European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00124.17H.0123.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Klägerin bezieht aufgrund eines Dienstunfalls vom 8. 7. 1991 als Bundeslehrerin von der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) eine Versehrtenrente in Höhe von zuletzt 30 vH der Vollrente. Seit dem 1. 9. 1993 bis zur Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des 30. 4. 2015 stand die Klägerin in einem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis als Lehrerin in allgemein bildenden Pflichtschulen in Oberösterreich. Aufgrund zweier Dienstunfälle vom 2. 2. 2000 und vom 1. 12. 2008 bezog die Klägerin von der Beklagten zuletzt eine Gesamtrente im Ausmaß von 25 vH der Vollrente. Die Beklagte gewährte der Klägerin nach dem insofern unstrittigen Akteninhalt (laut dem Spruch des angefochtenen Bescheids) mit Bescheid vom 17. 3. 2010 eine Zusatzrente für Schwerversehrte sowie einen Kinderzuschuss für Schwerversehrte „analog den gesetzlichen Bestimmungen“.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. 2. 2017 sprach die Beklagte aus, dass wegen der wesentlichen Änderung der Verhältnisse mit Wirksamkeit des auf die Zustellung des Bescheids folgenden Tages die gewährte Versehrtenrente im Ausmaß von 25 vH auf 15 vH reduziert werde. Dadurch erlösche der Anspruch auf Schwerversehrtheit.
Die Klägerin begehrt mit ihrer gegen diesen Bescheid eingebrachten Klage die Zuerkennung einer Versehrtenrente von zumindest 25 vH der Vollrente über den 17. 2. 2017 hinaus und damit verbunden die Feststellung der weiter bestehenden Schwerversehrtheit.
Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Mit ihrem gegen diese Entscheidung eingebrachten außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO auf.
1. § 65 ASGG umschreibt den Begriff der Sozialrechtssachen. Die Aufzählung in § 65 Abs 1 ASGG, die Grundlage für die sachliche Zuständigkeit der Gerichtshöfe als Arbeits‑ und Sozialgerichte in Sozialrechtssachen bildet, ist im Hinblick auf § 100 ASGG nicht taxativ. Die in anderen Rechtsvorschriften enthaltenen Verweisungen auf die seinerzeitigen Schiedsgerichte der Sozialversicherung sowie auf die das Leistungsstreitverfahren erster und zweiter Instanz betreffenden Bestimmungen der Sozialversicherungsgesetze gelten nämlich nach § 100 ASGG als Verweisungen auf die Bestimmungen des ASGG und damit auf die Arbeits‑ und Sozialgerichte. Ein wesentliches Merkmal im Verfahren in Sozialrechtssachen ist die sukzessive Kompetenz der Gerichte. Es kommt daher entgegen den Ausführungen der Revisionsrekurswerberin für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs im vorliegenden Fall nicht nur auf die „Natur bzw das Wesen des geltend gemachten Anspruchs“ an. Sozialrechtssachen iSd § 65 ASGG sind vielmehr (unter anderem) nicht solche Angelegenheiten, in welchen Verwaltungsbehörden unter nachfolgender verwaltungs-gerichtlicher Kontrolle (aber unter Ausschluss der sukzessiven Kompetenz der ordentlichen Gerichte) zu entscheiden haben. Findet eine Streitigkeit weder unmittelbar im Katalog des § 65 Abs 1 ASGG noch über eine in einer anderen Rechtsvorschrift enthaltene (gesetzliche) Verweisung Berücksichtigung, ist für die Geltendmachung eines solchen Anspruchs der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten als Arbeits‑ und Sozialgerichten im Weg der sukzessiven Kompetenz generell unzulässig (RIS‑Justiz RS0085836; 10 ObS 128/10m, SSV‑NF 24/64 = DRdA 2012/18, 315 [ A. Burgstaller/K. Binder ]; 10 ObS 76/10i, SSV‑NF 24/45; 10 ObS 166/13d, SSV‑NF 27/89).
2.1 Das Rekursgericht hat in Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung ausgeführt, dass Streitigkeiten über Ansprüche nach dem Gesetz über die oberösterreichische Lehrer‑, Kranken‑ und Unfallfürsorge (oö LGBl 1983/66; LKUFG) nicht in der Zuständigkeitsregelung des § 65 ASGG angeführt sind. Dem tritt die Klägerin in ihrem Rechtsmittel nicht entgegen.
2.2 Gemäß § 1 Abs 1 LKUFG bedient sich das Land Oberösterreich als Dienstgeber zur Wahrnehmung der Krankenfürsorge und Unfallfürsorge für die Lehrer für allgemeinbildende Pflichtschulen und für Berufsschulen der oberösterreichischen Lehrer‑, Kranken‑ und Unfallfürsorge (LKUF). Die Mitgliedschaft in der LKUF regelt § 2 LKUFG. Im Verfahren ist nicht strittig, dass die Klägerin, die in einem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Oberösterreich steht und Beamtin ist, Mitglied der LKUF gemäß § 2 lit a LKUFG ist. Ob sie infolge der im Jahr 2015 erfolgten Ruhestandsversetzung nunmehr Mitglied gemäß § 2 lit b LKUFG ist, kann dahingestellt bleiben, weil sie unstrittig nicht Mitglied der LKUF aufgrund § 2 lit c LKUFG (Landesvertragslehrer) oder § 2 lit d LKUFG (Landesvertragslehrer und nunmehriger Bezieher einer Pension nach dem ASVG oder von Übergangsgeld gemäß § 306 ASVG) ist oder war.
