungsmängeln für die Schuld- oder Subsumtionsfrage keine entscheidende Bedeutung mehr zu (vgl RIS‑Justiz RS0127374), sodass das darauf bezogene Vorbringen auf sich beruhen kann.

[32] Im Übrigen lassen auch die gegen den Vorwurf der unzulässigen Verrechnung mehrerer Positionen in der Honorarnote vom 30. Mai 2017 (67 TP 5‑Schreiben, auf deren Verrechnung bei Übersendung bloßer Mitteilungen per Post überdies nicht aufgeklärt wurde (ES 25), Vorbereitung von Verhandlungen und Besprechungen, Aktenstudium, rechtliche Recherchen sowie Entwurf einer Honorarvereinbarung) gerichteten Berufungsausführungen prozessordnungswidrig den festgestellten Sachverhalt (ES 25 f, 29 ff, 38, 49 ff) außer Acht (neuerlich RIS‑Justiz RS0099810).

[33] Mit Rechtsrüge (Z 9 lit b) reklamiert der Beschwerdeführer den Strafaufhebungsgrund der Verjährung gemäß § 2 Abs 1 Z 1 DSt, weil die Anzeige des Sachverhalts (tatsächlich: die Mitteilung gemäß § 25 RL‑BA 2015) „auf den 29. September 2016 zurückgeht“ und der Kammeranwalt unter Einrechnung des Postlaufs und bei umgehender Zuleitung – hypothetisch – am 6. Oktober 2016 davon Kenntnis erlangt hat, sodass die Bestellung eines Untersuchungskommissärs zur Verhinderung des Verjährungseintritts bis 6. Oktober 2017 möglich gewesen wäre.

[34] Weshalb die Verjährungsfrist mit hypothetischer Kenntnis des Kammeranwalts vom disziplinären Verhalten zu laufen begonnen habe, wird nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet (RIS‑Justiz RS0116565). Tatsächlich wurde der Akt erst nach entsprechender Beschlussfassung am 13. Dezember 2017 dem Kammeranwalt zugeleitet (ON 2; ON 17 S 114 ff); die Bestellung des Untersuchungskommissärs am 6. August 2018 (ON 6) erfolgte demnach innerhalb der Jahresfrist (vgl auch ES 2 f und 39).

[35] Die Behauptung des Eintritts der Verjährung (auch) nach § 2 Abs 1 Z 2 DSt entbehrt ebenfalls der gebotenen Ableitung aus dem Gesetz. Zum einen blendet der Beschuldigte aus, dass die mangelnde Aufklärung über die zu erwartenden Kosten – wie bereits dargelegt – ein Dauerdelikt darstellt, bei dem die Verjährungsfrist mit Abschluss der Tätigkeit des Beschuldigten für seine Mandanten (wobei darauf verwiesen sei, dass noch für bis 22. August 2016 erbrachte Leistungen Kosten verzeichnet wurden [ES 37]) zu laufen begonnen hat (RIS‑Justiz RS0124122).

[36] Zum anderen konnten die zu 1./ bezeichneten Disziplinarvergehen gemäß § 2 Abs 4 DSt nicht vor Ablauf der Verjährungsfrist der danach verwirklichten (gleichartigen) Disziplinarvergehen (2./) verjähren (vgl Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11 § 2 DSt Rz 14). In Betreff der Geltendmachung überhöhter Honoraransprüche beginnt das disziplinäre Verhalten mit der Stellung der überhöhten Rechnung und jeder weitere Schritt, den der Rechtsanwalt zur Einbringung seiner unberechtigten Forderung unternimmt, also Klage und Erhebung von Rechtsmitteln gegen den Anspruch abweisende Urteile, sind weitere Akte des disziplinären Verhaltens (RIS‑Justiz RS0055136 [T3]).

