OGH 7Ob45/23b

OGH7Ob45/23b24.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* H*, vertreten durch die Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei A* SE *, vertreten durch die Themmer Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgerichtvom 20. Jänner 2023, GZ 50 R 132/22a‑11, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 19. Oktober 2022, GZ 7 C 406/22i‑6, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0070OB00045.23B.0524.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Dem seit 1. Dezember 2018 bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrag zwischen dem Kläger als Versicherungsnehmer und der Beklagten liegen deren Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2015) zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten:

ARB 2015: Gemeinsame Bestimmungen

[...]

Artikel 2

Was gilt als Versicherungsfall und wann gilt er als eingetreten?

[...]

3. In den übrigen Fällen – insbesondere auch für die Geltendmachung eines reinen Vermögensschadens (Artikel 17.2.1., 18.2.1., 21.2.1.), sowie für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen wegen reiner Vermögensschäden (Artikel 17.2.4., 18.2.4., 22.A.2.1., 22.B.2.1., 23.2.1.1., 23.2.2.2., 24.2.3., 25.2.1.1.1., 26.2.3., 27.2.4.) – gilt als Versicherungsfall der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften; […]

[...]

Artikel 8

Welche Pflichten hat der Versicherungsnehmer zur Sicherung seines Deckungsanspruches zu beachten? (Allgemeine Obliegenheiten)

1. Wird die Wahrnehmung rechtlicher Interessen nach Eintritt eines Versicherungsfalles notwendig, dann ist der Versicherungsnehmer verpflichtet,

1.1. [den Versicherer] unverzüglich, vollständig und wahrheitsgemäß über die jeweilige Sachlage aufzuklären;

[…]

Artikel 9

Wann und wie hat [der Versicherer] zum Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers Stellung zu nehmen? [...]

2. Davon unabhängig hat [der Versicherer] das Recht, jederzeit Erhebungen über den mutmaßlichen Erfolg der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung anzustellen. Kommt [der Versicherer] nach Prüfung des Sachverhalts unter Berücksichtigung der Rechts- und Beweislage zum Ergebnis:

2.1. dass hinreichende Aussicht besteht, in einem Verfahren im angestrebten Umfang zu obsiegen, hat [der Versicherer] sich zur Übernahme aller Kosten nach Maßgabe des Artikels 6 (Versicherungsleistungen) bereit zu erklären;

2.2. dass diese Aussicht auf Erfolg nicht hinreichend, d. h. ein Unterliegen in einem Verfahren wahrscheinlicher ist als ein Obsiegen, ist [der Versicherer] berechtigt, die Übernahme der an die Gegenseite zu zahlenden Kosten abzulehnen;

2.3. dass erfahrungsgemäß keine Aussicht auf Erfolg besteht, hat [der Versicherer] das Recht, die Kostenübernahme zur Gänze abzulehnen.

[...]

ARB 2015: Besondere Bestimmungen

[...]

Artikel 21

Allgemeiner Schadenersatz-Rechtsschutz

[...]

2. Was ist versichert?

Der Versicherungsschutz umfasst

2.1. die Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts wegen eines erlittenen Schadens;

[…]

3. Was ist nicht versichert?

3.1. Neben den in Artikel 7 (allgemeine Risikoausschlüsse) genannten Fällen besteht jedenfalls kein Versicherungsschutz (spezielle Risikoausschlüsse) für die Geltendmachung von

3.1.1. Schadenersatzansprüchen wegen eines immateriellen Schadens, ausgenommen Personenschäden, Schäden aus der Verletzung der persönlichen Freiheit und der geschlechtlichen Selbstbestimmung sowie Trauerschäden;