2.3 Gemäß § 35 Abs 6 Z 7 LKUFG obliegt dem Verwaltungsrat der Beklagten die Erlassung von Bescheiden hinsichtlich wiederkehrender Leistungen aus der Unfallfürsorge bei Personen nach § 2 lit a und b LKUFG und gemäß § 35 Abs 6 Z 7a LKUFG die Entscheidung über Rentenansprüche bei Personen nach § 2 lit c und lit d LKUFG. Auf das behördliche Verfahren vor dem Verwaltungsrat und dem Aufsichtsrat findet gemäß § 39 Abs 1 LKUFG, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt, das Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984 des Landes Oberösterreich (oö LGBl 1986/47) Anwendung. Gemäß § 39 Abs 3 Z 1 LKUFG sind Bescheide hinsichtlich Leistungen auf Antrag oder von Amts wegen ua hinsichtlich wiederkehrender Leistungen aus der Unfallfürsorge zu erlassen.
2.4 Für die Klägerin als Mitglied der LKUF gemäß § 2 lit a (oder allenfalls lit b) LKUFG sind die Bestimmungen des § 39 Abs 1 bis 3 LKUFG anwendbar. Gegen den vom Verwaltungsrat (bzw dem gemäß § 35 Abs 7 LKUFG damit von diesem betrauten Direktorium) erlassenen angefochtenen Bescheid über wiederkehrende Leistungen aus der Unfallfürsorge steht ihr gemäß den Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B‑VG die Möglichkeit der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht offen (vgl zum oö LKUFG VwGH Ra 2017/09/0042).
2.5 § 39 Abs 6 LKUFG lautet:
„Für Personen nach § 2 lit c und d gelten die Abs 1 bis 3 nicht. Über Streitigkeiten entscheiden die ordentlichen Gerichte.“
Diese, mit Art 35 des oberösterreichischen Ver-waltungsgerichtsbarkeits‑Anpassungsgesetzes, LGBl 2013/90, geschaffene Bestimmung regelt, dass für die in § 2 lit c und d LKUFG genannten Personen (insbesondere Landesvertragslehrer) die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des § 39 Abs 1 bis 3 LKUFG nicht anwendbar sind. Nur für diese Personengruppe enthält Satz 2 eine die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte begründende Regelung. Die Klägerin gehört nicht zu den von § 39 Abs 6 LKUFG erfassten Mitgliedern der LKUF, sodass das Rekursgericht im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat, dass das oö LKUFG in Bezug auf eine Streitigkeit wie die hier vorliegende keine Verweisung auf das ASGG enthält, sodass keine Sozialrechtssache iSd § 65 ASGG vorliegt. Abgesehen davon, dass die Klägerin der Rechtsansicht des Rekursgerichts in diesem Punkt im Revisionsrekurs nicht entgegentritt, kann sich das Rekursgericht auf den Wortlaut des LKUFG stützen, sodass keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO vorliegt (RIS‑Justiz RS0042656).
3. Die Klägerin hält vielmehr auch im außerordentlichen Revisionsrekurs an ihrem Standpunkt fest, dass Entscheidungsgegenstand „eine bundesgesetzliche Vorschrift“ sei, weil der angefochtene Bescheid auch über den Entfall der Schwerversehrtenrente und damit über einen Rechtsanspruch auch aus dem B‑KUVG entschieden hätte, dessen Bestimmungen mit jenen des oö LKUFG insofern inhaltlich zwingend verknüpft seien. Dem hat bereits das Rekursgericht zutreffend entgegengehalten, dass die Beklagte (auch insofern) nicht über einen Anspruch aus dem B‑KUVG entschieden hat (vgl zur Zusatzrente für Schwerversehrte § 13 Abs 1 Z 5 oö LKUFG iVm Pkt 159, 160 und 151 der Satzung der Beklagten, Stand 1. 3. 2016) und Ansprüche der Klägerin nach dem B‑KUVG nicht Gegenstand dieses Verfahrens sind.
4. Die von der Revisionsrekurswerberin unter Berufung auf die Entscheidung 9 ObA 42/10g behauptete Frage der „alternativen Zuständigkeit“ von Verwaltungsbehörden und Gerichten stellt sich im vorliegenden Fall nicht: Wie bereits ausgeführt, wäre der Klägerin – außerhalb der sukzessiven Kompetenz – die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich offen gestanden. Eine Verweisung der Klägerin mit ihren Ansprüchen auf den „Verwaltungsweg“ und eine dadurch bewirkte „Schlechterstellung“ der Klägerin liegt nicht vor.
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