OGH 6Ob121/22w

OGH6Ob121/22w24.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F* GmbH, FN *, vertreten durch Mag. Bernd Moser, Rechtsanwalt in Saalfelden, gegen die beklagte Partei R* GmbH, FN *, vertreten durch Dr. Peter Sellemond und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 11.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 20. Jänner 2022, GZ 4 R 214/21f‑25, womit das Urteil des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom 11. Juni 2021, GZ 4 C 598/20h‑16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00121.22W.0324.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

I. Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts in den Punkten 3., 4. und 5. wiederhergestellt wird und die Punkte 1. und 2. zusammengefasst zu lauten haben:

„1. und 2. Die Aufrechnungseinreden der beklagten Partei werden abgewiesen.“

 

II. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.575,36 EUR (darin enthalten 341,56 EUR an Umsatzsteuer und 1.526 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Beklagte verpflichtete sich als Werkunternehmerin gegenüber ihrer Vertragspartnerin (Liegenschaftseigentümerin) zur Errichtung eines Einfamilienhauses und bediente sich dazu der Klägerin als Generalunternehmerin. Der zwischen den Streitteilen geschlossene Werkvertrag beinhaltet unter anderem folgende Regelungen:

„V. Haftungsrücklass

Zwischen den Vertragsteilen wird ein Haftrücklass von 3 % des Pauschalpreises vereinbart […]. Nach Ablauf der Gewährleistungsperiode ist der Haftrücklass zur Zahlung fällig […].

Für den Fall, dass durch allfällige Mängelbehebungen die Gewährleistungsfristen von neuem zu laufen beginnen, ist die Auftraggeberin auch in diesem Umfang zum weiteren Einbehalt des Haftrücklasses […] berechtigt […].

[…]

VIV. Gewährleistungsfrist

[…]

Die Frist beginnt mit der Übernahme des Gewerks.

XV. Allgemeine Vertragsbestimmungen

[…]

2) Es ist dem AN nicht gestattet, […] gegen Ansprüche, die dem AG aus diesem Vertrag entstehen, mit irgendwelchen Gegenforderungen aufzurechnen, ebenso wenig ist es dem AG gestattet, Gegenansprüche die dem AN aus diesem Vertrag entstehen mit irgendwelchen Gegenforderungen aufzurechnen.“

 

[2] Nach der Schlussrechnung der Klägerin vom 6. 3. 2014 kam es am 11. 3. 2014 zu einem Treffen der Geschäftsführer der Streitteile, bei dem letztlich eine Vereinbarung betreffend die Abrechnung des Bauvorhabens getroffen wurde, wonach von der Pauschalabrechnungssumme von 235.000 EUR brutto noch der in der Schlussrechnung fakturierte Betrag 45.000 EUR brutto offen war. Darauf sollte eine Teilzahlung durch die Beklagte von 20.000 EUR erfolgen. Die Streitteile vereinbarten, dass dieser Betrag mit verschiedenen Gegenforderungen der Beklagten gegenverrechnet werde. Abzüglich weiterer Teilzahlungen der Beklagten vom 25. 4. 2014 und vom 21. 5. 2014 sind aus der Schlussrechnung noch die verfahrensgegenständlichen 11.000 EUR offen, und zwar einerseits der Haftrücklass von 3 % von 235.000 EUR brutto, das sind 7.050 EUR, und andererseits ein verbleibender Werklohnbetrag von 3.950 EUR. Vor dieser Vereinbarung waren schon Mängel am errichteten Einfamilienhaus hervorgekommen, die durch die von der Klägerin umgehend beauftragte Subunternehmerin der Klägerin behoben wurden.

[3] Im Jahr 2015 ließ die Beklagte durch ein Drittunternehmen eine Kältebrücke beheben, die sich aufgrund mangelhafter Arbeiten im Sockelbereich des Einfamilienhauses ergeben hatte. Für die erforderlichen Spenglerarbeiten verrechnete dieses Unternehmen der Beklagten am 22. 3. 2015 brutto 2.446,80 EUR. Im Frühjahr 2016 kam es zu Wassereintritten über das Dach. In Entsprechung ihrer Gewährleistungspflichten gegenüber der Liegenschaftseigentümerin und wegen der besonderen Dringlichkeit beauftragte die Beklagte ein Drittunternehmen mit der Leckortung, den Trocknungs- und den Sanierungsarbeiten.

