European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00038.22B.0824.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * R* – soweit hier wesentlich – des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (A./) sowie mehrerer Vergehen nach § 81 Abs 3 LMSVG (B./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in H* als Geschäftsführer der R* GmbH
A./ von 17. September bis 22. Oktober 2019 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich als an der R* GmbH beteiligter Gesellschafter durch die wiederkehrende Begehung von Betrug mit einem jeweils 5.000 Euro übersteigenden Vermögensschaden zumindest mehrere Monate hindurch ein fortlaufendes, nach einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung monatlich den Betrag von 400 Euro übersteigendes Einkommen zu verschaffen (US 11 f), Verfügungsberechtigte von 14 im Urteil genannten Unternehmen durch die wahrheitswidrige Vorgabe, in seinem Betrieb ausschließlich genusstaugliches Fleisch zu verarbeiten und die Vorschriften der Lebensmittel- und Schlachthygiene einzuhalten, sowie durch Verschweigen der Tatsachen, dass im Betrieb genusstaugliches Fleisch mit genussuntauglichem Fleisch in direktem Kontakt war und genussuntaugliches Fleisch mit als genusstauglich beurteiltem Fleisch verschiedener Schlachttage verarbeitet und vermischt wurde (US 10 f), zu Ankäufen von für die Unternehmen wertlosen Produkten verleitet, die sie in einem Betrag von zumindest 915.000 Euro am Vermögen schädigten;
B./ von 17. September bis 22. Oktober 2019 in zahlreichen Angriffen genussuntaugliches Fleisch als Lebensmittel in Verkehr gebracht, indem er die in seinem Betrieb von den amtlichen Fleischbeschauorganen für genussuntauglich erklärten Schlachtkörper nicht über die Tierkörperverwertung entsorgte, sondern nach Ende des Schlachttages zerlegte, die zerlegten Teile unter das genusstaugliche Fleisch mischte und dieses in der Folge an seine Abnehmer verkaufte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Eine offenbar unzureichende Begründung behauptet die zum Schuldspruch A./ erhobene Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) in Betreff der Feststellungen, wonach der Angeklagte die an Schlachttagen für genussuntauglich erklärten Schlachtkörper nicht wie gesetzlich vorgeschrieben über die Tierkörperverwertung entsorgte, sondern in seinem Betrieb verwertete, indem nach Ende des jeweiligen Schlachttages die von den amtlichen Tierärzten jeweils mit der Aufschrift „TKV“ versehenen genussuntauglichen Schlachtkörper wieder aus dem dafür vorgesehenen abgesonderten Bereich im Kühlraum entnommen und in weiterer Folge zerlegt und weiterverarbeitet wurden, die Kennzeichnung der Genussuntauglichkeit von der Schwarte der genussuntauglichen Schlachtkörper entfernt wurde und die zerlegten Teile am Abend des Schlachttages und in der Früh des darauf folgenden Tages unter das genusstaugliche Fleisch gemischt wurden, wobei die Zerlegung, Lagerung und Auslieferung des genussuntauglichen Fleisches gemeinsam mit dem genusstauglichen Fleisch erfolgte, sodass es immer wieder zu direktem Kontakt zwischen genusstauglichem und genussuntauglichem Fleisch kam und dieses nicht nur mit dem Fleisch des jeweiligen Schlachttages, sondern auch mit gelagertem und neu hinzugekommenem Fleisch aus anderen Schlachttagen vermischt und ausgeliefert wurde (US 7 f).
[5] Die Beschwerde vermeint, es bedürfe „keiner weiteren Erklärung“, dass an Tagen, an denen kein Tierkörperverwertungs-Schlachtkörper angefallen sei, keine Vermischung stattfinden habe können, weil sämtliche an diesem Tag erzeugten Waren den lebensmittelrechtlichen Anforderungen entsprochen hätten. Weiters stünden die Feststellungen zur Vermischung genussuntauglichen Fleisches mit Fleisch von anderen Schlachttagen im Widerspruch zu den Konvoluten 3 und 4 der ON 236, und das Schöffengericht habe eine Zuordnung der erzeugten Waren zu konkreten Schlachttagen unterlassen, obwohl dies für die Frage der Überschreitung der Wertgrenze nach § 147 Abs 3 StGBrelevant gewesen wäre. Mit diesem Vorbringen bringt sie aber Nichtigkeit aus Z 5 nicht zur Darstellung (RIS-Justiz RS0116732), sondern bekämpft die – ohne Verstoß gegen die Kriterien des logischen Denkens und grundlegende Erfahrungen insbesondere auf die Angaben der Zeugen * O*, Mag. * K*, Mag. * D* sowie Mag. * N*, auf Schlachtprotokolle, Dokumente zur Abholung tierischer Nebenprodukte und auf die Ergebnisse der Hausdurchsuchung gestützte (US 13 ff, siehe auch US 28 ff) – Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
[6] Soweit sie in Betreff des Schuldspruchs B./ auf das zu A./ erstattete Vorbringen der Mängelrüge verweist, übersieht sie, dass der Angeklagte einer unbestimmten Anzahl an Vergehen nach § 81 Abs 3 LMSVG schuldig erkannt wurde (US 2; vgl zur gleichartigen Verbrechensmenge pauschal individualisierter Taten RIS-Justiz RS0119552) und keine entscheidende Tatsache angesprochen wird, wenn nur die Täterschaft hinsichtlich einzelner Taten in Frage gestellt wird (RIS-Justiz RS0116736; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 33).
