European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00151.22Z.0131.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Die Klägerin ist zu 6/10 Anteilen und die (vier) Beklagten sind zu je 1/10 Anteilen grundbücherliche Miteigentümer einer Liegenschaft in der Marktgemeinde L*, bestehend aus dem Grundstück Nr. 2220. Dieses Grundstück ist als landwirtschaftlich genutzte Fläche gewidmet und als begünstigtes (ortsnahes) Agrarland einzustufen. Es ist derzeit verpachtet und wird vom Pächter gemeinsam mit Nachbargrundstücken landwirtschaftlich bewirtschaftet. Es wäre aber auch für sich alleine mit zeitgemäßer Agrartechnik sinnvoll zu bewirtschaften.
[2] Die Marktgemeinde L* hat Interesse an einer Umwidmung von Grundstücken in ihrem Gemeindegebiet von Grünland in Bauland. Die Grundlage für eine allfällige Umwidmung von Grünland in Bauland bildet das von der Marktgemeinde erstellte Entwicklungskonzept. In dem aktuellen Entwicklungskonzept aus dem Jahr 2013 sind die Grundstücke 2218, 2219, 2220 und 2221 gemeinsam als mögliches künftiges Bauland, sogenanntes Bauerwartungsland, ausgewiesen.
[3] Das Entwicklungskonzept wird von der Marktgemeinde L* derzeit überarbeitet. Die Überarbeitung sollte nach den gegenwärtigen Plänen Ende des Jahres 2022 fertiggestellt sein. Auch darin sollen die genannten Grundstücke unverändert als einheitliches Bauerwartungsland ausgewiesen sein.
[4] Um nach Vorliegen des Entwicklungskonzepts eine Umwidmung von Grünland in Bauland zu erwirken, ist ein entsprechender Antrag der Grundeigentümer notwendig. Die Marktgemeinde L* führt eine Umwidmung in Bauland grundsätzlich nur dann durch, wenn alle Grundeigentümer, deren Grundstücke im Entwicklungskonzept als einheitliches Bauerwartungsland ausgewiesen sind, einen solchen Antrag stellen. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass sämtliche Eigentümer der Grundstücke 2218, 2219, 2220 und 2221 einen Antrag auf Umwidmung stellen müssten. Damit will die Marktgemeinde gewährleisten, dass die Umwidmung nicht lediglich einzelne, mitunter kleine Grundstücke, sondern vielmehr einen größeren Bereich umfasst, der sich in städtebaulicher Hinsicht sinnvoll erschließen, also bebauen und mit der notwendigen Infrastruktur ausstatten lässt. Um die Bebauung der umgewidmeten Grundstücke sicherzustellen und gleichzeitig Grundstücksspekulationen zu verhindern, geht die Marktgemeinde außerdem in der Regel folgendermaßen vor: Sie kauft den Grundeigentümern die als Bauerwartungsland ausgewiesenen Grundstücke ab, führt erst dann die Umwidmung in Bauland durch, nimmt eine Parzellierung der Baufläche vor, schafft die notwendige Infrastruktur und verkauft schließlich die einzelnen Bauparzellen. Als Kaufpreis bietet sie den Eigentümern des Bauerwartungslandes dabei jenen Betrag an, der dem Bauland-Wert ihres Grundstücks abzüglich der für die Gemeinde zu erwartenden Kosten, die durch die von ihr vorzunehmenden Maßnahmen (Umwidmung, Parzellierung, Schaffung der Infrastruktur etc) entstehen, entspricht.
[5] Derzeit ist die Kapazität der Kläranlage der Marktgemeinde L* ausgeschöpft. Bis zum Jahr 2025, in dem die Kläranlage neu gebaut werden soll, dürfen im Gemeindegebiet daher keine Umwidmungen in Bauland vorgenommen werden. Es ist durchaus möglich, dass Flächen, die in einem Entwicklungskonzept als Bauerwartungsland ausgewiesen sind, niemals in Bauland umgewidmet werden oder im Zug einer Überarbeitung des Entwicklungskonzepts den Status als Bauerwartungsland wieder verlieren. Ob das im Miteigentum der Streitteile stehende Grundstück 2220 tatsächlich einmal in Bauland umgewidmet wird, kann daher ebenso wenig festgestellt werden, wie der Zeitpunkt, zu dem eine allfällige Umwidmung stattfindet.
[6] Unter „Berücksichtigung seiner gegenwärtigen Kennzeichnung im Entwicklungskonzept der Marktgemeinde L* als Bauerwartungsland“ hat das ungeteilte Grundstück 2220 zum Bewertungszeitpunkt Juni 2021 einen Verkehrswert von rund 246.790 EUR. „Als bloß begünstigtes Agrarland“ beträgt sein Verkehrswert zum Bewertungszeitpunkt Juni 2021 hingegen 49.383 EUR.
[7] Die Beklagten erstatteten einen Teilungsvorschlag, wonach der Klägerin das Eigentum an einem 6/10 der Gesamtfläche entsprechenden Teil und den Beklagten das gemeinsame Eigentum an einem 4/10 der Gesamtfläche entsprechenden Teil zugewiesen werden soll.
[8] Für eine solche Naturalteilung der Liegenschaft gäbe es grundsätzlich vier Möglichkeiten. Je nach Teilungsvariante und abhängig davon, ob vom Verkehrswert als Agrarland oder jenem als Bauerwartungsland auszugehen ist, ergeben sich Wertminderungen in einem unterschiedlichen Ausmaß. Bei einem Verkehrswert des Grundstücks als landwirtschaftliche Fläche (begünstigtes Agrarland) käme es bei den Teilungsvarianten 1 und 2 zu einer Wertminderung von jeweils rund 18 %. Mit der Teilungsvariante 3 und (angesichts der pauschalen Gleichstellung) 4 wäre eine Wertminderung von rund 13 % verbunden. Hinzu kämen jeweils noch die Kosten des Teilungsverfahrens, die sich weiter wertmindernd auswirkten. Bei einem Verkehrswert des Grundstücks als Bauerwartungsland käme es im Fall einer Realteilung – unabhängig von der gewählten Teilungsvariante – zu keiner Wertminderung.
[9] Die Klägerin begehrte die Zivilteilung der Liegenschaft, hilfsweise deren Realteilung.
[10] Eine Realteilung sei weder möglich noch tunlich. Im Falle einer Realteilung bliebe die Summe der Werte der neu geschaffenen Parzellen nämlich deutlich hinter dem Wert des ungeteilten Grundstücks zurück. Dies treffe auch auf den von den Beklagten erstatteten Vorschlag zur Realteilung der Liegenschaft zu. Darüber hinaus verstoße dieser Teilungsvorschlag gegen das Gebot der Gleichartigkeit der beiden neu geschaffenen Grundstücksflächen.
[11] Die Zivilteilung erfolge auch nicht zur Unzeit. Das Vorbringen der Beklagten, es stehe eine Umwidmung des als landwirtschaftliche Fläche gewidmeten Grundstücks in Bauland bevor, sei reine Spekulation. Eine Realteilung des Grundstücks der Parteien würde eine solche – allfällige – Umwidmung im Übrigen erschweren. Durch die Zivilteilung könne das Grundstück hingegen ohne Schwierigkeiten und bestmöglich verwertet werden, wobei der Umstand, dass es möglicherweise einmal in Bauland umgewidmet werde, ohnedies seinen Niederschlag in der Preisbildung finde.
[12] Die Beklagten bestritten das auf Zivilteilung der Liegenschaft gerichtete Hauptbegehren. Das auf Realteilung gerichtete Eventualbegehren anerkannten sie für den Fall, dass der von ihnen gleichzeitig erstattete Teilungsvorschlag umgesetzt werde.
[13] Der Zivilteilung stehe der Vorrang der Realteilung und der Einwand der Unzeit entgegen. Eine Zivilteilung sei derzeit unvernünftig und führe zu einer massiven finanziellen Schädigung sämtlicher Miteigentümer. Die Marktgemeinde L* beabsichtige nämlich eine Umwidmung des Grundstücks von Grünland in Bauland. Bei einer Zivilteilung zum jetzigen Zeitpunkt könne der Preis eines in Bauland umgewidmeten Grundstücks nicht annähernd erzielt werden. Es bestehe vielmehr die Gefahr, dass das Grundstück zum Grünlandpreis oder bestenfalls zum Preis von Bauhoffnungsland und damit weit unter seinem tatsächlichen Wert versteigert werde. Bei Umsetzung der vorgeschlagenen Realteilung des Grundstücks bestehe diese Gefahr nicht. Die neu geschaffenen Parzellen seien unabhängig von ihrer Widmung als Grünland oder Bauland nicht schlechter verwertbar als das ungeteilte Grundstück, sodass durch die Realteilung kein Wertverlust eintrete.
