OGH 5Ob122/22k

OGH5Ob122/22k29.8.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in derGrundbuchsache der Antragstellerin W* GmbH, *, vertreten durch Sauerzopf & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Einverleibung von Löschungen und Berichtigung der Mindestanteile ob der EZ * GB *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 2. Mai 2022, AZ 46 R 10/22v, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00122.22K.0829.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist der Antrag auf Löschung zweier Mindestanteile „wegen Untergangs des Wohnungseigentumsobjekts gemäß § 35 Abs 1 erster Fall WEG iVm § 136 GBG“ sowie auf Berichtigung der Größen der übrigen Mindestanteile, den die Antragstellerin auf eine rechtskräftige Entscheidung der Schlichtungsstelle über die Neufestsetzung der Nutzwerte stützt.

[2] Das Erstgericht wies den Antrag ab. Solle im Zug der Neuparifizierung ein selbständiges Wohnungseigentumsobjekt zur Gänze wegfallen, liege kein Anwendungsfall der vereinfachten Berichtigung nach § 10 Abs 3 WEG 2002 iVm § 136 Abs 1 GBG vor.

[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller insoweit nicht Folge. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichts, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[5] 1.1 Die behaupteten Mängel des Rekursverfahrens wurden geprüft, sie liegen nicht vor. Von einer Nichterledigung der Rekursanträge kann keine Rede sein, selbst wenn das Rekursgericht allenfalls übersehen hat, im Spruch ausdrücklich auszusprechen, dass es den erstinstanzlichen Beschluss – soweit keine (im Revisionsrekursverfahren unstrittige) Abänderung erfolgte – bestätigen wollte. Aus der Begründung der Entscheidung ist dies ohne jeden Zweifel abzuleiten, sodass dies jedenfalls berichtigungsfähig wäre.

[6] 1.2 Da das mit dem Miteigentumsanteil untrennbar verbundene Wohnungseigentum nach herrschender Rechtsprechung im Verhältnis zum schlichten Miteigentum kein quantitatives „Mehr“, sondern ein „Aliud“ ist (5 Ob 112/08v; RIS‑Justiz RS0110336 [T1]; RS0041056), wäre die von der Antragstellerin erstmals im Revisionsrekurs hilfsweise angesprochene Löschung nur des Wohnungseigentums unter Aufrechterhaltung des schlichten Miteigentums kein die Bewilligung nicht hinderndes Minus (vgl RS0060665). Über ein erstmals im Rechtsmittelverfahren erhobenes Eventualbegehren ist aufgrund des im Grundbuchsverfahren geltenden strengen Neuerungsverbots (§ 122 Abs 2 GBG) nicht abzusprechen. Die Partei kann nicht etwas anderes im Rechtsmittel begehren, als sie im Grundbuchsgesuch selbst beantragt hat. Erstmals im Rechtsmittelverfahren gestellte Eventualanträge sind daher unzulässig (5 Ob 111/18m; RS0061113). Auch in der Unterlassung der Bewilligung dieses angeblichen „Minus“ liegt kein Verfahrensmangel.

[7] 2. Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Dass die Wohnungseigentumsobjekte räumlich noch vorhanden sind, aber nicht als Abstellraum oder Wohnung, sondern als Kellerabteile genutzt werden, kann sich auf den vorgelegten Bescheid der Schlichtungsstelle vom 15. 4. 2019 stützen, der in seiner Begründung von der Nutzung dieser Räumlichkeiten als Kellerabteile spricht.

[8] 3.1 Gemäß § 35 Abs 1 erster Fall WEG erlischt das Wohnungseigentum zwar durch den Untergang des Gegenstands des Wohnungseigentums. Die herrschende Auffassung versteht darunter allerdings nur den dauerhaften, endgültigen Untergang aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen, so etwa weil das Gebäude gänzlich zerstört wird und eine Wiedererrichtung endgültig unterbleibt oder die Baubewilligung erfolgreich bekämpft wird oder außer Kraft tritt und eine neuerliche Baubewilligung nicht in Betracht kommt (Oberhofer in GeKo Wohnrecht II § 35 WEG Rz 13 ff; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht II23 § 35 WEG Rz 2 ff; Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 35 WEG Rz 2 ff). Nach der Rechtsprechung ist die endgültig feststehende Nichterrichtung eines ursprünglich geplanten und in die Wohnungseigentumsbegründung einbezogenen Objekts dessen Untergang gleichzuhalten, was gemäß § 35 WEG 2002 das Erlöschen des Wohnungseigentums nach sich zieht und in weiterer Folge die Neuparifizierung bzw Neufestsetzung der Nutzwerte erzwingt (RS0118636). Der Begründung von Wohnungseigentum steht nämlich nicht im Weg, dass das Objekt dieses dinglichen Sondernutzungsrechts noch nicht existiert, weil als Gegenstand des Wohnungseigentums nicht das Gebäude, sondern das bewilligte Bauvorhaben anzusehen ist. War die Errichtung eines Wohnungseigentumsobjekts geplant und baubehördlich genehmigt, ist weder die Rechtswirksamkeit der Nutzwertfestsetzung noch der Grundbuchseintragung grundsätzlich in Zweifel zu ziehen (5 Ob 54/95).