3.1.2. Schadenersatz- oder Herausgabeansprüchen zwischen Miteigentümern oder Pfandrechtsgläubigern.

3.2. Der Versicherungsschutz im allgemeinen Schadenersatz-Rechtsschutz umfasst nicht

3.2.1. Fälle, welche beim Versicherungsnehmer und den mitversicherten Personen in ihrer Eigenschaft als Eigentümer, Halter, Zulassungsbesitzer, Leasingnehmer oder Lenker von Motorfahrzeugen zu Lande, zu Wasser und in der Luft sowie Anhängern einschließlich Ersatzteilen und Zubehör eintreten;

3.2.2. die Geltendmachung von Schadenersatz- oder Herausgabeansprüchen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Sinne des § 51 ASGG (siehe im Anhang);

3.2.3. die Geltendmachung von reinen Vermögensschäden gegen den Sozialversicherungsträger;

3.2.4. die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen reiner Vermögensschäden, die aus der Verletzung gesetzlicher oder vertraglicher Pflichten zwischen den Vertragspartnern oder aus der Verletzung vorvertraglicher Pflichten entstehen;

3.2.5. Fälle, welche beim Versicherungsnehmer in seiner Eigenschaft als Eigentümer oder Besitzer von Grundstücken, Gebäuden oder Gebäudeteilen entstehen;

3.2.6. die Geltendmachung von reinen Vermögensschäden oder Herausgabeansprüchen im Zusammenhang mit einer Erb- oder Familienrechtssache.

[...]“

[2] Der Kläger erwarb am 9. Juli 2019 einen gebrauchten VW Caddy 2k (Erstzulassung vom 12. Mai 2012) um 17.000 EUR.

[3] Der Kläger begehrte vorprozessual Deckung für die Geltendmachung eines deliktischen Schadenersatzanspruchs in Höhe der 30%igen Wertminderung des gekauften Wagens aus dem Erwerb einer mangelhaften Sache aufgrund einer Täuschungshandlung durch die Herstellerin. Die Beklagte lehnte am 22. November 2021 die Rechtsschutzdeckung ohne ergänzende Informationen oder Unterlagen zu fordern ab.

[4] Der Kläger begehrt die Feststellung der Versicherungsdeckung. Die Beklagte habe für die Geltendmachung eines deliktischen Schadenersatzanspruchs gemäß §§ 874, 1295 ABGB gegen die Herstellerin des PKW gemäß Art 21.2.1. ARB 2015 Deckung zu gewähren.

[5] Die Beklagte beantragt Klageabweisung. DerKläger habe gegen die Aufklärungs- und Informationsobliegenheit verstoßen, weil er eine unrichtige Schadensmeldung erstattet habe. Dem Kläger sei nämlich die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs beim Kauf bewusst gewesen. Deshalb liege auch kein Versicherungsfall vor. Außerdem sei die Rechtsverfolgung aussichtslos, weil das Klagebegehren unbestimmt und unschlüssig sei. Zuletzt sei der geltend gemachte Schadenersatzanspruch wegen des Risikoausschlusses in Art 21.3.2.1. ARB 2015 nicht gedeckt.

[6] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Da der Kauf des PKW innerhalb des versicherten Zeitraums liege, sei der Versicherungsfall gegeben. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch sei von Art 21.2.1. ARB 2015 erfasst. Bei Art 21.3.2.1. ARB 2015 handle es sich entgegen der Ansicht der Beklagten um einen Deckungsabgrenzungsausschluss und nicht um einen Risikoausschluss. Auch eine Obliegenheitsverletzung liege nicht vor, habe die Beklagte die Deckung doch ohne Prüfung in weiteren Belangen abgelehnt. Da das Klagebegehren weder unbestimmt noch unschlüssig sei, würden auch keine mangelnden Erfolgsaussichten im Sinn von Art 9 ARB 2015 vorliegen.