Angesichts der anhängigen Honorarklage (vgl ES 38) hat der Lauf der Verjährungsfrist zu 2./ bis zur Fassung (vgl zur Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Beschlussfassung und – dem Berufungsstandpunkt zuwider – nicht der Zustellung Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11 § 2 DSt Rz 5) des Einleitungsbeschlusses am 10. Juni 2021 (ON 13; ES 39) nicht einmal begonnen und war folglich auch der Ablauf der Verjährungsfrist zu 1./ gehemmt.

[37] Entgegen der im Rahmen der Schuldberufung erhobenen Behauptung (der Sache nach Z 9 lit b) mangelnder Strafwürdigkeit der Tat (§ 3 DSt) ist das Verschulden des Berufungswerbers nicht bloß als geringfügig im Sinn von erheblich hinter den typischen Fällen solcher Verstöße zurückbleibend (RIS‑Justiz RS0056585, RS0089974) anzusehen, hat er doch im Rahmen der Honorarforderung mehrere überhöhte oder gar nicht zustehende Positionen verrechnet und blieb auch die Aufklärung in mehrfacher Hinsicht mangelhaft. Eine Anwendung des § 3 DSt scheidet schon aus diesem Grund aus.

[38] Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld erschöpft sich im Wesentlichen im Verweis auf bzw in der Wiederholung des Vorbringens der Mängel- und Rechtsrüge. Soweit sie vorbringt, dass der Beschuldigte das Verfahren erfolgreich geführt und umfangreiche Leistungen erbracht habe, bei der hier gegebenen „Überspannung“ der Aufklärungs- und Belehrungspflichten die Übernahme eines Mandats durch einen Rechtsanwalt nicht mehr möglich sei, der Beschuldigte noch nie Probleme hinsichtlich einer Abrechnung gehabt hätte und seine ehemaligen Mandanten mangelnde Nachvollziehbarkeit der Honorarnote auch im Honorarprozess nie behauptet hätten, werden keine entscheidenden Feststellungen angesprochen.

[39] Weshalb es betreffend die subjektive Vorwerfbarkeit zu 2./ darauf ankommen sollte, dass seine Honorarnoten in der Vergangenheit nie beanstandet wurden (der Sache nach Z 9 lit a), macht der Berufungswerber nicht deutlich.

[40] Insgesamt gelingt es nicht, Bedenken an der Lösung der Schuldfrage durch den Disziplinarrat zu wecken, der sich eingehend mit den Verfahrensergebnissen auseinandergesetzt und – vor dem Hintergrund der zutreffenden rechtlichen Beurteilung – auch schlüssig dargelegt hat, wie er zu seinen Sachverhaltsannahmen gekommen ist.

Zur Berufung wegen Strafe:

[41] Der Disziplinarrat verurteilte den Disziplinarbeschuldigten unter Bedachtnahme auf die gemäß dem Erkenntnis des Disziplinarrats der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 4. Dezember 2018, AZ D 18/16, 9/17, verhängte Geldbuße von 13.000 Euro gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer Zusatzgeldbuße in Höhe von 15.000 Euro.

[42] Als erschwerend wurden die lange Deliktsdauer, das Festhalten am überhöhten Honorar trotz laufenden Disziplinarverfahrens und das Zusammentreffen von Disziplinarvergehen, als mildernd hingegen die lange Verfahrensdauer gewertet.

[43] Mit dem Hinweis auf die behauptete Mangelhaftigkeit des Honorarprozesses, seine bisherige berufliche Tätigkeit und das Unterbleiben der Verbindung dieses Verfahrens mit AZ D 18/16, auf das ohnehin Bedacht genommen wurde, werden berücksichtigungswürdige Milderungsgründe nicht zur Darstellung gebracht.

[44] Unter Zugrundelegung der vom Disziplinarrat zutreffend angenommenen Strafzumessungsgründe und unter (bislang unterbliebener) Berücksichtigung zweier weiterer angesichts des Schuldspruchs zu AZ D 18/16, 9/17 nicht getilgter Vorverurteilungen (vgl 23 Ds 4/19v) erweist sich die verhängte Zusatzgeldbuße als tat- und schuldangemessen und damit einer Reduktion nicht zugänglich.

[45] Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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