OGH 1Ob175/23a

OGH1Ob175/23a23.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely-Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers Dr. G*, vertreten durch Dr. Anika Loskot, Rechtsanwältin in Wien, gegen die Antragsgegnerin Mag. C*, vertreten durch die Gibel Zirm Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 5. September 2023, GZ 44 R 259/23y-65, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom 5. Mai 2023, GZ 5 FAM 15/20x‑61, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00175.23A.0123.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die am 14. 4. 1993 geschlossene Ehe der Streitteile wurde mit Rechtskraft des Urteils vom 25. 4. 2019 geschieden. Die eheliche Lebensgemeinschaft ist seit 27. 5. 2015 aufgelöst.

[2] Im Jahr 2007 hatten die Streitteile je zur Hälfte eine Liegenschaft erworben, auf der sie in der Folge ein Wohnhaus errichteten, das ihnen als Ehewohnung diente.

[3] Sowohl der Antragsteller als auch die Antragsgegnerin begehrten, dass der Hälfteanteil des jeweils anderen an der Liegenschaft gegen Leistung einer Ausgleichszahlung in sein (ihr) Eigentum übertragen werde. Im Revisionsrekursverfahren ist allein strittig, ob ein Wertpapierdepot des Mannes in die Aufteilung einzubeziehen ist.

[4] Das Erstgericht übertrug den Hälfteanteil des Antragstellers an der Liegenschaft Zug um Zug gegen Leistung einer Ausgleichszahlung in das Eigentum der Antragsgegnerin, wies ihr bestimmte Gegenstände des Hausrats zu und verpflichtete sie im Innenverhältnis zur Rückzahlung bestimmter, im Einzelnen aufgelisteter Verbindlichkeiten. In die Aufteilung bezog es – soweit für das Revisionsrekursverfahren von Bedeutung – (auch) das Guthaben eines auf den Antragsteller lautenden Wertpapierdepots mit ein, das er seit dem Jahr 2008 mit Erträgen aus seiner selbständigen Tätigkeit als Arzt angeschafft hatte. In rechtlicher Hinsicht ging es davon aus, dass es sich bei diesen Wertpapieren um eine eheliche Ersparnis handle.

[5] Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Antragstellers Folge, hob den Beschluss des Erstgerichts auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Rechtlich führte es – soweit in dritter Instanz von Interesse – aus, bei der vom Erstgericht in die Aufteilung einbezogene Wertanlage des Antragstellers (dem Wertpapierdepot) handle es sich um nach § 10 EStG begünstigte Wertpapiere. Ohne Umwidmung in eheliche Ersparnisse sei – zusammengefasst – dieses Wertpapierdepot dem Unternehmen des Antragstellers zuzurechnen und wäre damit der Aufteilung entzogen. Dazu fehlten jedoch Feststellungen.

[6] Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob von einem Unternehmer angeschaffte, im Sinn des § 10 EStG begünstigte Wertpapiere gemäß § 82 Abs 1 Z 3 EheG bis zu einer ausdrücklichen oder schlüssigen Umwidmung zum Unternehmen gehörten, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der vom Antragsteller beantwortete Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig:

[8] 1. Der Aufteilung unterliegt die eheliche Errungenschaft, das heißt das, was die Ehegatten während der Ehe erarbeitet oder erspart haben (RS0057486 [T1]). Von der Aufteilung auszuscheiden sind alle Sachen, die zu einem Unternehmen gehören (§ 82 Abs 1 Z 3 EheG; RS0057528) oder Anteile an einem Unternehmen sind (§ 82 Abs 1 Z 4 EheG). Eine Arztpraxis ist ein Unternehmen im Sinn des § 82 Abs 1 Z 3 EheG (RS0057772).

[9] 2. Der Oberste Gerichtshof wertet in seiner Rechtsprechung Erträge eines Unternehmens solange als unternehmenszugehörig und damit nach § 82 Abs 1 Z 3 EheG der Aufteilung entzogen, als sie nicht für unternehmensfremde (private) Zwecke umgewidmet wurden. Auch nicht ausgeschüttete Gewinne fallen in der Regel nicht in die Aufteilungsmasse, wenn sie entweder reinvestiert, in Unternehmensrücklagen angelegt oder einfach „stehengelassen“ werden (1 Ob 211/21t mwN). Erst mit der Umwandlung in eheliches Vermögen oder der Umwidmung in Ersparnisse gehören sie als eheliche Errungenschaft zur Aufteilungsmasse (RS0057486 [T14]; RS0057713 [T1]; RS0057752). Darauf, ob bei Einbeziehung der dem Unternehmen gewidmeten Sachen in die Aufteilungsmasse der Unternehmensbestand tatsächlich gefährdet wäre, kommt es entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin demgegenüber nicht an (7 Ob 381/97y = RS0057528 [T3]; vgl auch RS0009851).

[10] 3. Nach den Feststellungen liegen am Depot Wertpapiere, die der Antragsteller aus Erträgen seines Unternehmens, einer Arztpraxis, angeschafft hat. Wie das Rekursgericht geht auch die Antragsgegnerin in ihrem Rechtsmittel davon aus, dass es sich bei dieser Anlage um Wirtschaftsgüter gemäß § 10 Abs 3 Z 2 iVm Abs 1 Z 4 EStG handelt.

[11] 3.1. Wertpapiere, die nach § 10 Abs 1 Z 4 iVm Abs 3 Z 2 EStG angeschafft werden, zählen schon nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung mit ihrer entsprechenden Widmung für mindestens vier Jahre und der Aufnahme in das Verzeichnis nach § 10 Abs 7 EStG zum Anlagevermögen eines Betriebs und gehören damit zum notwendigen Betriebsvermögen (dazu VwGH Ro 2021/13/0022 Rz 34). Bereits die im Gesetz eindeutig vorgenommene Zuordnung der nach § 10 EStG begünstigten Wertpapiere steht – vorbehaltlich einer Umwidmung im Sinn der oben zitierten Rechtsprechung – deren Qualifikation als eheliche Errungenschaft entgegen. Die vom Rekursgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage ist damit im Gesetz so eindeutig gelöst, dass Zweifel bei der Auslegung gar nicht entstehen können. In einem solchen Fall liegt auch dann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vor, wenn dazu in der Rechtsprechung des Höchstgerichts noch nicht explizit Stellung genommen wurde (RS0042656).

[12] 3.2. Richtig ist zwar, dass die Kosten für die Anschaffung der Wertpapiere aus den Unternehmensgewinnen des Antragstellers herrühren, der dadurch für die steuerliche Bemessung verringert wurde. Warum, wie die Antragsgegnerinzusammengefasst vertritt, der vom Unternehmer in das Wertpapierdepot übergeführte – also thesaurierte – Gewinn schon aus diesem Grund ein eheliches Ersparnis sein soll, kann sie in Anbetracht der von ihr gar nicht in Abrede gestellten Widmung der Wertpapiere zum Anlagevermögen des Unternehmens (der Arztpraxis) aber nicht nachvollziehbar darstellen. Solange diese Widmung aufrecht ist, gehören sie auch im Sinn des § 82 Abs 1 Z 3 EheG zum Unternehmen und sind damit der Aufteilung entzogen.

[13] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

[14] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 2 AußStrG. Der Antragsteller hat die im Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses entstandenen Kosten selbst zu tragen, weil er in seiner Rechtsmittelbeantwortung zwar die Zurückweisung beantragt hat, aber keine Gründe dafür anführte, warum der Revisionsrekurs nicht zulässig ist (RS0122774 [T1]; RS0122774).

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