European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00186.22X.1220.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Grundbuchsrecht
Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
[1] Die Antragsteller sind Mit‑ und Wohnungseigentümer der (nach dem Antragsvorbringen) dienenden Liegenschaft. Sie begehrten unter Vorlage von beglaubigten Zustimmungserklärungen und Vollmachten sowie eines Urteils des Oberlandesgerichts Wien vom 2. Mai 2018, das in einem Verfahren zwischen den Eigentümerinnen der Nachbarliegenschaft und der Erstantragstellerin ergangen war, ob ihrer Liegenschaft die Einverleibung und ob der Nachbarliegenschaft die Ersichtlichmachung der Dienstbarkeit eines Wegerechts, wonach die Eigentümer der begünstigten Liegenschaft den auf dieser gelegenen Lagerraum über die belastete Liegenschaft betreten dürften.
[2] Mit dem rechtskräftigen Urteil des Oberlandesgerichts Wien wurde die Erstantragstellerin als dort Erstbeklagte schuldig erkannt, die Verbücherung des Wegerechts zugunsten der Liegenschaft mit der Anschrift * (KG *, EZ *) und zulasten der Liegenschaft mit den Anschriften * und * (KG *, EZ *) binnen vier Monaten vorzunehmen, wobei Inhalt der zu verbüchernden Servitut das Recht der Eigentümer der begünstigten Liegenschaft ist, den auf der begünstigten Liegenschaft gelegenen Lagerraum über die belastete Liegenschaft zu betreten.
[3] Das Erstgericht wies den Antrag ab. Gemäß § 12 Abs 1 GBG seien Inhalt und Umfang des einzutragenden Rechts möglichst bestimmt anzugeben. Für den Erwerb von Dienstbarkeiten bedürfe es einer verbücherungsfähigen Urkunde über die Bestellung der Dienstbarkeit als dingliches Recht, die einen Rechtsgrund enthalten müsse. Die Begründung setze neben dem Modus auch einen Titel (Urkunde) voraus. Das rechtskräftige Urteil ersetze nur die Zustimmung der (dort) Erstbeklagten.
[4] Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Erstantragstellerin nicht Folge. Gemäß § 33 Abs 1 lit d GBG könnten Urkunden, die die Eigenschaft eines gerichtlich vollziehbaren Ausspruchs einer öffentlichen Urkunde haben, Grundlage einer bücherlichen Einverleibung sein. Dazu gehörten in Streitsachen ergangene Urteile der Zivilgerichte, die auf Einräumung, Übertragung, Beschränkung oder Aufhebung bücherlicher Rechte gerichtet seien. Aus öffentlichen Urkunden nach § 33 Abs 1 lit d GBG brauche ein Rechtsgrund nicht ersichtlich zu sein. Gemäß § 85 Abs 1 GBG sei im Grundbuchsgesuch aber genau anzugeben, was im Grundbuch eingetragen werden solle. Gemäß § 12 Abs 1 GBG müsse bei Dienstbarkeiten und Reallasten Inhalt und Umfang des einzutragenden Rechts möglichst bestimmt angegeben werden, auf bestimmte räumliche Grenzen beschränkte Dienstbarkeiten müssten gemäß § 12 Abs 2 GBG genau bezeichnet sein. Auch ein gerichtliches Urteil, das Grundlage für die Eintragung einer ersessenen Servitut sein solle, müsse die erforderlichen Bestimmungsmerkmale der Dienstbarkeit, somit deren Umfang enthalten. Als Titelurkunde müsse das Urteil für die Verbücherung neben den Voraussetzungen des § 85 GBG auch die des § 12 GBG erfüllen. Die mangelnde Bestimmtheit der einzutragenden Grunddienstbarkeit laut Urteil des Oberlandesgerichts Wien stehe hier der Einverleibung entgegen. Weder im Spruch noch den Gründen sei der Verlauf des Servitutswegs ausreichend bestimmt bezeichnet, auch das Grundbuchsgesuch enthalte keine Beschreibung des Wegeverlaufs. Dieser ergebe sich auch aus den vorgelegten Zustimmungserklärungen nicht.
