European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00203.22I.0228.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass dem 2. Eventualbegehren, es werde festgestellt, dass die Vertragsklausel des Kreditvertrags zwischen den Streitteilen vom 6. September 2006 zu Kontonummer *, und zwar
c. „Im Übrigen gelten für diese sowie die Ihnen zukünftig zu gewährenden Finanzierungen die 'Rahmenbedingungen für Finanzierungen' sowie unsere 'Allgemeinen Geschäftsbedingungen'“
unwirksam ist, Folge gegeben wird. Im Übrigen wird die angefochtene Entscheidung bestätigt.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 2.330,81 EUR (darin 388,47 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Kläger begehren die Feststellung, dass der zwischen ihnen und der beklagten Bank im Jahr 2006 abgeschlossene Fremdwährungskredit nichtig sei, sowie die Rückzahlung der ihnen in den drei letzten Jahren entstandenen Spesen und Gebühren und Wechselkursverluste im Zusammenhang mit ihren Zinszahlungen. In eventu begehren sie festzustellen, dass einzelne Vertragsklauseln dieses Kreditvertrags unwirksam seien und der Kredit nicht in CHF, sondern in EUR abzurechnen und zurückzuzahlen sei (Eventualbegehren 1), eventualiter, dass diese sowie eine weitere Klausel unwirksam seien (Eventualbegehren 2).
[2] Konkret richtet sich letzteres Begehren auf die Feststellung, dass die Vertragsklauseln des Kreditvertrags zwischen den Streitteilen
a. „Die Gutschrift am Verrechnungskonto erfolgt unter allfälliger Konvertierung zum Ankaufskurs laut 'Erste Bank Devisenfixing' (gemäß Aushang) am Auftragstag und unter Verrechnung der Provisionen und Spesen gemäß Aushang 2 bis 3 Geschäftstage nach Auftragserteilung.“
b. „Sollte das Verrechnungskonto in einer anderen als der Währung dieser Finanzierung geführt werden, werden diese Fremdwährungszahlungen in die Währung des Verrechnungskontos konvertiert. Diese Konvertierung erfolgt zu dem zwei Geschäftstage vor Fälligkeit gültigen Verkaufskurs laut 'Erste Bank Devisenfixing' (gemäß Aushang); bei Konvertierung zwischen zwei Fremdwährungen erfolgt die Bestimmung der Kurse nach dem Kurs der jeweiligen Fremdwährung zum EURO - jeweils unter Verrechnung der Provisionen und Spesen laut Aushang für Fremdwährungsfinanzierungen.“
c. „Im Übrigen gelten für diese sowie die Ihnen zukünftig zu gewährenden Finanzierungen die 'Rahmenbedingungen für Finanzierungen' sowie unsere 'Allgemeinen Geschäftsbedingungen'.“
d. „Die Kreditvaluta werden wir nach Erfüllung sämtlicher Bedingungen - soferne keine andere Vereinbarung getroffen wurde - in Schweizer Franken wie folgt überweisen:
- 214.062,40 EUR auf das vereinbarte Konto
- 29.937,60 EUR auf das bei uns geführte Konto Nr. *“
e. „Sie bestätigen mit Ihrer Unterschrift, dass Sie von uns über die Kursrisiken, die mit dieser Finanzierung allenfalls verbunden sind, ausreichend informiert worden sind und das Informationsblatt für Fremdwährungsfinanzierungen erhalten haben;...“
f. „Im Rahmen der Geschäftsverbindung gemäß den 'Rahmenbedingungen für Finanzierungen' sind wir Ihrem Wunsch entsprechend gerne bereit, Ihnen sowie Frau U*, als weiteren Kreditnehmer, einen einmal ausnutzbaren Fremdwährungskredit im Gegenwert von EUR 244.000,-- zu folgenden Bedingungen zur Verfügung zu stellen.“
unwirksam seien.
[3] Die Beklagte wendete ein, die Kläger hätten bei Vertragsabschluss das Wechselkursrisiko gekannt und seien auf die anfallende Devisenprovision sowie Spesen hingewiesen worden. Die Beklagte habe die Kläger in regelmäßigen Abständen, zumindest jährlich, über den theoretischen Wechselkursverlust auf Basis des aktuellen Kurses, die Deckungslücke zu den Tilgungsträgern, die Möglichkeit zur Umgestaltung des Produkts und die vorzeitige Rückzahlung informiert. Dennoch hätten die Kläger immer am Vertrag festgehalten. Die Klauseln seien nicht missbräuchlich, sondern entsprächen dem dispositiven Recht.
[4] Das Erstgericht wies die Klage ab. Selbst wenn einige Klauseln unwirksam wären, würde das nicht zur Gesamtnichtigkeit des Vertrags führen. Diese läge nur vor, wenn das Geschäft ohne die unwirksamen Abreden nicht fortbestehen könnte. Das sei aber nicht der Fall, weil es sich beim Geldwechselvertrag und beim Fremdwährungs-kreditvertrag um zwei Verträge handle. Den Klägern sei die jederzeitige Konvertierung aller noch ausstehenden Rückzahlungen in Euro offengestanden. Die Entwicklung der Währungskurse sei ein für Fremdwährungsdarlehen typisches Risiko, das der Kunde zu tragen habe. Selbst eine Unwirksamkeit der beanstandeten Klauseln würde nicht zur Beseitigung der Schweizer Franken aus dem Vertrag und deren Ersatz durch Euro führen.
[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die Revision zur Frage zulässig sei, ob ein Verbraucher die Feststellung der Unwirksamkeit einzelner Vertragsklauseln begehren könne, wenn sein Feststellungsinteresse allein in seinem Anspruch auf einen Vertrag, der keine missbräuchlichen Klauseln beinhalte, bestehe.