[4] Im Laufe des Jahres 2016 nahm die mit dem Teilgewerk Dach beauftragte Subunternehmerin der Klägerin (andere) Mängelbehebungsarbeiten der Dachdeckerarbeiten vor. Diese Subunternehmerin teilte nach der Winterpause mit E‑Mail vom 15. 3. 2017 der Beklagten mit, dass im Moment mehrere Vorarbeiter des Unternehmens erkrankt seien und zwei Mitarbeiter die Meisterprüfung absolvierten; sie werde aber den Rechtsvertreter der Beklagten sobald wie möglich kontaktieren, um die weitere Vorgangsweise zu besprechen. Der Rechtsvertreter der Beklagten teilte daraufhin der Subunternehmerin mit Schreiben vom 16. 3. 2017 mit, dass die Beklagte die Ersatzvornahme in Auftrag gegeben habe. Die Sanierungskosten werde er in weiterer Folge bekannt geben.

[5] Mit Anwaltsschreiben vom 14. 6. 2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Abrechnung über die Ersatzvornahme noch nicht vorliege. Sobald diese Kostenpositionen bekannt seien, werde die Beklagte die Gegenverrechnung mit der Restwerklohnforderung von 11.000 EUR vornehmen.

[6] Im November 2017 machte die Beklagte gegenüber der Klägerin weitere Mängel am Dach geltend. Ein Behebungsversuch der Klägerin oder ihrer Subunternehmerin unterblieb jedoch. Mit Schreiben vom 26. 6. 2018 an die Klägerin forderte der Rechtsvertreter der Beklagten nach Vorliegen der Sanierungsabrechnung die Zahlung der Kosten der Ersatzvornahme von 19.848 EUR. In der Folge erhob die Liegenschaftseigentümerin am 23. 7. 2018 Klage gegen die (auch hier) Beklagte, gestützt auf Mängel am Dach.

[7] Am 19. 9. 2018 erhob die nunmehrige Beklagte ihrerseits Klage gegen die nunmehrige Klägerin und begehrte den Ersatz des Verbesserungsaufwands für das Dach sowie des Aufwands für die Behebung von Mangelfolgeschäden. Die nunmehrige Klägerin wandte in diesem Vorprozess die restliche Werklohnforderung von 11.000 EUR als Gegenforderung ein. Die hier Beklagte replizierte dort, aufgrund des Umstands, dass das Gewerk nach wie vor mit Mängeln behaftet bzw überhaupt die Mängelbehebung verweigert worden sei, sei weder der Haftrücklass noch der Restbetrag aus der Schlussrechnung fällig und mit der Klageforderung verrechenbar, und verwies im Übrigen auf das Aufrechnungsverbot laut Punkt XV.2. des Werkvertrags. Das Verfahren endete mit einem in der Tagsatzung vom 7. 10. 2020 abgeschlossenen Vergleich. Vor Vergleichsabschluss gab der Geschäftsführer der hier Beklagten an, dass die eingewendete Gegenforderung bereits an die nunmehrige Klägerin überwiesen worden sei.

[8] Im Zuge der genannten Prozesse stellte sich im September 2019 heraus, dass Mängel an der Fassade des errichteten Einfamilienhauses vorhanden waren. Die Beklagte forderte daraufhin die Klägerin auf, diese Mängel zu beheben. Die Klägerin anerkannte die Mängel mit Schreiben vom 19. 12. 2019 und behob sie in der Folge durch eine völlige Neuherstellung der Fassade, wodurch ihr Kosten von rund 50.000 EUR erwuchsen. Die Behebungsarbeiten wurden im Herbst 2020 (nach Erteilung der erforderlichen baurechtlichen Genehmigung und ausschließlich pandemiebedingter Verzögerungen) abgeschlossen.