[5] Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Rekursgericht mit 30.000 EUR übersteigend. Den Revisionsrekurs ließ es aufgrund der Einzelfallabhängigkeit seiner Beurteilung nicht zu.
[6] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Erstantragstellerin, in dem siedie Abänderung im Sinn der Bewilligung ihres Einverleibungsantrags anstrebt und hilfsweise einen Aufhebungsantrag stellt.
Rechtliche Beurteilung
[7] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
[8] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor. Die Auffassung des Rekursgerichts, das Wegerecht erfasse nicht die gesamte dienende Liegenschaft, sondern sei räumlich beschränkt, beruhte auf einer Auslegung des bereits in erster Instanz vorgelegten Urteils des Oberlandesgerichts Wien AZ 2 R 25/18p. Ein Verstoß gegen den Grundsatz, nach GBG ein reines Aktenverfahren durchzuführen, ist nicht erkennbar (§ 60 Abs 2 AußStrG).
[9] 2.1. Die Erstantragstellerin moniert eine Abweichung von höchstgerichtlicher Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0116904), weil die räumlichen Grenzen der Dienstbarkeit im Urteil des Oberlandesgerichts Wien durch Angabe der Grundstücksnummer ausreichend bezeichnet seien, sodass die Beschreibung des Weges oder eine Plandarstellung nicht zu einer besseren Bestimmtheit, sondern einem anderen Dienstbarkeitsrecht führen würde. § 12 Abs 2 GBG sei nicht anzuwenden.
[10] 2.2. Grundsätzlich ist zwischen Dienstbarkeiten, die iSd § 12 Abs 2 GBG auf bestimmte räumliche Grenzen beschränkt sein sollen, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, was nach dem Gesetz (§ 12 Abs 1 GBG) den Regelfall bildet, zu unterscheiden. Nach der jüngst ergangenen Entscheidung 6 Ob 209/21k ist es auch bei einem in der Natur bereits vorhandenen Weg nicht zwingend, dass es sich um ein Wegerecht iSd § 12 Abs 2 GBG handeln muss. Einer näheren Erörterung dieses Abweisungsgrundes bedarf es aber nicht, weil es hier aus anderen Gründen an einer tauglichen Eintragungsgrundlage mangelt und die Prüfung weiterer Abweisungsgründe ungeachtet des § 95 Abs 3 GBG unterbleiben kann, weil eine Wiederholung des Gesuchs auf Grundlage der vorgelegten Urkunden nicht in Betracht kommt (vgl RS0029353; RS0042767; RS0060544).
