OGH 8Ob65/21y

OGH8Ob65/21y25.6.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Insolvenzsache des Schuldners Mag. G* S*, vertreten durch die Shamiyeh & Reiser Rechtsanwälte GmbH in Linz, über den Revisionsrekurs der R* eGen, *, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Mühllechner, LL.M., Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 11. März 2021, GZ 32 R 14/21s‑64, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 14. Jänner 2021, GZ 26 S 1/18s‑61, ersatzlos aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E132284

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt.

 

Begründung:

[1] Am 9. 1. 2018 wurde über das Vermögen des Schuldners das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet.

[2] In der Tagsatzung vom 4. 8. 2020 wurde der Abschluss des Verwertungsverfahrens festgestellt und der vom Schuldner beantragte Zahlungsplan mit den erforderlichen gesetzlichen Mehrheiten angenommen. Mit Beschluss vom selben Tag wurde der Zahlungsplan bestätigt, dies mit dem Hinweis, dass mit Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses das Schuldenregulierungsverfahren aufgehoben ist.

[3] Am 26. 8. 2020 wurde der Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses und die damit einhergehende Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens in der Insolvenzdatei bekanntgemacht.

[4] Am 27. 11. 2020 wurde der Schuldner vom Landesgericht Linz wegen betrügerischer Krida nach § 156 Abs 1 StGB zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt. Das Urteil erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.

[5] Das Erstgericht sprach mit Beschluss vom 14. 1. 2021 aus, dass der zwischen dem Schuldner und dessen Gläubigern bei der Tagsatzung am 4. 8. 2020 abgeschlossene Zahlungsplan nichtig ist. Es schloss sich rechtlich jenen Lehrmeinungen an, nach denen die Bestimmung des § 158 IO über § 193 Abs 1 Satz 2 IO auch für den Zahlungsplan gilt.

[6] Das Rekursgericht hob über Rekurs des Schuldners mit dem angefochtenen Beschluss diese Entscheidung ersatzlos auf. Es schloss sich der „neuen Meinung“ von G. Kodek (Privatkonkurs2 Rz 430) an, wonach § 158 IO auf den Zahlungsplan nicht anzuwenden ist. Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 30.000 EUR und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels höchstgerichtlicher Judikatur zur Anwendung von § 158 IO auf den Zahlungsplan zu.

[7] Gegen die rekursgerichtliche Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der aus dem Kopf ersichtlichen Gläubigerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses gerichteten Abänderungsantrag.

[8] Dem Schuldner wurde vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Waffengleichheit die Möglichkeit einer Revisionsrekursbeantwortung eingeräumt (vgl RIS‑Justiz RS0118686). Er beantragt, den Revisionsrekurs mangels Beschwer der Revisionsrekurswerberin, die dem Zahlungsplan am 4. 8. 2020 zugestimmt habe, oder mangels Rechtsmittellegitimation analog § 155 IO zurückzuweisen, hilfsweise ihm den Erfolg zu versagen.

[9] Zur Zulässigkeit des Revisionsrekurses und zur Beschwer:

Rechtliche Beurteilung

[10] Nach ständiger Rechtsprechung ist im Insolvenzverfahren grundsätzlich jeder zur Erhebung eines Rechtsmittels befugt, der sich in seinem Recht gekränkt zu sein erachtet. Voraussetzung der Rechtsmittellegitimation ist, dass der Rechtsmittelwerber in seinem Recht verletzt sein kann; ein bloß wirtschaftliches Interesse genügt hingegen nicht (RS0065135; 8 Ob 83/11f [in Punkt 2.]). Es muss ein Eingriff in eine geschützte Rechtssphäre (eine erworbene Rechtsposition) des Rechtsmittelwerbers vorliegen (RS0006497; 8 Ob 12/14v; jüngst 8 Ob 48/18v).

