OGH 5Ob147/23p

OGH5Ob147/23p29.8.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Dr. Christian Fuchs, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. T* und 2. M*, vertreten durch Mag. Martin Corazza, Rechtsanwalt in Innsbruck, sowie der Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Parteien 1. G* GmbH, *, vertreten durch Dr. Andreas Fink, Dr. Christopher Fink, Rechtsanwälte in Imst, und 2. H*, vertreten durch Dr. Christian Schöffthaler, Rechtsanwalt in Imst, wegen Unterlassung und Beseitigung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. April 2023, GZ 3 R 236/22k‑102, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Silz vom 20. Juni 2022, GZ 2 C 59/21d‑94, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00147.23P.0829.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Bestandrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei und die „Revisionsbeantwortung“ des Zweitnebenintervenienten auf Seiten der beklagten Parteien werden zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit 900,72 EUR (darin enthalten 150,12 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger ist Miteigentümer einer Liegenschaft, an der Wohnungseigentum begründet ist. Mit seinen Anteilen ist unter anderem Wohnungseigentum am Haus top 3 verbunden. Die Beklagten sind ebenfalls Miteigentümer der Liegenschaft. Ihnen kommt als Eigentümerpartner unter anderem das ausschließliche Nutzungsrecht am Haus top 1 zu. Sie haben ihre Miteigentumsanteile vom Zweitnebenintervenienten erworben, der die Terrasse dieses Objekts nicht entsprechend dem Nutzwertgutachten und der diesem zugrundeliegenden Baubewilligung ausgeführt hat. Ihre Fläche beträgt zu Lasten von allgemeinen Teilen der Liegenschaft 25 m² anstelle von 15,33 m². Der vom Kläger, dem Zweitnebenintervenienten und zwei weiteren Miteigentümern abgeschlossene Wohnungseigentumsvertrag stammt vom 11. 7. 2009.

[2] Der Kläger begehrt die Beseitigung des vom Konsens abweichenden Zustands der Terrasse und die Verurteilung der Beklagten, es zu unterlassen, ohne seine Zustimmung oder eines diese ersetzenden gerichtlichen Beschlusses allgemeine Teile der Liegenschaft in ihr Wohnungseigentumsobjekt einzubeziehen.

[3] Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren statt und verurteilte die Beklagten, die Terrasse ihres Objekts so herzustellen, dass sie dem dem Nutzwertgutachten vom 12. 2. 2016 zugrunde gelegten Plan entspricht, also ein Fläche von 15,33 m² aufweist. Ein darüberhinausgehendes Begehren wies es ab.

[4] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt. Die Revision ließ es zur Frage der Passivlegitimation der Beklagten für das Unterlassungsbegehren zu. Da es wohl öfter vorkomme, dass Wohnungseigentumseinheiten verkauft werden, die bauliche Abweichungen zur Parifizierung aufweisen, gehe die Rechtsfrage nach der Passivlegitimation (des neuen Eigentümers) für eine Unterlassungsklage über den Einzelfall hinaus.

I. Zur Zurückweisung der „Revisionsbeantwortung“ des Zweitnebenintervenienten:

Rechtliche Beurteilung

[5] Nachdem ihm die Revision der Beklagten zugestellt worden war, erstattete der Zweitnebenintervenient eine „Revisionsbeantwortung“ zum Rechtsmittel der Beklagten, in der er deren Argumenten beitrat und beantragte, deren Revision Folge zu geben und das Klagebegehren abzuweisen, in eventu, die Urteile der Vorinstanzen in Stattgebung der Revision aufzuheben.

[6] Nach § 19 Abs 1 Satz 2 ZPO ist der einfache Nebenintervenient berechtigt, zur Unterstützung „seiner“ Hauptpartei Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und Prozesshandlungen vorzunehmen. Dazu gehört etwa auch die Erhebung eines – auch eigenständigen – Rechtsmittels gegen eine Entscheidung durch den Nebenintervenienten (RS0035520). Eine Revision gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts hat der Zweitnebenintervenient nicht erhoben. Selbst wenn man seinem Schriftsatz entgegen seiner Bezeichnung und den darin enthaltenen Anträgen den Inhalt einer Revision beimessen wollte, wäre er als verspätet zurückzuweisen, weil er außerhalb der Frist des § 505 Abs 2 ZPO eingebracht wurde.

Zweck der Revisionsbeantwortung ist, das rechtliche Gehör des Revisionsgegners zu wahren. Dieser kann darin Gründe für die Zurückweisung der Revision anführen und/oder die geltend gemachten Revisionsgründe widerlegen und damit das angefochtene Urteil verteidigen (Lovrek in Fasching/Konecny³ IV/1 § 507 ZPO Rz 18 ff; vgl auch RS0043692). Die Beantwortung des Rechtsmittels der Hauptpartei, auf deren Seiten er dem Verfahren beigetreten ist, durch den Nebenintervenienten, ist demgegenüber im Gesetz nicht vorgesehen. Die als „Revisionsbeantwortung“ bezeichnete Eingabe des Zweitnebenintervenienten ist damit unzulässig und zurückzuweisen (vgl dazu Lovrek aaO Rz 17).

