OGH 5Ob38/23h

OGH5Ob38/23h22.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Dr. Stephan Duschel, Mag. Klaus Hanten, Mag. Clemens Kurz, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei H* AG, *, vertreten durch Dr. Wolfgang Hirsch, Rechtsanwalt in Bregenz, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei B*, vertreten durch Mag. Gerhard Pilz, Rechtsanwalt in Wien, wegen 193.714,74 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR) über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2023, GZ 4 R 134/22p‑74, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00038.23H.0522.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzung des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte ist ein Kreditinstitut, die Klägerin die Gesamtrechtsnachfolgerin der ursprünglich identifizierten Kundin. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob die Beklagte an den Nebenintervenienten von einem Sparbuch der ursprünglich identifizierten Kundin mit schuldbefreiender Wirkung auszahlte.

[2] Das Erstgericht bejahte dies und wies die auf Zahlung der an den Nebenintervenienten ausgezahlten Beträge sowie auf Feststellung künftiger Schäden gerichtete Klage ab.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[5] 1. Nach § 31 Abs 1 BWG sind Spareinlagen Geldeinlagen bei Kreditinstituten, die nicht dem Zahlungsverkehr, sondern der Anlage dienen und als solche nur gegen die Ausfolgung von besonderen Urkunden (Sparurkunden) entgegengenommen werden dürfen. Sparurkunden können auf eine bestimmte Bezeichnung, so auf den Namen des gemäß § 40 Abs 1 BWG identifizierten Kunden lauten. Nach dieser Bestimmung haben die Kredit- und Finanzinstitute (unter anderem) vor Beginn einer dauernden Geschäftsbeziehung die Identität eines Kunden festzustellen, wobei Spareinlagengeschäfte nach § 31 Abs 1 BWG stets als dauernde Geschäftsbeziehung gelten (2 Ob 103/15h).

[6] 2. Gemäß § 32 Abs 4 Z 2 BWG ist das Kreditinstitut bei Spareinlagen, deren Guthabenstand mindestens 15.000 EUR oder EUR‑Gegenwert beträgt, und die auf den Namen des gemäß § 40 Abs 1 BWG identifizierten Kunden lauten, zur Auszahlung gegen Vorlage der Sparurkunde nur an den gemäß dieser Bestimmung identifizierten Kunden berechtigt. Beim Verbot der Auszahlung an einen anderen als den erstidentifizierten Sparbuchinhaber gemäß § 32 Abs 4 Z 2 BWG handelt es sich um eine gesetzliche Bestimmung, die die Berechtigung der Bank zur (schuldbefreienden) Zahlung regelt (RIS‑Justiz RS0122157).

[7] 3. Nach ständiger Rechtsprechung normiert § 32 Abs 4 Z 2 BWG allerdings kein zivilrechtliches Übertragungsverbot (RS0122474; 2 Ob 103/15h mwN). Die Bestimmung steht einer Auszahlung an einen – mit einer banküblichen Vollmacht oder einem sonstigen Nachweis der Vertretungsmacht ausgestatteten – Bevollmächtigten des Kunden nicht entgegen. Der Vertreter hat sich nur gemäß § 40 Abs 1 BWG zu identifizieren und seine Vertretungsbefugnis ist anhand geeigneter Bescheinigungen zu überprüfen (RS0122157 [T2]). Die Identifizierungspflicht nach dem BWG spielt für die Beurteilung der Frage, ob die Übertragung der Spareinlage zivilrechtlich wirksam war, keine Rolle (vgl RS0122364; 8 Ob 22/07d).

[8] 4. Die Entscheidungen der Vorinstanzen gründen sich auf diese in höchstgerichtlicher Rechtsprechung anerkannten Grundsätze und bedürfen daher keiner Korrektur. Die in der Revision zitierte Entscheidung 10 Ob 61/07d betraf einen anderen Sachverhalt. Nach den dort getroffenen Feststellungen hatte sich der Kunde nur telefonisch bei der beklagten Bank erkundigt, ob und wie eine Behebung des Geldbetrags von seinem Sparbuch auch durch eine Bekannte möglich wäre. Anders als hier teilte er der Bank nicht mit, dass die Bekannte zu Behebungen berechtigt sei. Hier steht hingegen fest, dass die ursprünglich identifizierte Kundin den Nebenintervenienten gegenüber der Beklagten ausdrücklich bevollmächtigte. Hier lag daher eine rechtswirksame Bevollmächtigung im Innenverhältnis vor, zumal die ursprünglich identifizierte Kundin ihren Neffen nicht nur zu Behebungen von ihrem Sparbuch bevollmächtigte, sondern auch die Behebungen mit ihm absprach. Da für den Abschluss eines Bevollmächtigungsvertrags Formfreiheit gilt (RS0019359; 6 Ob 223/05w), ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen, zur Bescheinigung der Vertretungsbefugnis gegenüber der Bank habe es keiner schriftlichen Erklärung der Vollmachtgeberin bedurft, nicht zu beanstanden. Im Hinblick auf die ausdrückliche Erklärung über die Bevollmächtigung erübrigen sich Überlegungen zu einer Anscheinsvollmacht oder einer schlüssigen Bevollmächtigung iSd § 863 ABGB (vgl RS0014300).

[9] 5. Dass die Vorinstanzen aus den Feststellungen den Schluss zogen, der Nebenintervenient sei als neuer Kunde identifiziert worden (auch wenn das BWG die vom Erstgericht gewählte Bezeichnung „Sparbuchberechtigter“ nicht kennt), ist nicht korrekturbedürftig. Die nachträgliche Identifikation eines weiteren oder anderen Kunden ist bankrechtlich zulässig, sie führt zur Erweiterung des Kreises der bereits identifizierten Kunden iSd § 32 Abs 4 BWG. Dies hat zur Folge, dass jeder einzelne Inhaber des Sparbuchs, der das Buch in Händen hat, ein allenfalls vereinbartes Losungswort weiß und zum Kreis der identifizierten Kunden gehört, zu Abhebungen berechtigt ist (Trinkl in Dellinger, BWG § 32 Rz 14; vgl auch 3 Ob 17/22d). Ein solcher Fall lag nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung der Vorinstanzen hier vor.

[10] 6. Damit war die Revision zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

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