OGH 8Ob114/23g

OGH8Ob114/23g15.2.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I* GmbH, *, vertreten durch CHG Czernich Haidlen Gast & Partner Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck, gegen die beklagte Partei W* P* GmbH, *, vertreten durch Dr. Andreas Fuchs und Dr. Christopher Fink, Rechtsanwälte in Imst, wegen 36.155,97 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 17.232,99 EUR) sowie die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 17.887,66 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgerichtvom 14. September 2023, GZ 1 R 111/23t‑60, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruckvom 4. Mai 2023, GZ 15 Cg 40/21s‑54, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00114.23G.0215.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

I. Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

II. Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

1. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil insgesamt zu lauten hat:

„Das Klagebegehren besteht mit 36.155,97 EUR zu Recht.

Die Gegenforderung besteht bis zu diesem Betrag nicht zu Recht.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 36.155,97 EUR samt je 9,2 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 17.232,99 EUR seit 30. 5. 2019, aus 17.887,66 EUR seit 12. 12. 2019 sowie aus 1.035,32 EUR seit 26. 5. 2021 zu bezahlen.

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 23.952,16 EUR (darin 3.748,86 EUR USt und 1.459 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen.

2. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 8.887,42 EUR (darin 845,57 EUR USt und 3.814 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

 

[1] Die Rechtsvorgängerin der Klägerin wurde von der Beklagten mit den Abdichtungsarbeiten beim Bauvorhaben einer Mehrparteienwohnanlage beauftragt. Dem schriftlichen Auftrag wurde unter anderem die Anwendung der ÖNORM B2110 zugrundegelegt.

[2] Die Beklagte erteilte der Klägerin auch Zusatz- und Ergänzungsaufträge, deren Abrechnung nach tatsächlichem Aufwand zu den vereinbarten Einheitspreisen erfolgte. Die Zusatzangebote wurden von der örtlichen Bauaufsicht (ÖBA) der Beklagten freigegeben und die Rechnungen von der Klägerin in die Schlussrechnung aufgenommen.

[3] Mit Schreiben vom 17. 1. 2019 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie die beauftragten Leistungen fertiggestellt habe und um Übernahme des Bauwerks innerhalb von 30 Tagen ab Erhalt dieses Schreibens unter rechtzeitiger Bekanntgabe eines gegebenenfalls erforderlichen Termins für die Begehung ersuchte. Sollte keine gemeinsame Abnahme gewünscht sein, gehe die Klägerin nach Verstreichen der Frist davon aus, dass das Bauvorhaben für die Beklagte bereits als abgenommen gelte. Auf dieses Schreiben reagierte die Beklagte nicht.

[4] Die Klägerin rechnete die von ihr erbrachten Leistungen mit Schlussrechnung vom 28. 1. 2019 im Betrag von brutto 181.694,22 EUR ab. Unter Berücksichtigung einer von der Beklagten vorgenommenen Korrektur, der bereits erhaltenen Abschlagszahlungen und eines Skontoabzugs verblieben daraus restliche 21.965,41 EUR offen.

[5] Über diese Korrekturen hinaus erhob die Beklagte gegenüber der Klägerin vor Klagseinbringung keine weiteren Einwendungen gegen die Schlussrechnung.

[6] Die Wohnanlage verfügt über überdachte, sonst jedoch offene Laubengänge in jeder Stockwerksebene. Diese Gänge werden durch Bodengullys entwässert. Der Auftrag der klagenden Partei umfasste auch die Abdichtung bzw die Einbindung dieser Gullys in die Bitumen-Abdichtungen der Laubengänge, nicht jedoch das Versetzen der Abflussgullys. Nachdem Anfang 2019 Wassereintritte in diverse Bauteile festgestellt werden mussten, führte die Klägerin von März bis Oktober 2019 diverse Leistungen zur Fehlersuche durch. Diese ergab keine Mängel der von der Klägerin durchgeführten Abdichtungen. Die Klägerin legte der Beklagten für die zur Fehlersuche erbrachten Leistungen Rechnung vom 12. 11. 2019 über 17.887,66 EUR brutto. Diese Rechnung wurde von der Beklagten bis zur Klagseinbringung nicht beanstandet, aber nicht bezahlt. Nicht festgestellt werden kann, ob die Klägerin die Beklagte zuvor darauf hingewiesen hatte, dass diese Arbeiten kostenpflichtig seien.