[7] Zum Schuldspruch A./ konstatierte das Erstgericht (US 9), dass durch die Verarbeitung von genussuntauglichem Fleisch und dessen Vermischung mit genusstauglichem Fleisch von denselben und von anderen Schlachttagen sowie die regelmäßige grobe Missachtung der Vorschriften der Lebensmittel- und Schlachthygiene im Betrieb des Angeklagten bei dem vom Angeklagten verkauften Fleisch ein erhöhtes Risiko einer Gesundheitsgefährdung bzw Kontamination mit Krankheitserregern bestand. Dies bedeutete für die Abnehmer, die das vom Angeklagten bezogene Fleisch weiterverarbeiteten oder weiterverkauften, dass sie – neben zivilrechtlichen Haftungsrisiken gegenüber den Konsumenten – auch dem Risiko allfälliger behördlicher Beschlagnahmen und Produktrückrufe ausgesetzt waren, wobei sich dieses Risiko anlässlich der gegenständlichen Ermittlungen zum Teil auch tatsächlich verwirklicht hat und alle Produkte, die möglicherweise genussuntaugliches Fleisch aus dem Betrieb des Angeklagten enthielten, mit Ausnahme von Ware, die vor dem 17. September 2019 produziert wurde bzw die mit einem Genusstauglichkeitskennzeichen versehen war, zurückgerufen und vernichtet werden mussten.
[8] Nach den weiteren Feststellungen (US 9 f) erwarten „durchschnittliche Abnehmer von Fleisch“, dass das von ihnen angekaufte Fleisch uneingeschränkt für den menschlichen Verzehr geeignet ist, sich darunter kein genussuntaugliches Fleisch befindet, die Vorschriften der Lebensmittel- und Schlachthygiene eingehalten werden und das Risiko einer Gesundheitsgefährdung bzw Kontamination mit Krankheitserregern so gering wie möglich gehalten wird. Besteht der Verdacht, dass genussuntaugliches Fleisch verarbeitet wurde oder das Fleisch aus sonstigen Gründen nicht sicher ist, sind die betroffenen Produkte vom Markt zu nehmen und zu vernichten, weshalb die Fleischabnehmer kein verkehrswertbegründendes Interesse an Lieferungen von Fleisch haben, das mit genussuntauglichem Fleisch in Kontakt war, mit diesem vermischt und in einem Betrieb verarbeitet wurde, in dem die Vorschriften der Lebensmittel- und Schlachthygiene regelmäßig grob missachtet werden.
[9] In subjektiver Hinsicht stellte das Erstgericht fest (US 10 f), der Angeklagte habe es zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich billigend damit abgefunden, dass das von ihm verkaufte Fleisch mangels eines verkehrswertbegründenden lnteresses für seine Abnehmer wirtschaftlich wertlos war und diese bei Kenntnis der wahren Sachlage kein Fleisch von ihm angekauft hätten.
[10] Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) unter Verweis auf § 15 (letzter Satz) StPO behauptet, das Schöffengericht hätte nach Maßgabe des Bescheides des Landes S* vom 23. Oktober 2019 berücksichtigen müssen, dass Ware, die vor dem 17. September 2019 produziert worden istoder mit einem Genusstauglichkeitskennzeichen versehen war, von der R* GmbH rechtmäßig in Verkehr gesetzt worden ist, sodass für die Abnehmer keine wertlosen Produkte vorgelegen und diese daher nicht in ihrem Vermögen geschädigt worden seien, nimmt sie nicht an den zuvor wiedergegebenen Feststellungen Maß (vgl aber RIS-Justiz RS0099810; vgl im Übrigen zur objektiven Betrachtung nach opferbezogenen Gesichtspunkten RIS-Justiz RS0094263, RS0094522, RS0119371, RS0082813; Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 67, 80, 82).
[11] Gleiches gilt für den Einwand, den Feststellungen könne nicht entnommen werden, zu welchem Zeitpunkt die Waren hergestellt wurden und dass sie tatsächlich genussuntauglich gewesen wären, sowie die Behauptung, auf Grundlage des Bescheides des Landes S* vom 23. Oktober 2019 seien die aus von R* GmbH erworbenen Waren hergestellten Erzeugnisse lebensmittelrechtlich unbedenklich gewesen und hätten daher den Qualitätsanforderungen der Konsumenten entsprochen, weshalb auch die Letztverbraucher keinen Vermögensnachteil erlitten hätten (vgl zur Schadensüberwälzung im Übrigen RIS‑Justiz RS0094522 [T9]; Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 60).
