OGH 6Ob223/05w

OGH6Ob223/05w1.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Honora Mie D*****, vertreten durch Dr. Ernst Gruber, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Roland A*****, vertreten durch Dr. Josef Wegrostek, Rechtsanwalt in Wien, wegen 25.798,86 EUR, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. Juni 2005, GZ 47 R 47/05b-74, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 29. Dezember 2004, GZ 4 Cg 94/00y-69, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die wesentlichen Feststellungen über die Parteienabsicht bei Abschluss der Kaufvereinbarung und der Zahlungsbestätigung gründete das Erstgericht in erster Linie auf die Aussage des Beklagten, dem es Glauben schenkte. Das Berufungsgericht hat zwar primär die diese Feststellungen bekämpfenden Ausführungen der Berufung aus formellen Gründen als nicht zielführend angesehen. Es hat aber ungeachtet dessen auch inhaltlich zur Beweisrüge Stellung genommen. Es bezeichnete die Beweiswürdigung des Erstgerichts als nachvollziehbar und verwies darauf, dass das Erstgericht einen unmittelbaren Eindruck vom Beklagten gewonnen habe, gegen dessen Glaubwürdigkeit keine sonstigen Beweisergebnisse sprächen. Es übernahm sämtliche Feststellungen des Erstgerichts ausdrücklich als Ergebnis einer zutreffenden Beweiswürdigung. Der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, ist daher an die Feststellungen der Vorinstanzen gebunden. Dies gilt auch insoweit, als in der Revision nochmals Verfahrensmängel erster Instanz gerügt werden, deren Vorliegen bereits vom Berufungsgericht verneint wurden. Sie können nicht nach § 503 ZPO geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963). Auch die diesbezüglichen Revisionsausführungen sind daher nicht zielführend.

Nach ständiger Rechtsprechung gehört die Auslegung einer Vertragsurkunde allein nach deren Text zur rechtlichen Beurteilung. Wenn sich aber eine Partei bezüglich des Inhalts der Vereinbarung außer auf die Vertragsurkunde auch auf die Einvernahme von Parteien und Zeugen beruft, ist davon auszugehen, dass sie auch behauptet, die Urkunde sei nicht die einzige Erkenntnisquelle des Vertragsinhalts (RIS-Justiz RS0017842). Werden einem solchen Beweisantrag entsprechend zur Auslegung der einer Urkunde zugrundeliegenden Absicht der Parteien andere Beweismittel herangezogen, so werden damit Tatsachenfeststellungen getroffen. Die Auslegung einer Urkunde allein aus deren Text kann vom Obersten Gerichtshof unter dem Gesichtspunkt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung überprüft werden. Dies ist aber dann nicht möglich, wenn die Vorinstanzen eine bestimmte Parteiabsicht festgestellt und hiezu auch andere Beweismittel als die Urkunde herangezogen haben. Die Erforschung der Parteienabsicht ist als Tatfrage eine Frage der Beweiswürdigung, deren Überprüfung dem Obersten Gerichtshof entzogen ist (RIS-Justiz RS0017849). Soweit die Vorinstanzen zur Auslegung auf den Text der Urkunde selbst zurückgegriffen und hieraus rechtliche Schlussfolgerungen gezogen haben, berühren diese keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO. Die Auslegung einer konkreten Vereinbarung stellt keine Rechtsfrage dar, deren Beantwortung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukäme (RIS-Justiz RS0113785; RS0042936; RS0042776), es sei denn, die Entscheidungen der Vorinstanzen beruhten auf einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage, sodass die Revision aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit für zulässig zu erachten wäre (RIS-Justiz RS0042769). Nichts anderes gilt selbst dann, wenn (auch) die vom Rechtsmittelwerber angestrebte Vertragsauslegung vertretbar wäre (4 Ob 134/02b). Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen dahin, dass deren Auslegung mit dem Wortsinn und den Gesetzen der Logik oder der Übung des redlichen Verkehrs nicht im Einklang zu bringen wäre, liegt nicht vor.

Dass die Klägerin der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig war, vermag an den aufgezeigten Grundsätzen nichts zu ändern. Nach ständiger Rechtsprechung macht derjenige, der eine Urkunde unterfertigt, den durch seine Unterschrift gedeckten Text auch dann zum Inhalt seiner Erklärung, wenn er den Text nicht gekannt oder nicht verstanden hat (RIS-Justiz RS0014893). Abgesehen davon war die Klägerin bei den Gesprächen über den Vertragsabschluss durch Dipl. Ing. E***** vertreten, der ihr die Wohnung auch vermittelt und durch Kreditgewährung finanziert hat und der die Klägerin vom Inhalt der Kaufgespräche informierte. Soweit die Revision ausführt, dass eine Vollmachtserteilung der Klägerin an E***** nicht festgestellt worden sei, wird übersehen, dass für den Abschluss des Bevollmächtigungsvertrags grundsätzlich Formfreiheit gilt (§ 1005 ABGB). Die Vollmacht kann daher auch schlüssig erteilt werden (RIS-Justiz RS0014340; 5 Ob 609/85). An einer zumindest schlüssigen Bevollmächtigung kann nach den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen kein Zweifel bestehen.

Die Klägerin hat die Wohnung mehrmals mit Dipl. Ing. E***** besichtigt und wusste daher über deren Größe und Zustand bescheid. Da im Kaufvertrag auf den Zustand der Wohnung bei Besichtigung hingewiesen wurde, kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass die gekaufte Wohnung jedenfalls einem „durchschnittlichen Standard" entsprechen müsse. Da sie das Kaufobjekt persönlich kannte und zudem im Kaufvertrag die Haftung des Beklagten für ein bestimmtes Ausmaß der Wohnung ausdrücklich ausgeschlossen wurde, ist in der Auffassung der Vorinstanzen, dass die im Kaufvertrag genannte „ca"-Größe nach Quadratmetern keine entscheidende Rolle spielte, eine Fehlbeurteilung dieses Einzelfalls nicht zu erkennen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte