European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00095.22T.0216.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Wirtschaftsstrafsachen
Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten G* Ar* wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der dem Schuldspruch zu II./ zugrunde liegenden Handlungen (auch) unter § 153d Abs 3 zweiter Fall StGB, demzufolge auch im G* Ar* betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Korneuburg als Schöffengericht verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten G* Ar* wird im darüber hinausgehenden Umfang, jene des Angeklagten * A* zur Gänze zurückgewiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte G* Ar*auf diese Entscheidung verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten * A* werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten * A* und G* Ar* fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen – auch rechtskräftige Freisprüche der Beschwerdeführerund des Mitangeklagten N* Ar* enthaltenden – Urteil wurden
* A* des Verbrechens des betrügerischen Anmeldens zur Sozialversicherung nach § 153d Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB (I./A./), des Verbrechens des betrügerischen Anmeldens zur Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse nach § 153d Abs 2 und 3 zweiter Fall StGB (I./B./), des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und 2, 161 Abs 1 StGB (III./) sowie des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (IV./) und
G* Ar* des Verbrechens des betrügerischen Anmeldens zur Sozialversicherung nach § 153d Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB (I./A./), der Verbrechen des betrügerischen Anmeldens zur Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse nach § 153d Abs 2 und 3 zweiter Fall StGB (I./B./ und II./), des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und 2, 161 Abs 1 StGB (III./) sowie des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 12 zweiter Fall, 146, 147 Abs 2 StGB (V./) schuldig erkannt.
[2] Danach haben
I./ * A* als handelsrechtlicher Geschäftsführer und G* Ar* als faktischer Geschäftsführer der C* GmbH im Zeitraum von Juli bis September 2018 in G* und/oder anderen Orten in mehreren Angriffen und in Bezug auf eine größere Zahl von Personen
A./ die Anmeldung von 28 im Urteil namentlich genannten Dienstnehmern zur Sozialversicherung in dem Wissen, dass die in Folge der Anmeldung auflaufenden Sozialversicherungsbeiträge nicht vollständig geleistet werden sollen, vorgenommen, vermittelt oder in Auftrag gegeben, wobei die angeführten Beiträge in weiterer Folge tatsächlich nicht vollständig geleistet wurden;
B./ die Meldung von 29 im Urteil namentlich genannten Dienstnehmern zur Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse in dem Wissen, dass die in Folge der Meldung auflaufenden Zuschläge nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz nicht vollständig geleistet werden sollen, vorgenommen, vermittelt oder in Auftrag gegeben, wobei die angeführten Zuschläge in weiterer Folge tatsächlich nicht vollständig geleistet wurden;
[3] II./ G* Ar* als faktischer Geschäftsführer der CO* GmbH im Zeitraum von Jänner bis 27. März 2014 in W* und/oder anderen Orten in mehreren Angriffen und in Bezug auf eine größere Zahl von Personen die Meldung von im Urteil namentlich genannten 61 Dienstnehmern zur Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse in dem Wissen, dass die in Folge der Meldung auflaufenden Zuschläge nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz nicht vollständig geleistet werden sollen, vorgenommen, vermittelt oder in Auftrag gegeben, wobei die angeführten Zuschläge in weiterer Folge tatsächlich nicht vollständig geleistet wurden;
[4] III./ * A* als handelsrechtlicher Geschäftsführer und G* Ar* als faktischer Geschäftsführer der C* GmbH, sohin als leitende Angestellte (§ 74 Abs 3 StGB) im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter im Zeitraum von 17. März 2017 bis 30. August 2018 in G* und/oder anderen Orten in mehreren (in den Entscheidungsgründen [US 9–15] konkret angeführten) Angriffen Bestandteile des Vermögens der C* GmbH verheimlicht, beiseite geschafft oder sonst das Vermögen der C* GmbH wirklich oder zum Schein verringert, indem * A* insgesamt 935.997,63 Euro vom Konto der C* GmbH zur Bezahlung von Scheinrechnungen einzeln angeführter anderer Gesellschaften auf deren Konten überwies, dieses Geld von dort behoben und nach Abzug einer „Provision“ von jedenfalls 7 % an G* Ar* ausgefolgt wurde, welcher das Geld zu zwei Dritteln für private Zwecke verwendete, und dadurch die Befriedigung der Gläubiger der C* GmbH oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, wobei sie durch die Tat einen Schaden in der Höhe von jedenfalls 600.000 Euro herbeiführten;
[5] IV./ * A* als handelsrechtlicher Geschäftsführer der C* GmbH im Zeitraum von 3. bis 17. Juli 2018 in W* mit dem Vorsatz, sich oder einen anderen durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, in mehreren Angriffen Verfügungsberechtigte der m* GmbH und der H* GmbH durch Täuschung über Tatsachen, und zwar die Zahlungsfähigkeit und ‑willigkeit der C* GmbH, zum Abschluss von Kaufverträgen über fünf Mobiltelefone (iPhone X 64 GB) und zur Übergabe derselben sowie zum Abschluss von Mobilfunkverträgen und damit zu Handlungen verleitet, die die H* GmbH in einem Betrag von 8.971,30 Euro am Vermögen schädigten;
[6] V./ G* Ar* als faktischer Geschäftsführer der C* GmbH den * A* zur Begehung der unter IV./ beschriebenen Handlungen bestimmt, indem er ihn zum Kauf der Mobiltelefone und zum Abschluss der Mobilfunkverträge aufforderte.
[7] Dagegen richten sich vom Angeklagten * A* auf § 281 Abs 1 Z 2, 4 und 5 StPO und vom Angeklagten G* Ar* auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerden.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * A*:
[8] Die Verfahrensrüge (Z 2) bemängelt die gegen den Widerspruch des Beschwerdeführers (ON 198 S 19 f) in der gegen mehrere Angeklagte geführten Hauptverhandlung erfolgte Verlesung (vgl ON 426 S 6) des „Beschuldigtenprotokolls“ (…) aus dem Ermittlungsverfahren (ON 23). Große Teile dieser Vernehmung des Beschwerdeführers wurden allerdings schon vor dem von der Beschwerde ins Treffen geführten „Widerspruch“ im Rahmen der Vernehmung des Beschwerdeführers verlesen (§ 245 Abs 1 letzter Satz StPO; ON 159 S 11 f, 15 ff, 18 f, 22 f, 25 f, 28 f; ON 198 S 6 ff, 11, 15), ohne dass sich der Beschwerdeführer dagegen (bzw gegen weitere Verlesungen) verwahrt hätte (RIS-Justiz RS0099326; Kirchbacher/Sadoghi, WK-StPO § 245 Rz 61 f).
Rechtliche Beurteilung
[9] Allein der Umstand, dass der Beschwerdeführer die Unterfertigung des Protokolls über seine am 7. November 2019 erfolgte Befragung als Verdächtiger oder Beschuldigter durch die Staatsanwaltschaft verweigert hat (ON 23 S 8; vgl dazu US 28 f; § 96 Abs 1 Z 6, Abs 4 letzter Satz StPO; Vogl, WK‑StPO § 96 Rz 2 f), nimmt dieser zudem nicht den Charakter einer „förmlichen“ Vernehmung (vgl § 151 Z 2, § 153, § 164 StPO; RIS‑Justiz RS0129599). Unter dem Verwertungsaspekt betrachtet (Z 5 vierter Fall) ist es dem Schöffengericht nicht verwehrt, ein Protokoll ungeachtet der fehlenden (verweigerten) Unterschrift in die Beweiswürdigung mit einzubeziehen (RIS-Justiz RS0121292). Weshalb die erwähnte Niederschrift bloß wegen des Fehlens der Unterschrift des Vernommenen ein durch eine unzulässige Vernehmungsmethode iSd § 166 Abs 1 StPO gewonnenes und solcherart einem Beweisverbot (§ 166 Abs 2 StPO) unterliegendes Beweismittel darstellen sollte, lässtdie ein „Beweisverwertungsverbot“ behauptende Beschwerde nicht erkennen (vgl Michel-Kwapinski, WK-StPO § 166 Rz 1 ff, 16, 21 f, 34, 43).
[10] Der – (erst) nach vorübergehender Trennung des Verfahrens gegen den Angeklagten und damit außerhalb der gegen ihn geführten Hauptverhandlung (vgl Danek/Mann, WK‑StPO § 239 Rz 6) gestellte – Antrag, dass dieses Protokoll (ON 23) „ihm nicht so vorgehalten und verlesen wird“ (ON 198 S 19), ist aus Z 4 unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099250; Danek/Mann, WK‑StPO § 238 Rz 4; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 309 f).
[11] Entgegen der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die kritisierte Abweisung von Beweisanträgen (ON 246 S 44 f; ON 287 S 42 f; ON 426 S 4 f) Verteidigungsrechte nicht verletzt.
[12] Die Forderung nach der Beischaffung der Niederschrift zweier Telefonprotokolle sowie der Audioaufzeichnungen und deren Abspielen in der Hauptverhandlung, „damit überprüft werden kann, ob die Verschriftlichung […] richtig erfolgt ist und auch die Vollständigkeit der Telefonprotokolle überprüft werden kann“ (ON 217b S 15), nimmt nicht auf für die Schuld- oder Subsumtionsfrage erhebliche Umstände Bezug (siehe aber RIS‑Justiz RS0116503, RS0118319). Außerdem zielte sie schon nach ihrer Formulierung auf eine – im Hauptverfahren allerdings unzulässige – Erkundungsbeweisführung ab (ON 246 S 45; RIS‑Justiz RS0099353, RS0118123, RS0114573 [T1, T2]).
[13] Der Antrag auf Vernehmung des Masseverwalters der C* GmbH, Dr. * Sc*, als Zeuge zum Beweis dafür, dass es bei der Gesellschaft und damit beim Angeklagten „keine Unregelmäßigkeiten in der gesamten Buchhaltung, in der Abrechnung der Arbeiter, in den Abgaben bei der Sozialversicherung gegeben“ hätte (ON 287 S 39), legte nicht dar, weshalb die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse (vgl auch US 35), und war demnach gleichermaßen bloß auf die Aufnahme eines Erkundungsbeweises gerichtet (ON 287 S 43; RIS‑Justiz RS0099189, RS0099453).
[14] Eine Beweisführung zur Glaubwürdigkeit eines Zeugen kann zwar unter Umständen – als für die Schuldfrage von Bedeutung – angezeigt sein (RIS‑Justiz RS0028345), ein darauf abzielender Antrag ist aber nur dann berechtigt, wenn sich aus dem Vorbringen konkrete Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, der Zeuge hätte in Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Unwahrheit gesagt, wenn also aufgezeigt wird, dass er rechtskräftig wegen Verleumdung verurteilt worden ist, zum konkreten Verfahrensgegenstand bereits falsche Angaben gemacht hat oder eine habituelle Falschbezichtigungstendenz erkennen lässt (RIS‑Justiz RS0120109). Der Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung des * R*, um die Glaubwürdigkeit des Zeugen * V* in Frage zu stellen, weil im Hinblick auf die „nicht nachvollziehbaren“ Aussagen dieses Zeugen „doch aufklärenswerte grobe Widersprüche aufzuklären sind“ und „* R* von diesem auch öfters benannt wurde“ (ON 287 S 39), wird diesen Erfordernissen indessen nicht gerecht (ON 287 S 43). Bleibt zudem anzumerken, dass die Tatrichter aus Angaben des Zeugen V* ohnehin keine für die Angeklagten nachteiligen Schlüsse gezogen haben (US 33 f).
[15] Durch die kritisierte Abweisung des Antrags auf Einholung eines Gutachtens „durch einen Buchsachverständigen aus dem Bereich Steuer“ zum Beweis dafür, dass „[…] im Jahr 2018, dort vor allem von April 2018 bis Juni 2018 keine 30 Mitarbeiter von der L* GmbH an die C* GmbH um- oder angemeldet wurden“ (ON 246 S 27), ist der Beschwerdeführer angesichts des Freispruchs vom Vorwurf der Scheinmeldung von 30 Arbeitern der L* GmbH auf die C* GmbH (vgl I./E./ der Anklageschrift; ON 86 S 3, 9 f; US 5, 27, 37) nicht beschwert (ON 426 S 4 f; RIS-Justiz RS0120548, RS0099135). Inwiefern der Beweisantrag allenfalls (auch) für den Schuldspruch zu I./ (mit Tatzeitraum von Juli 2018 bis September 2018) oder die diesbezügliche Subsumtion erhebliche Umstände tangieren sollte, ließ er nicht erkennen (siehe aber neuerlich RIS‑Justiz RS0116503, RS0118319). Ebensowenig ist nachvollziehbar, aus welchen Gründen für die Feststellung der (Um- oder) Anmeldung von Dienstnehmern zur Sozialversicherung besondere Fachkenntnisse erforderlich sein sollten (vgl US 30, 37; RIS‑Justiz RS0097283).
[16] Die zur Begründung der Anträge im Rechtsmittel jeweils nachgetragenen Argumente sind prozessual verspätet und damit unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099117, RS0099618; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 325).
[17] Die Erwägungen der Tatrichter zur Beweiskraft der Angaben des Angeklagten vor der Staatsanwaltschaft (ON 23) betreffen als solche – von der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall, nominell auch Z 5 vierter Fall) vernachlässigt – keine entscheidenden Tatsachen (vgl aber RIS‑Justiz RS0106268, RS0117499). Die von der Beschwerde ins Treffen geführten Aussagen des Angeklagten und des Zeugen * T* zu den Sprachkenntnissen des Ersteren wurden in diesem Zusammenhang jedenfalls berücksichtigt (US 28 f).
[18] Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (Art 6 Abs 2 MRK; § 14 StPO) wird kein Begründungsmangel iSd Z 5 geltend gemacht (RIS‑Justiz RS0102162, RS0117445). Der Sache nach zielt das Vorbringen der Mängelrüge auf eine Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld ab.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten G* Ar*:
[19] Da der Zeuge Dr. * B* seine Angaben vor der Polizei am 10. Juli 2018 (ON 376) zum Inhalt seiner Aussage vor Gericht am 5. Mai 2022 gemacht hatte (ON 385 S 11) und diese solcherart zum Gegenstand der Hauptverhandlung geworden waren, konnten sie entgegen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) gemäß § 258 Abs 1 StPO gar wohl zur Urteilsbegründung verwendet werden (vgl RIS‑Justiz RS0107793 [insb T1], RS0110150; Kirchbacher, WK‑StPO § 252 Rz 31; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 230).
[20] Als Bestimmungshandlung iSd § 12 zweiter Fall StGB ist jede Verhaltensweise zu beurteilen, welche – von einem entsprechenden Vorsatz getragen – den (oder zumindest einen) Anstoß zur Tatausführung geben kann (RIS‑Justiz RS0089627, RS0089755, RS0089780, RS0102168; Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 50; Kienapfel/Höpfel/Kert AT16 Rz 34.9 f).
[21] Die zu V./ ausgeführte Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet damit ihre Behauptung, die – mit Betrugsvorsatz – an den Mitangeklagten * A* gerichtete Aufforderung zum Kauf „der genannten [von diesem betrügerisch erlangten] Mobiltelefone und zum Abschluss der [gleichfalls betrügerisch zustande gekommenen; siehe dazu US 26] Mobilfunkverträge“ (US 27, 32) stelle keine „Bestimmung zu einer ausreichend individualisierten strafbaren Handlung“ dar, nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl aber RIS‑Justiz RS0116569).
[22] Soweit die weitere Rüge einen Mangel an Feststellungen zum Täuschungs- und Schädigungsvorsatz (allgemein zum Bestimmungsvorsatz vgl Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 67; Kienapfel/Höpfel/Kert AT16 Rz 34.31 ff) des Angeklagten reklamiert, orientiert sie sich nicht an den gegenteiligen Urteilsannahmen (US 27) und verfehlt damit den Bezugspunkt materiell‑rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
[23] Die zu III./ geübte Kritik am Fehlen von Konstatierungen zur vom Gesetz geforderten Gläubigermehrheit (vgl Kirchbacher in WK2 StGB § 156 Rz 5 ff) im Zeitraum von 17. März 2017 bis 30. August 2017hält nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe fest (vgl abermals RIS-Justiz RS0099810), wonach die C* GmbH (ua) in diesem Zeitraum (jedenfalls) Schuldnerin des Ausgleichtaxfonds beim B* (US 16: ab Jänner 2017) und der e* GmbH (US 25: aus einem Leasingvertrag vom Dezember 2015; vgl RIS‑Justiz RS0128145; Kirchbacher in WK² StGB² § 156 Rz 4 ff) war.
[24] Soweit die Subsumtionsrüge (Z 10) zu I./A./ und B./ sowie II./ einen Rechtsfehler mangels Feststellungen zum – auch eine größere Zahl von Personen umfassenden (vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 153d Rz 22/4) – Vorsatz des Angeklagten behauptet, übergeht sie die getroffenen Sachverhaltskonstatierungen, wonach er es jeweils für gewiss hielt, dass er die (An‑)Meldung „der Genannten“ – und damit von ziffernmäßig bestimmten, jeweils mehr als zehn Personen (vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 153d Rz 24/2; RIS‑Justiz RS0088928) – zur Sozialversicherung oder zur Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse in Auftrag gibt und die auflaufenden Sozialversicherungsbeiträge und Zuschläge nicht vollständig geleistet werden sollen (US 7 f, 31). Damit wird eine prozessförmige Ausführung verfehlt (RIS‑Justiz RS0099810).
[25] Der (weiteren) Rechts- und der Subsumtionsrüge (Z 9 lit a und 10) zu II./ ist Folgendes voranzustellen:
[26] § 61 erster Satz StGB statuiert die grundsätzliche Anwendbarkeit der Strafgesetze (bloß) auf Taten, die nach ihrem Inkrafttreten begangen wurden. Der zweite Satz dieser Bestimmung ordnet indessen eine (beschränkte) Rückwirkung des Urteilszeitrechts (nur) für den Fall an, dass das Tatzeitrecht für den Täter in seiner Gesamtauswirkung nicht günstiger ist. Die Beurteilung richtet sich in erster Linie nach der angedrohten Strafe, wobei der Günstigkeitsvergleich stets streng fallbezogen anzustellen ist (Höpfel in WK2 StGB § 61 Rz 2, 13 f; Fabrizy/Michel‑Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 61 Rz 3; Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 § 61 Rz 8).
[27] Des betrügerischen Anmeldens zur Sozialversicherung oder Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse nach § 153d Abs 1 StGB idgF macht sich strafbar, wer die Anmeldung einer Person zur Sozialversicherung in dem Wissen vornimmt, vermittelt oder in Auftrag gibt, dass die in Folge der Anmeldung auflaufenden Sozialversicherungsbeiträge nicht vollständig geleistet werden sollen, soweit diese sodann tatsächlich nicht vollständig geleistet werden. Gleiches gilt nach Abs 2 leg cit für die Meldung zur Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse und die in Folge der Meldung auflaufenden Zuschläge.
[28] § 153d Abs 3 StGB idgF sieht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren für die Tatbegehung nach Abs 1 oder Abs 2 ua in Bezug auf eine größere Zahl von Personen vor.
[29] § 153d Abs 1 StGB idF BGBl I 2009/98 stellte zur Tatzeit (II./) unter Strafe, wer als Dienstgeber Beiträge zur Sozialversicherung dem berechtigten Versicherungsträger oder Zuschläge nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse betrügerisch vorenthält, wobei betrügerisches Handeln als Vornahme der Anmeldung mit dem Vorsatz, dass keine ausreichenden Beiträge oder Zuschläge geleistet werden, legaldefiniert war.
[30] § 153d Abs 2 StGB idF BGBl I 2009/98 normierte eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren für das Vorenthalten von Beiträgen oder Zuschlägen in einem 50.000 Euro übersteigenden Ausmaß.
[31] § 153 Abs 3 StGB idF BGBl I 2009/98 bezog leitende Angestellte (§ 74 Abs 3 StGB) einer juristischen Person oder einer Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit in den Täterkreis ein.
[32] Nach den tatrichterlichen Konstatierungen „übertrug“ der Beschwerdeführer als faktischer Geschäftsführer (vgl US 8, 28 und 30 [„Chef der Firma“]) der CO* GmbH im Zeitraum von Jänner bis 27. März 2014 die Meldung von 61 Dienstnehmern zur Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse an den handelsrechtlichen Geschäftsführer * G*, welcher sie wiederum an die Sekretärin des Unternehmens „übertrug“, wobei die in Folge der Meldung auflaufenden Zuschläge von jedenfalls mehr als 50.000 Euro tatsächlich nicht vollständig bezahlt wurden (US 8).
[33] Der Beschwerdeführer hielt es dabei für gewiss, die Meldung der Genannten zur Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse in Auftrag zu geben sowie dass die in Folge der Meldung auflaufenden Zuschläge nach dem Baurbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz nicht vollständig geleistet werden sollten.
[34] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) kritisiert, das Erstgericht hätte weder festgestellt, dass (auch) G* und die Sekretärin mit Tatvorsatz gehandelt haben, noch, dasseine als Dienstgeber zu betrachtende Person (Intraneus) eigenhändig die Anmeldung mit Tatvorsatz vorgenommen habe. Sie erklärt aber nicht (RIS-Justiz RS0116569), weshalb für die Strafbarkeit nach § 153d Abs 1 idF BGBl I Nr. 98/2009 die persönliche Anmeldung durch den Dienstgeber selbsterforderlich sein und eine mit entsprechender Willensausrichtung (Verkürzungsvorsatz) getragene Veranlassung („Übertragen“) der Anmeldung durch unternehmensinterne Weisungsunterworfene nicht als Mitwirkung (§ 14 Abs 1 zweiter Satz StGB; vgl RIS‑Justiz RS0116032) des Dienstgebers genügen sollte, wenn dieser (vorsätzlich) die auflaufenden Zuschläge vorenthält, also nicht entrichtet, oder deren Vorenthalten unternehmensintern veranlasst (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK² § 153d Rz 16, 18, 20, 22 [Stand 1. 11. 2009, rdb.at]; Fabrizy in WK² § 12 Rz 32, 34 und § 14 Rz 8 ff, 12 ff). Weiters lässt sie offen, weshalb der Beschwerdeführer als faktischer Geschäftsführer im konkreten Fall nicht selbst als Dienstgeber iSd § 153d Abs 1 StGB idF BGBl I 2009/98 zu betrachten ist (vgl § 153d Abs 3 StGB idF BGBl I 2009/98; RIS‑Justiz RS0119794; Kirchbacher in WK2 StGB § 161 Rz 13; 14 Os 128/16d [14 Os 129/16a]; vgl RIS-Justiz RS0084661), sodass sich die von einem „extranen Bestimmungstäter“ ausgehende Beschwerde in einer bloßen Behauptung erschöpft (RIS-Justiz RS0116569).
[35] Die Subsumtionsrüge (Z 10) weist indessen zu Recht darauf hin, dass § 153d Abs 3 StGB idgF und § 153d Abs 2 StGB idF BGBl I 2009/98 unterschiedliche Qualifikationen enthalten, die jeweils einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe vorsehen. Nach ersterer Bestimmung gelangt der höhere Strafrahmen für den Fall gewerbsmäßiger Tatbegehung oder Tatbegehung in Bezug auf eine größere Zahl von Personen zur Anwendung, während letztere eine Schadensqualifikation von 50.000 Euro enthält.
[36] Das Erstgericht stellte insoweit bloß fest, dass die in Folge der Meldung auflaufenden Zuschläge zur Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse von mehr als 50.000 Euro nicht vollständig bezahlt wurden und der Angeklagte im Tatzeitpunkt die nicht vollständige Leistung der in Folge der Meldung „auflaufenden Zuschläge“ für gewiss hielt (US 8). Damit fehlen aber Feststellungen zu einem auf das Überschreiten der Wertgrenze gerichteten Vorsatz.
[37] Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen begründet mit Blick auf den streng einzelfallbezogen vorzunehmenden Günstigkeitsvergleich (§ 61 zweiter Satz StGB) Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 10 StPO in Bezug auf die zu Anwendung gebrachte Qualifikation.
[38] Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) kann somit auf sich beruhen.
[39] Zusammengefasst war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – das angefochtene Urteil nach nichtöffentlicher Beratung im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 285e StPO) und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.
[40] Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten G* Ar* war im darüber hinausgehenden Umfang, jene des Angeklagten * A* zur Gänze zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[41] Mit seiner Berufung war der Angeklagte G* Ar* auf diese Entscheidung zu verweisen.
[42] Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten * A* obliegt dem Oberlandesgericht (§ 285i StPO).
[43] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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