[7] Nach neuerlichen Wassereintritten führte die Klägerin im Februar 2021 eine von der Beklagten beauftragte Wasserprobe durch, die sie mit Rechnung vom 10. 3. 2021 mit 1.495,82 EUR brutto fakturierte. Auf diese letztere Rechnung gewidmet bezahlte die Beklagte nach Klagseinbringung 460,50 EUR.

[8] Dass die Wassereintritte im Jahr 2018 und 2022 auf eine mangelhafte Leistung der Klägerin zurückzuführen waren, konnte nicht festgestellt werden.

[9] Das Anbot der Klägerin und der darauf gründende Auftrag umfassten unter anderem auch die Anbringung einer Wärmedämmung am Boden des Laubengangs.

[10] Die Klägerin hat am 14. 2. 2018 ein Warnschreiben an die Beklagte geschickt, in dem sie unter anderem festhielt: „(...) Wie bereits vorab besprochen, möchten wir der Ordnung halber schriftlich mitteilen, dass auf den Laubengängen und Balkonen das Gefälle nicht der ÖNORM entspricht. Das Gefälle ist nicht ausreichend. Es wird in diesem Bereich zu stehendem Wasser und daraus resultierenden Folgeschäden kommen. Die Ausführung wird daher nur auf ausdrücklichen Wunsch des Bauherrn ausgeführt (...).“

[11] Die Wärmedämmung des Laubengangs war auch im Plan vorgesehen, wurde aber von der ÖBA – mit Ausnahme der Lieferung von Vliesmaterial – nicht abgerufen. Die Notwendigkeit und die Einbausituation waren für die am Bodenaufbau des Laubengangs beteiligten Professionisten erkennbar. Für die plangemäße Errichtung der Bauleistung ist aus technischer Sicht die örtliche Bauaufsicht in Verbindung mit den ausführenden Professionisten verantwortlich.

[12] Die Klägerin hat die Beklagte nicht darauf hingewiesen, dass sie die Dämmung der Laubengänge nicht vorgenommen hat. Sie hat diese Leistung auch nicht in Rechnung gestellt. Die Kosten einer nachträglichen Anbringung der Wärmedämmung würden 5.000 EUR übersteigen.

[13] Das Klagebegehren umfasst den restlichen Werklohn aus der Schlussrechnung sowie aus den beiden Zusatzrechnungen vom 12. 11. 2019 und 10. 3. 2021.

[14] Die Beklagte wandte – soweit im Revisionsverfahren noch gegenständlich – ein, die behaupteten entgeltlichen Zusatzaufträge seien nicht erteilt worden. Das Werk der Klägerin sei mangelhaft geblieben, wegen der fehlenden Wärmedämmung des Laubengangs seien die Arbeiten auch nicht zur Gänze fertig. Die Klagsforderung sei daher nicht fällig.

[15] Gegenforderungen wurden für verursachte Beschädigungen, Reparaturarbeiten und – in nicht bezifferter Höhe – für eine nachträgliche Ersatzvornahme der fehlenden Wärmedämmung eingewendet.

[16] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

[17] Die Fälligkeit des Werklohns könne so lange hinausgeschoben werden wie ein Verbesserungsanspruch bestehe und die Verbesserung im Interesse des Bestellers liege. Für die Klägerin wäre es anhand der Pläne eindeutig erkennbar gewesen, dass über die gesamte Bauteillänge des Laubengangs eine Wärmedämmung verlegt werden müsse. Sie hätte daher, als die Arbeiten nicht abgerufen worden seien, eine Warnung aussprechen müssen. Da dies unterblieben sei, verliere sie den Entgeltanspruch, und zwar auch für die Zusatzaufträge.