[14] Das Erstgericht gab dem auf Zivilteilung gerichteten Hauptbegehren statt.
[15] Eine Realteilung wäre zwar physisch grundsätzlich möglich, aufgrund der damit verbundenen Erschwerung seiner Bewirtschaftung und der Wertminderung sei sie jedoch untunlich. Das Grundstück sei als landwirtschaftliche Fläche gewidmet und werde auch so genutzt. Bis zum Jahr 2025 sei eine Umwidmung in Bauland jedenfalls ausgeschlossen. Ob sie in der Folge stattfinde, könne nicht gesagt werden. Die Umwidmung hänge von zahlreichen Faktoren ab, deren Eintritt ungewiss sei. Eine Umwidmung des Grundstücks der Parteien von Grünland in Bauland stehe somit weder konkret noch absehbar fest und sei bloße Spekulation.
[16] Als Verkehrswert des Grundstücks sei daher jener Betrag heranzuziehen, der sich aus seiner gegenwärtigen Widmung als landwirtschaftliche Fläche (begünstigtes Agrarland) ergebe. Bei den Teilungsvarianten käme es den Feststellungen zufolge jeweils zu einer Wertminderung, die die nach der Rechtsprechung maßgebliche Schwelle der bloß unwesentlichen bzw geringfügigen Wertminderung markant überschreite. Daran vermöge auch die von den Beklagten angebotene Ausgleichszahlung nichts zu ändern. Sie könne den eintretenden Wertverlust für die Klägerin nicht zur Gänze kompensieren.
[17] Ungelöst bleibe zudem die Problematik, dass die geteilten und somit kleineren Grundstücke schwerer zu bewirtschaften seien, was sich im Vergleich zum ungeteilten Zustand mitunter auch negativ auf die Möglichkeit der Verpachtung und den dabei erzielbaren Pachtzins sowie die Verkaufsoptionen auswirke.
[18] Auch der von den beklagten Parteien gegen das Begehren auf Zivilteilung erhobene Einwand der Unzeit bleibe ohne Erfolg. Es müsse sich um einen vorübergehenden Ausnahmezustand handeln, der in absehbarer Zeit beendet sei. Dieser Zeithorizont sei hier jedoch nicht absehbar.
[19] Das Berufungsgerichtgab der Berufung der Beklagten nicht Folge.
[20] Der derzeitige Wert der Liegenschaft sei der einer landwirtschaftlichen Fläche. Eine Bewertung als Bauerwartungsland setze eine Umwidmung in naher Zukunft voraus, wovon nach den Feststellungen nicht ausgegangen werden könne.
[21] Ausgehend von den vom Erstgericht ermittelten Wertverlusten käme es bei den von den Beklagten vorgeschlagenen Teilungsvarianten 1 und 2 zu einem Wertverlust der Liegenschaft von rund 18 %. Dieser Wertverlust sei nach der Rechtsprechung als beträchlich einzustufen, weshalb eine Realteilung als untunlich zu werten sei. Die von den Beklagten angebotene Ausgleichszahlung decke den bei den Teilungsvarianten 1 und 2 auf den Anteil der Klägerin entfallenden Wertverlust nicht ab. Selbst die bei der Teilungsvariante 3 (und damit auch bei der dieser grundsätzlich gleichzuhaltenden Teilungsvariante 4) ermittelte Wertminderung der gesamten Liegenschaft von rund 13 % mache eine Realteilung untunlich. Auch wenn dieser auf den Anteil der Klägerin entfallende betraglich festgestellte Wertverlust durch die angebotene Ausgleichszahlung an sich gedeckt wäre, bleibe zu bedenken, dass die erfahrungsgemäß bei einigen Tausend EUR liegenden Kosten des Teilungsverfahrens noch nicht Berücksichtigung gefunden hätten und diese sich ebenfalls wertmindernd auswirkten. Diese Teilungsvarianten führten zudem zu Mehrkosten und Erschwernissen bei getrennter Bewirtschaftung und der Oberste Gerichtshof habe schon festgehalten, dass eine übermäßige Zerstückelung von Grund und Boden, die eine vernünftige Bewirtschaftung ausschließe, vermieden werden solle. Auch dieser Umstand spreche gegen die Tunlichkeit einer Realteilung.
