OGH 11Os5/23d

OGH11Os5/23d9.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Mai 2023 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger als Vorsitzende sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gigl als Schriftführerin in der Strafsache gegen B* H* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2, 148 zweiter Fall und § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 20. Oktober 2022, GZ 7 Hv 55/22p‑163, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0110OS00005.23D.0509.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 20. Oktober 2022, GZ 7 Hv 55/22p‑163, wurde B* H* des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2, 148 zweiter Fall und § 15 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in D* und andernorts im Bundesgebiet gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, zu den Tathandlungen abgesondert verfolgter Mittäter beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), die nachgenannten Personen und Verantwortliche von Unternehmen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleiteten bzw zu verleiten versuchten (§ 15 StGB), wobei er diese jeweils mit einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte (I./) oder falsche Urkunden verwendet wurden (II./ und III./), und zwar

I./ durch wahrheitswidrige Vorgabe, redlicher Verkäufer von Personenkraftwagen durch Schaltung von Verkaufsanzeigen auf der Verkaufsplattform „mobile.de“ zu sein, zur Überweisung von nachstehenden Vorauszahlungen in der Gesamthöhe von 172.000 Euro auf die Bankkonten der F* GmbH, ohne in weiterer Folge die Autos an die Käufer zu übergeben, nämlich

1./ am 27. Jänner 2021 O* B* zur Überweisung von 25.500 Euro,

2./ am 22. Jänner 2021 E* Z* zur Überweisung von 17.500 Euro,

3./ am 29.  Jänner 2021, 1. Februar 2021 und 3. Februar 2021 A* G* zur Überweisung von insgesamt 29.000 Euro,

4./ am 28. Jänner 2021 die T* s.r.o. zur Überweisung von 40.000 Euro und

5./ am 27. Jänner 2021 F* M* zur Überweisung von 60.000 Euro,

indem er (US 6 f, 18: dem gemeinsamen Tatplan folgend) für den abgesondert verfolgten E* I* im Zusammenhang mit der Übernahme der (US 6 f, 18: nach dem gemeinsamen Tatplan zur Tatbegehung bestimmten) F* GmbH dolmetschte, mit ihm einen Notar zur Übernahme der F* GmbH aufsuchte und mit der Buchhalterin M* O* Fragen zur Buchhaltung der F* GmbH klärte;

II./ vom 3. Jänner 2022 bis zum 4. Februar 2022 in fünf Fällen, wobei es bei vier Fällen beim Versuch blieb, die S* Bank zur Erteilung von Finanzierungszusagen für einen Fahrzeugankauf und für Möbelankäufe im Gesamtausmaß von 23.000 Euro, wobei ein tatsächlicher Schaden in der Höhe von 3.050 Euro eintrat, indem er in Täuschungsabsicht Finanzierungswerbern falsche Gehaltsbestätigungen besorgte, welche diese den Vertragspartnern der kreditgewährenden S* Bank im Zuge von Kreditanträgen im Zusammenhang mit drittfinanzierten Käufen vorlegten;

III./ vom 30. Dezember 2021 bis zum 31. Jänner 2022 in insgesamt 20 Fällen die A* AG, die H* GmbH und die T* GmbH unter Verwendung falscher Gehaltsbestätigungen und teilweise verfälschter Meldebestätigungen, indem er diese für die Vertragskunden besorgte, die diese dann beim Abschluss von Mobiltelefon- und Internetverträgen den Vertretern der genannten Geschädigten vorlegten, wodurch diese zur Lieferung von Mobiltelefonen, Applewatches und Laptops verleitet und in einem Betrag von insgesamt 43.217 Euro am Vermögen geschädigt wurden.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Die Mängelrüge ortetmit Blick auf die zu I./ (unbestritten) erst später gesetzten Betrugshandlungen der unmittelbaren Täter eine Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) und einen inneren Widerspruch (Z 5 dritter Fall) der Entscheidungsgründe zurzeitlichen Einordnung der als Beitragshandlungen iSd § 12 dritter Fall StGB inkriminierten Unterstützungshandlungen im Zusammenhang mit der Übernahme der F* GmbH. Allerdings sind nur Tatsachen mit dem Vorbringen eines Begründungsmangels bekämpfbar, die für den Schuldspruch oder die rechtliche Unterstellung der Tat entscheidend sind (vgl RIS‑Justiz RS0106268).

