European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:010OBS00004.24X.0116.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Sozialrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung lautet:
„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei für den Zeitraum von 1. Jänner 2022 bis 4. September 2022 ein Wochengeld in der Höhe von 57,89 EUR täglich zu zahlen, wird abgewiesen.“
Entscheidungsgründe:
[1] Revisionsgegenständlich ist der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Wochengeld für den Zeitraum 1. Jänner 2022 bis 4. September 2022.
[2] Die Klägerin ist aufgrund ihres Dienstverhältnisses zum Land Oberösterreich als Lehrerin seit 2014 nach dem Gesetz über die oberösterreichische Lehrer-, Kranken- und Unfallfürsorge (Oö LGBl 1983/66; LKUFG) kranken- und unfallversichert.
[3] Sie bezog ab 14. Dezember 2021 – dem Tag der Vorlage des entsprechenden fachärztlichen Zeugnisses – gemäß § 9b Oö LKUFG iVm § 84 B‑KUVG und § 162 ASVG Wochengeld von der oberösterreichischen Landes-Kranken- und Unfallfürsorge (in der Folge: LKUF). Am 10. Juli 2022 gebar sie ihr Kind.
[4] Die Klägerin ist aufgrund des am 4. Mai 2022 rückwirkend erklärten Widerrufs der zuvor bestehenden Ausnahme von der Pflichtversicherung seit 1. Jänner 2022 auch nach dem GSVG kranken- und pensionsversichert. Der Versicherungsfall der Mutterschaft trat aufgrund der Vorlage des fachärztlichen Zeugnisses bereits am 14. Dezember 2021 ein.
[5] Mit dem angefochtenen Bescheid vom 6. Dezember 2022 lehnte die Beklagte die Anträge der Klägerin vom 28. Juni 2022 und 22. August 2022 auf Zuerkennung von Wochengeld für die Geburt am 10. Juli 2022 für den Zeitraum von 14. Dezember 2021 bis 4. September 2022 ab. Die Pflichtversicherung sei zwar am 1. Jänner 2022 eingetreten. Die Klägerin habe jedoch aufgrund ihres Dienstverhältnisses zum Land Oberösterreich gemäß § 9b LKUFG iVm § 84 B‑KUVG, § 162 ASVG Wochengeld bei der LKUF bezogen. Es bestehe demnach eine Anspruchsberechtigung gegenüber einem anderen gesetzlichen Krankenversicherungsträger, weshalb kein Anspruch auf Wochengeld nach § 82 Abs 2 GSVG bestehe.
[6] In der dagegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Zuerkennung von Wochengeld für den Zeitraum 1. Jänner 2022 bis 4. September 2022 in Höhe von 57,89 EUR täglich. Die LKUF sei als Krankenfürsorgeträger nicht mit einem gesetzlichen Krankenversicherungsträger iSd § 82 Abs 2 GSVG gleichzustellen.
[7] Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und brachte zusammengefasst vor, dass eine Erweiterung der Anspruchsberechtigung gemäß § 82 Abs 2 GSVG nur subsidiär in Fällen greifen solle, in denen kein anderweitiger vergleichbarer gesetzlich normierter Leistungsanspruch bestehe. Die gesetzliche Ausnahme aus der Krankenversicherung nach § 2 Abs 1 Z 2 B‑KUVG – der die Klägerin ohne die Ausnahme unterläge – erfolge gerade deswegen, weil die Leistungen nach dem LKUFG den Leistungen nach dem B‑KUVG gegenüber der BVAEB mindestens gleichwertig seien. § 9b LKUFG verweise auf § 84 B‑KUVG und damit auf § 162 ASVG, es würden somit die gleichen Bestimmungen für die Voraussetzungen und die Berechnung des Wochengelds wie für ASVG‑Versicherte gelten. Selbst wenn Krankenfürsorgeträger nicht vom Wortlaut des § 82 Abs 2 GSVG erfasst seien, wäre die aus teleologischer Sicht bestehende Lücke durch Analogie zu schließen.