[9] Die Klägerin begehrt mit ihrer am 1. 12. 2020 eingebrachten Klage die Zahlung des ausstehenden Teils ihres Werklohns von 11.000 EUR. Die Verjährungseinrede der Beklagten sei unberechtigt. Der Haftrücklass sei nach dem Werkvertrag erst drei Jahre nach Legung der Schlussrechnung, sohin im Mai 2017, fällig gewesen. Erst dann habe die Verjährungsfrist frühestens beginnen können. Die Beklagte habe auf die mangelnde Fälligkeit der Klagsforderung hingewiesen und auch selbst mit Anwaltsschreiben vom Juni 2017 erklärt, dass eine Gegenverrechnung vorgenommen werde. Damit habe sie die Forderung dem Grunde nach anerkannt, sodass eine allfällige Verjährung unterbrochen worden sei und neu zu laufen begonnen habe. Aufgrund der Erklärung der Beklagten, sie werde eine Verrechnung vornehmen, widerspreche ihre nunmehrige Berufung auf die Verjährung zudem Treu und Glauben. Im Zuge des Vorprozesses hätten sich im September 2019 noch weitere Mängel, namentlich an der Fassade, herausgestellt. Die Beklagte habe die Klägerin aufgefordert, diese Mängel zu beheben, was sie am 19. 12. 2019 auch anerkannt und in der Folge auf eigene Kosten bewerkstelligt und im Herbst 2020 abgeschlossen habe. Die Fälligkeit der Rechnung sei erst zu diesem Zeitpunkt, nach Herstellung der Mängelfreiheit, eingetreten. Dementsprechend habe die nunmehrige Beklagte im Schriftsatz vom 17. 1. 2019 des Vorprozesses, aber auch noch im September 2019, mit Blick auf die nachträglich hervorgekommenen Mängel an der Fassade des Hauses – berechtigterweise – die mangelnde Fälligkeit der dort aufrechnungsweise geltend gemachten Restwerklohnforderung eingewandt. Die nunmehrige Berufung auf eine Verjährung sei daher unberechtigt und widerspreche überdies Treu und Glauben. Die eingewendeten Gegenforderungen seien unberechtigt und verjährt. Abgesehen davon hätten die Parteien im Werkvertrag unter Punkt XV.2. ein wechselseitiges Aufrechnungsverbot vereinbart, auf das sich die Beklagte im Vorprozess auch selbst berufen habe.

[10] Die Beklagte hielt dem – soweit im Revisionsverfahren von Relevanz – entgegen, die dreijährige Verjährung der Werklohnforderung sei bereits eingetreten, weil die Schlussrechnung vom 6. 3. 2014 datiere. Aufgrund des Verbesserungsverzugs habe die Verjährung schon in dem Zeitpunkt zu laufen begonnen, in dem der Klägerin die Mängelbehebung objektiv möglich gewesen wäre. Sämtliche Mängel seien der Klägerin bereits bei der Vereinbarung über die Schlussrechnung im März 2014 bekannt gewesen; die Verbesserung hätte daher im Jahr 2014 erfolgen müssen. Zum Zeitpunkt, als weitere Mängel an der Fassade im September 2019 aufgetreten seien, sei die restliche Werklohnforderung längst verjährt gewesen. Abgesehen davon sei die Auftraggeberin laut Punkt V. Abs 2 des Werkvertrags für den Fall, dass durch allfällige Behebungen die Gewährleistungsfristen von Neuem zu laufen beginnen, auch in diesem Umfang zum weiteren Einbehalt des Haftrücklasses berechtigt. Damit sei der gesamte Haftrücklass nach wie vor nicht fällig. Die Klageforderung sei schon infolge vertraglich vereinbarter Gegenverrechnungen erloschen. Diese Gegenforderungen würden vorsichtshalber nochmals aufrechnungsweise gegen die Klageforderung eingewandt. Die Forderungen seien dem verjährten Werklohnanspruch aufrechenbar gegenübergestanden. Dasselbe gelte für den weiters aufrechnungsweise eingewendeten Anspruch auf Ersatz des Aufwands von 2.446,80 EUR brutto für die Sanierung der Kältebrücke.