[12] Zum Schuldspruch B./ verweist die Rechtsrüge (Z 9 lit a) auf die zum Schuldspruch A./ getätigten Ausführungen und vermeint, nach Maßgabe des Bescheides des Landes S* vom 23. Oktober 2019 sei der „weitaus überwiegende Teil der im Deliktszeitraum in Verkehr gesetzten Waren“ vor dem 17. September 2019 produziert worden oder habe ein Genusstauglichkeitskennzeichen getragen. Abgesehen davon, dass sich die Beschwerde abermals nicht an den getroffenen Feststellungen zum Inverkehrbringen von genussuntauglichem Fleisch orientiert (US 7 ff), übersieht sie wiederum, dass der Angeklagte einer unbestimmten Anzahl an Vergehen nach § 81 Abs 3 LMSVG schuldig erkannt wurde und der Wegfall einzelner Taten weder den Schuldspruch noch die Subsumtion in Frage stellt (RIS-Justiz RS0116736 [T7]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 33; siehe auch RIS-Justiz RS0115706 [T1, T3]).
[13] Die zum Schuldspruch A./ erhobene Subsumtionsrüge (Z 10) behauptet, die Feststellungen würden die Qualifikation nach § 148 (zweiter Fall) StGB nicht tragen, weil das Erstgericht einerseits keine Feststellungen zu den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen der R* GmbH sowie dazu getroffen habe, wem ein aus den Taten erzielter Erlös tatsächlich zugekommen und bei wirtschaftlicher Betrachtung zuzurechnen sei, andererseits „erkennbar“ davon ausgegangen sei, der Angeklagte wäre im Deliktszeitraum Alleingesellschafter der R* GmbH gewesen. Darüber hinaus stelle „die bloße Aufwertung einer geringfügigen Unternehmensbeteiligung allein (…) keinen die Annahme der Gewerbsmäßigkeit rechtfertigenden Vermögenszuwachs“ dar.
[14] Dabei orientiert sie sich (neuerlich) nicht an der Gesamtheit der getroffenen Feststellungen, denen zufolge der Angeklagte von 1. Oktober 1998 bis 7. November 2019 als Gesellschafter dieser GmbH 10% der Stammeinlage gehalten hat (US 6). Durch den gegenständlichen Verkauf genussuntauglichen, für die Abnehmer wirtschaftlich wertlosen Fleisches wurden nach den Konstatierungen die getäuschten, im Urteil genannten Unternehmen im Betrag von insgesamt 915.000 Euro an deren Vermögen geschädigt und „die R* GmbH unmittelbar sowie der Angeklagte als deren Gesellschafter mittelbar“ bereichert (US 10), wobei der Angeklagte die Täuschungshandlungen jeweils in der Absicht beging, sich als an der R* GmbH beteiligter Gesellschafter durch die wiederkehrende Begehung von derartigen Betrügereien mit einem jeweils 5.000 Euro und insgesamt 300.000 Euro übersteigenden Vermögensschaden eine längere Zeit von zumindest mehreren Monaten hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen, welches nach einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung monatlich den Betrag von 400 Euro übersteigt, zu verschaffen (US 11 f).
[15] Warum darüber hinausgehende Feststellungen zur „Zuwendung des Erlöses an den Angeklagten“ und die gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen über die Gewinnausschüttungen erforderlich gewesen wären, obwohl nach ständiger Rechtsprechung unter fortlaufendem Einkommen jede tätergewollte fortlaufende Erlangung irgendeines wirtschaftlichen Vorteils zu verstehen ist (vgl RIS-Justiz RS0092381), legt die Beschwerde nicht dar.
[16] Dass gewerbsmäßiges Handeln nur angenommen werden könne, wenn „alle aus der Tat erzielten Vermögenswerte direkt dem Beschuldigten zugutekommen“ und bei einem Gesellschaftsanteil von 10 % die wirtschaftliche Betrachtung „zweifellos zu einem anderen Ergebnis“ als das Urteil führt, lässt sich – der Beschwerde zuwider – weder der von ihr zitierten Kommentarstelle (Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 70 Rz 14) entnehmen, noch leitet die Beschwerde diese rechtlichen Konsequenzen (insbesondere auch nicht durch einen Verweis auf die Judikatur zu § 153 StGB) methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116565; vgl vielmehr zur gegenteiligen Rechtsprechung RIS-Justiz RS0086573, RS0086962 [T7, T15], RS0092444 [T3, T4], siehe auch RIS-Justiz RS0086571, RS0092011 [T1], RS0094702).
[17] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[18] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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