[11] 3.1. Grundsätzlich zutreffend verwies das Rekursgericht auf § 33 Abs 1 lit d GBG, wonach Urkunden, die die Eigenschaft eines gerichtlich vollziehbaren Ausspruchs einer öffentlichen Behörde haben, Grundlage einer bücherlichen Einverleibung sein können (5 Ob 55/14w; Weigand in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 33 GBG Rz 8 mwN), dies gilt etwa für rechtskräftige Urteile (RS0004572). Allerdings enthält nach der Rechtsprechung (RS0004550) nur ein Urteil, das auch eine Exekutionsführung gemäß § 350 EO gestattet, einen „gerichtlich vollziehbaren Ausspruch“ iSd § 33 Abs 1 lit d GBG. Nur dann hat der Erwerber des einzutragenden Rechts die Wahl, direkt beim Grundbuchsgericht um die Einverleibung anzusuchen oder sie über das Exekutionsgericht zu erzwingen (RS0004572 [T1] = 5 Ob 66/01y mwN; Weigand aaO Rz 9 ff; Klicka in Angst/Oberhammer 3 § 350 EO Rz 1 ff). Die Exekution nach § 350 EO erfordert einen Titel, der dem betreibenden Gläubiger den Anspruch auf Einräumung, Übertragung, Beschränkung oder Aufhebung eines bücherlichen Rechts vermittelt (§ 350 Abs 1 EO). In der Regel wird ein solcher die Verpflichtung zur Einwilligung in die Vornahme der bücherlichen Eintragung aussprechen (5 Ob 55/14w; 5 Ob 82/22b). Nach der Rechtsprechung genügen aber auch gleichwertige Leistungspflichten, nach denen der Verpflichtete der betreffenden Änderung der bücherlichen Rechtslage zuzustimmen hat (5 Ob 55/14w – „Feststellung, dass der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Schenkungsvertrag über die Eigentumswohnung unwirksam und der Beklagte schuldig ist, diese ihm bücherlich zugeschriebene Liegenschaftsanteile wiederum an den Kläger rückzuübereignen“ – Gleichwertigkeit bejaht). Aufgrund eines derartigen rechtskräftigen Urteils kann nicht nur Exekution gemäß § 350 EO geführt werden, sondern können Einverleibungen gemäß § 33 Abs 1 lit d GBG stattfinden, ohne dass der Rechtsgrund der Leistung aus ihm ersichtlich sein müsste (RS0004572; RS0004558).
[12] 3.2. Hier wurde die Erstantragstellerin als beklagte Partei im Streitverfahren verpflichtet, die Verbücherung des Wegerechts ob der belasteten Liegenschaft vorzunehmen. Aus den Entscheidungsgründen dieses Urteils ergibt sich, dass die Eigentümer der begünstigten Liegenschaft mit der Erstantragstellerin als Bauträgerin und (vermeintlich) Alleineigentümerin eine solche Vereinbarung abgeschlossen hatten, auf deren Zuhaltung sie klagten. Aus dem Urteil und dem Grundbuchstand ergibt sich aber weiters, dass es schonbei Abschluss dieser Vereinbarung im Jahr 2014 weitere Miteigentümer der belasteten Liegenschaft gab, und dass eine Reihe von Mit‑ und Wohnungseigentümern ihre Anteile jedenfalls vor Streitanhängigkeit des erst 2017 anhängig gemachten streitigen Verfahrens erworben hatten. Die klagenden Parteien wurden nach dem Spruch dieses Urteils nicht berechtigt, unmittelbar beim Grundbuchsgericht die Einverleibung des Wegerechts zu beantragen – was rechtlich im Übrigen unzulässig gewesen wäre, weil sämtliche Mit‑ und Wohnungseigentümer für eine Klage auf Einverleibung eines Wegerechts als notwendige und einheitliche Streitgenossen zwingend beizuziehen gewesen wären (vgl RS0012106; RS0011685). Ein gerichtlich vollziehbarer Anspruch auf Einverleibung gegenüber allen Mit‑ und Wohnungseigentümern ist daher – im Gegensatz zur Auffassung des Rekursgerichts – aus diesem Urteil nicht abzuleiten, das folgerichtig von den daraus Berechtigten auch im Weg einer Exekutionsführung nach § 354 EO (Erwirkung einer unvertretbaren Handlung) und nicht § 350 EO vollstreckt wird.
[13] 4.1. Auch die Erstantragstellerin ging in ihrem Rekurs daher zutreffend selbst davon aus, es sei unrichtig, dass das Urteil des Oberlandesgerichts Wien AZ 2 R 25/18p ihre Zustimmung ersetze, dies ergebe sich aus dem Spruch nicht, weshalb sie ihre Zustimmung für die Eintragung vorgelegt habe. In ihrem Rekurs berief sie sich allerdings auch auf originären Rechtserwerb durch Ersitzung und die vorgelegten beglaubigt unterfertigten Zustimmungserklärungen sämtlicher Mit‑ und Wohnungseigentümer, die entsprechende Aufsandungserklärungen enthielten. Diese seien ausreichende Grundlage für die Einverleibung. Dazu ist Stellung zu nehmen. Das Rekursgericht hat sich mit diesem Argument aufgrund seiner vom erkennenden Senat nicht geteilten Rechtsauffassung nicht befasst.
