OGH 8Ob85/21i

OGH8Ob85/21i14.9.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* GmbH, *, vertreten durch Dr. Michael Augustin, Mag. Peter Haslinger und Mag. Thomas Böchzeit, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei A* KG, *, vertreten durch Dr. Klaus Hirtler Rechtsanwalt Gesellschaft m.b.H. in Leoben, wegen zuletzt 4.738,31 EUR sA und Feststellung, über die Rekurse der klagenden Partei und der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 19. April 2021, GZ 1 R 60/21x (1 R 61/21v)‑35, womit das Urteil des Bezirksgerichts Leoben vom 18. Februar 2021, 20 C 247/20z-24, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 1. März 2021, GZ 20 C 247/20z‑27, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E132950

 

Spruch:

Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die klagende GmbHschloss am 9. 12. 2008 mit einer Siedlungsgenossenschaft einen Vertrag über die Durchführung des Winterdienstes hinsichtlich eines unter anderem von S* als Ehegattin eines Mieters bewohnten Bestandobjekts einschließlich der „daran angrenzenden Parkkojen“.

[2] Am 20. 1. 2018 stürzte S* nach Verlassen des Wohngebäudes auf dem Weg zu ihrem Fahrzeug im Bereich der Parkkojen, weil deren Untergrund nicht von Schnee und Eis befreit war, und erlitt dadurch einen Oberschenkelhalsbruch.

[3] Im Vorprozess* nahm S* die hier klagende GmbH unter Behauptung eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (zwischen der Bestandgeberin und dem Winterdienstunternehmen) auf Schadenersatz in Anspruch. Die GmbH verkündete der nunmehr beklagten KG den Streit, weil sie die übernommenen Winterdienstaufgaben mit Wirkung ab 1. 11. 2015 an diese als Subunternehmerin weitergegeben habe. Daraufhin trat die KG dem Vorprozess auf Seiten der dortigen Klägerin S* als Nebenintervenientin bei, und zwar mit dem Vorbringen, die Sturzstelle liege in einem Bereich, der ihr nicht zur Besorgung übertragen worden sei; die GmbH habe es offenkundig verabsäumt, für diesen Bereich einen Winterdienst zu organisieren. Mit dem rechtskräftigen Urteil vom 31. 1. 2020 gab das Erstgericht dem Klagebegehren im Vorprozess im Wesentlichen statt und verpflichtete die hier klagende GmbH insbesondere auch zur Zahlung eines Kostenersatzes von 6.546,42 EUR an die dortige Nebenintervenientin und hier beklagte KG. Es traf unter anderem die Feststellung, dass es anlässlich der Vergabe des Subauftrags über die Winterdienstleistungen im Jahr 2015 an die Nebenintervenientin dem Willen der Vertragsparteien entsprochen habe, „dass die Nebenintervenientin (auch) den Bereich südlich der Parkkojen, in deren Nähe [S*] gestürzt ist, zur Schaffung eines Zugangs zu den Parkflächen zu räumen und zu streuen habe“. In rechtlicher Hinsicht bejahte es eine Haftung der hier klagenden GmbH, der die mangelhafte Räumung durch die KG als ihrer Erfüllungsgehilfin nach § 1313a ABGB zuzurechnen sei, gegenüber S* für sämtliche Unfallfolgen.

[4] Die GmbH beglich in der Folge eine auf die Lohnfortzahlungskosten von 4.738,31 EUR gerichtete Forderung der Dienstgeberin der S*.

[5] Im Anlassverfahren begehrt dieKlägerinvon der beklagten KG als Subunternehmerin den Ersatz dieser 4.738,31 EUR sA sowie die Feststellung, dass die Beklagte für zukünftige Regressforderungen der Klägerin ihr gegenüber aus dem Unfall der S*, insbesondere betreffend Forderungen der Ö* und der A*, zu haften habe. Die Beklagte habe wegen Schlechterfüllung des beauftragten Winterdiensts den Unfall zu verantworten.

[6] Die Beklagte bestreitet. Insbesondere wendet sie ein, dass sie für den Sturz S*s nicht hafte, weil die Sturzstelle nicht in ihrem Räumungs- und Verantwortungsbereich gelegen sei. Dass sie den Winterdienst auch im Bereich der Sturzstelle zu verrichten habe, sei nicht zum Inhalt des von ihr mit der Klägerin geschlossenen Winterdienstvertrags gemacht worden. Die anderslautende Feststellung im Urteil des Vorprozesses sei unzutreffend, überschießend und nicht bindend.

[7] Des Weiteren treffe die Klägerin im Verhältnis zur Beklagten das Alleinverschulden bzw das überwiegende Mitverschulden, weil sie jahrelang nicht kontrolliert habe, ob die Beklagte den Winterdienst im Bereich der Sturzstelle vornehme. Wäre die Klägerin ihrer Kontrollpflicht nachgekommen, wäre ihr sicher schon bald aufgefallen, dass die Beklagte in diesem Bereich nicht räumt und streut. Da dann entweder die diesbezügliche Verpflichtung der Beklagten klargestellt worden wäre oder die Klägerin einen anderen Winterdienst beauftragt hätte, wäre der Unfall unterblieben.

[8] Zudem wendet die Beklagte die Verfahrenskosten aus dem Vorprozess von 6.546,42 EUR gegen eine allenfalls zu Recht bestehende Klagsforderung compensando ein.

[9] Dem hält die Klägerin entgegen, dass sie diesen Betrag im Regressweg zurückverlangen könne, sodass die Geltendmachung der Gegenforderung rechtsmissbräuchlich erscheine. Zudem werde ihrerseits Kompensation eingewandt.

[10] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt und wies unter einem die Aufrechnungseinrede der Beklagten mit Beschluss zurück. Dabei ging es in rechtlicher Hinsicht von einer Bindung an die Feststellungen des im Vorprozess ergangenen Urteils zu der Frage aus, in welchem Ausmaß eine vertragliche Weitergabe der Verpflichtungen der Klägerin an die Beklagte erfolgt sei und ob letztere den übernommenen Verpflichtungen entsprochen habe, deren Beantwortung „eine tragende Säule des Urteils“ [im Vorprozess] gewesen sei. Die Aufrechnungseinrede der Beklagten sei zurückzuweisen, weil die Aufrechnung [mit] einer bereits rechtskräftig titulierten Kostenforderung nicht zulässig sei.

[11] Infolge Berufung und Rekurs der Beklagten hob das Berufungsgericht diese Entscheidung auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Die Beklagte habe im Vorprozess ohne jegliche Beschränkung die – von ihr auch genutzte – Möglichkeit zur Bestreitung ihrer Verantwortlichkeit dem Grunde nach für den Sturz gehabt. Zu Recht habe daher das Erstgericht die Bindungswirkung des Urteils für die Beklagte hinsichtlich der Frage bejaht, ob sie auch den an die Parkkojen angrenzenden Bereich zu räumen und zu streuen gehabt habe, wo S* gestürzt sei. Die Beklagte habe jedoch argumentiert, die Klägerin treffe im Verhältnis zu ihr das alleinige bzw jedenfalls das überwiegende Verschulden, weil sie ihrer Kontrollverpflichtung nicht nachgekommen sei. Feststellungen darüber, ob bzw inwieweit die Klägerin kontrolliert habe, ob von der Beklagten Räumungs- und Streutätigkeiten auch an der streitgegenständlichen Stelle durchgeführt worden seien, habe das Erstgericht nicht getroffen, weshalb das erstinstanzliche Urteil mit einem sekundären Feststellungsmangel behaftet sei. Das Erstgericht werde bei seiner neuerlichen Entscheidung auch zu beachten haben, dass eine im Zivilprozess rechtskräftig festgestellte Forderung sehr wohl als Gegenforderung in einem weiteren Prozess eingewendet werden könne, sich die Entscheidung dann aber auf die Aufrechenbarkeit und die dadurch bedingte Tilgung der Klageforderung zu beschränken habe.

[12] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist, weil zur Lösung der Hauptfrage im Vorprozess, ob die hier klagende GmbH für die sturzbedingten Schäden der S* zu haften hat, die Auseinandersetzung mit der zwischen den nunmehrigen Streitteilen bestehenden Vertragsbeziehung nicht unbedingt erforderlich gewesen wäre und – soweit überblickbar – eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einer Bindungswirkung in einer derartigen Konstellation noch nicht vorliege.

[13] Dagegen richten sich die – jeweils von der Gegenseite beantworteten – Rekurse beider Parteien.

[14] Beide Rekurse sind zulässig, weil sich die Rechtsansicht der zweiten Instanz in mehrfacher Hinsicht als korrekturbedürftig erweist, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

A. Zum Rekurs der Beklagten

Zur Zulässigkeit

Rechtliche Beurteilung

[15] 1. Den Parteien steht der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss nicht nur dann zu, wenn sie die Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung bekämpfen, sondern auch dann, wenn sie lediglich die dem Erstgericht erteilten Aufträge und Bindungen anfechten, obwohl sich diese nur aus den Gründen des Beschlusses ergeben, da nicht nur die Aufhebung selbst, sondern auch eine nachteilige Rechtsansicht im Aufhebungsbeschluss die verfahrensrechtliche Stellung der Parteien beeinträchtigt (RIS‑Justiz RS0007094). Gegen einen Aufhebungsbeschluss im Berufungsverfahren kann daher auch jene Partei Rekurs erheben, die selbst die Aufhebung erwirkt hat (RS0007094 [T5, T6]).

[16] Der Einwand der Klägerin, der Beklagten fehle es an der Beschwer, weil ihrem in der Berufung eventualiter gestellten Aufhebungsantrag Folge gegeben wurde, geht somit ins Leere.

Zur Frage der Bindungswirkung

[17] 2.1 Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs erstrecken sich die Wirkungen eines materiell-rechtskräftigen zivilgerichtlichen Urteils so weit auf den einfachen Nebenintervenienten und denjenigen, der sich am Verfahren trotz Streitverkündung nicht beteiligt hat, als diese Personen als Parteien eines als Regressprozess geführten Folgeprozesses keine rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einreden erheben dürfen, die mit den notwendigen Elementen der Entscheidung des Vorprozesses in Widerspruch stehen. In diesem Rahmen sind sie daher an die ihre Rechtsposition belastenden Tatsachenfeststellungen im Urteil des Vorprozesses gebunden, sofern ihnen in jenem Verfahren insoweit unbeschränktes rechtliches Gehör zustand (RS0107338).

[18] 2.2 Diese Bindungswirkung besteht aber nur gegenüber demjenigen, der im Hauptprozess den Streit verkündet hat, nicht aber auch gegenüber dem am Hauptprozess beteiligten Prozessgegner (RS0107338 [T15]). Es besteht keine Bindung an Feststellungen, die der Nebenintervenient wegen entsprechenden Vorbringens „seiner“ Hauptpartei nicht bekämpfen konnte (RS0107338 [T18]; vgl RS0122420). Hingegen erstreckt sich die Bindungswirkung eines Urteils auch auf den Nebenintervenienten, der im Vorprozess auf Seiten der Partei beitrat, die ihm nicht den Streit verkündet hatte, wenn ihn diese Hauptpartei nun in Anspruch nimmt (RS0122987). Ist angesichts des Prozessvorbringens der Streitteile eine Inanspruchnahme des Dritten je nach dem Prozessausgang durch den schließlich Unterlegenen denkbar, so kann dieser wählen, auf wessen Seite er dem Verfahren als Nebenintervenient beitritt (RS0117330). Allerdings kann ein Regresspflichtiger, dem von einer Prozesspartei der Streit verkündet wurde, nicht willkürlich auf Seiten der Gegenpartei beitreten und damit im Verhältnis zur streitverkündenden Partei in einem Folgeprozess die Bindung vermeiden. In einem solchen Fall wäre der auf Seiten der Gegenpartei beitretende Nebenintervenient ebenso zu behandeln wie eine Partei, die nach Streitverkündung dem Verfahren überhaupt nicht als Nebenintervenient beigetreten ist (RS0129019 [T1]).

[19] 2.3 Daraus folgt, dass im Fall des Beitritts auf der Gegenseite der streitverkündenden Partei – wie hier – im Verhältnis zwischen der streitverkündenden Partei und dem Nebenintervenienten im Regelfall gerade keine Bindungswirkung eintritt, sondern nur im Verhältnis zur unterstützten Partei (= Hauptpartei). Eine Bindungswirkung gegenüber der streitverkündenden GmbH käme im Anlassfall nur dann in Betracht, wenn der Streitbeitritt der Beklagten im Vorverfahren auf Seiten der Gegenpartei (S*) als „willkürlich“ zu beurteilen wäre. In der Entscheidung 6 Ob 62/13f hat der Oberste Gerichtshof darauf abgestellt, ob von vornherein ausgeschlossen war, dass der Nebenintervenient auch Regressansprüchen der unterstützten Partei ausgesetzt sein würde. Diese Frage, zu der die Parteien in diesem Verfahren nichts vorgetragen haben, braucht aber nicht weiter geklärt zu werden, weil die von den Vorinstanzen angenommene Bindungswirkung bereits aus einem anderen Grund ausgeschlossen ist.

[20] 2.4 Es entspricht der herrschenden Rechtsprechung, dass Bindungswirkung nur insoweit besteht, als die jeweilige Feststellung bei richtiger rechtlicher Beurteilung für das Urteil im Vorprozess unbedingt erforderlich war (RS0115239 [T1]; 3 Ob 127/09m). Maßgebend ist, ob die im Vorprozess getroffenen Feststellungen für das Ergebnis der dort gefällten Entscheidung notwendig waren oder ob auch bei Wegfall dieser Tatsachenannahmen das gleiche Prozessergebnis erzielt worden wäre (RS0041357 [T10]).

[21] Für den Ausgang des Vorprozesses – und das Obsiegen der dortigen Klägerin – war es aber, wie das Berufungsgericht selbst erkennt, irrelevant, ob die hier klagende GmbH die übernommene Räumungsverpflichtung selbst oder durch ihre Erfüllungsgehilfin verletzt hat. Die Feststellung, dass die Räumung der Unfallstelle der hier beklagten KG als Subunternehmerin der dort beklagten GmbH oblag, war daher im Verhältnis zur verunfallten S*ohne Bedeutung. Der nunmehrigen Beklagten wäre im Vorprozess eine erfolgreiche Bekämpfung dieser sie belastenden Feststellung – ungeachtet der für ihren Streitbeitritt gewählten Seite – auch schon wegen deren rechtlicher Unerheblichkeit nicht möglich gewesen.

[22] 2.5 Damit bedarf der Einwand der Beklagten, die Sturzstelle sei nicht von ihrem Vertrag mit der Klägerin umfasst gewesen, im Anlassverfahren aber sehr wohl einer inhaltlichen Prüfung. Aus diesem Grund erweist sich die das Ersturteil aufhebende Entscheidung der zweiten Instanz im Ergebnis, wenngleich auch aus anderen Gründen als das Berufungsgericht aussprach, als richtig (RS0007094 [T7]).

B. Zum Rekurs der Klägerin

Zur Frage eines allfälligen Mitverschuldens der Klägerin am eingetretenen Schaden

[23] 1.1 Wer für fremdes Handeln Ersatz leistet, kann gemäß § 1313 zweiter Satz ABGB Rückersatz verlangen. So kann der Geschäftsherr, der nach § 1313a ABGB für seinen Gehilfen einstehen muss, vom Gehilfen Ersatz fordern. Die Regel des § 1313 zweiter Satz ABGB ergibt sich daraus, dass der Gehilfe seine Pflichten gegenüber dem Geschäftsherrn aus dem Innenverhältnis verletzt hat. Ein bedeutender Anwendungsfall ist die Mangelhaftigkeit der von einem Subunternehmer erbrachten Leistungen (1 Ob 6/19t mwN).

[24] Der Umfang des Regressanspruchs kann niedriger sein, als der Schaden des Geschäftsherrn. Trifft nicht nur den Gehilfen ein Vorwurf, sondern auch den Geschäftsherrn, so ist der Rückgriffsanspruch im Sinn des § 1304 ABGB zu kürzen (Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1313 Rz 4).

[25] 1.2 Ob die Beklagte ihre Pflichten aus dem Innenverhältnis gegenüber der Klägerin überhaupt verletzt hat, muss – wie zu Punkt A.2. gezeigt wurde – noch geklärt werden. Nur für den Fall, dass diese Frage zu bejahen ist, bedarf es einer Auseinandersetzung mit dem Allein- bzw Mitverschuldenseinwand der Beklagten:

[26] Die Ausführungen des Berufungsgerichts, es würden Feststellungen zu dem Thema fehlen, ob und inwieweit die Klägerin kontrolliert hat, ob die Beklagte auch die spätere Unfallstelle geräumt hat, unterstellen – wie die Klägerin zu Recht kritisiert – eine Verpflichtung der Subauftraggeberin zu einer derartigen Kontrolle, ohne eine Rechtsgrundlage dafür aufzuzeigen. Richtig weist die Klägerin darauf hin, dass eine Kontroll- bzw Aufsichtspflicht der Geschäftsherrin gegenüber ihrer Erfüllungsgehilfin in puncto Leistungserbringung dem Subvertrag nicht ohne Weiteres immanent ist.

[27] 1.3 Die Beklagte hat allerdings vorgebracht, es sei von der Geschäftsherrin rechtswidrig gewesen, ihre Erfüllungsgehilfin über Jahre hinweg nicht zu kontrollieren, „wenn von Wegbenützern bereits Beschwerden an die Siedlungsgenossenschaft … [herangetragen wurden], welche auch zur klagenden Partei durchgedrungen sind“.

[28] Damit hat sie besondere Umstände (Beschwerden von dritter Seite) behauptet, unter denen die Klägerin aufgrund vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten im Innenverhältnis ausnahmsweise dazu verpflichtet gewesen sein könnte, der Beklagten gegenüber klarstellend auf die Einhaltung der überbundenen Vertragspflichten zu drängen, nämlich wenn der Klägerin der Irrtum der Beklagten über den Umfang ihrer Räumungsverpflichtung hätte auffallen müssen.

[29] 1.4 Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren – sofern überhaupt eine Vertragsverletzung der Beklagten vorliegt – zu erheben haben, ob Anlass für die Klägerin bestand, wegen des jahrelangen Unterbleibens des Winterdienstes im Bereich der Parkkojen einzuschreiten, was Voraussetzung für eine Minderung des geltend gemachten Regressanspruchs wäre. Von einer Kontrollpflicht der Klägerin außerhalb dieses engen Rahmens kann jedenfalls nicht ausgegangen werden.

Zur Frage der Aufrechnung mit dem Kostenersatzanspruch

[30] 2.1 Richtig führt die zweite Instanz aus, dass auch eine bereits rechtskräftig festgestellte Forderung als Gegenforderung eingewendet werden kann; die Entscheidung darüber hat sich aber auf die dadurch bedingte Tilgung der Klageforderung zu beschränken (RS0041017 [T1]). In einem solchen Fall ist bei Bestehen der Klageforderung (nur) auszusprechen, dass diese durch Aufrechnung mit der Gegenforderung erloschen ist; ein Ausspruch über das „Zurechtbestehen“ der Gegenforderung hat wegen der insofern ohnehin bereits vorliegenden Entscheidung zu unterbleiben (vgl 2 Ob 169/20x mwN). Das ändert nichts daran, dass es sich bei der Aufrechnungseinrede im Prozess um eine bedingte Erklärung handelt, die erst und nur für den Fall wirksam wird, dass eine gerichtliche Entscheidung den Bestand der Hauptforderung bejaht (vgl RS0034013).

[31] Eine „Gegenaufrechnung“, nämlich eine (prozessuale) Aufrechnung des Klägers gegen eine vom Beklagten eingewendete Gegenforderung ist grundsätzlich unzulässig, weil es sich dabei um eine bedingte Klagserweiterung handelt (6 Ob 110/12p mwN). Allerdings kann eine solche „Einrede“ materiell-rechtlich eine zu beachtende Replik, ein zulässiger Gegeneinwand, sein, der bei der Urteilsfällung – wenn auch nicht im Spruch der Entscheidung – erheblich werden kann (Deixler-Hübner in Fasching/Konecny 3 III/2 § 391 ZPO Rz 29; Lindinger, Die Aufrechnungseinrede im Verfahren, immolex 2019, 68 [69]). So kann der Kläger eine aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung auch noch während des Prozesses durch materiell-rechtliche (Gegen-)Aufrechnung mit einer eigenen Forderung tilgen (4 Ob 72/11h).

[32] 2.2 Ausgehend von dieser Rechtslage bedarf es einer Stellungnahme zu den gegen die Gegenforderungins Treffen geführten Argumenten der Klägerin, wonach ihr ein „Regressanspruch“auch in Ansehung der der Beklagten im Vorprozess zugesprochenen Verfahrenskosten zustehe und sie diesbezüglich Kompensation einwende:

[33] Hat der Geschäftsherr seinem Auftraggeber (allein) für die Schlechterfüllung durch seinen Erfüllungsgehilfen einzustehen, dann kann er vom Erfüllungsgehilfen regelmäßig auch die von ihm aufgewendeten Prozesskosten nach den Grundsätzen der Bestimmungen über den Schadenersatz ersetzt begehren. Die Prozesskosten sind eine kausale Folge der Schlechterfüllung durch den Erfüllungsgehilfen; sie sind auch adäquate Schäden, weil sie nicht bloß durch eine außergewöhnliche Verkettung von Umständen bedingt waren (RS0115546).

[34] Der Rückersatzanspruch des Geschäftsherrn gegen den Gehilfen nach § 1313 zweiter Satz ABGB umfasst daher grundsätzlich auch die Verfahrenskosten des verlorenen Prozesses zwischen Drittem und Geschäftsherrn. Der in den Kosten eines Passivprozesses bestehende Schaden ist in den Schutzzweck jener Vertragsnormen einzubeziehen, die den Vertragspartner – insbesondere wenn er davon weiß, dass die Leistung schließlich einem Dritten zugutekommen soll – dazu verpflichten, seine vertraglich geschuldete Leistung ordnungsgemäß zu erbringen (RS0045850 [T12]). Nur die Kosten eines erkennbar aussichtslosen Vorprozesses sind vom schlechterfüllenden Vertragspartner nicht zu ersetzen, weil insofern der Rechtswidrigkeitszusammenhang fehlt (RS0045850 [T5, T10, T13]).

[35] 2.3 Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bringt die Klägerin im Anlassfall einen Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe der Prozesskostenforderung mit der Behauptung, auch diese Kosten seien von der Beklagten verschuldet worden und letztlich zu ersetzen, nicht nachvollziehbar zur Darstellung:

[36] Die Beklagte stand von Anfang auch im Vorprozess auf dem Standpunkt, im Sturzbereich nicht zur Räumung verpflichtet gewesen zu sein, woraus folgt, dass dort nicht geräumt wurde. Demnach war aber für die Klägerin ersichtlich, dass der von der Verunfallten gegen sie geführte Passivprozess wegen Schlechterfüllung der Räumungsverpflichtung, zu der unstrittig zumindest die Klägerin vertraglich verbunden war, insofern nicht zu gewinnen war. Die Kostenforderung der Beklagten gegen die Klägerin aus dem Vorprozess liegt daher nicht (mehr) im Rechtswidrigkeitszusammenhang zur Schlechterfüllung durch die Beklagte. Von einem Rechtsmissbrauch kann dann aber auch nicht die Rede sein.

[37] C. Die Kostenentscheidung beruht angesichts der Erfolglosigkeit der zulässigen Rekurse auf § 52 Abs 1 ZPO (RS0035976; RS0036035).

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