[11] Das Erstgericht sprach aus, dass die Klagsforderung mit 9.500 EUR zu Recht (Spruchpunkt 1.), die Gegenforderungen jedoch nicht zu Recht (Spruchpunkt 2.) bestehen, und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 9.500 EUR (Spruchpunkt 3.). Das Mehrbegehren von 1.500 EUR wies es ab (Spruchpunkt 4.) und verpflichtete die Beklagte zum (anteiligen) Kostenersatz (Spruchpunkt 5.). Die dreijährige Verjährung von Werklohnforderungen, denen die Einrede des nicht (gehörig) erfüllten Vertrags entgegenstehe, beginne erst dann zu laufen, wenn die deren Fälligkeit hinausschiebenden Mängel vom Unternehmer behoben worden seien. Sei der Unternehmer jedoch mit der Verbesserung säumig, beginne die Verjährung schon in dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem ihm die Mängelbehebung objektiv möglich gewesen wäre. Die Klägerin habe sich aber in keinem derartigen Verbesserungsverzug befunden. Die bei Rechnungslegung bekannten Mängel seien zeitgerecht behoben worden. Hinsichtlich des Wassereintritts im Frühjahr 2016 sei die Klägerin in die Mängelbehebung nicht eingebunden worden, weil die Beklagte umgehend ein Drittunternehmen mit der Sanierung beauftragt habe. Mit der Behebung der nachfolgenden Mängel an der Dachkonstruktion habe die Subunternehmerin der Klägerin noch 2016 begonnen. Obwohl diese der Beklagten nach der Winterpause den bei ihr bestehenden Personalmangel angezeigt habe, habe die Beklagte sogleich, ohne der Subunternehmerin eine angemessene Frist einzuräumen, die Ersatzvornahme angeordnet. Bis zur im November 2017 durch die Subunternehmerin angekündigten Prüfung, ob (aufgrund der Ersatzvornahmen Dritter) in das Gewerk der Klägerin fallende Mängel vorgelegen seien, habe auch keine Verweigerung der Mängelbehebung seitens der Klägerin vorgelegen. Die Verjährungsfrist habe daher erst mit Abschluss der Behebungsarbeiten im Herbst 2020 zu laufen begonnen. Die Beklagte habe der Klägerin darüber hinaus noch im Juni 2017 angekündigt, dass nach Vorliegen der Kostenpositionen für die Ersatzvornahme die Gegenverrechnung mit der nunmehrigen Klagsforderung vorgenommen werde. Vor diesem Hintergrund könne der von ihr im Vorprozess erhobene Einwand der mangelnden Fälligkeit der aufrechnungsweise eingewandten Forderung nichts anders als ein konstitutives Anerkenntnis dieser Forderung bedeuten. Hinsichtlich des Haftrücklasses richte sich die Frage, wie lange und in welcher Höhe der Auftraggeber zu dessen Einbehaltung berechtigt ist, nach der Vereinbarung im Werkvertrag, wobei die dortige Wortfolge „in diesem Umfang“ offensichtlich auf die konkrete fristerneuernde Mängelbehebung Bezug nehme. Ausgehend von den Behebungskosten von 50.000 EUR und einem Haftrücklass von 3 % dürfe die Beklagte daher weiterhin einen Betrag von 1.500 EUR einbehalten; den darüber hinausgehenden Haftrücklass von 5.550 EUR habe sie an die Klägerin auszubezahlen. Die Gegenforderungen seien teilweise bereits in der Vereinbarung vom 11. 3. 2014 gegenverrechnet worden oder wären – abgesehen vom vereinbarten Aufrechnungsverbot – auch verjährt. Das gelte auch für die eingewandten Sanierungskosten betreffend die Kältebrücke.