[8] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Landeskrankenfürsorge basiere zwar auf einem Gesetz, es handle sich aber nicht um einen Krankenversicherungsträger nach § 82 Abs 2 GSVG.
[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Krankenfürsorgeeinrichtungen seien nicht vom Gesetzeswortlaut des § 82 Abs 2 GSVG – im Gegensatz zu den weiteren Absätzen 5 und 6 – umfasst. Angesichts des Inkrafttretens von § 82 GSVG im Jahr 1979 (BGBl 1978/560), der bis dato inhaltlich unveränderten Geltung der Absätze 2 und 5 – trotz mehrfacher Gesetzesnovellen – sowie der im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängerbestimmungen sei von einem „beredten Schweigen des Gesetzgebers“ und gerade nicht von einer planwidrigen, eine Analogie allenfalls ermöglichenden Lücke auszugehen. Mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung dazu ließ das Berufungsgericht die ordentliche Revision zu.
[10] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Abweisung des Klagebegehrens; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[11] Die Klägerin hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
[12] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt.
[13] 1.1. Grundsätzliche Voraussetzung für alle Sozialversicherungsleistungen ist der Eintritt des Versicherungsfalls (Schrammel in Tomandl/Felten, System des österreichischen Sozialversicherungsrechts Pkt 2.1.2.1. [5. ErgLfg] 137 und Pkt 2.1.2.2.1. [5. ErgLfg] 138). Das Gesetz bestimmt auch ausdrücklich, (ab) wann diese primäre Leistungsvoraussetzung vorliegt (§ 120 ASVG; § 80 GSVG; § 76 BSVG; § 53 B‑KUVG).
[14] 1.2. Für den Versicherungsfall der Mutterschaft legt das Gesetz den Eintritt des Versicherungsfalls grundsätzlich mit dem Beginn der achten Woche vor der voraussichtlichen Entbindung fest; wenn aber die Entbindung vor diesem Zeitpunkt erfolgt, mit der Entbindung; ist der Tag der voraussichtlichen Entbindung nicht festgestellt worden, mit dem Beginn der achten Woche vor der Entbindung (§ 120 Z 3 Satz 1 ASVG; § 80 Z 3 Satz 1 GSVG; § 76 Z 2 Satz 1 BSVG; § 53 Z 3 Satz 1 B‑KUVG). Dieser Zeitpunkt fällt regelmäßig mit dem Beginn des Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs 1 Mutterschutzgesetz zusammen (Windisch‑Graetz in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV‑Komm § 120 ASVG Rz 30 [Stand 1. 6. 2021, rdb.at]).
[15] Bei einem individuellen Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 3 Mutterschutzgesetz wird der Versicherungsfall der Mutterschaft einheitlich (§ 120 Z 3 Satz 2 ASVG; § 80 Z 3 Satz 2 GSVG; § 76 Z 2 Satz 2 BSVG; § 53 Z 3 Satz 2 B‑KUVG) auf den Zeitpunkt dessen Beginns vorverlegt (Schober in Sonntag, ASVG14 § 157 Rz 4 [unklar in § 120 Rz 27]; Schober in Sonntag, GSVG/SVSG12 § 102 Rz 9 [unklar in § 80 Rz 27]; Felten in Tomandl, System Pkt 2.2.8.1. [38. ErgLfg] 264/18 und Pkt 2.2.8.4.1.B. [31. ErgLfg] 264/25; vgl RS0084756).
[16] Der Versicherungsfall der Mutterschaft tritt nach dem gesetzgeberischen Konzept in der Sozialversicherung somit immer zu jenem Zeitpunkt ein, in dem die Schwangere aufgrund der Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz ihrer beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen kann (Windisch‑Graetz in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV‑Komm § 120 ASVG Rz 31 [Stand 1. 6. 2021, rdb.at]).
