OGH 10Ob29/23x

OGH10Ob29/23x13.2.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzendenden, den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Faber sowie die Hofräte Mag. Schober und Dr. Annerl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* AG, *, vertreten durch Dr. Anke Reisch, Rechtsanwältin in Baden, gegen die beklagte Partei DI Dr. S*, vertreten durch Dr. Hubert Köllensberger und Mag. Wolfgang Stockinger, Rechtsanwälte in Wels, sowie die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei J* GmbH *, vertreten durch Dr. Günther Auer, Rechtsanwalt in Oberndorf, wegen 294.226,62 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 199.065,14 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 1. März 2023, GZ 2 R 18/23i‑76, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 29. November 2022, GZ 36 Cg 14/20m‑69, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0100OB00029.23X.0213.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und der Nebenintervenientin die jeweils mit 3.078,78 EUR (darin 513,13 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin ist der (Transport‑)Versicherer einer GmbH, die von der Nebenintervenientin einen Prallbrecher angemietet hatte. Während des Transports des Prallbrechers zu einer Schottergrube stürzte dieser im Zuge des Versuchs, ihn vom Transportanhänger abzuladen, über eine Böschung und wurde dabei beschädigt.

[2] Im Verfahren zu 7 Cg 77/14y des Landesgerichts Leoben (künftig: Vorprozess) begehrte die Nebenintervenientin von der GmbH den Ersatz des dadurch verursachten Schadens. Der Beklagte erstattete dabei als vom Gericht bestellter Sachverständiger ein Gutachten (unter anderem) zur Frage, ob der Bremsmechanismus des mobilen Prallbrechers einen Defekt aufgewiesen habe und er sich deshalb (im Zuge des Abladens) von sich aus in Bewegung setzen habe können. In seinem Gutachten verneinte der Beklagte diese Fragen.

[3] Aufgrund dieses Gutachtens wurde im Vorprozess festgestellt, dass der Bremsmechanismus nicht defekt gewesen sei und ein selbständiges Abrollen des Prallbrechers über die Rampe des Anhängers ausgeschlossen werden könne. Zur Beschädigung des Prallbrechers sei es deshalb gekommen, weil der zum Transport verwendete Lkw kein geeignetes Zugmittel gewesen sei und der Prallbrecher beim Abladen entweder zu schnell bewegt oder der Abstand zur Böschung generell zu gering gewesen sei, um ihn noch vor der Böschungskante anzuhalten. Darauf aufbauend wurde der Klage der Nebenintervenientin (großteils) rechtskräftig stattgegeben.

[4] Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin (gestützt auf § 67 VersVG) vom Beklagten den Ersatz der von ihr aus dem Versicherungsvertrag geleisteten Zahlungen, weil das Unterliegen ihrer Versicherungsnehmerin im Vorprozess auf sein objektiv unrichtiges Gutachten zurückzuführen sei.

[5] Das Erstgericht wies die Klage ab. Es ging davon aus, dass der Beklagte maßgebliche Parameter nicht ermittelt habe und sein Gutachten deshalb mangelhaft und teilweise auch falsch gewesen sei. Vor allem sei ihm nicht aufgefallen, dass sich die ihm vorgelegenen Schaltpläne der Bremsanlage in wesentlichen Punkten widersprochen hätten. Darauf aufbauend stellte es fest: „Sollte die Anordnung entsprechend dem [...] Hydraulikschaltplan der Firma K* erfolgt sein, hatte die Brechermaschine tatsächlich einen Konstruktionsfehler, der im konkreten Fall ein selbständiges Abrollen beim Abladen bewirken hätte können.In der Beweiswürdigung stellte es zudem (disloziert) fest: „Ob [...] das Gutachten des Beklagten daher in diesem Punkt tatsächlich falsch war, indem er ein selbständiges Abrollen der Maschine als auszuschließend darstellte, konnte aber aufgrund der ihm anzulastenden mangelnden Befundaufnahme jedenfalls nicht mehr festgestellt werden.“

[6] Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Entscheidend sei, ob der anzunehmende Konstruktionsfehler und damit der Ausfall der Bremsen Einfluss auf den Ausgang des Vorprozesses gehabt hätte. Das sei zu verneinen, weil der Absturz des Prallbrechers nur durch das Zusammenwirken des unzulässigen Abladens (durch die Mitarbeiter der GmbH) und des Konstruktionsfehlers verursacht worden sei. Es liege damit ein Fall der summierten bzw addierten Kausalität vor, bei der ein der Sphäre des Geschädigten zuzurechnender, zum Schaden beitragender Zufall nicht zu dessen Haftung führe. Das treffe auch hier zu, weilder Nebenintervenientin die Fehlerhaftigkeit des nicht von ihr hergestellten Prallbrechers nicht zuzurechnen sei. Das fehlerhafte Gutachten des Beklagten habe sich auf den Ausgang des Vorprozesses somit nicht ausgewirkt, weil im Verhältnis zur Nebenintervenientin das fahrlässige Verhalten der GmbH beim Abladen immer, dh ungeachtet des zu unterstellenden Konstruktionsfehlers, zu ihrer alleinigen Haftung geführt hätte.

[7] Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil die Frage, ob es in Fällen addierter/summierter Kausalität zur SchadensteilungiSd § 1304 ABGB oder zur solidarischen Haftung nach § 1302 ABGB komme, in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs unterschiedlich beantwortet werde.