[11] Rechtsmittelgegenständlich ist die Frage der Nichtigkeit des Zahlungsplans des Schuldners und damit dessen Restschuldbefreiung, weshalb die rechtliche Betroffenheit der Revisionsrekurswerberin aufgrund ihrer Gläubigerstellung offenkundig ist (vgl 8 Ob 48/18v). Die Revisionsrekurslegitimation der Gläubigerin ist damit zu bejahen.

[12] Daraus, dass die Revisionsrekurswerberin – wie in der Revisionsrekursbeantwortung vorgetragen – dem Zahlungsplan zugestimmt hat, kann schon deshalb nicht abgeleitet werden, sie sei durch die zweitinstanzliche Entscheidung auf Aufhebung der Nichtigerklärung des Zahlungsplans nicht beschwert, weil die als Nichtigkeitsgrund in Betracht kommende strafgerichtliche Verurteilung des Schuldners wegen betrügerischer Krida der Zahlungs‑plantagsatzung nachfolgte. Dass in der Zahlungsplantag‑satzung – wie ebenso in der Revisionsrekursbeantwortung vorgetragen – eine strafgerichtliche Verurteilung des Schuldners bereits im Raum stand, ändert daran – schon aufgrund von § 8 StPO – nichts.

[13] Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund auch iSd § 528 Abs 1 ZPO zulässig.

[14] Zur Berechtigung des Revisionsrekurses:

[15] I. Zu einer Restschuldbefreiung vermag ein Schuldner im Wege eines Sanierungsplans, eines Zahlungsplans oder eines Abschöpfungsverfahrens zu gelangen. Die IO regelt die Auswirkungen einer Verurteilung wegen betrügerischer Krida auf diese Rechtsinstitute wie folgt:

[16] I.1. Für den Sanierungsplan sieht § 141 Abs 2 Z 2 IO vor, dass der Sanierungsplanantrag unzulässig ist, wenn der Schuldner nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wegen betrügerischer Krida rechtskräftig verurteilt worden ist. Weiters bestimmt für den Sanierungsplan § 158 Abs 1 IO, dass die Verurteilung des Schuldners wegen betrügerischer Krida, wenn sie innerhalb zweier Jahre nach der Bestätigung des Sanierungsplans rechtskräftig wird, für alle Gläubiger den im Sanierungsplan gewährten Nachlass sowie die sonstigen Begünstigungen aufhebt, ohne den Verlust der Rechte nach sich zu ziehen, die ihnen der Sanierungsplan gegenüber dem Schuldner oder dritten Personen einräumt. Nach § 158 Abs 2 Satz 1 IO hat das Insolvenzgericht von Amts wegen oder auf Antrag eines Insolvenzgläubigers die Nichtigkeit festzustellen.

[17] I.2. Nach § 193 Abs 1 Satz 1 IO kann der Schuldner bereits zugleich mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder danach bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens den Abschluss eines Zahlungsplans beantragen. Soweit nichts anderes angeordnet ist, gelten „hiefür“ gemäß Satz 2 leg cit die Bestimmungen über den Sanierungsplan.

[18] Nach § 194 Abs 2 IO ist der Antrag auf Annahme eines Zahlungsplans unzulässig, wenn der Schuldner flüchtig ist (Z 1), oder er trotz Auftrag das Vermögensverzeichnis nicht vorgelegt oder vor dem Insolvenzgericht nicht unterfertigt hat (Z 2), oder der Inhalt des Zahlungsplans gegen die §§ 149 bis 151 IO oder gegen zwingende Rechtsvorschriften verstößt (Z 3), oder vor weniger als zehn Jahren ein Abschöpfungsverfahren eingeleitet wurde (Z 4).

[19] Nach § 195 IO ist dem Zahlungsplan die Bestätigung zu versagen, wenn ein Grund vorliegt, aus dem der Antrag auf Annahme des Zahlungsplans nach § 194 Abs 2 IO unzulässig ist (Z 1), oder die für das Verfahren und die Annahme des Zahlungsplans geltenden Vorschriften nicht beachtet worden sind, es sei denn, dass diese Mängel nachträglich behoben werden können oder nach der Sachlage nicht erheblich sind (Z 2), oder wenn der Zahlungsplan durch eine gegen § 150a IO verstoßende Begünstigung eines Gläubigers zustande gebracht worden ist (Z 3).