[17] 1.3. Grundsätzlich wird für eine Anspruchsberechtigung aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft vorausgesetzt, dass der Versicherungsfall während der (aufrechten) Versicherung eingetreten ist (§ 122 Abs 1 ASVG; § 82 Abs 1 iVm Abs 2 Satz 2 GSVG; § 77 Abs 1 BSVG; § 55 Abs 1 B‑KUVG; zu § 82 GSVG: Schober in Sonntag, GSVG/SVSG12 § 82 GSVG Rz 5). Ist der Versicherungsfall vor Beginn der Pflichtversicherung eingetreten, gebühren daher im Regelfall keine Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft, insbesondere kein Wochengeld (Windisch‑Graetz in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV‑Komm § 122 ASVG Rz 21 [Stand 1. 6. 2021, rdb.at]).
[18] Auch nach der Rechtsprechung bedarf es für einen Anspruch auf Wochengeld nach § 162 ASVG somit eines aufrechten Versicherungsverhältnisses bereits bei Eintritt des Versicherungsfalls (RS0111539). Eine analoge Anwendung der für den Versicherungsfall der Krankheit geltenden Regelungen, wonach Leistungen schon dann gewährt werden, wenn die Krankheit im Zeitpunkt des Beginns der Versicherung bereits bestanden hat (§ 122 Abs 1 Satz 2 ASVG; § 82 Abs 2 Satz 1 GSVG; § 77 Abs 1 Satz 1 BSVG; § 55 Abs 1 Satz 1 B‑KUVG), wird für den Versicherungsfall der Mutterschaft abgelehnt (10 ObS 312/98z; Windisch‑Graetz in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV‑Komm § 122 ASVG Rz 21 [Stand 1. 6. 2021, rdb.at]).
[19] 1.4. Um Schutzlücken zu schließen (Windisch-Graetz in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV‑Komm § 122 ASVG Rz 4), räumt der Gesetzgeber eine Anspruchsberechtigung mitunter unter näher bestimmten Voraussetzungen auch über das Ende der Versicherung hinaus (§ 82 Abs 5, 6 und 7 GSVG; § 77 Abs 2 BSVG; § 55 Abs 1a B‑KUVG) oder für nach dem Ende des Versicherungsverhältnisses eingetretene Versicherungsfälle (§ 122 Abs 2, 3 und 3a ASVG) ein. In einigen solchen Fällen wird eine Anspruchsberechtigung davon abhängig gemacht, dass kein anderer Anspruch auf Leistungen „einer gesetzlichen Krankenversicherung bzw [oder] einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlich‑rechtlichen Dienstgebers gegeben ist“ (§ 122 Abs 3a ASVG; § 82 Abs 5 und 6 GSVG; § 77 Abs 2 BSVG; § 55 Abs 1a B‑KUVG).
[20] 2.1. Nach den oben (ErwGr 1.3.) dargelegten Grundsätzen wäre die Anspruchsberechtigung der Klägerin zu verneinen, weil der Versicherungsfall der Mutterschaft gemäß § 80 Z 3 Satz 2 GSVG (unstrittig) bereits mit 14. Dezember 2021 – also vor dem Beginn der Versicherung am 1. Jänner 2022 – eingetreten war.
[21] Diese Grundsätze werden im GSVG allerdings insofern durchbrochen, als Pflichtleistungen aus einem vor dem Beginn der Versicherung eingetretenen Versicherungsfall der Mutterschaft (doch) zustehen (insofern unklar Schober in Sonntag, GSVG/SVSG12 § 82 GSVG Rz 5, der zwar den Gesetzeswortlaut wiedergibt, in der Folge aber lediglich auf die zur – insofern abweichenden – Rechtslage nach dem ASVG ergangene Rechtsprechung verweist), sofern „keine Anspruchsberechtigung gegenüber einem anderen gesetzlichen Krankenversicherungsträger besteht“ (§ 82 Abs 2 Satz 2 GSVG).
[22] 2.2. Die Klägerin und die Vorinstanzen leiten aus der Verwendung des Wortes „Krankenversicherungsträger“ ab, dass die – im vorliegenden Fall unstrittig gegebene – Anspruchsberechtigung gegenüber einer Krankenfürsorgeeinrichtung der Anspruchsberechtigung des § 82 Abs 2 Satz 2 GSVG nicht entgegen stehe. Die Beklagte steht in ihrer Revision demgegenüber auf dem Standpunkt, dass die Nennung einer Krankenfürsorgeeinrichtung in dieser Bestimmung bloß versehentlich unterblieben und daher eine Anspruchsberechtigung in analoger Rechtsanwendung zu verneinen sei.