[12] Das nur von der Beklagten angerufeneBerufungsgericht änderte diese – im Umfang der Abweisung des Teilbegehrens von 1.500 EUR somit unbekämpft in Rechtskraft erwachsene – Entscheidung dahin ab, dass es das Klagebegehren zur Gänze abwies, und sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Rechtlich folgerte es, entgegen der Ansicht des Erstgerichts habe sich die Klägerin im Verbesserungsverzug befunden. Der Subunternehmerin der Klägerin sei es bis Dezember 2016 nicht gelungen, die Dachundichtheit zu beheben. In der Folge habe die Beklagte im März 2017 die Ersatzvornahme vorgenommen. Als in der Folge auch weitere Mängel am Dach aufgetreten seien, hätten über entsprechende Aufforderung der Beklagten weder die Klägerin noch die Subunternehmerin eine Mängelbehebung durchgeführt, sodass letztlich jeweils Drittfirmen beauftragt werden hätten müssen. Aufgrund des Verhaltens der Klägerin sei die Verjährung der restlichen Werklohnforderung nicht aufgeschoben worden. Die Klägerin hätte ihre Werklohnansprüche drei Jahre nach Ausstellung der Schlussrechnung bzw den Anteil am Haftrücklass drei Jahre nach dem Auslaufen der im Werkvertrag vereinbarten Garantiezeit einklagen müssen. Da die Verjährung hinsichtlich des Haftrücklasses aufgrund der bisherigen Weigerung einer Mängelbehebung bereits eingetreten sei, habe die Zusage der Behebung des später aufgetretenen Mangels an der Fassade die Verjährung nicht mehr zu unterbrechen vermocht. Die Beklagte habe im Vorprozess kein (konstitutives) Anerkenntnis abgegeben.

[13] Nachträglich ließ das Berufungsgericht die Revision gemäß § 508 Abs 3 ZPO zu, wolle es sich doch nicht von vornherein dem Argument der Klägerin verschließen, wonach es dadurch gegen die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verstoßen habe, dass es dem Rechtsmissbrauchseinwand nicht gefolgt sei.

Rechtliche Beurteilung

[14] Die gegen die Abweisung des in erster Instanz zugesprochenen Teilbetrags von 9.500 EUR gerichtete Revision der Klägerin ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist; sie ist auch berechtigt.

[15] 1.1. Die Vorinstanzen haben zutreffend die Rechtsprechungsgrundsätze zum Verjährungsbeginn von Werklohnforderungen wiedergegeben. Danach beginnt die dreijährige Verjährungsfrist für die Werklohnforderung (§ 1486 Z 1 ABGB) grundsätzlich erst dann zu laufen, wenn der Geltendmachung des Anspruchs kein rechtliches Hindernis mehr im Wege steht und damit die objektiv zu beurteilende Möglichkeit zur Klage gegeben ist. Die Werklohnforderung, der die Einrede des nicht (gehörig) erfüllten Vertrags entgegensteht, beginnt erst dann zu verjähren, wenn die die Fälligkeit hinausschiebenden Mängel vom Unternehmer behoben wurden (7 Ob 138/12p; 7 Ob 319/03t). Auch dann, wenn der Besteller die Mängelbehebung ablehnt oder von einem Dritten verbessern lässt, beginnt die Verjährung des Werklohns zu laufen, besteht doch in diesem Fall kein die Durchsetzung des Werklohnanspruchs hinderndes Leistungsverweigerungsrecht mehr (2 Ob 237/14p [ErwGr 1.]; vgl RS0021925). Gerät der Werkunternehmer mit der Verbesserung gerügter Mängel in Verzug oder unterbleibtdie vom Besteller geforderte Verbesserung überhaupt, beginnt die Verjährung nach herrschender Ansicht aber mit jenem Zeitpunkt zu laufen, in dem die Beendigung der Verbesserung objektiv möglich gewesen wäre (RS0020107; RS0020041). Ob die vom Besteller gerügten Mängel bereits bei Übergabe erkennbar waren oder erst nachträglich hervorkamen, ist dabei ohne Belang (7 Ob 138/12p). Auf den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist haben bloß im persönlichen Bereich liegende Hindernisse wie der Ausfall von Arbeitskräften oder der Eintritt von Zahlungsschwierigkeiten usw keinen Einfluss (1 Ob 515/81).

