European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00226.22D.0609.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.032,91 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 172,15 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin ist Mit- und Wohnungseigentümerin einer Liegenschaft. Diese Liegenschaft ging aus der im Jahr 2009 durchgeführten Teilung einer Liegenschaft hervor, die im Alleineigentum der Republik Österreich stand. Die Beklagte ist die von den Wohnungseigentümern dieser Liegenschaft gebildete Eigentümergemeinschaft.
[2] Das Wohnungseigentumsobjekt Wohnung Top 1 der Klägerin bewohnt ein am Verfahren nicht beteiligter Dritter, der schon vor der Liegenschaftsteilung für das damals bundeseigene Gebäude als Hausbesorger bestellt worden war und der offenbar nun die aus der Teilung hervorgegangenen Liegenschaften betreut.
[3] Die Nutzung der Wohnung Top 1 der Klägerin durch den Dritten basiert auf dem Mietvertrag vom 3. 2./23. 2. 1998 und dem Hausbesorgerdienstvertrag vom 5. 10. 1999 (beide abgeschlossen zwischen dem Dritten und der Republik Österreich), der Vereinbarung über einen Wohnungstausch im Juli/August 2014 (abgeschlossen zwischen den Hausverwaltungen der im Zug der Liegenschaftsteilung gebildeten drei Liegenschaften, unter Einbeziehung der Rechtsvorgängerin der Klägerin) und einer Vereinbarung zwischen dem Dritten und der Rechtsvorgängerin der Klägerin vom 28. 7. 2014. Auch der Wohnungseigentumsvertrag vom 4. 3. 2016 und der von der Klägerin mit ihrer Rechtsvorgängerin abgeschlossene Kaufvertrag vom 10. 5. 2019 nehmen auf dieses Nutzungsverhältnis und die diesem zugrunde liegenden Verträge Bezug.
[4] Die Klägerin begehrte von der Beklagten unter dem Titel „Miete“ das angeblich für die Zuverfügungstellung ihrer Wohnung Top 1 vereinbarte monatliche Entgelt für den Zeitraum Juni 2019 bis November 2020.
[5] Das Erstgericht wies die Klage ab.
[6] Die Begründung von Wohnungseigentum an einer Wohnung, die zur Unterbringung des für die Liegenschaft bestellten Hausbesorgers bestimmt sei, sei rechtlich unmöglich. Wäre die Wohnung Top 1 als Hausbesorgerwohnung gewidmet, wäre die Begründung von Wohnungseigentum an dieser Wohnung daher nichtig. Die Hausbesorger-Dienstwohnung wäre allgemeiner Teil der Liegenschaft, die Klägerin wäre nicht Wohnungseigentümerin dieser Wohnung und schon deshalb nicht aktiv legitimiert.
[7] Handle es sich nicht um eine Hausbesorger-Dienstwohnung, sondern um eine Mietwohnung, wäre das Benützungsentgelt oder der Mietzins vom Mieter zu zahlen und nicht von der beklagten Eigentümergemeinschaft. In diesem Fall sei die Beklagte also nicht passiv legitimiert. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte als Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft die vom Mieter geschuldeten Mietzinse zahlen sollte.
[8] Sei der Mieter Hausbesorger nur der Nachbarliegenschaften bestehe ebenfalls keine Rechtsgrundlage für eine Zahlungspflicht der Beklagten. Wenn der Hausbesorger einer anderen Liegenschaft auf der Liegenschaft der Beklagten wohne, müsste die den Hausbesorger beschäftigende Eigentümergemeinschaft eben Miete oder Benützungsentgelt für diese Wohnung zahlen. Die Beklagte wäre auch in diesem Fall nicht passivlegitimiert.
[9] Eine konkludente Vereinbarung durch jahrelange Zahlung des Mietzinses oder eines Benützungsentgelts scheide schon deshalb aus, weil die Klägerin die Wohnung erst im Mai 2019 gekauft habe.
[10] Dem Vorbringen der Klägerin und der auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten lasse sich somit nicht entnehmen, auf welcher Rechtsgrundlage die Klageforderung beruhen soll. Das Klagebegehren sei insofern unschlüssig, als sich aus keiner der möglichen Sachverhaltsvarianten eine Mietzins- oder Benützungsentgeltforderung der Klägerin gegenüber der Beklagten ableiten lasse.
[11] Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Klägerin und der auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten nicht Folge.