[7] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung aus den im Wesentlichen selben Erwägungen wie das Erstgericht. Es ergänzte, man erkenne schon aus dem klaren Wortlaut eine Differenzierung zwischen Art 21.3.1. und Art 21.3.2. ARB 2015. Während im ersten Punkt tatsächlich spezielle Risikoausschlüsse normiert würden, verweise der zweite Punkt darauf, dass die dort angeführten Fälle nicht vom allgemeinen Schadenersatz-Rechtsschutz umfasst seien. Dies entspreche – trotz des fehlenden Querverweises – einem Deckungsabgrenzungsausschluss der unter Art 21.3.2. ARB 2015 angeführten Fallvariationen. Da es keine Möglichkeit gebe, die unter Art 21.3.2.1. ARB 2015 genannten Fälle anderweitig nach Art 17 ARB 2015 zu versichern, sei der vom Kläger geltend gemachte Anspruch gedeckt.

[8] Die Revision erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu Art 21.3.2.1. ARB 2015 fehle.

[9] Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[10] Der Kläger beantragt in seinerRevisionsbeantwortung, die Revision der Beklagten zurückzuweisen, in eventu ihrnicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[11] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

[12] 1.1. Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) sind nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insb T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]).

[13] 1.2. Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind. Auf der zweiten Ebene (sekundäre Risikobegrenzung) wird durch einen Risikoausschluss ein Stück des von der primären Risikoabgrenzung erfassten Deckungsumfangs ausgenommen und für nicht versichert erklärt. Der Zweck liegt darin, dass ein für den Versicherer nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden soll. Mit dem Risikoausschluss begrenzt also der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz, ein bestimmter Gefahrenumstand wird von Anfang an von der versicherten Gefahr ausgenommen (RS0080166 [T10]). Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommenen Gefahren einschränken oder ausschließen, dürfen Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert (RS0107031).

[14] 1.3. Die in den Besonderen Bestimmungen der Rechtsschutzversicherung beschriebenen Risiken (Rechtsschutz-Bausteine) werden in Form von Rechtsschutz-Kombinationen angeboten. Eine Voraussetzung für die problemfreie Nutzung dieses flexiblen Systems zur Produktgestaltung ist eine klare Abgrenzung der Deckung zwischen den einzelnen Rechtsschutz-Bausteinen. Diese Abgrenzung der Deckung geschieht primär im Wege der positiven Deckungsumschreibung. Dort, wo das zur Vermeidung ungewollter Deckungsüberschneidungen oder Unschärfen notwendig ist, erfolgt sie zusätzlich durch die sogenannten Deckungsabgrenzungsausschlüsse. Diese Deckungsabgrenzungsausschlüsse haben (im Gegensatz zu den Risikoausschlüssen im engeren Sinn) nur die Aufgabe, bestimmte Risiken aus einem Baustein auszugliedern, um sie einem anderen zuzuordnen. Der jeweilige Deckungsabgrenzungsausschluss greift daher auch nur dann, wenn das betroffene Risiko nach der positiven Deckungsbeschreibung des anderen Bausteins, dem die Deckung durch Querverweis zugewiesen wurde, grundsätzlich versicherbar ist. Unbeachtlich ist dagegen, ob der zutreffende Rechtsschutz-Baustein auch tatsächlich versichert ist oder nicht (7 Ob 91/22s mwN).

[15] 1.4.1. Die positive Deckungsumschreibung des allgemeinen Schadenersatz-Rechtsschutzes in Art 21.2.1. ARB 2015 umfasst die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts wegen eines erlittenen Schadens. Dass der hier geltend gemachte deliktische Schadenersatzanspruch grundsätzlich unter Art 21.2.1. ARB 2015 fällt, wird von der Beklagten nicht bestritten.

[16] 1.4.2. Sie hält dem aber Art 21.3.2.1. ARB 2015 entgegen. Nach dieser Bestimmung umfasst der Versicherungsschutz im Allgemeinen Schadenersatz-Rechtsschutz nicht Fälle, welche beim Versicherungsnehmer und den mitversicherten Personen in ihrer Eigenschaft als Eigentümer, Halter, Zulassungsbesitzer, Leasingnehmer oder Lenker von Motorfahrzeugen zu Lande, zu Wasser und in der Luft sowie Anhängern einschließlich Ersatzteilen und Zubehör eintreten.