[5] Auch (und gerade) Handlungen, die der Vorbereitung einer (geplanten) Tat dienen und, für sich allein betrachtet, nicht einmal als Versuch strafbar wären, kommen als typischer Beitrag zur späteren Ausführung einer strafbaren Handlung im Sinne des dritten Falls des § 12 StGB in Betracht. Ein strafbarer Tatbeitrag kann nicht nur während der Tat (bis zu ihrer materiellen Vollendung; vgl RIS‑Justiz RS0103999), sondern auch schon vor Beginn des Versuchsstadiums in der Vorbereitungsphase geleistet werden (RIS‑Justiz RS0090195 [insbesondere T2 und T7]). Die Strafbarkeit des Beitragstäters tritt ein, sobald die von ihm geförderte Tat des unmittelbaren Täters zumindest das Stadium des strafbaren Versuchs erreicht hat (§ 15 Abs 1 und Abs 2 StGB; RIS‑Justiz RS0089552, RS0090016).

[6] Da der gemeinsame Tatplan zu I./ nach den insoweit unbekämpft gebliebenen Feststellungen bereits zum Zeitpunkt der Involvierung des Angeklagten in die Übernahme der in Rede stehenden Gesellschaft deren Anschaffung zum Zweck der Einbindung in die betrügerische Schaltung von Verkaufsanzeigen auf einer Verkaufsplattform im Internet vorsah (US 6 ff, 18) und die danach im Jänner 2021 gesetzten Täuschungshandlungen der unmittelbaren Täter (Veröffentlichung von unredlichen Verkaufsinseraten im Internet) sogar zum Erfolg führten (US 7 f), spricht die von der Beschwerde relevierte Frage, zu welchem Zeitpunkt in der Vorbereitungsphase der Angeklagte die ihm als sonstiger Tatbeitrag iSd § 12 dritter Fall StGB zur Last liegenden Handlungen gesetzt hat, von vornherein keine im konkreten Fall entscheidende Tatsache an.

[7] Die prozessordnungskonforme Darstellung einer Tatsachenrüge (vgl RIS‑Justiz RS0117961 [T8], RS0099711) ist der „hilfsweise“ (nominell) auch auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützten Beschwerde nicht zu entnehmen.

[8] Die aufder Straflosigkeit der Beteiligung (bloß) an einer Vorbereitungshandlung aufbauende Rechtsrüge zu I./ (Z 9 lit a) erklärt nicht (vgl RIS‑Justiz RS0116565), weshalb die Beteiligung an der Vorbereitung einer strafbaren Handlung auch dann straflos bleiben sollte, wenn der unmittelbare Täter – wie nach dem vorliegenden Urteilssachverhalt (US 7) – (wenn auch erst später) gar wohl in das Versuchsstadium eingetreten ist (vgl erneut § 15 Abs 1 und Abs 2 StGB; RIS‑Justiz RS0090195 [insbesondere T2 und T7]; RS0089552; RS0090016) und die Tatvollendung (beim Betrug: Eintritt des Vermögensschadens) überdies sogar gelungen ist (US 7 f).

[9] Soweit der Beschwerdeführer eine Totalaufhebung des Urteils bzw einen Freispruch zur Gänze anstrebt (ON 170.2, S 15), lässt er zu II./ und III./ die Bezeichnung von seiner Ansicht nach Nichtigkeit bildenden Umständen vermissen (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285a Z 2 StPO).

[10] Die Sanktionsrüge wendet eine rechtsfehlerhafte Anwendung des § 39 Abs 1 StGB ein (Z 11 erster Fall).

[11] Nach den insoweit maßgeblichen Feststellungen wurde der Angeklagte am 3. Dezember 2015 vom Landesgericht für Strafsachen Wien unter anderem wegen §§ 125, 126 Abs 1 Z 5, 223 Abs 2, 224 und 224a erster Fall StGB, §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB zu einer teils bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei ein Teil dieser Strafe bis zum 17. Februar 2016 vollzogen wurde. An diesem Tag wurde er zum Zweck der Strafvollstreckung nach Deutschland ausgeliefert.