[22] Die zur Begründung des Einwands der Unzeit erhobene Behauptung der Beklagten, dass eine Veräußerung der Liegenschaft der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung unterliege und eine Versteigerung dann nicht genehmigt werden könne, wenn der Ersteher kein Landwirt sei, was wiederum zwingend dazu führe, dass bei der Versteigerung gerade nicht der tatsächliche Wert als Bauerwartungsland erreicht werde, verstoße gegen das Neuerungsverbot.
[23] Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie beantragen, das Urteil des Berufungsgerichts abzuändern und die auf Zivilteilung gerichtete Klage abzuweisen. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungs‑ und Zurückverweisungsantrag.
[24] Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurück- bzw abzuweisen.
[25] Die Revision ist zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[26] 1. Der Anspruch eines Teilhabers einer Eigentumsgemeinschaft auf Aufhebung dieser Gemeinschaft nach § 830 zweiter Satz ABGB ist ein schuldrechtlicher, der wegen seines unbedingten Charakters in der Regel keiner Begründung aus der Interessenlage des Klägers bedarf. Dem unbedingten Aufhebungsanspruch sind nur durch die Teilungshindernisse der Unzeit und des Nachteils der übrigen Schranken gesetzt (RIS‑Justiz RS0013247 [T4]; RS0013246 [T9, T10]; RS0013249 [T4, T5]).
[27] „Unzeit“ und „Nachteile der übrigen“ bilden zwei selbständige Teilungshindernisse (RS0013269). Unzeit ist ein objektiver außerhalb der Beteiligten bestehender und für alle Beteiligten in gleicher Weise wirkender Umstand, der die Teilung zwar nicht verhindert, aber zur gegebenen Zeit unzweckmäßig und für beide Teile schädigend macht (RS0013287 [T9, T12]). Der Nachteil der Übrigen bildet hingegen ein selbständiges Teilungshindernis, kraft dessen auch subjektiv einen Teilhaber betreffende Umstände berücksichtigt werden können (RS0013324).
[28] In beiden Fällen ist Voraussetzung für die Anerkennung als Teilungshindernis, dass es sich um bloß vorübergehende Umstände handelt, die in Bälde wegfallen werden oder beseitigt werden können (RS0013287 [T13, T18, T19]; RS0013321; RS0013336). Es muss sich also um Nachteile handeln, die sich bei einem Aufschub der Teilung für eine absehbare Zeit vermeiden lassen (RS0013329).
[29] 2. Gemäß § 843 ABGB ist die Realteilung (Naturalteilung) die Regel und die Zivilteilung die Ausnahme. Das Gesetz räumt der Realteilung damit den Vorrang ein. Die Zivilteilung kommt nur in Betracht, wenn eine Realteilung nicht möglich ist (5 Ob 60/22t).
[30] Die Realteilung ist möglich, wenn die Sache ohne wesentliche Wertminderung geteilt werden kann und rechtliche Hindernisse nicht entgegenstehen; sie ist tunlich, wenn eine Sache ohne Notwendigkeit eines unverhältnismäßig großen Wertausgleichs in Teile zerlegt werden kann, sodass der Wert des Ganzen in den Teilen enthalten bleibt (5 Ob 114/22h mwN).
[31] Diese begriffliche Differenzierung zwischen Möglichkeit und Tunlichkeit ist freilich praktisch nicht bedeutsam. Die Realteilung ist in der Regel dann sowohl möglich als auch tunlich, wenn die Sache (physisch und im Rechtssinn) geteilt werden kann, ohne dass es im Verhältnis der Summe der Einzelwerte zum Wert der ungeteilten Sache zu einer wesentlichen Wertminderung kommt und die Sache zwischen den Teilhabern so aufgeteilt werden kann, dass die entstehenden Anteile den Anteilen etwa gleichwertig und diese annähernd gleich beschaffen sind, ohne dass ein unverhältnismäßiger Wertausgleich notwendig wird. Die Realteilung ist also tunlich und möglich, wenn eine Sache ohne Notwendigkeit eines unverhältnismäßig großen Wertausgleichs in Teile zerlegt werden kann, sodass der Wert des Ganzen in den Teilen erhalten bleibt. Geringfügige Wertunterschiede können allerdings in Geld ausgeglichen werden, weil andernfalls die vom Gesetz bevorzugte Realteilung nur in den seltensten Fällen verwirklicht werden könnte (5 Ob 114/22h mwN).