[9] 3.2 Wenn das Rekursgericht hier davon ausging, die beiden nun zu löschenden Wohnungseigentumsobjekte seien baulich errichtet, nur eben nicht als Wohnung bzw Abstellplatz, sondern als Kellerabteile genutzt worden, ist dies nicht zu beanstanden. Dass von Anfang an nicht die Absicht bestanden hätte, diese (baubehördlich bewilligten) Objekte zu errichten, ergibt sich aus den vorgelegten Urkunden nicht. Aus dem Bescheid vom 15. 4. 2019 ergibt sich vielmehr, dass der nunmehrige Zustand (somit die Nutzung als Kellerabteile) mittlerweile nach Bauanzeige baubehördlicher Konsens ist. Die der Entscheidung des Rekursgerichts zugrunde liegende Auffassung, hier sei nicht von einem Untergang des Objekts iSd § 35 Abs 1 erster Fall WEG auszugehen, sondern von einer nachträglichen Widmungsänderung, die dazu führte, dass die beiden – an sich errichteten – selbständigen Wohnungseigentumsobjekte nicht wie ursprünglich gewidmet als Abstellplatz und Wohnung, sondern als Kellerabteil und somit entweder allgemeiner Teil oder Zubehörwohnungseigentum genutzt werden sollen, ist im Einzelfall nicht korrekturbedürftig.

[10] 3.3 Dass die Nutzwertfestsetzung allein noch keine Rechtsänderung und damit auch keine Änderung der Miteigentumsanteile bewirkt, weshalb die Änderung von Anteilen zur wohnungseigentumsrechtlichen Wirksamkeit der grundbücherlichen Durchführung bedarf, entspricht der ständigen Rechtsprechung (RS0106054 [T12, T13]; RS0106055 [T5]; Oberhofer in GeKo Wohnrecht II § 35 WEG Rz 19). Entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerberin führt die Nutzwertneufestsetzung mangels dinglicher Wirkung daher weder zu einer außerbücherlichen Veränderung der sachenrechtlichen Rechtsstellung der Mit‑ und Wohnungseigentümer noch zum Verbleib schlichten Miteigentums an allgemeinen Teilen des Hauses entgegen § 3 Abs 2 WEG.

[11] 4. Eine Grundbuchsberichtigung nach § 136 GBG kommt nur in Betracht, wenn nachträglich eine Rechtsänderung außerbücherlich eingetreten, grundbücherlich aber noch nicht durchgeführt worden ist, sodass die begehrte Eintragung nur deklarative Bedeutung hat (RS0061010 [T7]; RS0079847). Auch zu § 10 Abs 3 WEG 2002, der die Änderung der Miteigentumsanteile bei bereits einverleibtem Wohnungseigentum aufgrund einer gerichtlichen oder einvernehmlichen Nutzwertfestsetzung regelt, liegt gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Zwar kann diese Berichtigung analog § 136 Abs 1 GBG geschehen und erfordert die Zustimmung der übrigen Miteigentümer an sich nur, wenn durch die Berichtigung ein Miteigentumsanteil um mehr als 10 % geändert wird (RS0126322; RS0124537). In den ausführlich begründeten Entscheidungen 5 Ob 76/13g (wobl 2014/55 [Hausmann]) und 5 Ob 147/17d (immolex 2018/40 [Punt]) befasste sich der Fachsenat mit der Frage, ob die Löschung von Wohnungseigentumsobjekten als Änderung iSd § 10 Abs 3 WEG 2002 qualifiziert werden kann und verneinte dies. Soll es im Zug einer Neuparifizierung auch zum gänzlichen Wegfall von selbständigen Wohnungseigentumsobjekten (Erlöschen des Wohnungseigentums und „Löschung“ der Miteigentumsanteile) kommen, liegt kein Anwendungsfall der vereinfachten Berichtigung mehr vor, der gemäß § 10 Abs 3 WEG 2002 in sinngemäßer Anwendung des § 136 Abs 1 GBG durchgeführt werden könnte. Zur Änderung der Miteigentumsanteile nach § 10 Abs 4 Satz 1 bis 3 WEG 2002 bedarf es in einem solchen Fall einer grundbuchsfähigen Urkunde, in der einzelne Miteigentümer bestimmte Miteigentumsanteile an bestimmte andere Miteigentümer übertragen, Aufsandungserklärungen vorliegen und ein Rechtsgrund angegeben wird (RS0123506). Der Entscheidung 5 Ob 76/13g lag – wie im hier zu beurteilenden Fall – die Umwidmung eines Wohnungseigentumsobjekts zu einem allgemeinen Teil der Liegenschaft zugrunde. Daran ist festzuhalten, davon abzuweichen bieten die Revisionsrekursausführungen keinen Anlass.

[12] 5. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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