OGH 6Ob184/23m

OGH6Ob184/23m23.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E* GmbH, *, vertreten durch Hochedlinger Luschin Marenzi Kapsch Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei M* GmbH, *, vertreten durch Dr. Christian Widl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 19. Juli 2023, GZ 38 R 104/23k‑32, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00184.23M.1023.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die Revision wirft den Vorinstanzen eine „fehlerhafte Interpretation des Abschlusswillens“ (im Hinblick auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Untermietvertrags) vor.

[2] Damit wirft sie Fragen zur Auslegung von Willenserklärungen auf. Eine solche hat aber stets nach den Umständen des Einzelfalls zu erfolgen, sodass sich dabei erhebliche Rechtsfragen in der Regel nicht stellen (RS0043555; RS0042936; RS0043253 [T1]; RS0081754 [T6]; RS0042776). Eine auffallende Fehlbeurteilung, die (ausnahmsweise) die Zulässigkeit der Revision nach sich zöge (RS0042936 [T28]; RS0044298 [T27]), vermag die Beklagte in der Revision nicht darzustellen.

[3] 2. Die Beklagte behauptet, es müsse die konkludente Handlung, die zu einem Abschluss des (Unter-)Mietverhältnisses führe, „keinesfalls in rechtlich relevanter Weise von einem legitimierten Vertretungsorgan der vermietenden Partei, sollte es sich um eine juristische Person handeln, vorgenommen werden“. Dafür kann sie allerdings keine Belegstelle und auch keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs nennen.

[4] Richtig mag sein, dass die Frage konkludenten Handelns „nach dem gesamten Erklärungsverständnis der konkludenten Handlung zu verstehen und zu beurteilen“ ist (wozu die Beklagte auf RS0014165 und die zu 3 Ob 37/19s ergangene Entscheidung verweist; siehe zur Maßgeblichkeit des Eindrucks, den der Erklärungsempfänger von der stillschweigenden Erklärung haben musste, auch RS0014158 [T5]; RS0014142). Sie lässt aber in weiterer Folge völlig offen, welches der Klägerin (im Übrigen: zurechenbare) Handeln im vorliegenden Fall vom Erklärungsempfänger eindeutig als Abschluss eines Mietvertrags zu einem schon vor dem 31. 12. 2001 liegenden Zeitpunkt hätte verstanden werden können (der Mietvertrag wurde am 22. 4. 2002 unterfertigt).

[5] 3. Die Beklagte meint offenbar, Konkludenz aus ihren Ausführungen zu sekundären Feststellungsmängel ableiten zu können. Feststellungsmängel setzen aber voraus, dass bereits im Verfahren erster Instanz ein entsprechendes Tatsachenvorbringen erstattet wurde (RS0053317 [T2]). Der Großteil der als fehlend monierten Feststellungen ist jedoch nicht von erstinstanzlichem Vorbringen gedeckt. Dass sich bestimmte Feststellungen aus einzelnen (von den Tatsacheninstanzen auch nicht in diese Richtung auf ihre Glaubwürdigkeit hin geprüften) Beweisergebnissen, wie Urkunden und Aussagen einer Partei oder einem von ihr namhaft gemachten Zeugen gewinnen ließen, vermag deren fehlendes Vorbringen nicht zu ersetzen (vgl RS0038037). Geht die Rechtsrüge – wie hier – nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt, und es sind die daran geknüpften Argumente keiner weiteren Behandlung zuzuführen (vgl RS0043603 [T8]; RS0043312 [T3, T12, T14]).

[6] Soweit Vorbringen von der Beklagten (vereinzelt) zu bestimmten Tatsachen erstattet wurde (dies betrifft die durch ihre Rechtsvorgänger erfolgte Beauftragung von Baumeisterarbeiten, Portalbauarbeiten und [teilweise] die [wohl ihnen gegenüber erfolgte] Abrechnung von Arbeiten), wurde ohnehin festgestellt, dass (die Vertragsverhandlungen nach Juli/August 2001 gut vorangekommen waren und) die Mietinteressenten bereits im Herbst 2001 die Bauarbeiten für die Errichtung der Waschstraße samt Nebengebäuden beauftragten.

[7] Der Umstand, dass ein (zukünftiger) Mieter im Hinblick auf einen erwarteten Abschluss eines Mietvertrags schon mit Umbaumaßnahmen im Objekt beginnt (und ein Vermieter dies duldet, wobei sich hier den Feststellungen nicht entnehmen lässt, ob und welchen Personen der Klägerin [einer Aktiengesellschaft], in deren übertragenen Aufgabenbereich dies fiel [RS0009172 {T22}] oder denen in der betreffenden Angelegenheit Vertretungskompetenz zukam [RS0009172 {T6}], dies bekannt gewesen wäre), zieht nicht zwingend den Schluss nach sich, es müsse schon in jedem Fall ein Mietvertrag abgeschlossen worden sein. Dies um so weniger, als hier feststeht, dass danach noch zahlreiche Änderungen der Vertragsentwürfe stattfanden und zum damaligen Zeitpunkt zwar Einigkeit über den zu zahlenden Mietzins bestand, allerdings noch „verschiedene wesentliche Vertragspunkte ungeklärt waren (wie zum Beispiel die Höhe der von der Bestandnehmerseite zu bezahlenden Aufschließungskosten, der Beginn des Bestandverhältnisses – und damit der Beginn der Mietzinszahlungspflicht –, die genaue Quadratmeterzahl des Objekts oder die Regelung der Zufahrt zur Waschstraße)“. Zudem enthielt der am 22. 4. 2002 unterschriebene Untermietvertrag die Formulierung: „Der gegenständliche Untermietvertrag beginnt mit Unterfertigung des Vertrages […].“

[8] 4. Es bedarf daher entgegen der Auffassung der Beklagten, von deren Rechtsvorgängern für das Jahr 2001 auch kein Mietzins begehrt (oder bezahlt) wurde, keiner Korrektur im Einzelfall, wenn die Vorinstanzen der Rechtsansicht der Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (August 2001, jedenfalls aber vor Ende 2001) nicht folgten.

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