[32] Die Tunlichkeit und Möglichkeit einer Realteilung ist immer nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen (RS0013855; RS0013852 [T12, T13]). Die Beweislast für die Möglichkeit der Naturalteilung wird in der Regel nur in den Fällen, in denen diese von vornherein unwahrscheinlich erscheint, dem auf Realteilung dringenden Teil zugewiesen (RS0013855 [T4, T5]).
[33] 3. Die beträchtliche Verminderung des Werts „der gemeinschaftlichen Sache“ (§ 843 ABGB) ist damit ein spezifisches Teilungshindernis für die Realteilung. § 843 ABGB stellt dabei auf die Verminderung des Werts der „gemeinschaftlichen Sache“ ab. Wenn die Rechtsprechung diese gemeinschaftliche Sache als „ungeteilte Sache“, „das Ganze“ oder als „ungeteilte Liegenschaft“ bezeichnet, meint sie die Sache in ihrer rechtlichen Ausgestaltung und in ihrem tatsächlichem Zustand „vor der Teilung“ (5 Ob 114/22h).
[34] Die „Beträchtlichkeit“ der Wertminderung hat der Oberste Gerichtshof etwa bei 3,84 %, 5,28 % und 11,76 % verneint, hingegen bei 15 % oder darüber liegenden Prozentsätzen bejaht. Bei dieser stets nach den Umständen des Einzelfalls vorzunehmenden Beurteilung ist auch der absolute Betrag des Wertunterschieds als Kriterium zu berücksichtigen (5 Ob 114/22h mwN).
[35] Bei der Beurteilung der Möglichkeit einer Realteilung ist von der objektiven gegenwärtigen Beschaffenheit der Gesamtliegenschaft auszugehen. Fiktive Sachverhalte haben demgegenüber außer Betracht zu bleiben. Maßgeblich ist der (von Sachverständigen) unter Berücksichtigung des schlichten Miteigentums ermittelte Verkehrswert. Bei der Ermittlung des Werts der Liegenschaft vor der Teilung ist daher das schlichte Miteigentum und die bestehende Eigentümerstruktur zu berücksichtigen (5 Ob 114/22h mwN).
[36] Die Unzulässigkeit einer Realteilung wegen beträchtlicher Wertminderung kann durch eine Erklärung des Teilungswilligen, den anderen Miteigentümern deren Anteil an der Wertminderung der Liegenschaft auszugleichen, entkräftet werden. Die Wertverminderung wäre dann nicht zu berücksichtigen (5 Ob 114/22h).
[37] 4. Die von den Beklagten im Verfahren vorgeschlagenen Varianten der Naturalteilung basieren darauf, dass den vier Beklagten Miteigentum an einem der zwei neuen Grundstücke zugewiesen wird.
[38] In der älteren Rechtsprechung (8 Ob 551/88 = RS0013859; 1 Ob 143/68; 5 Ob 739/80 = RS0013832 [T2]) wurde eine Realteilung unter Zuweisung gemeinsamer Quoten an einzelnen Teilen als unzulässig angesehen. Miteigentümer sollten nicht zur Eingehung neuer Eigentümergemeinschaften gezwungen werden.
[39] Diese ältere Judikatur hatte aber eine aufgezwungene Miteigentümergemeinschaft vor Augen (5 Ob 100/16s). Stimmen die betroffenen Miteigentümer der Bildung einer neuen Miteigentumsgemeinschaft zu, steht dieser Form der Verschiedenbehandlung der realen Teilungsmasse nichts entgegen (vgl 5 Ob 100/16s; 5 Ob 12/09i [Nebeneinander von Real- und Zivilteilung] = RS0013243 [T3]). Die Gleichbehandlung der Teilhaber bei der Realteilung unterliegt auch im gerichtlichen Verfahren auf Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft der Disposition der davon Betroffenen (vgl RS0126365; zur (Real‑)Teilung ins Wohnungseigentum durch Begründung einer Eigentümerpartnerschaft: RS0124807; RS0101771 [T14]).