[18] Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Klägerin teilweise Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es in Form eines dreigliedrigen Urteilsspruchs der Klägerin deren Forderungen aus den beiden Zusatzrechnungen als berechtigt und die Gegenforderungen als nichtberechtigt beurteilte, den Betrag von 18.922,98 EUR samt Zinsen zuerkannte und die Abweisung der Restforderung aus der Schlussrechnung in Höhe von 17.232,99 EUR samt Anhang bestätigte.

[19] Die Zusatzrechnungen seien für selbstständige Aufträge gelegt worden. Eine Mangelhaftigkeit der damit verrechneten Leistungen sei nicht behauptet worden, weshalb kein Leistungsverweigerungsrecht bestehe.

[20] Anderes gelte für die Schlussrechnung. Hier sei die Werkausführung wegen der nicht angebrachten Wärmedämmplatten im Laubengang unvollständig geblieben. Da die Kosten für die nachträgliche Anbringung ein Drittel des noch offenen Werklohns überstiegen, sei die Zurückbehaltung nicht schikanös. Ein Verzicht auf Gewährleistung oder auf das Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten sei nicht anzunehmen. Das Fehlen der Dämmung sei kein offenkundiger, nach der ÖNORM B2110 rügepflichtiger Mangel. Eine Übernahme des Gewerks habe nicht stattgefunden, sodass auch keine Rügemöglichkeit bestanden hätte. Fehler der Bauaufsicht könnten die einzelnen Werkunternehmer nicht entlasten.

[21] Gegen diese Entscheidung richten sich die außerordentliche Revision der Beklagten und die gemäß § 508a ZPO freigestellte Revision der Klägerin. Die Klägerin beantragt, das Urteil des Berufungsgerichts im zur Gänze klagsstattgebenden Sinn abzuändern. Die Beklagte strebt die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

[22] Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

[23] Die von der Beklagten beantwortete Revision der Klägerin ist zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts zur Wahrung der Rechtssicherheit und Rechtseinheit einer Korrektur bedarf. Die Revision ist dementsprechend auch berechtigt.

1. Revision der Beklagten:

[24] Die Beklagte vertritt die Rechtsansicht, das Berufungsgericht sei rechtsirrig davon ausgegangen, dass sie der Klägerin zusätzliche Aufträge zur Fehlersuche erteilt habe, die ihr gesondert zu entlohnen wären. Die Äußerung eines „Wunsches“ nach einer Prüfung der Dichtheit lasse keinen Abschlusswillen erkennen. Es wäre der Klägerin vielmehr frei gestanden, die Fehlersuche und die Wasserbeprobung abzulehnen.

[25] Wie die Revision einräumt, hängt die Auslegung von Willenserklärungen stets von den Umständen des Einzelfalls ab und hat im Regelfall keine über diesen hinausgehende Bedeutung (RS0109021 [T5]). Das Rechtsmittel der Beklagten zeigt hier kein wesentliches Verkennen der Auslegungsgrundsätze durch das Berufungsgericht auf, das im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden müsste (vgl auch RS0081754 [T5, T6]; RS0043253 [T18]; RS0042936 [T36] ua).

[26] Die Auffassung, dass der „Wunsch“ nach Durchführung der Fehlersuche als zumindest schlüssiger Werkauftrag an die Klägerin zu verstehen war, für den mangels anderer Vereinbarung nach § 1152 ABGB auch ein angemessenes Entgelt gebührt, ist auf Grundlage des hier festgestellten Sachverhalts nicht zu beanstanden. Gerade weil die Klägerin, wie die Revision selbst betont, aufgrund des ursprünglichen Werkvertrags nicht zur Mitwirkung bei dieser Fehlersuche verhalten gewesen wäre, erscheint diese Auslegung unbedenklich.

[27] Bei der Errichterin einer Wohnanlage, die gegenüber Käufern bzw Mietern der Wohnungen für Baumängel einzustehen hat, ist ein eigenes wirtschaftliches Interesse anzunehmen, die Ursache von wiederholten Wassereintritten herauszufinden, um das Problem dann nach Möglichkeit beheben zu können. Grundsätzlich ist es Sache eines Werkbestellers, das Vorliegen eines behaupteten Mangels des Werks zu beweisen (RS0018553; RS0124354).