[12] Am 11. April 2013 wurde er vom Amtsgericht München unter anderem wegen Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung in Tatmehrheit mit Freiheitsberaubung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt.

[13] Am 15. September 2016 wurde der Angeklagte vom Landgericht München I unter anderem wegen Diebstahls zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Unter einem wurde die vom Amtsgericht München gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen. Der Angeklagte befand sich in weiterer Folge bis 2020 in Haft (US 5 f).

[14] Nach dem Beschwerdevorbringen sei die mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 3. Dezember 2015 zur Aburteilung gelangte (schwere) Sachbeschädigung weder strafsatzbestimmend gewesen, noch sei sie als einschlägig (zum vorliegenden Betrug) anzusehen, handle es sich doch um ein „Vermögensschädigungs‑ und kein Vermögensentziehungsdelikt mit Bereicherungsabsicht“. Der dem Urteil des Amtsgerichts München vom 11. April 2013 zugrunde liegende Menschenhandel sei ein Freiheitsentziehungs‑ und kein (einschlägiges) Vermögensdelikt.

[15] Überdies sei die Verbüßung dieser Freiheitsstrafe erst aufgrund des Widerrufs einer zunächst gewährten bedingten Strafnachsicht und ohne zeitliche Unterbrechung zur Verbüßung der vom Landgericht München I am 15. September 2016 wegen Autodiebstahls verhängten Freiheitsstrafe erfolgt, sodass sich die Wirkungslosigkeit des Strafübels nicht – wie von der Systematik des § 39 StGB vorausgesetzt – in der zweimaligen faktischen (teilweisen) Verbüßung einer Strafhaft manifestiert habe.

[16] Dazu ist festzuhalten, dass sowohl der Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien am 3. Dezember 2015 (unter anderem wegen Sachbeschädigung) als auch jener durch das Landgericht München I am 15. September 2016 (unter anderem wegen Diebstahls) Straftaten gegen dasselbe Rechtsgut (vgl zum „gleichartigen Rückfall“ Flora in WK2 StGB § 39 Rz 21; vgl auch RIS‑Justiz RS0091996), nämlich gegen fremdes Vermögen (vgl den sechsten Abschnitt des besonderen Teils des StGB) ebenso zu Grunde liegen wie der gegenständlichen Aburteilung wegen Betrügereien. Zur Rückfallsbegründung genügt es aber, wenn die Strafen (wie demnach hier) auch wegen auf der gleichen schädlichen Neigung (hier § 71 erster Fall StGB) beruhenden Taten ausgesprochen und verbüßt wurden (RIS‑Justiz RS0091361).

[17] Ob auch die Verurteilung durch das Amtsgericht München am 11. April 2013 (zum Teil) wegen Straftaten erfolgte, die iSd § 71 öStGB auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen (vgl RIS‑Justiz RS0092076 zu § 217 öStGB idF BGBl 1974/60, RS0092065 zu §§ 214 bis 217 öStGB), kann damit dahinstehen.

[18] Im Übrigen können zwei Freiheitsstrafen auch dann als iSd § 39 Abs 1 StGB rückfallsbegründend herangezogen werden, wenn sie unmittelbar aufeinanderfolgend (zumindest teilweise) verbüßt worden sind (vgl Flora in WK2 StGB § 39 Rz 18 und Leukauf/Steininger/Tipold, StGB Update 2020 § 39 Rz 11; aA Bruckmüller, SbgK § 39 Rz 105).

 

[19] Der weiteren Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) zuwider stellt die erschwerende Heranziehung „mehrfacher“ Deliktsqualifikation (selbst neben „mehrfachen“ Angriffen; vgl RIS‑Justiz RS0091375 [T5, T6]) im konkreten Fall keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot dar (§ 32 Abs 2 StGB), weil § 148 zweiter Fall iVm § 70 Abs 1 Z 3 StGB die Begehung dreier nach § 147 Abs 1 bis 2 StGB qualifizierter Betrügereien voraussetzt, wohingegen dem Angeklagten insgesamt 30, jeweils nach § 147 Abs 1 oder Abs 2 StGB qualifizierte Betrugshandlungen zur Last fallen (vgl RIS‑Justiz RS0116020, RS0091375 [T6]).

[20] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[21] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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