3. Dazu wurde erwogen:
[23] 3.1. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt und in der Revision der Beklagten auch nicht bezweifelt wird, ist der Wortlaut des § 82 Abs 2 Satz 2 GSVG insofern eindeutig, als darin lediglich Krankenversicherungsträger und nicht Krankenfürsorgeeinrichtungen eines öffentlich‑rechtlichen Dienstgebers genannt sind. Das Gesetz unterscheidet an mehreren Stellen – insbesondere etwa in den Absätzen 5 und 6 des § 82 GSVG selbst – zwischen Leistungen aus einer Krankenversicherung und Leistungen aufgrund einer vom öffentlich‑rechtlichen Dienstgeber gewährten Krankenfürsorge. Eine Auslegung (im engeren Sinn), nach der auch die Anspruchsberechtigung einer solchen – in der Bestimmung nicht genannten – Krankenfürsorgeeinrichtung eine Anspruchsberechtigung nach § 82 Abs 2 Satz 2 GSVG ausschließt, verbietet sich, weil dadurch die Grenze des noch möglichen Wortsinns überschritten würde (RS0008796).
[24] 3.2. Dies schließt eine Analogie jedoch nicht aus, sondern ist gerade Voraussetzung dafür.
[25] Bei der Gesetzesanalogie ist zu prüfen, ob nach der im Gesetz zum Ausdruck kommenden Wertung angenommen werden muss, dass der geregelte und der ungeregelte Fall in den maßgeblichen Voraussetzungen des Tatbestands übereinstimmen (RS0008864), sodass die vom Gesetzgeber an den geregelten Tatbestand geknüpfte Rechtsfolge auch beim ungeregelten Tatbestand eintreten soll (RS0008826). Die Analogie verschafft der ratio legis somit Durchsetzung gegenüber einem zu engen Gesetzeswortlaut (vgl RS0008979) und setzt eine Rechtslücke, also eine planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts voraus. Das Gesetz ist in einem solchen Fall – gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie – ergänzungsbedürftig, ohne dass seine Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (RS0008866; RS0098756).
[26] Analogie ist daher dann ausgeschlossen, wenn eine Lücke fehlt oder ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber die Rechtsfolge nur eintreten lassen will, wenn gerade die Voraussetzungen des geregelten Tatbestands erfüllt sind, also die Nichtregelung dem Plan des Gesetzes entspricht (RS0008902 [T4]). Ein solcherart „ausschließender Charakter“ eines Rechtssatzes ist allerdings nicht zu vermuten, sondern muss besonders erwiesen werden (RS0025102). Ist kein Grund für eine verschiedene Behandlung ersichtlich, so ist Analogie und nicht Umkehrschluss geboten (RS0008850; RS0008870).
[27] 3.2.1. Die Regelungen des § 82 Abs 2, 5 und 6 GSVG gehen auf die im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmungen des § 35 Abs 3 und 6 GSKVG 1971 (BGBl 1971/287) und des § 44 Abs 3 und 6 GSKVG (BGBl 1966/167) zurück. Nach den – darüber hinaus keine näheren Erläuterungen enthaltenden – Gesetzesmaterialien (unter anderem) zu § 44 GSKVG sollten insbesondere die Bestimmungen über die Anspruchsberechtigung eine Kodifizierung der bis dahin in der Meisterkrankenversicherung geltenden auf Satzungsstufe stehenden Regelungen darstellen (IA 8/A BlgNR 11. GP 10). Ausdrückliche Aussagen darüber, welchen Zweck die Regelung des (nunmehr) § 82 Abs 2 Satz 2 GSVG verfolgt, und konkret, warum dort (nur) Krankenversicherungsträger genannt sind, enthalten die Gesetzesmaterialien nicht. Auch die Materialien zu späteren, die entsprechenden Regelungen im Wesentlichen wortgleich übernehmenden Gesetzesänderungen enthalten dazu keine Aussage (vgl etwa IA 76/A BlgNR 12. GP 11 [zu § 35 GSKVG 1971]; RV 865 BlgNR 14. GP 71 [zum GSVG]).