[28] Die Kosten der Überprüfung hätte die Klägerin zwar dann – als Mangelfolgeschaden – selbst zu tragen gehabt, wenn sich tatsächlich für den Wassereintritt ursächliche Fehler ihres eigenen Gewerks herausgestellt hätten. Dies war nach den Feststellungen aber nicht der Fall.

[29] Die Revision der Beklagten war daher mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

2. Revision der Klägerin

[30] Die Klägerin argumentiert, das Leistungsverweigerungsrecht eines Werkbestellers setze ein ernstliches Verbesserungsbegehren, das Fehlen der Unverhältnismäßigkeit und ein berechtigtes Interesse des Werkbestellers voraus. Ein Verbesserungsbegehren sei von der Beklagten, die überhaupt erst kurz vor Ablauf der dreijährigen Gewährleistungsfrist das Fehlen der Dämmung als Grund für ihre Leistungsverweigerung geltend gemacht habe, nicht erhoben worden.

[31] Das Berufungsgericht habe sich auch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob es sich bei der Verlegung der fehlenden Dämmplatten um ein eigenständiges, von der Abdichtung unabhängiges Teilwerk gehandelt hätte.

[32] Der Beklagten sei der Fehler ihrer örtlichen Bauaufsicht zuzurechnen, die den Abruf der Dämmungsarbeiten unterlassen habe. Die zitierte Rechtsprechung, wonach die Bauaufsicht die Interessen des Bauherrn, aber nicht die der Werkunternehmer zu wahren habe, sei insoweit nicht einschlägig, weil es hier um für die Leistungserbringung notwendige Anweisungen gehe.

[33] Das Fehlen der Dämmung sei ein nach dem Detailplan offenkundiger Mangel, der nach der vereinbarten ÖNORM B 2110 schon bei Übernahme zu rügen gewesen wäre. Der Rügepflicht könne sich die Beklagte nicht durch grundlose Nichtreaktion auf die angebotene Abnahme entziehen.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

[34] 1. Pkt 10.6.2 der von den Parteien vereinbarten ÖNORM B2110 lautet: „Übernimmt der AG die Leistung trotz Mängeln, bedeutet dies keinen Verzicht auf seine Gewährleistungsansprüche. Dies gilt aber nicht für nicht gerügte offensichtliche Mängel.

[35] Für die Beurteilung, ob Mängel eines Werks offensichtlich sind, ist der Zeitpunkt der Ablieferung maßgebend (RS0018517). Von „in die Augen fallenden“ Mängeln kann regelmäßig nur dann gesprochen werden, wenn sie auch ohne nähere Überprüfung nicht zu übersehen sind (6 Ob 113/09z). Offensichtlichkeit ist aber nicht mit tatsächlichem Erkennen gleichzusetzen. Würde es nur auf die subjektive Wahrnehmung des Bestellers ankommen, wäre eine strenge Kontroll- und Rügepflicht nach Pkt 10.6.2 der ÖNORM B 2110 praktisch gegenstandslos, weil dann auch einfach aus Unachtsamkeit Übersehenes jederzeit nachträglich geltend gemacht werden könnte.

[36] 2. Eine bestellte örtliche Bauaufsicht erfolgt, wie das Berufungsgericht grundsätzlich zutreffend ausgeführt hat, ausschließlich im Interesse des Auftraggebers und nicht in jenem der Werkunternehmer. Sie soll den Bauherrn vor Fehlern schützen, die in den Verantwortungsbereich der einzelnen bauausführenden Unternehmer fallen. Diese können Mängel ihrer eigenen Leistung nicht damit exkulpieren, dass sie bei gehöriger Aufmerksamkeit der Bauaufsicht verhindert worden wären (vgl RS0108535).

[37] Aus diesen Grundsätzen folgt aber nicht, dass der tatsächliche Wissensstand einer örtlichen Bauaufsicht dem Bauherrn nicht zugerechnet werden dürfte. Die Beklagte hat die von ihr zur Bauaufsicht bestellte Gesellschaft und deren Ansprechperson als „Bauherrenvertreter“ und „befugte zeichnungsberechtigte Person f. Freigaben von wichtigem Schriftverkehr (...), Zustellung Schriftverkehr sowie Warn- bzw Hinweisschreiben (...)“ gegenüber der Klägerin namhaft gemacht (S 33 in Beil ./A). Tatsachen, die der ÖBA als ihrer Vertreterin zur Kenntnis gelangt sind, muss die Beklagte sich daher wie eigenes Wissen zurechnen lassen.

[38] 3. Nach den Feststellungen war das Fehlen der Wärmedämmung für die örtliche Bauaufsicht der Beklagten erkennbar, weil ihr die Koordination der Professionisten oblag. Es wäre daher ihre Sache gewesen, sich vom Abschluss der Verlegung der Dämmung zu überzeugen bzw die Klägerin zu verständigen, dass sie nach dem Stand des Baufortschritts nun damit beginnen solle, damit anschließend die Bodenplatten darüber verlegt werden können (Gutachtensergänzung ON 47 S 9).

[39] Wenn das Berufungsgericht argumentiert, dass die Klägerin die Dämmung von sich aus bereits früher aufbringen hätte können oder sogar müssen, liegt dafür kein Beweisergebnis vor. Weder wäre aus dem Sachverständigengutachten (Gutachtensergänzung ON 47 S 9) eine entsprechende Feststellung ableitbar, noch wurde ein vereinbarter Termin behauptet, bis zu dem die Klägerin diese vor dem Plattenlegen durchzuführende Arbeit auch ohne Abruf jedenfalls fertigstellen hätte müssen. Vielmehr hatte die Klägerin in ihrem Warnschreiben mitgeteilt, dass sie Arbeiten an den Laubengängen wegen des mangelhaften Gefälles nur über ausdrückliche Aufforderung unternehmen werde.

[40] Die unterbliebene Dämmung wurde von der Klägerin auch nicht in Rechnung gestellt. Das Fehlen wäre für die Beklagte bzw deren beauftragte Bauaufsicht daher nicht nur im Ablauf, sondern auch bei der Prüfung der Schlussrechnung als Abweichung von den Positionen des Anbots erkennbar gewesen.

[41] 4. Eine Rüge des Fehlens der Wärmedämmung ist unstrittig nicht erfolgt. Erst im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens, fast drei Jahre später, hat die Beklagte das zunächst wegen anderer behaupteter Mängel beanspruchte Zurückbehaltungsrecht auch auf diesen Grund gestützt.

[42] Der Argumentation des Berufungsgerichts, eine frühere Rüge wäre mangels förmlicher Übergabe überhaupt nicht möglich gewesen, hält die Revision zutreffend Pkt 10.2.2 der ÖNORM B2110 entgegen. Danach gilt die Übernahme mit Fristablauf als erfolgt, wenn der AG ohne Angabe von Gründen nach Aufforderung zur Übernahme die Leistung nicht förmlich übernommen hat.

[43] Diese Fiktion gilt selbst dann, wenn Mängel vorliegen, die den schweigenden Auftraggeber nach Pkt 10.5.1 der ÖNORM B2110 berechtigen würden, die Übernahme zu verweigern, zumal er solche Mängel bei der Übernahme substantiieren müsste. Unterlässt er dies, treten die Rechtsfolgen der Übernahme ein (Karasek, ÖNORM B21104 10 Übernahme [Stand 1. 5. 2023, rdb.at] Rz 8; Wilhelm, Die Übernahme der Bauleistung im Nicht‑ÖNormen‑Vertrag, in FS Karasek 937 [942 f]).

[44] Die Beklagte musste daher die Übernahmefiktion nach Pkt 10.2.2 der ÖNORM B 2110 gegen sich gelten lassen. Die Begründung, dass ihr eine Rüge bei einer nur fiktiven Übernahme nicht möglich gewesen wäre, vermag nicht zu überzeugen, zumal Mängel nach der ÖNORM B2110 ohnehin grundsätzlich schriftlich bzw niederschriftlich festzuhalten sind (s Pkt 11.2.3.1).