[16] 1.2. Der dargelegten Rechtsprechung zu den Folgen des Verbesserungsverzugs liegt die Erwägung zu Grunde, dass der Unternehmer die Fälligkeit und damit den Beginn der Verjährung nicht willkürlich durch Verzögerung der Rechnungslegung oder der Verbesserung nach seinem Belieben hinausschieben und damit den Zweck insbesondere der kurzen Verjährung, nämlich die baldige Klarstellung des rechtlichen Bestands von Forderungen des täglichen Lebens zur Vermeidung der sonst besonders großen Beweisschwierigkeiten, zunichte machen darf (2 Ob 256/05v). Dies gilt allerdings nicht, wenn zunächst ein auf Zahlung des Werklohns gerichtetes Klagebegehren nur wegen Nichtverbesserung gerügter Mängel mangels Fälligkeit abgewiesen wurde und der Unternehmer diese Verbesserungspflicht nicht willkürlich bestritten hat (1 Ob 179/10w [ErwGr 3.]; RS0021992). Stellt sich in diesem Prozess die Mangelhaftigkeit heraus, so muss der Unternehmer zwar binnen angemessener Frist ab dem endgültigen Feststehen seiner Pflicht zur Mängelbehebung verbessern, kann aber danach seinen Werklohnanspruch geltend machen, ohne dem Verjährungseinwand ausgesetzt zu sein (7 Ob 319/03t).

[17] 2.1. Im vorliegenden Fall war die Klägerin in die Mängelbehebung der Kältebrücke im Jahr 2015 und des Wassereintritts über das Dach durch ein Drittunternehmen im Frühjahr 2016 gar nicht eingebunden; auch eine Rüge dieser Mängel steht nicht fest. Zudem bestanden weitere, noch nicht hervorgekommene Mängel. Die Behebung der im Laufe des Jahres 2016 hervorgekommenen (weiteren) Mängel des Daches wurden von der von der Klägerin beigezogenen Subunternehmerin im Jahr 2016 begonnen. Verzögerungen mit dieser Verbesserung lassen sich den Feststellungen erst im Jahr 2017 entnehmen, als die Arbeiten nach der Winterpause wegen Personalmangels nicht fortgesetzt wurden.

[18] 2.2. Das Berufungsgericht hat daher zwar einen Verbesserungsverzug der Klägerin angesichts der schleppenden Mängelbehebungsarbeiten der von ihr beigezogenen Subunternehmerin und der in der Folge fehlenden Bereitschaft der Klägerin, die Mängel am Dach zu beheben, zutreffend bejaht. Es hat daraus aber den unrichtigen Schluss gezogen, dass die Verjährung – hinsichtlich des geltend gemachten Teilbetrags von 3.950 EUR – folglich bereits mit Ausstellung der Schlussrechnung (im März 2014) zu laufen begonnen habe. Nach den dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen ist der Verjährungsbeginn jedoch nicht vor Eintritt des Verbesserungsverzugs der Klägerin anzusetzen, hier also frühestens Anfang des Jahres 2017.

[19] 2.3. Der Haftrücklass wurde vereinbarungsgemäß frühestens nach Ablauf der Gewährleistungsfrist, also von drei Jahren ab Übernahme des Werks, fällig (Punkt VIV. des Werkvertrags; § 933 Abs 1 ABGB). Den sonst bestehenden Bedenken, dass der Werkunternehmer durch Verzögerung der Verbesserung die Verjährungsfrist beliebig verlängern könnte, kommt insoweit keine Berechtigung zu (vgl 2 Ob 256/05v). Diesbezüglich konnte der Lauf der Verjährungsfrist also frühestens im März 2017 beginnen, was die Beklagte in ihren Rechtsmittelschriften auch selbst einräumt.

[20] 3.1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass es der auch noch auf die Zeit der Prozessführung weiter wirkenden gegenseitigen Treuepflicht der Vertragspartner widerspricht, zunächst in einem Prozess die Aufschiebung der Fälligkeit des Werklohns einzuwenden und im folgenden Prozess zu behaupten, die Fälligkeit sei zumindest fiktiv schon viel früher eingetreten und der Anspruch demnach verjährt (1 Ob 179/10w; 7 Ob 319/03t; RS0103007). In einem solchen Fall beginnt daher die Verjährungsfrist grundsätzlich mit der dann durchgeführten Verbesserung (7 Ob 319/03t). Treu und Glauben widerspricht es auch, wenn der Werkbesteller der Verbesserung zugestimmt hat, sie durchführen ließ und dann den Verjährungseinwand erhebt. Letzterem kann dann kein Erfolg beschieden sein (vgl 7 Ob 319/03t; Kodek in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 1170 Rz 56).

[21] 3.2. Die Beklagte hat zunächst im Juni 2017 die Schuldtilgung durch „Gegenverrechnung“ der Kosten der Ersatzvornahme mit der verbleibenden Werklohnforderung der Klägerin angekündigt. In der Folge hat die Beklagte die bis dahin aufgelaufenen Mängelbehebungskosten im zwischen den Streitteilen geführten Vorprozess (als Klägerin) geltend gemacht, ohne eine Gegenrechnung vorgenommen zu haben. Die Klägerin als dort Beklagte hat in diesem Vorprozess innerhalb der Verjährungsfrist die nunmehrige Klagsforderung als Gegenforderung kompensando eingewendet. Die hier Beklagte hat als dortige Klägerin (unter anderem) deren mangelnde Fälligkeit wegen bestehender Mängel behauptet. In der Folge behob die Klägerin über Aufforderung der Beklagten den (unstrittig) im September 2019 hervorgekommenen und von ihr im Dezember 2019 anerkannten Mangel der Fassade mit erheblichem Aufwand, ohne dass insoweit eine von ihr zu vertretende Verzögerung festgestellt wurde. Nach Fertigstellung der Arbeiten im Herbst 2020 brachte die Klägerin am 1. 12. 2020 die gegenständliche Klage ein.

[22] 3.3. Dass die Beklagte nunmehr Verjährung der restlichen Werklohnforderung einwendet, ist nicht anders zu werten als die von der dargelegten Rechtsprechung als treuwidrig angesehene Vorgangsweise. Der nunmehrige Verjährungseinwand der Beklagten widerspricht daher Treu und Glauben und kann daher schon deshalb nicht erfolgreich sein.

[23] 3.4. Die in der Revision aufgeworfene Frage, ob in der vorliegenden Konstellation (auch) aufgrund der Behebung der Mängel der Fassade die Verjährungsfrist für den Werklohnanspruch der Klägerin neuerlich zu laufen begann, weil sich die Klägerin wegen der Ersatzvornahmen seitens der Beklagten nicht mehr im Verbesserungsverzug befunden habe (vgl aber 4 Ob 48/02s; vgl zu einem weiterhin aufrechten Verbesserungsverzug 1 Ob 131/00x), kann hier daher dahinstehen. Gleiches gilt für die Frage, ob die Beklagte mit der im Schreiben vom 14. 6. 2017 angekündigten Schuldtilgung durch „Gegenverrechnung“ (zur Voraussetzung der Anerkennung der Hauptforderung bei außergerichtlicher Aufrechnung vgl 5 Ob 90/21b [ErwGr 2.2.]; RS0033970) die verbleibende Werklohnforderung der Klägerin dem Grunde nach deklarativ anerkannt hat und dadurch eine Unterbrechung der Verjährungsfrist erfolgte (vgl RS0033015; 2 Ob 256/05v). Ergänzend ist festzuhalten, dass durch die Aufrechnungseinrede im Vorprozess der Lauf der Verjährungsfrist schon deshalb nicht unterbrochen wurde, weil ihr das im gegenständlichen Werkvertrag vereinbarte Aufrechnungsverbot entgegenstand (dazu Punkt 5.2.) und eine Aufrechnung daher nicht möglich war (9 Ob 51/03w; vgl RS0034496).

[24] 4.1. Der konkrete Inhalt einer Haftrücklassvereinbarung ist nach den Auslegungsregeln der §§ 914 ff ABGB zu ermitteln (vgl RS0018556). Vorbringen dazu wurde in erster Instanz nicht erstattet, sodass vom objektiven Erklärungswert auszugehen ist (RS0014160; RS0014205 [T2]).

[25] 4.2. Der Haftrücklass soll nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Gewährleistungsansprüche sichern und somit auch den Anspruch des Bestellers auf Verbesserung des mangelhaften Werks (RS0018098). Werden nach der Übernahme des Werks Mängel behoben, beginnt die Gewährleistungsfrist für die verbesserten Mängel (P. Bydlinski in KBB6 § 933 ABGB Rz 14 aE; Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 933 Rz 124) neu zu laufen (RS0018921). Auf diesen rechtlichen Hintergrund nimmt der hier zu beurteilende Punkt V. des Werkvertrags auch Bezug.

[26] 4.3. Das Erstgericht war der Auffassung, die Wendung „in diesem Umfang“ nehme offensichtlich Bezug auf eine konkrete fristerneuernde Mängelbehebung. Der über die ursprüngliche Gewährleistungsfrist verbleibende Teil des Haftrücklasses errechne sich daher – wie der ursprüngliche Haftrücklass – mit 3 % des Mängelbehebungsaufwands. Diese Auslegung der gegenständlichen Haftrücklassvereinbarung ist nicht zu beanstanden. Ihr liegt das Verständnis zu Grunde, damit mögliche Gewährleistungsansprüche betreffend die Verbesserungsarbeiten in gleicher Weise wie die ursprünglichen Leistungen zu sichern. Dass damit – wie dies die Beklagte nun wünscht – eine Absicherung des gesamten Werts der Verbesserungsarbeiten oder (bei deren Übersteigen) die Einbehaltung des gesamten ursprünglichen Haftrücklasses bis zum Ablauf der „neuen“ Gewährleistungsfrist vereinbart werden sollte, liegt weder auf der Hand noch hat die Beklagte behauptet, dass eine solche Vereinbarung üblich wäre und ein redlicher Erklärungsempfänger Punkt V. des Werkvertrags deshalb dahin verstehen hätte müssen (vgl dazu etwa Punkt 8.7.3.3. der ÖNORM B 2110).

[27] 4.4. Ein Anspruch der Beklagten auf Einbehaltung des Haftrücklasses, über den bereits rechtskräftig abgewiesenen Teilbetrag von 1.500 EUR hinaus, besteht daher nicht.

[28] 5.1. Gegen die Höhe des begehrten restlichen Werklohns wendete sich die Beklagte in ihrer Berufung lediglich insoweit, als sie das Unterbleiben der Aufrechnung mit der eingewendeten Gegenforderung von 2.446,80 EUR, die sie im März 2015 an ein von ihr mit Mängelbehebungsarbeiten beauftragtes Drittunternehmen bezahlte, rügte.

[29] 5.2. Ein vertragliches Aufrechnungsverbot ist nach ständiger Rechtsprechung – jedenfalls wie hier im Verhältnis zwischen Unternehmern und damit außerhalb des Anwendungsbereichs des § 6 Abs 1 Z 8 KSchG – auch für konnexe Gegenforderungen grundsätzlich zulässig, zumal dem Beklagten die abgesonderte Geltendmachung der Gegenansprüche mittels Klage oder Widerklage offen bleibt (4 Ob 71/20z; vgl RS0018102 [T9, T10]). Dies gilt grundsätzlich sowohl beim Kauf- als auch beim Werkvertrag (9 Ob 80/09v). Auf eine Unwirksamkeit des hier zwischen den Streitteilen im Werkvertrag vereinbarten Aufrechnungsverbots hat sich die Beklagte auch gar nicht berufen, sondern dieses vielmehr im Vorprozess selbst geltend gemacht.

[30] 5.3. Zutreffend hat daher das Erstgericht zwar erkannt, dass der Aufrechnung mit den verschiedenen Gegenforderungen der Beklagten von vornherein das im Werkvertrag zwischen den Streitteilen vereinbarte Aufrechnungsverbot entgegensteht. Dies führt allerdings dazu, dass der Kompensationseinwand der Beklagten abzuweisen ist (4 Ob 71/20z [ErwGr 5.6.]; RS0018102 [T7]).

[31] 6. Die Revision hat daher Erfolg. Das erstinstanzliche Urteil ist in seien Punkten 3. bis 5. wiederherzustellen. Der dreigliedrige Urteilsspruch hat allerdings zu entfallen; stattdessen ist der Kompensationseinwand der Beklagten abzuweisen.

[32] 7. Die Kostenentscheidung im Rechtsmittel-verfahren beruht auf §§ 50, 41 Abs 1 ZPO.

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