[6] Die Kläger beantragen mit ihrer – von der Beklagten beantworteten – Revision, der Klage stattzugeben und regen die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens an.
[7] Die Revision ist zulässig und teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[8] 1.1. Der Oberste Gerichtshof hatte bereits zu 6 Ob 76/22b über eine Rechtssache zu entscheiden, der ein Sachverhalt zugrunde lag, der mit dem hier zu beurteilenden weitgehend identisch war. Auch die Klagebegehren stimmten hinsichtlich des Hauptbegehrens und des 1. Eventualbegehrens überein. In jener Entscheidung wurde darauf verwiesen, dass der Oberste Gerichtshof zu den von der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen im Zusammenhang mit von Banken gewährten Fremdwährungskrediten bereits in zahlreichen Entscheidungen Stellung genommen hat.
[9] 1.2. So hat der Oberste Gerichtshof bereits klargestellt, dass bei ausreichender Bestimmtheit des Kreditvertrags der Entfall einzelner Klauseln keine Nichtigkeit bewirkt (6 Ob 24/22f [Rz 6 zur Bestätigung, über die Besonderheiten und Risiken eines Fremdwährungskredits belehrt worden zu sein]; 9 Ob 66/21b [Rz 11]; 4 Ob 15/22t [Rz 12]; 1 Ob 9/22p [Rz 12]). Selbst eine allfällige Missbräuchlichkeit ändert also nichts daran, dass der Kreditnehmer den Kredit in – allenfalls von anderer Seite beschaffter (9 Ob 62/21i [Rz 10]) – Fremdwährung zurückzahlen müsste (7 Ob 58/22p [Rz 5]; 1 Ob 9/22p [Rz 13]; 1 Ob 88/22f [Rz 9]). Auch der behauptete Widerspruch dieser Judikatur mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) wurde bereits in zahlreichen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs verneint (vgl 5 Ob 54/22k mwN).
[10] Damit erübrigen sich weitere Ausführungen zum Hauptbegehren und zum 1. Eventualbegehren.
[11] 2. Zum 2. Eventualbegehren ist im Zusammenhang mit der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Frage des Feststellungsinteresses hinsichtlich missbräuchlicher Klauseln auszuführen, dass ein Feststellungsbegehren, das keine konkrete streitverhindernde oder sonstige Rechtswirkung zwischen den Parteien, sondern nur die Klärung abstrakter Rechtsfragen bezweckt, nicht zulässig ist (RS0039080). Voraussetzung für das Feststellungsinteresse ist eine unmittelbare Wirkung des festzustellenden Rechts auf die Rechtsposition der die Feststellung beantragenden Partei (1 Ob 176/10d). Diese ist nur in Bezug auf die Klausel c. zu bejahen.
[12] 2.1. Hinsichtlich der Klauseln a. und b. hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt, dass diese nur den zusätzlich abgeschlossenen „Geldwechselvertrag“ betreffen und ihre Unwirksamkeit den Kreditvertrag nicht berührt (§ 510 Abs 3 ZPO). Diesbezüglich ist daher das Feststellungsinteresse zu verneinen.
[13] 2.2. In Bezug auf die Klauseln d. und f., die nach Auffassung der Kläger intransparent und missbräuchlich sein sollen, schloss das Berufungsgericht aufgrund des Umstands, dass die Kläger den ihnen in CHF bekannt gegebenen Kreditbetrag nie beanstandet haben, auf ihr Einverständnis. Dies ist im Hinblick auf das spätere Verhalten, das nach § 863 ABGB eindeutige Schlüsse auf den nunmehr gegebenen bestimmten Bindungswillen zulässt (RS0014711), nicht zu beanstanden. Auch diesbezüglich fehlt den Klägern daher das Interesse an einer Feststellung der Unwirksamkeit der gegenständlichen Klauseln. Dasselbe gilt für die Klausel e., zumal sich die Beklagte im konkreten Fall nicht auf die Bestätigungsklausel beruft. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurden die Kläger ausreichend belehrt, sodass es auf die Wirksamkeit dieser Klausel nicht ankommt.
[14] 3. Zur Klausel c. machen die Revisionswerber geltend, dass es für sie von über den konkreten Anlassfall hinausgehender Bedeutung sei, ob für die Abwicklung des Kreditvertrags nur die Bedingungen desselben oder zusätzlich auch die Rahmenbedingungen für Finanzierungen sowie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten maßgeblich seien.
[15] 3.1. Damit sind die Kläger im Recht, zumal derartige Verweisklauseln nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (6 Ob 17/16t; 1 Ob 88/14v) intransparent sind, weil derartige Pauschalverweise typischerweise dazu führen, dass sich der Kunde aus den AGB erst jene Regeln heraussuchen muss, die auch für das mit ihm geschlossene Vertragsverhältnis gelten sollen und hier im Hinblick auf die Vertragslaufzeit bis 2031 – unabhängig von der Effektivitätsklausel nach Z 75 der AGB der Beklagten –Streitigkeiten über die Frage, welche Bestimmungen auf das Vertragsverhältnis anzuwenden sind, entstehen können. Aufgrund der konkret bestehenden Unsicherheit ist in diesem Punkt das Feststellungsinteresse der Kläger zu bejahen.
[16] 3.2. Der Revision ist daher (nur) zu Punkt c. des 2. Eventualbegehrens Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung im Übrigen zu bestätigen.
[17] 4. Ein Anlass für ein von den Klägern angeregtes Vorabentscheidungsersuchen besteht nicht, weil im vorliegenden Kontext keine neuen unionsrechtlichen Aspekte zu klären sind.
[18] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 43 Abs 2 ZPO. Die Kläger sind nur mit einem geringfügigen Teil ihres Anspruchs durchgedrungen.
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