[45] Unter der Annahme, dass das Unterbleiben der Teilleistung der Wärmedämmung im Laubengang als für die Beklagte bei gehöriger Aufmerksamkeit offensichtlicher Mangel iSd Pkt 10.6.2 ÖNORM B2110 anzusehen war, scheitert eine nachträgliche Geltendmachung an der fehlenden fristgerechten Rüge und dem daraus abzuleitenden schlüssigen Verzicht.

[46] 5. Die Revision zeigt aber auch zutreffend auf, dass dem Vorbringen der Beklagten und dem Sachverhalt kein ernstliches Interesse an der alsbaldigen Verbesserung zu entnehmen ist, dessen Bestehen eine Voraussetzung für die Zurückbehaltung des übrigen Werklohns wäre (vgl RS0019929; RS0021925).

[47] Dadurch, dass die Bauleitung der Beklagten die Dämmung nicht abgerufen hat und eine nicht plangerechte Verlegung der Bodenplatten auf dem ungedämmten Untergrund durch einen anderen Professionisten zuließ, hat sie der Klägerin die Leistung in der ursprünglich beauftragten Form unmöglich gemacht.

[48] Eine nachträgliche Ausführung der Wärmedämmung (vgl RS0021925 [T3]) würde nach den Feststellungen (zumindest) die Entfernung und Neuverlegung der Bodenplatten im Laubengang erfordern. Da das Haus mittlerweile bewohnt ist, wäre von diesen Arbeiten auch die Benützbarkeit der Wohnungszugänge betroffen. Diese Arbeiten könnten von der Klägerin daher jedenfalls nicht mehr ohne Mitwirkung der Beklagten und weiterer Professionisten ausgeführt werden.

[49] Die Beklagte hat demgegenüber, wie die Revision mit Recht anführt, das Fehlen der Wärmedämmung im Laubengang erst fast drei Jahre nach der Abnahme der Leistung überhaupt bemerkt, und dann nach Einwendung dieses Mangels im Verfahren nicht vorgebracht, nunmehr eine Sanierung von der Klägerin zu fordern. Neben mangelnder Fälligkeit des Werklohns hat sie statt dessen die Kosten einer fiktiven Ersatzvornahme als Gegenforderung eingewendet.

[50] Selbst in der Revisionsbeantwortung verweist die Beklagte nur darauf, dass das Fehlen der Dämmung im Laubengang ein bauphysikalisches Problem und daher einen Mangel darstelle, sowie dass ein Verbesserungsbegehren nicht ausdrücklich erhoben werden müsste.

[51] 6. Eine Berufung auf mangelnde Fälligkeit des Werklohns wegen Verbesserungsverzugs setzt voraus, dass der Werkbesteller die Verbesserung ernstlich geltend macht (RS0018507; RS0021925 [T3; T7]), RS0019929 [T18, T21]; 2 Ob 237/14p). Andernfalls kann eine Zurückbehaltung des Werklohns den sie rechtfertigenden Zweck, nämlich den Auftragnehmer durch finanziellen Druck zur umgehenden Verbesserung zu bestimmen (RS0021925), nicht erfüllen. Die Fälligkeit des Werklohns wird bei Fehlen eines weiter verfolgten Erfüllungsanspruchs nicht mehr hinausgeschoben.

[52] 7. Die in der Revision aufgeworfene Frage, ob der Teilauftrag „Wärmedämmung“ eine von den anderen Auftragspositionen so deutlich abgrenzbare Leistung darstellte, dass ein allfälliges Zurückbehaltungsrecht wegen eines Mangels dieser Leistung von vornherein nur auf das darauf entfallende Entgelt zu beschränken wäre, kann dahingestellt bleiben.

[53] 8. Der Revision der Klägerin war daher Folge zu geben und die der Höhe nach unstrittige Forderung aus der Schlussrechnung in Abänderung der Vorentscheidungen zur Gänze zuzuerkennen.

[54] 9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

[55] Bei der Neufassung der Kostenentscheidung erster Instanz war auf die berechtigten Einwendungen der Beklagten Bedacht zu nehmen. Die Schriftsätze ON 19 (Zustimmung zur Person des Sachverständigen) und ON 21 (Gegenäußerung) der Klägerin waren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich.

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