[14] 4.2. Die Revisionsrekurswerberin übersieht bei ihrer Argumentation aber § 26 Abs 2 GBG, wonach Urkunden als Grundlage für Einverleibungen und Vormerkungen dann, wenn es sich um die Erwerbung oder Umänderung eines dinglichen Rechts handelt, einen gültigen Rechtsgrund enthalten müssen. Die Bestimmung verlangt den urkundlichen Nachweis eines gültigen Rechtsgrundes für das einzuverleibende Recht (RS0118527 [T1]).
[15] 4.3. Rechtsgrund ist dabei jedes den Rechtserwerb rechtfertigende Rechtsverhältnis (RS0011107), wobei der bloße Hinweis auf die vertragliche Einräumung einer Dienstbarkeit nach der Rechtsprechung des Fachsenats gar nicht ausreicht (RS0011107 [T4]; Hagleitner in Kodek Grundbuchsrecht2 § 26 GBG Rz 49). Für die Eintragung einer ersessenen Dienstbarkeit im Grundbuch bildet die Ersitzung, die vom Eigentümer des dienenden Grundstücks schriftlich anerkannt wurde, einen gültigen Rechtsgrund, wobei dieUnterfertigung der Urkunde durch den Eigentümer des herrschenden Grundstücks nicht erforderlich ist (Hagleitner aaO Rz 51 mwN; Sprung/Köllensperger, zur Intabulation des ersessenen Eigentums an verbücherten Liegenschaften, FS Rechberger [2005] 623 [652 ff]).
[16] 4.4. Als Urkunde iSd § 26 Abs 1 GBG könnte eine Aufsandungserklärung mit Hinweis auf den Rechtsgrund – etwa des zuvor zwischen den Parteien wirksam abgeschlossenen Vertrags oder die Ersitzung des dinglichen Rechts – versehen mit einer dem § 31 Abs 1 GBG entsprechenden Beglaubigung ausreichen, um die angestrebte Einverleibung im Grundbuch zu erreichen (vgl RS0060417; Hoyer, Grundbuchsrecht und Grundbuchspraxis VI, NZ 2011, 8 [33 f]; Hagleitner aaO Rz 1). Diesen Anforderungen genügen die vorgelegten Aufsandungserklärungen allerdings nicht.
[17] 4.5. Das Urteil des Oberlandesgerichts Wien AZ 2 R 25/18p müsste – wäre es taugliche Eintragungsgrundlage – zwar keinen Rechtsgrund für die Einverleibung des Wegerechts enthalten (RS0004572; RS0060413). Aus den Entscheidungsgründen dieses Urteils geht nicht hervor, dass es sich bei dem dort genannten Wegerecht um ein von den dortigen Klägern ersessenes Recht handelte. Gestützt wurde die Klagestattgebung auf eine Vereinbarung. Die Zustimmungserklärungen der übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer sind keine öffentlichen Urkunden iSd § 33 Abs 1 lit d GBG; sie hätten jedenfalls dann, wenn sie allein als taugliche Eintragungsgrundlage herangezogen werden sollen, einen Hinweis auf den Rechtsgrund des einzuverleibenden Wegerechts enthalten müssen. Auch dort fehlt aber jeder Hinweis auf ein ersessenes Recht. Wie schon das Erstgericht zutreffend erkannte, fehlt es hier daher am Nachweis des Rechtsgrundes des einzuverleibenden Rechts iSd § 26 Abs 2 GBG.
[18] 5. Damit konnte dem Revisionsrekurs im Ergebnis kein Erfolg beschieden sein.
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