II. Zur Revision der Beklagten:

1. Zu der vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage:

[7] 1.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Fachsenats verpflichtet schon die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Mit- und Wohnungseigentümer den änderungswilligen Wohnungseigentümer, die Zustimmung aller Miteigentümer oder die Genehmigung des Außerstreitrichters einzuholen. Tut er das nicht, nimmt er also Änderungen im Sinn des § 16 Abs 2 WEG ohne vorherige Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer und ohne Genehmigung des Außerstreitrichters vor, handelt er in unerlaubter Eigenmacht und kann im streitigen Rechtsweg petitorisch mit Klage nach § 523 ABGB zur Beseitigung der Änderung und Wiederherstellung des früheren Zustands sowie gegebenenfalls auf Unterlassung künftiger Änderungen verhalten werden (RS0083156; RS0005944).

[8] 1.2. § 523 ABGB gibt das Klagerecht gegen jeden unberechtigten Eingriff in das Eigentumsrecht (RS0012040). Materiell‑rechtliche Voraussetzung für eine darauf gestützte Unterlassungsklage ist ganz allgemein das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses und der Wiederholungsgefahr (RS0012064). Sie richtet sich zwar grundsätzlich gegen den unmittelbaren Störer, sie kann aber auch gegen denjenigen erhoben werden, der den unerlaubten Zustand aufrecht hält (vgl 1 Ob 35/89 mwN; RS0012131 [T8]; RS0012129). Daher ist nicht entscheidend, ob die in Anspruch genommene Partei, von deren Eigentum die Störung ausgeht, die beanstandeten Baumaßnahmen selbst gesetzt hat. Als Eigentümer kommt ihm eine umfassende rechtliche Befugnis zu, mit der auch eine entsprechende Verantwortung bzw ein entsprechendes Risiko einhergeht (dazu ausführlich 6 Ob 70/14h).

[9] 1.3. Die Passivlegitimation der Beklagten folgt damit schon aus den allgemein zur actio negatoria vertretenen Grundsätzen. Als Rechtsnachfolger des Zweitneben-intervenienten halten die Beklagten den von diesem geschaffenen unerlaubten Zustand aufrecht und haben dafür schon deshalb einzustehen, unabhängig davon, dass sie die vom Konsens abweichenden Baumaßnahmen nicht selbst gesetzt haben. Eine erhebliche Rechtsfrage stellt sich in diesem Zusammenhang entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts daher nicht.

[10] 1.4. Für die Negatorienklage genügt die objektive Rechtswidrigkeit. Verschulden des Störers ist ebenso wenig erforderlich wie eine Störungsabsicht oder die Absicht der Rechtsanmaßung (RS0012169). Darauf, ob sie als Käufer „gutgläubig“ gewesen sind, wie die Beklagten meinen, kommt es daher nicht an. Das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen für die Unterlassungsklage ziehen sie nicht in Zweifel.

[11] 2. Auch sonst sprechen die Beklagten keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO an:

[12] 2.1. Die Frage, ob eine konkludente Willenserklärung vorliegt und welchen Inhalt sie gegebenenfalls hat, ist regelmäßig einzelfallbezogen und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RIS‑Justiz RS0109021 [T3, T5]; RS0081754 [T5]; RS0043253 [T14]).

[13] 2.2. Bereits das Berufungsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass die Annahme einer schlüssigen Erklärung gewisse Kenntnisse des Erklärenden (Duldenden) über die im Zeitpunkt seines Verhaltens vorliegenden maßgeblichen Umstände voraussetzt (RS0109021 [T2]). Der festgestellte Sachverhalt bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger das tatsächliche Ausmaß der vom Rechtsvorgänger der Beklagten, dem Zweitnebenintervenienten, errichteten Terrasse bekannt gewesen wäre. Ausgehend davon ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht eine schlüssige Zustimmung des Klägers zu deren Vergrößerung um nahezu 10 m² zu Lasten von Allgemeinflächen verneinte. Soweit sie damit argumentieren, dass dem Kläger das Nutzwertgutachten (gemeint vom 12. 2. 2016) und die diesem zugrundeliegenden Pläne bekannt gewesen seien, und die (damaligen) Miteigentümer mit diesem neuerlichen Gutachten beabsichtigt hätten, den von den ursprünglichen Bauplänen abweichenden Zustand (durch Änderung des Wohnungseigentumsvertrags) zu sanieren, übersehen sie, dass nach dem festgestellten Sachverhalt die Abweichung der Terrassenfläche im Zug der Verhandlungen nicht erwähnt wurde und daher auch nicht Eingang in das neuerliche Nutzwertgutachten gefunden hat. Ein Abweichen des „Erstgerichts“ von der Judikatur des Obersten Gerichtshofs, wie sie meinen, liegt damit nicht vor.

[14] 3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

[15] Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat darauf hingewiesen, dass die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig ist, und hat daher Anspruch auf Ersatz seiner Kosten für die Revisionsbeantwortung (RS0112296). Es gebührt ihm jedoch nur der einfache Einheitssatz.

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