[40] 5. Für das Realteilungshindernis der beträchtlichen Wertminderung ist der (von Sachverständigen) unter Berücksichtigung des schlichten Miteigentums ermittelte Verkehrswert maßgeblich. Nach dem Bewertungsgrundsatz des § 2 Abs 1 LBG ist, sofern durch Gesetze oder Rechtsgeschäft nichts anderes bestimmt wird, der Verkehrswert der Sache zu ermitteln. Der Verkehrswert ist der Preis, der bei einer Veräußerung der Sache üblicherweise im redlichen Geschäftsverkehr für sie erzielt werden kann (5 Ob 114/22h mwN).
[41] Ob eine Liegenschaft als landwirtschaftlich genutztes Grünland, als Bauerwartungs- (Bauhoffnungs-)land oder als Bauland anzusehen und dementsprechend zu bewerten ist, ist dabei eine nicht vom Sachverständigen, zu beantwortende Rechtsfrage. Das Gericht hat dies anhand der gesamten Verfahrensergebnisse zu beurteilen (RS0007824; 1 Ob 101/21s [Enteignungsentschädigung]).
[42] Gesetzliche Vorgaben für die Bewertung einer Liegenschaft als Bauerwartungsland bestehen nicht (1 Ob 25/14d mwN). Im Zusammenhang mit der Enteignungsentschädigung entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass neben der bestehenden Widmung eine absehbare Verwendungsänderung dann in die Bewertung einfließen und die Höhe des anzusetzenden Verkehrswertes beeinflussen kann, wenn eine reale Möglichkeit/Wahrscheinlichkeit und nicht bloß eine unbestimmte Zukunftshoffnung besteht (RS0057977; RS0053483; RS0057981). Entscheidend ist, ob sich das Entwicklungspotential zum Bewertungszeitpunkt schon auf den Marktpreis auswirkt (7 Ob 158/15h; 1 Ob 25/14d; 3 Ob 46/11b; 6 Ob 161/10k; RS0057977 [T5] = RS0057981 [T7]; vgl auch RS0110846 auch zur Ausmittlung des Pflichtteils).
[43] Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann etwa ein aktueller Stadtentwicklungsplan ungeachtet seiner fehlenden Normqualität auch schon vor dem Vollzug entsprechender Umwidmungen von Grünland in Bauland Auslöser derartiger Erwartungen auf dem Grundstückswert sein (1 Ob 25/14d; 3 Ob 46/11b; 6 Ob 161/10k; vgl auch RS0053483).
[44] 6. Diese Rechtsprechung zur Ermittlung des Verkehrswerts zur Festsetzung der Enteignungsentschädigung (und des Pflichtteils) ist auf die Bestimmung der Wertminderung im Teilungsverfahren zu übertragen.
[45] Vor diesem Hintergrund legen die eingangs – zum Teil gerafft dargestellten – Feststellungen des Erstgerichts an sich nahe, dass die zu teilende Liegenschaft als Bauerwartungsland einzustufen ist. Schließlich steht fest, dass das Grundstück im Entwicklungskonzept der Marktgemeinde gemeinsam mit weiteren Grundstücken als Bauerwartungsland (aktuell und in Zukunft) ausgewiesen ist und das ungeteilte Grundstück unter „Berücksichtigung seiner gegenwärtigen Kennzeichnung als Bauerwartungsland“ zum Bewertungszeitpunkt Juni 2021 einen Verkehrswert von rund 246.790 EUR hatte. Bei einem Verkehrswert des Grundstücks als Bauerwartungsland käme es nach den Feststellungen im Fall einer Realteilung – bei keiner der möglichen Teilungsvarianten – zu einer Wertminderung. Dieses Teilungshindernis stünde der Realteilung nicht entgegen; die gegenteilige Annahme der Vorinstanzen, die Realteilung sei schon wegen erheblicher Wertminderung untunlich, wäre daher jedenfalls unzutreffend.
[46] Das Erstgericht traf allerdings auch Feststellungen zum Verkehrswert der Liegenschaft „als bloß begünstigtes Agrarland“. In der Gesamtbetrachtung könnten dessen Feststellungen daher als abstrakte Beurteilung der bestehenden Alternativen für die Verkehrswertermittlung zu lesen sein und so die entscheidende Frage, ob sich die Kennzeichnung des Grundstücks als Bauerwartungsland bereits konkret auf den Verkehrswert der Liegenschaft ausgewirkt hat, unbeantwortet lassen.
