OGH 4Ob64/23z

OGH4Ob64/23z25.4.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K* Gesellschaft mbH & Co KG, *, vertreten durch Gheneff Rami Sommer Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei o* GmbH, *, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 34.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 1.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Februar 2023, GZ 5 R 102/22i‑21, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00064.23Z.0425.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin ist Medieninhaberin einer Tageszeitung. Die Beklagte ist Medieninhaberin einer Website beinhaltend den Internet-Auftritt einer Tageszeitung. Die Streitteile verkaufen in ihren Medien jeweils Anzeigen und stehen zueinander in einem Wettbewerbsverhältnis.

[2] Die Klägerin und die Muttergesellschaft der Beklagten – nicht aber die Beklagte – sind Mitglieder des Vereins „Arbeitsgemeinschaft Media-Analysen“, (idF: „Verein“).

[3] Am 14. 10. 2021 veröffentlichte der Verein seine jüngste Untersuchung („MA 2020/21“). Da er dafür im Vergleich zu den vorangegangenen Zeiträumen seine Erhebungsmethode geändert hatte, legte er in den Richtlinien für seine Mitglieder fest, dass die Daten der MA 2020/21 wegen einer Änderung der Erhebungsmethode nicht mit jenen aus vorhergehenden Jahren verglichen werden dürfen.

[4] Die Beklagte veröffentlichte am 14. Oktober 2021 auf einer Unterseite ihrer Website – abrufbar für 22 Stunden den folgenden Artikel:

 

[5] Der Artikel beruhte auf dem Text einer APA‑OTS‑Aussendung, die der Verein zuerst über Anfrage der Beklagten irrtümlich freigab; in der Folge widerrief der Verein am 15. Oktober 2021 die irrtümlich erteilte Freigabe. In unmittelbarer Reaktion darauf nahm die Beklagte den Beitrag offline.

[6] Die Klägerin begehrte unter anderem gestützt auf § 2 UWG, die Beklagte schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Reichweiten von Tageszeitungen, die vom Verein „Arbeitsgemeinschaft Media-Analysen“ (MA) erhoben wurden, über mehrere Zeiträume hinweg zu vergleichen, insbesondere durch die Behauptungen „'* am Sonntag' mit großem Zugewinn in Media-Analyse 2020/21“ und/oder „Zuwachs von mehr als 10 Prozent“ und/oder „'* am Sonntag' ist die einzige Sonntags-Zeitung mit einem signifikanten Leser-Zuwachs“, obwohl nach den Richtlinien der MA die Ergebnisse ihrer Erhebungen nicht mit jenen aus vorhergehenden Jahren verglichen werden dürfen.

[7] Zwar werde im Artikel darauf hingewiesen, dass die Leserzahlen nicht vergleichbar seien, allerdings nur in Bezug auf das „tägliche *“, womit der falsche Eindruck erweckt werde, dass die Zahlen für „* am Sonntag“ vergleichbar wären. Die Werbung der Beklagten enthalte somit unrichtige Angaben und sei daher irreführend. Eine Verletzung der Richtlinien des Vereins sei wettbewerbswidrig, was auch für Nichtmitglieder wie die Beklagte gelte.

[8] Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, der Artikel sei nicht irreführend, weil auf die mangelnde Vergleichbarkeit ohnehin hingewiesen werde. Ein Vergleich von mehreren Tageszeitungen habe nicht stattgefunden. Da das Unterlassungsbegehren dies insinuiere, sei es überschießend. Die Beklagte habe durch die vorherige Abstimmung mit dem Verein ihre berufliche Sorgfalt gewahrt und den Artikel unmittelbar nach Widerruf wieder offline genommen. Die begehrte Veröffentlichungsdauer stehe deshalb auch in keinem angemessenen Verhältnis zur Verletzung.

[9] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Artikel sei insofern irreführend, als er den Eindruck erwecke, dass nur die Leserzahlen der täglichen Ausgabe nicht mit dem Vorjahr vergleichbar wären, sehr wohl aber die Leserzahlen für die Sonntagsausgabe. Dies widerspreche den Richtlinien des Vereins, welche die Nicht‑Vergleichbarkeit ohne Einschränkung für sämtliche darin enthaltene Daten festgelegt hätten. Eine irreführende Geschäftspraktik sei unlauter und daher verboten; ob die berufliche Sorgfalt eingehalten worden sei, sei dabei nicht mehr zu prüfen. Die irrtümlich erteilte Freigabe des Vereins habe daher die Irreführung weder beseitigen noch rechtfertigen können.

[10] Eine Urteilsveröffentlichung in Normallettern entspreche dem Talionsprinzip; in Anbetracht der kurzen Veröffentlichungsdauer von nur rund 21 Stunden sei eine Veröffentlichung in der Dauer von zwei Wochen angemessen und ausreichend.

[11] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung zum größten Teil. Es beschränkte in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung lediglich die Urteilsveröffentlichung auf den klagsstattgebenden Teil des Urteilsspruchs.