[12] Der Prozessstandpunkt der Klägerin baue auf der Prämisse auf, dass die Wohnung Top 1 keine Hausbesorgerdienstwohnung sei. Die aus den Feststellungen des Erstgerichts abzuleitende Widmung dieser Wohnung als Dienstwohnung habe allerdings nicht einseitig aufgehoben werden können. Eine mit dem Hausbesorger getroffene Vereinbarung, dass seine Dienstwohnung nicht mehr Dienstwohnung sein solle, habe die Klagsseite nicht behauptet. Die Vereinbarung im Wohnungseigentumsvertrag, wonach die dem Hausbesorger zur Verfügung gestellte Wohnung Top 1 keine Allgemeinfläche sei, sondern im (Wohnungs-)Eigentum der Rechtsvorgängerin der Klägerin stehe und auch in Zukunft stehen werde, habe der Wohnung die Eigenschaft als Hausbesorgerdienstwohnung ebenso wenig nehmen können, wie deren nachfolgende Parifizierung. Die Begründung von Wohnungseigentum an einer Wohnung, die zur Unterbringung des für die Liegenschaft bestellten Hausbesorgers bestimmt ist, sei rechtlich unmöglich, entgegenstehende Vereinbarungen seien unwirksam und aufgrund solcher Vereinbarungen durchgeführte Grundbuchseintragungen seien unheilbar nichtig.
[13] Der Hausbesorgerdienstvertrag gehe bei Veräußerung der Liegenschaft auf den Erwerber über. Eine Vereinbarung im Kaufvertrag, dass der Veräußerer Dienstgeber des Hausbesorgers bleibe, sei dem Hausbesorger gegenüber unwirksam. Durch die Teilung der Liegenschaft und Veräußerung der nunmehr selbständigen Teile seien jedenfalls zunächst sämtliche Rechtsnachfolger der letzten Alleineigentümerin Dienstgeber des Hausbesorgers geworden. Selbst wenn das Dienstverhältnis mit Einverständnis des Hausbesorgers von nur einer Liegenschaftseigentümerin oder Eigentümergemeinschaft allein übernommen worden sein sollte, hätte das keinen Einfluss auf den Weiterbestand der Wohnung Top 1 als Dienstwohnung des Hausbesorgers.
[14] Da die Wohnung Top 1 daher dem Hausbesorger nach wie vor als Dienstwohnung zugewiesen sei, sei sie allgemeiner Teil dieser Liegenschaft und die Wohnungseigen-tumsbegründung sei nichtig. Die Klägerin sei daher (so wie deren Rechtsvorgängerin) nur schlichte Miteigentümerin, sodass ihr die Aktivlegitimation für die Klage fehle.
[15] Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte jahrelang für die Wohnung Top 1 Mietzinszahlungen an ihre Rechtsvorgängerin erbracht habe, weil diese Zahlungen rechtsgrundlos erfolgt seien. Zahlungen, die aufgrund eines Irrtums über die wahre Rechtslage geleistet worden seien, seien gemäß § 1431 ABGB rückforderbar.
[16] Das Erstgericht habe die Klage daher zu Recht mangels Aktivlegitimation der Klägerin abgewiesen. Für die weiteren Sachverhaltsvarianten fehle es schon an einer Tatsachengrundlage.
[17] Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die – vom Berufungsgericht nachträglich zugelassene – Revision der beiden Nebenintervenienten auf Seiten der Klägerin. Als Revisionsgründe machen sie die Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Sie beantragen, das angefochtene Urteil abzuändern und der Klage stattzugeben. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.
[18] Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu dieser nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[19] Die Revision ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts – mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
[20] 1. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO stellt sich nur dann, wenn die Entscheidung gerade von der Lösung dieser Frage abhängt; die vom Gericht zweiter Instanz oder vom Rechtsmittelwerber bezeichnete Rechtsfrage muss daher präjudiziell für die Entscheidung sein (RS0088931). Das gilt auch bei nachträglicher Zulassung der Revision (RS0102059 [T22]).
[21] 2. Das Berufungsgericht ließ die Revision mit der Begründung nachträglich zu, es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage des Schicksals einer Hausbesorgerwohnung, wenn der Dienstgeber nicht mehr Eigentümer des Hauses sei.