[28] 3.2.2. Das Abstellen des § 82 Abs 2 Satz 2 GSVG auf eine gegebene Anspruchsberechtigung gegenüber einem gesetzlichen Krankenversicherungsträger zeigt, dass die Anspruchsberechtigung nur ausnahmsweise „vorgezogen“ werden soll, wenn eine (staatliche) Versorgung ansonsten nicht bestünde. Das Subsidiaritätsprinzip soll daher die Erweiterung der Anspruchsberechtigung bei bereits ausreichender (staatlicher) Versorgung verhindern. Eine Anspruchsberechtigung aus der Krankenversicherung nach dem ASVG, dem BSVG oder dem B‑KUVG bietet jedenfalls eine solche ausreichende Versorgung, die jener nach dem GSVG gleichwertig ist. Nach objektiv-teleologischen Gesichtspunkten sind dabei aber erkennbar Inhalt und Wesen der gegebenen, eine zusätzliche Versorgung nach dem GSVG entbehrlich machenden Anspruchsberechtigung wesentlich und nicht die dafür zuständige staatliche Stelle.
[29] 3.2.3. Die Anspruchsberechtigung der Klägerin nach dem LKUFG ist – aufgrund des Verweises des § 9b LKUFG auf die §§ 30a, 30b, 84 und 85 B‑KUVG (die wiederum hinsichtlich der Anspruchsberechtigung auf § 122 ASVG und hinsichtlich des Anspruchs auf Wochengeld auf § 162 ASVG verweisen) – materiell einer solchen gegenüber einem Krankenversicherungsträger nachgebildet.
[30] Die Klägerin wäre als Landesvertragslehrerin auch an sich in der Kranken- und Unfallversicherung nach dem B‑KUVG pflichtversichert (§ 1 Abs 1 Z 17 lit b sublit cc B‑KUVG). Sie ist davon aber deswegen ausgenommen, weil ihr nach dem LKUFG gleichwertige Leistungen zustehen (§ 2 Abs 1 Z 2 B‑KUVG). Mit dem LKUFG nimmt der Landesgesetzgeber die ihm vom Bundesgesetzgeber entsprechend Art 14 Abs 2 B‑VG in § 109 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz (LDG 1984) eingeräumte Befugnis wahr, für Landesvertragslehrer durch Landesgesetz dienstrechtliche Krankenfürsorgeeinrichtungen zu schaffen, die Leistungen (unter anderem) an Landesvertragslehrpersonen erbringen, die jenen, die nach den jeweiligen bundesgesetzlichen Vorschriften über die Krankenversicherung den Bundesbeamten zustehen, in ihrer Gesamtheit mindestens gleichwertig sein müssen (§ 109 Abs 2 LDG 1984 iVm § 2 Abs 9 Landesvertragslehrpersonengesetz 1966).
[31] Nach diesem gesetzgeberischen Konzept sind somit – ansonsten nach dem B‑KUVG versicherte – Landesvertragslehrer wie die Klägerin bloß dann und nur deswegen nicht nach dem B‑KUVG „gegenüber einem anderen gesetzlichen Krankenversicherungsträger“ iSd § 82 Abs 2 Satz 2 GSVG anspruchsberechtigt, wenn und weil ihnen aufgrund des LKUFG insgesamt in der Krankenversicherung ein gleichwertiger Schutz und im Versicherungsfall der Mutterschaft gleichartige Ansprüche zukommen.
[32] Eine nachvollziehbare sachliche Begründung dafür, dass die Anspruchsberechtigung des § 82 Abs 2 Satz 2 GSVG im Fall einer Anspruchsberechtigung nach dem B‑KUVG, nicht aber bei einer gleichwertigen (und ebenso staatlichen) Versorgung verdrängt wird, ist nicht ersichtlich und wird auch von der Klägerin und den Vorinstanzen nicht aufgezeigt.