Rechtliche Beurteilung

[12] Die Beklagte zeigt in ihrer außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[13] 1.1. Entgegen der Ansicht der Beklagten leitet sich der gegen sie gerichtete Unlauterkeitsvorwurf nicht aus einer Verletzung der beruflichen Sorgfalt ab, sondern aus einer Irreführung im Sinn des § 2 UWG. Beim diesem Irreführungstatbestand ist allgemein zu prüfen, wie ein Durchschnittsadressat die strittige Ankündigung versteht, ob dieses Verständnis den Tatsachen entspricht, und ob eine nach diesem Kriterium unrichtige Angabe geeignet ist, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte (RS0123292). Dabei kommt es nur auf die objektive Unrichtigkeit der Aussage an, nicht aber auf eine Verletzung beruflicher Sorgfalt, insbesondere auch nicht die Erkennbarkeit der Unrichtigkeit der eigenen Aussage für den Werbenden (RS0129125 [T1]). Damit kommt es aber auf die näheren Umstände der Freigabe durch den Verein nicht an.

[14] 1.2. Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass durch die Bezugnahme nur auf die mangelnde Vergleichbarkeit der Vorjahrsdaten für die tägliche Ausgabe und die Hervorhebung des Leserzuwachses der Sonntagsausgabe im Artikel der Beklagten beim Durchschnittsadressaten der Eindruck erweckt werde, dass die Daten zur Sonntagsausgabe – im Gegensatz zu den Daten der täglichen Ausgabe – mit dem Vorjahr vergleichbar seien. Da dies nicht der Fall gewesen sei, haben die Vorinstanzen den Artikel als irreführend beurteilt; das steht im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung.

[15] 2. Nach der Judikatur kann einem Unterlassungsbegehren durchaus eine allgemeinere Fassung gegeben werden, um Umgehungen zu vermeiden (RS0037733; RS0037607). Das verbotene Verhalten muss aber so deutlich umschrieben sein, dass es dem Beklagten als Richtschnur für sein künftiges Verhalten dienen kann. Es muss in einer für das Gericht und die Parteien unverwechselbaren Weise feststehen, was geschuldet wird (RS0119807 [T1]). Dementsprechend ist es zulässig, die konkrete Verletzungshandlung zu nennen und das Verbot auf ähnliche Eingriffe zu erstrecken, oder das unzulässige Verhalten verallgemeinernd zu umschreiben und durch „insbesondere“ aufgezählte Einzelverbote zu verdeutlichen (RS0133084). Ein Unterlassungsgebot hat sich in seinem Umfang aber stets am konkreten Verstoß zu orientieren (RS0037645; RS0000771 [T4]). Bei der Fassung des Unterlassungsgebots ist immer auf die Umstände des einzelnen Falls abzustellen, sodass der konkreten Formulierung – bei Beachtung der von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung vorgegebenen Grundsätze – keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukommt (RS0037671 [T1]). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die verallgemeinernde Umschreibung der Klägerin, die Beklagte möge unterlassen, „Reichweiten von Tageszeitungen [...] über mehrere Zeiträume hinweg zu vergleichen“ auch den Vergleich von mehreren Perioden derselben Tageszeitung beinhalte und in Zusammenschau mit der „insbesondere“ Einfügung, welche die inkriminierte Handlung genau beschreibe, den Kern der Verletzungshandlung erfasse und damit nicht überschießend sei, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung.

[16] 3. Die Urteilsveröffentlichung nach § 25 Abs 3 UWG erfolgt – dem Talionsprinzip entsprechend – in der Regel in jener Form und Aufmachung, in der auch die beanstandete Ankündigung veröffentlicht worden ist (RS0079607 [T4]; RS0079737 [T23]), was die Vorinstanzen berücksichtigt haben. Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass auch die Veröffentlichungsdauer in einem angemessenen Verhältnis zur Rechtsverletzung stehen müsse und moniert daher die ihrer Ansicht nach zu lange Veröffentlichungsdauer von 14 Tagen. Dabei übersieht sie, dass Zweck der Urteilsveröffentlichung ist, unlautere Wettbewerbshandlungen in der Öffentlichkeit aufzudecken und die beteiligten Verkehrskreise über die wahre Sachlage aufzuklären. Normzweck ist demnach das Bedürfnis, den entstandenen Schaden gutzumachen und den Verletzten vor weiteren Nachteilen zu bewahren, nicht hingegen die Bestrafung des Verletzers (RS0079820 [T14]). Im Fall der Urteilsveröffentlichung im Internet ist bei der Bemessung des Zeitraums auf den Zeitabstand Bedacht zu nehmen, in dem ein durchschnittlicher, am Inhalt der Seite interessierter Internetnutzer diese Website aufsucht. Eine Orientierung an dem Zeitraum, in dem die beanstandete Werbung im Internet aufrufbar war, erscheint nicht zielführend, weil die Urteilsveröffentlichung keine Strafe sein soll, sondern die Aufklärung derjenigen bezweckt, die von der gesetzwidrigen Werbung Kenntnis erlangt haben (vgl 4 Ob 174/02w).

[17] Die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass mit der Veröffentlichungsdauer von 14 Tagen dem durchschnittlich interessierten Medienkonsument ausreichend Gelegenheit zur Kenntnisnahme geboten wird, ist nicht korrekturbedürftig.

[18] 4. Insgesamt gelingt es der Beklagten mit ihren Ausführungen daher nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war damit zurückzuweisen.

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