[47] Ausgehend von diesen unklaren Feststellungen überzeugt die (rechtliche) Beurteilung der Vorinstanzen, für die Liegenschaft sei der deutlich geringere Verkehrswert als begünstigtes Agrarland heranzuziehen, nicht. Es liegt in der Natur der Sache, dass es bei einem Bauerwartungsland – wie hier – grundsätzlich nicht eindeutig vorhersehbar ist, ob bzw wann dieses tatsächlich in Bauland umgewidmet wird. Entscheidend ist vielmehr, ob sich das Entwicklungspotenzial der Liegenschaft zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits auf den Marktpreis auswirkt.
[48] Zuzustimmen ist den Vorinstanzen hingegen darin, dass die allfällige Einstufung des Grundstücks als Bauerwartungsland das Teilungshindernis der Unzeit schon deshalb nicht zu begründen vermag, weil Tatsache und Zeitpunkt der Umwidmung hier nicht absehbar sind. Unzeit (wohl auch nur der Zivilteilung) könnte nur vorliegen, wenn die tatsächliche Umwidmung in absehbarer Zeit zu erwarten wäre (RS0013336 [T6]).
[49] 7. Auf Basis der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ist damit eine abschließende Beurteilung der Frage, ob eine allfällige Wertminderung der Realteilung entgegen steht, noch nicht möglich.
[50] Bei einem Verkehrswert des Grundstücks als Bauerwartungsland käme es zu keiner Wertminderung. Bei einem Verkehrswert der Liegenschaft als begünstigtes Agrarland ergeben sich nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen je nach Teilungsvariante Wertminderungen in einem unterschiedlichen Ausmaß. Auf Basis eben dieser Feststellungen kann das Teilungshindernis der Wertminderung aber auch für den Fall einer allfälligen Einstufung des Grundstücks als begünstigtes Agrarland derzeit weder bejaht noch verneint werden.
[51] Die Beurteilung, dass auch Wertverluste von rund 18 % (bei den Teilungsvarianten 1 und 2) und 13 % (bei den Teilungsvarianten 3 und 4) beträchtlich iSd § 843 ABGB sind, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Allerdings haben sich die Beklagten bereit erklärt, einen bestimmten Ausgleichsbetrag zu leisten, der den festgestellten bezifferten Wertverlust der Klägerin bei den Teilungsvarianten 1 und 2 zum weitaus überwiegenden Teil und bei den Teilungsvarianten 3 und 4 zur Gänze kompensieren würde. Die Vorinstanzen begründen die Unzulänglichkeit dieser Ausgleichszahlung aber mit einem weitaus höheren Wertverlust als betraglich festgestellt. Diese zusätzliche Wertminderung ergebe sich aus den bekannt hohen Teilungskosten und aus der Tatsache einer erschwerten Bewirtschaftung und deren nicht weiter konkretisierten Kosten. Aber auch in diesem Zusammenhang gilt aber, dass die wenigen Feststellungen, die das Erstgericht dazu getroffen hat, nicht zur abschließenden Beurteilung ausreichen.
[52] Auf das Argument, dass die Bewirtschaftung der geteilten und somit kleineren Grundstücke beschwerlicher und kostenintensiver sei als die Bewirtschaftung des ungeteilten Grundstücks, stützen die Vorinstanzen nicht nur die zusätzliche Wertminderung, sondern auch die Annahme der Untunlichkeit einer Naturalteilung im Allgemeinen. Das Erstgericht traf die diesbezügliche nicht weiter konkretisierte Feststellung aber als Erklärung für die Tatsache und unterschiedliche Höhe der Wertminderungen der Teilflächen als Agrarflächen. Im Umkehrschluss ergibt sich aus diesen (bloßen) Wertminderungen, dass eine vernünftige Bewirtschaftung offenbar nicht gänzlich ausgeschlossen ist. Die lediglich erschwerte Bewirtschaftung kleinerer Grundstücke allein trägt die Annahme der Untunlichkeit der Realteilung nicht.
[53] 8. Die mit diesen Erwägungen aufgezeigten sekundären Feststellungsmängel führen zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung.
[54] Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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