[33] 3.2.4. Nach der im § 82 Abs 2 Satz 2 GSVG zum Ausdruck kommenden Wertung muss daher angenommen werden, dass der geregelte („Krankenversicherungsträger“) und der ungeregelte („Krankenfürsorgeeinrichtung“) Fall in den maßgeblichen Voraussetzungen übereinstimmen, sodass in teleologischer Hinsicht eine Gesetzeslücke vorliegt.
[34] Mangels entsprechender Aussagen in den Gesetzesmaterialien (oben ErwGr 3.2.1.) ist nicht zu vermuten, dass die Nichtregelung dem Plan des Gesetzes entspricht.
[35] Für einen solchen „ausschließenden Charakter“ könnte allenfalls sprechen, dass § 82 Abs 2 Satz 2 GSVG auf eine Anspruchsberechtigung (nur) gegenüber einem anderen gesetzlichen Krankenversicherungsträger abstellt, während die Absätze 5 und 6 bei der Verlängerung der Anspruchsberechtigung über das Ende der Versicherung hinaus (wie etwa auch § 83 GSVG hinsichtlich der Angehörigen) zusätzlich Krankenfürsorgeeinrichtungen erwähnen. Abgesehen davon, dass der Grund für die unterschiedliche Behandlung von Krankenfürsorgeeinrichtungen auch dadurch nicht erklärt wird, gehen diese Vorschriften allerdings auf die bis 1966 in der Meisterkrankenversicherung geltenden auf Satzungsstufe stehenden Regelungen zurück, die in § 44 GSKVG kodifiziert werden sollten (IA 8/A BlgNR 11. GP 10). Der Umstand, dass das Subsidiaritätsprinzip in anderen Regelungen konsequent durchgesetzt wurde, nicht aber in § 82 Abs 2 Satz 2 GSVG deutet daher auf ein Redaktionsversehen bei diesem Kodifikationsprozess hin.
[36] Entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts kann aus dem nachfolgenden „beredten Schweigen“ des Gesetzgebers schon deswegen nicht geschlossen werden, dass er einer Analogie entgegen tritt (vgl 5 Ob 267/98w; 6 Ob 657/95), weil dieses Auslegungsproblem weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur eine Behandlung erfuhr, auf die der Gesetzgeber damit reagieren hätte können.
[37] 3.2.5. Aus der von der Klägerin in erster Instanz zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (B 869/03 VfSlg 17.260) ist für den vorliegenden Fall kein anderes Ergebnis abzuleiten. Es trifft – wie ausgeführt – zu, dass die Klägerin aufgrund ihrer Tätigkeit nicht der sozialen Krankenversicherung angehört. Dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, im Beitragsrecht der sozialen Krankenversicherung auch die landesgesetzlichen Krankenfürsorgesysteme zu berücksichtigen, spricht aber nicht gegen die Subsidiarität einer vor Versicherungsbeginn eintretenden Anspruchsberechtigung gegenüber Ansprüchen aus der Krankenfürsorge.
[38] Die vom Berufungsgericht genannte Entscheidung zu 10 ObS 124/17h betrifft die Frage, ob Streitigkeiten (von im öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Beamten) nach dem LKUFG als Sozialrechtssachen iSd § 65 ASGG angesehen werden können, sodass daraus keine Rückschlüsse für die Anwendung des § 82 Abs 2 Satz 2 GSVG gezogen werden können.
4. Zusammenfassend ergibt sich:
[39] Auf Pflichtleistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft besteht in analoger Anwendung des § 82 Abs 2 Satz 2 GSVG auch dann kein Rechtsanspruch, wenn der Versicherungsfall bereits vor dem Beginn der Versicherung eingetreten ist und eine Anspruchsberechtigung gegenüber einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlich‑rechtlichen Dienstgebers besteht, die derjenigen gegenüber einem gesetzlichen Krankenversicherungsträger gleichwertig ist.
[40] 5. Daraus folgt, dass der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Wochengeld nicht zusteht. Der Revision der Beklagten war somit Folge zu geben und das Klagebegehren in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen abzuweisen.
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