[22] Diese vom Berufungsgericht als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO bezeichnete, von den Rechtsmittelwerbern nicht mehr als angeschnittene Rechtsfrage ist im vorliegenden Fall jedoch nicht zu lösen, weil schon das Erstgericht eine andere selbständig tragfähige Begründung für die Klageabweisung nannte, der die Rechtsmittelwerber nichts Stichhaltiges entgegen halten (vgl RS0042736; RS0118709). Das Erstgericht hat in nicht korrekturbedürftiger Rechtsansicht die Passivlegitimation der Beklagten schon auf Basis des Klagevorbringens verneint und die Anspruchsbegründung insoweit als unschlüssig beurteilt.
[23] Ein Klagebegehren ist schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell-rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RS0037516). Die Schlüssigkeit eines Tatsachenvorbringens ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung (RS0037532), der im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt, sofern nicht eine auffallende Fehlbeurteilung vorliegt (RS0037780; RS0116144).
[24] Eine solche Fehlbeurteilung zeigen die Rechtsmittelwerber nicht auf. Auch in ihrer Revision vermögen sie nicht zu erklären, auf welcher Rechtsgrundlage die Klägerin gegenüber der Beklagten Anspruch auf Zahlung jener Mietzinse haben soll, für die nach ihrem eigenen Vorbringen die Eigentümer bzw die Eigentümergemeinschaften der Nachbarliegenschaften als die Dienstgeber des Hausbesorgers zahlungspflichtig seien. In ihren Ausführungen zur Zulässigkeit des Rechtsmittels und in ihrer eigentlichen Rechtsrüge stehen sie schließlich auf dem Standpunkt, dass die Klageforderung darauf beruhe, dass nur die Eigentümer der Nachbarliegenschaften Dienstgeber des Mieters der Klägerin seien, diesem aber selbst keine Hausbesorgerwohnung nach dem Hausbesorgerdienstgesetz zur Verfügung stellten. Als Äquivalent müssten sie daher Miete und Betriebskosten für dessen Wohnung im Haus auf der Liegenschaft der Beklagten zahlen. Die Wohnung Top 1 sei daher keine Hausbesorgerwohnung, sondern eine Wohnung, die dem Hausbesorger zur Verfügung gestellt worden sei und mit dessen Dienstgebern, den Eigentümergemeinschaften der Nachbarliegenschaften verrechnet worden sei. Seit jeher seien die Kosten der Wohnung, die dem Hausbesorger im Rahmen seiner Tätigkeit zur Verfügung gestellt worden sei, von der beklagten Eigentümergemeinschaft getragen und an die anderen Eigentümergemeinschaften weiterverrechnet worden.
[25] Die Behauptung des Abschlusses einer anspruchsbegründenden Vereinbarung dazu (etwa eine Erfüllungs- oder Schuldübernahme nach §§ 1404 f ABGB) zwischen diesen Dienstgebern des Hausbesorgers und der Beklagten ist dem Klage- und Rechtsmittelvorbringen nicht zu entnehmen. Die Beurteilung der Vorinstanzen, allein aus der behaupteten Tatsache der „jahrelangen“ Zahlung des Mietzinses (in der Revision der Nebenintervenienten ist einmal von „seit jeher“ und an anderer Stelle von „eine Zeit lang“ die Rede), lasse sich schon aus rechtlichen Gründen auch ein konkludentes Zustandekommen einer entsprechenden Verpflichtung nicht ableiten, ist nicht zu beanstanden (vgl zu dem bei schlüssigen Willenserklärungen generell gebotenen strengen Maßstab RS0014146; RS0014150; RS0013947; RS0109021); schließlich entstand die beklagte Eigentümer-gemeinschaft überhaupt erst im Jahr 2016 und etwaige Zahlungen stellte sie spätestens im Mai 2019 (Beginn des Klagezeitraums) ein.
[26] 3. Die vom Berufungsgericht als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO bezeichnete Rechtsfrage ist hier damit letztlich nicht ausschlaggebend und bloß theoretischer Natur. Die Beantwortung bloß abstrakter Rechtsfragen ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs (RS0111271 [T2]; vgl RS0042736; RS0118709 [T2]).
[27] Die in der Revision behaupteten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[28] Die Revision ist somit mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig und zurückzuweisen.
[29] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0112296). Zum Kostenersatz ist die Klägerin verpflichtet, weil den Nebenintervenienten dieser nicht auferlegt werden kann (RS0035816), der Klägerin aber die Disposition über die Revision ihrer Nebenintervenienten offengestanden wäre (RS0036057). Es gebühren nur 10 % Streitgenossenzuschlag, weil der Beklagten nur mehr die zwei Nebenintervenienten gegenüber standen (vgl 3 Ob 193/22m).
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