[17] 1.4.3. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass es sich bei Art 19.3.1.1. ARB, der Fälle vom Versicherungsschutz ausnimmt, welche beim Versicherungsnehmer und den mitversicherten Personen in ihrer Eigenschaft als Eigentümer, Halter, Zulassungsbesitzer, Leasingnehmer oder Lenker von Motorfahrzeugen zu Lande, zu Wasser und in der Luft sowie Anhängern eintreten, nicht um einen Risikoausschluss im engeren Sinn, sondern um einen Deckungsabgrenzungsausschluss handelt (vgl etwa 7 Ob 91/22s [ARB 2008]; 7 Ob 129/22d [ARB 2009]; 7 Ob 130/22a [ARB 2005]; 7 Ob 165/22y [ARB 2016]). Dies wurde insbesondere damit begründet, dass auf diese (eingeschränkte) Funktion in den zitierten ARB sowohl der jeweilige Einleitungssatz („zur Abgrenzung von anderen Rechtsschutzbausteinen umfasst der Versicherungsschutz hier nicht …“ bzw „zur Vermeidung von Überschneidungen mit anderen Rechtsschutz-Bausteinen umfasst der Versicherungsschutz nicht ...“), als auch der Querverweis am Ende des jeweiligen Ausschlusses („nur nach Maßgabe des Artikels ... versicherbar“ bzw „versicherbar in ...“) hinweisen.

[18] 1.4.4. Der Beklagten ist zuzugestehen, dass Art 21.3.2.1. ARB 2015 weder einen entsprechenden Einleitungssatz noch einen Querverweis enthält. Dennoch handelt es sich dabei nicht um einen Risikoausschluss im engeren Sinn, sondern um einen Deckungsabgrenzungsausschluss. Dies ergibt sich aus der Systematik der Bestimmung:

[19] Art 21.3. ARB 2015 unterscheidet – der Systematik der Musterbedingungen folgend (vgl Art 19.3. der Muster‑ARB 2015) – zwei Fallgruppen. Hier werden in der ersten Fallgruppe (Art 21.3.1. ARB 2015) zwei Unterfälle ausdrücklich als spezielle Risikoausschlüsse (im engeren Sinn) geregelt (vgl den unmissverständlichen Einleitungssatz). In Art 21.3.2. ARB 2015 findet sich diese Bezeichnung dagegen nicht, sondern wird formuliert, dass der „Versicherungsschutz im allgemeinen Schadenersatz-Rechtsschutz“ die nachfolgend aufgezählten Fälle nicht umfasst. Aus dieser Differenzierung ist abzuleiten, dass diese Regelung keinen Risikoausschluss (im engeren Sinn) verfolgt, sondern lediglich einen Ausschluss aus dem Rechtsschutzbaustein des allgemeinen Schadenersatzes bezweckt, die dort genannten Risken aber in anderen Rechtsschutz-Bausteinen versicherbar sind. Diese Schlussfolgerung wird noch dadurch verstärkt, dass die in Art 21.3.2. ARB 2015 angeführten Tatbestände – anders als die in Art 21.3.1. ARB 2015 genannten – grundsätzlich anderen versicherbaren Rechtsschutzbausteinen zugeordnet werden können (3.2.1. – Art 17; 3.2.2. – Art 23; 3.2.3. – Art 24; 3.2.4. – Art 22; 3.2.5. – Art 25 und 3.2.6. – Art 26, 27 ARB 2015). Die Regelung des Art 21.3.2. ARB 2015 erfüllt daher eine Zuordnungsfunktion zwischen den einzelnen Rechtsschutz-Bausteinen und ist trotz des (im Vergleich zu den Musterbedingungen) fehlenden Einleitungssatzes und Querverweises als Deckungsabgrenzungsausschluss zu qualifizieren.

[20] Da der vom Kläger geltend gemachte Rechtsschutzanspruch unstrittig weder von der positiven Deckungsumschreibung des Schadenersatzfahrzeug-Rechtsschutzes nach Art 17.2.1. ARB 2015 noch von jener des Fahrzeug-Vertrags-Rechtsschutzes nach Art 17.2.4. ARB 2015 umfasst und dort daher auch nicht versicherbar ist, kommt der Deckungsabgrenzungsausschluss des Art 21.3.2.1. ARB 2015 hier nicht zum Tragen.

[21] 2.1. Der Versicherungsfall richtet sich hier unbestritten nach Art 2.3. ARB 2015. Der Verstoß ist im Fall des serienmäßigen Einbaus eines nicht rechtskonformen Bauteils in eine Sache der Zeitpunkt des Kaufs der mangelhaften Sache durch den Versicherungsnehmer (RS0114001 [T9]). Der Versicherungsfall ist daher der Erwerbdes Fahrzeugs, weil sich erst damit die vom Rechtsschutzversicherer in Bezug auf den Versicherungsnehmer konkret übernommene Gefahr zu verwirklichen beginnt (7 Ob 32/18h; 7 Ob 61/22d).

[22] 2.2. Hier hat der Versicherungsnehmer während des versicherten Zeitraums einen gebrauchten Diesel-PKW erworben und begehrt Rechtsschutzdeckung für die Geltendmachung eines auf § 1295 ABGB sowie § 874 ABGB gestützten Anspruchs auf Ersatz des Minderwerts (30 % des Kaufpreises) gegen die Herstellerin wegen des Kaufs eines Fahrzeugs, dessen Motor mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgeliefert worden sei [vgl ON 1, S 3]. Damit hat der Kläger den Versicherungsfall schlüssig dargelegt (vgl etwa 7 Ob 91/22s; 7 Ob 61/22d; 7 Ob 130/22a).

[23] 3. In der Rechtsschutzversicherung ist bei Beurteilung der Erfolgsaussichten kein strenger Maßstab anzulegen (RS0081929). Eine nicht ganz entfernte Möglichkeit des Erfolgs genügt (RS0117144).

[24] Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass das anspruchsbegründende Vorbringen des Klägers nicht unschlüssig sei, eine nicht ganz entfernte Möglichkeit des Erfolgs bestehe und dass der von der Beklagten erhobene Einwand, der Kläger sei nicht getäuscht worden, weil der Kauf nach der ad-hoc‑Mitteilung des Hersteller-Konzerns erfolgt sei, als Tatfrage im Haftpflichtprozess zu beurteilen und für die Deckungspflicht unbeachtlich sei, ist zutreffend (vgl 7 Ob 61/22d; 7 Ob 129/22d; 7 Ob 130/22a). Der vorliegende Sachverhalt ist entgegen der Ansicht der Revision auch nicht mit der Entscheidung 7 Ob 152/22m vergleichbar, beabsichtigt der Kläger doch hier gar keine Rechtsverfolgung gegen den Verkäufer.

[25] 4. Zur behaupteten Obliegenheitsverletzung gemäß Art 8.1.1. ARB 2015 ist die Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sich die Beklagte mit den Argumenten der Vorinstanzen nicht auseinandersetzt (vgl RS0043603 [insb T9, T12]), wonach der Kläger die Beklagte über alle zur Beurteilung der Deckungspflicht notwendigen Informationen unterrichtet und diese gar keine ergänzenden Informationen oder Unterlagen vom Kläger gefordert habe. Die Argumentation der Beklagten in der Revision, niemand habe im Kaufzeitpunkt des Klagsfahrzeugs ernsthaft darauf vertrauen können, dass ein Softwareupdate alle Probleme beseitige, sodass der Kläger jedenfalls insoweit seiner Aufklärungsobliegenheit im Sinne des Art 8.1.1. ARB 2015 nicht entsprochen habe, ist in seiner Verknüpfung nicht nachvollziehbar.

[26] 5. Die Revision der Beklagten ist daher erfolglos.

[27] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.

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