[8] Dagegen richtet sich die vom Beklagten und der Nebenintervenientin beantwortete Revision der Klägerin, in der sie begehrt, der „Klage stattzugeben“; hilfsweise stelltsie auch einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[10] 1. Ihren Revisionsausführungen legt die Klägerinzugrunde, dass das Gutachten des Beklagten unrichtig gewesen sei, weil sehr wohl ein Konstruktionsfehler vorgelegen sei, der das selbständige Abrollen des Prallbrechers beim Entladen möglich gemacht habe. Darauf aufbauend vertritt sie die Ansicht, dass sich aus dem Sachverhalt, ein haftungsbegründendes fahrlässiges Verhalten der GmbH für die Handelnden nicht ableiten lasse. Selbst wenn die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zutreffen und ein Fall der summierten Kausalität vorliegen sollte, hätte es im Vorprozess mangels Bestimmbarkeit der Verursachungsverhältnisse zur Aufteilung des Schadens zu gleichen Teilen kommen müssen

[11] 2. Mit diesem Vorbringen vermag die Klägerin die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen, weil die von ihr aufgeworfenen Rechtsfragen für die Entscheidung nicht präjudiziell sind (RS0088931 [T2, T4, T8]).

[12] 3.1. Nach ständiger Rechtsprechung haftet ein Sachverständiger, der im Prozess ein unrichtiges Gutachten abgibt, den Parteien gegenüber persönlich nach § 1299 ABGB (RS0026316; RS0026319). Er kann aufgrund eigener deliktischer Haftung direkt belangt werden (RS0026353 [T3]; RS0026337 [T5]). Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger, der schuldhaft ein unrichtiges Gutachten abgibt, haftet demnach den Prozessparteien gegenüber für die Folgen dieses Versehens (7 Ob 151/22i [Rz 2]; 5 Ob 28/22m [Rz 12] ua). Der Schadenersatzanspruch setzt zudem voraus, dass die Unrichtigkeit des Gutachtens auch ausschlaggebend für die die Prozesspartei beschwerende Entscheidung war (RS0026360 [T6, T8]). Dabei ist nicht zu prüfen, wie die in Frage stehende unter Mitwirkung des Sachverständigen zustande gekommene gerichtliche Entscheidung richtig zu lauten gehabt hätte. Entscheidend ist nur, welchen Einfluss ein sachlich richtiges Gutachten auf die Entscheidung gehabt hätte (RS0026360 [T6]; 1 Ob 132/23b [Rz 5]; 2 Ob 7/23b [Rz 10] ua).

[13] 3.2. Die Beweislast für die Pflichtverletzung (vgl RS0022686 [insb T16]), den eingetretenen Schaden und den Kausalzusammenhang zwischen dem (Fehl‑)Verhalten und dem Schadenseintritt trifft nach allgemeinen Regeln den, der aus der Unrichtigkeit des Gutachtens Ansprüche ableitet (vgl 3 Ob 258/15k [ErwGr 2. und 3.5.]; RS0106638; RS0037797).

[14] 4. Angesichts dessen käme eine Haftung des Beklagten nur dann in Betracht, wenn 1. das von ihm erstattete Gutachten zur maßgeblichen Frage des Vorliegens eines Konstruktionsfehlers falsch war, 2. ein richtiges Gutachten im Vorprozess zur Annahme eines für den Absturz zumindest mitursächlichen Konstruktionsfehlers geführt hätte und 3. die GmbH deswegen zu keinem oder nur einem geringeren Schadenersatz an die Nebenintervenientin verpflichtet worden wäre.

[15] 4.1. Hier ist der Klägerin schon der Nachweis einerrelevanten Unrichtigkeit des Gutachtens nicht gelungen. Nach dem den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen konnteein Konstruktionsfehler nämlich nicht festgestellt werden und demgemäß auch nicht mehr, dass das Gutachten des Beklagten insofern falsch war. Auf dieser Grundlage scheidet eine Haftung des Beklagten von vornherein aus. Auf die weiteren, die Unrichtigkeit des Gutachtens voraussetzenden Haftungserfordernisse muss daher nicht mehr eingegangen werden.

[16] 4.2. Dabei hilft der Revisionswerberin auch nicht, dass das Berufungsgericht sich mit der die erste oben wörtlich wiedergegebene Feststellung betreffenden Beweisrüge der Berufung ohne Begründung nicht befasst hat: Zum Einen hat die Revisionswerberin diesen Mangel des Berufungsverfahrens in der Revision nicht gerügt (vgl Lovrek in Fasching/Konency 3 § 503 ZPO Rz 70 aE). Zum Anderen hat die Klägerin in ihrer Berufung die zweite oben wiedergegebene dislozierte Negativfeststellung nicht bekämpft.

[17] 5. Steht eine relevante Unrichtigkeit des Gutachtens des Beklagten nicht fest, stellen sich weder die vom Berufungsgericht in der Zulassungsbegründung formulierten noch die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen. Auch die in diesem Zusammenhang behaupteten Mangelhaftigkeiten des Berufungsverfahrens können sich auf den Ausgang der Sache nicht auswirken.

[18] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagte und die Nebenintervenientin haben jeweils auf die Unzulässigkeit der Revision (infolge fehlender Präjudizialität der in der Revision angesprochenen Fragen) hingewiesen (RS0112296).

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