[20] Unter der Überschrift „Aufhebung des Insolvenzverfahrens – Nichtigkeit des Zahlungsplans“ bestimmt § 196 Abs 1 IO, dass das Insolvenzverfahren mit Eintritt der Rechtskraft der Bestätigung des Zahlungsplans aufgehoben ist und dass dies gemeinsam mit dem Eintritt der Rechtskraft der Bestätigung in der Insolvenzdatei anzumerken ist. Nach § 196 Abs 2 Satz 1 IO ist der Zahlungsplan nichtig, wenn der Schuldner die Masseforderungen nicht binnen einer vom Gericht angemessen festzusetzenden Frist, die drei Jahre nicht übersteigen darf, zahlt. Die Nichtigkeit des Zahlungsplans tritt nach Satz 2 leg cit erst dann ein, wenn der Schuldner die Masseforderungen trotz Aufforderung unter Einräumung einer mindestens vierwöchigen Nachfrist nicht gezahlt hat. Die Aufforderung hat einen Hinweis auf diese Rechtsfolge zu enthalten (Satz 3 leg cit).

[21] I.3. Nach § 201 Abs 1 Z 1 IO ist der Antrag auf Durchführung des Abschöpfungsverfahrens unter anderem dann abzuweisen, wenn der Schuldner wegen einer Straftat nach § 158 StGB rechtskräftig verurteilt wurde und diese Verurteilung weder getilgt ist noch der beschränkten Auskunft aus dem Strafregister unterliegt. Das Gericht hat die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens nur auf Antrag eines Insolvenzgläubigers abzuweisen (Abs 2 Satz 1 leg cit). Der Insolvenzgläubiger hat den Abweisungsgrund glaubhaft zu machen (Abs 2 Satz 2 leg cit). Nach § 211 Abs 1 Z 1 IO hat das Gericht auf Antrag eines Insolvenzgläubigers das Abschöpfungsverfahren unter anderem dann vorzeitig einzustellen, wenn der Schuldner wegen einer Straftat nach § 158 StGB rechtskräftig verurteilt wurde und diese Verurteilung weder getilgt ist noch der beschränkten Auskunft aus dem Strafregister unterliegt.

[22] II. § 193 Abs 1 Satz 2 IO wird allgemein dahin verstanden, dass die Bestimmungen über den Sanierungsplan nicht nur für den Antrag auf den Abschluss eines Zahlungsplans, sondern – über den Wortlaut („hiefür“) hinausgehend – für das gesamte Zahlungsplanverfahren gelten, soweit in den §§ 193 ff IO „nicht anderes angeordnet ist“ (Konecny, Restschuldbefreiung bei insolventen natürlichen Personen, ÖBA 1994, 911 [915] mwN; Mohr in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze [1998] § 193 KO Rz 5; ohne weitere Erörterung ebenso zB 8 Ob 232/00a; 8 Ob 290/00f; 10 ObS 56/10y; 3 Ob 221/14t; I. Faber in KLS [2019] § 193 IO Rz 4; Jelinek/Zangl/Jaufer, Insolvenzordnung9 [2020] 245). Es gilt zur Entscheidung des vorliegenden Falls zu klären, ob die Vorschrift des § 196 Abs 2 IO (bzw auch jene des § 194 Abs 2 IO) eine solche ist, die als „andere Anordnung“ iSd § 193 Abs 1 Satz 2 IO einer Heranziehung des § 158 IO im Zahlungsplanverfahren entgegensteht. Für diese Thematik sind aus der Literatur (II.1. bis II.8.) und höchstgerichtlichen Rechtsprechung (II.9.) insbesondere folgende Äußerungen von Interesse:

[23] II.1. König (Bedarf die „Privatkonkurs“‑Novelle einer Nachbesserung? ecolex 1995, 252 [253]) ist der Ansicht, dass im Unterschied zum (heute) Sanierungsplan (§ 141 Abs 2 Z 2 IO) beim Zahlungsplan eine Verurteilung wegen betrügerischer Krida den Schuldner nicht unwürdig macht. § 194 Abs 2 IO (KO) schließt seines Erachtens die von § 193 Abs 1 Satz 2 IO (KO) angeordnete Verweisung aus. Auch § 158 IO (KO) ist nach Ansicht Königs beim Zahlungsplan nicht anzuwenden.

[24] II.2. Nach Deixler‑Hübner (Privatkonkurs2 [1996] Rz 144) gelten auch für die Nichtigkeit des Zahlungsplans „die diesbezüglichen Bestimmungen des Zwangsausgleichs (§ 158 KO)“, somit in der Terminologie des IRÄG 2010 die Bestimmungen des Sanierungsplans in § 158 IO.

[25] II.3. Konecny (Lebenslang im Schuldturm? – Zum Streit um die Erleichterung der Restschuldbefreiung, in Rechtswissenschaftliche Fakultät Wien [Hrsg], Juridicum Spotlight Bd I: Armut und Recht [2010] 135 [152 in FN 57]) vertritt unter Hinweis auf § 194 IO (KO) die Ansicht, der Zahlungsplan habe nie den Einleitungshindernissen des § 201 KO (IO) vergleichbare Unwürdigkeitsgründe gekannt.

[26] II.4. Nach Mohr (in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze [1998] § 193 KO Rz 7; ders, Privatinsolvenz3 [2018] Rz 407, 524) kann der Zahlungsplan wie der Sanierungsplan nach § 158 IO nichtig sein. Er begründet dies mit der subsidiären Geltung der Vorschriften des (heute) Sanierungsplanverfahrens im Zahlungsplan‑verfahren nach § 193 IO sowie damit, dass die Kenntnis der Gläubiger von der Verurteilung des Schuldners wegen betrügerischer Krida auf das Abstimmungsverhalten Einfluss haben könnte, zumal bei Ablehnung des Zahlungsplans die Verurteilung wegen betrügerischer Krida, wenn ein bestimmtes Strafmindestausmaß ausgesprochen wurde, nach § 201 Abs 1 Z 1 IO ein Einleitungshindernis für das Abschöpfungsverfahren sei. Eine Verurteilung wegen betrügerischer Krida führe hingegen nicht zur Unzulässigkeit des Zahlungsplanantrags. Ein Wertungswiderspruch zwischen der Behandlung einer bereits vorliegenden und einer erst später ergehenden Verurteilung liege nicht vor, weil es den Gläubigern zustehen soll, einen Zahlungsplan trotz Verurteilung anzunehmen.

[27] II.5. Schneider (Privatinsolvenz3 [2018] 153) lehrt, dass beim Zahlungsplan neben der ausdrücklich genannten Nichtigkeit wegen Nichtzahlung der Masseforderungen der Nichtigkeitsgrund des § 158 IO zur Anwendung komme.

[28] II.6. Desgleichen meinen Jelinek/Zangl/Jaufer (Insolvenzordnung9 [2020] 214 und 249), die Vorschrift des § 158 IO sei „im Zahlungsplanverfahren wohl anwendbar“, und zwar „wohl gemäß § 193 Abs 1 IO“.

[29] II.7.1. G. Kodek (Privatkonkurs1 [2002] Rz 362) vertrat zunächst in Anschluss an Mohr, Deixler‑Hübner und Jelinek die Ansicht, dass die nachträgliche Verurteilung wegen betrügerischer Krida nach § 158 iVm § 193 Abs 1 Satz 2 KO (IO) die Nichtigkeit des Zahlungsplans zur Folge habe. Davon ausgehend trat er mit dem Argument, es sei nicht einzusehen, warum trotz bereits erfolgter Verurteilung ein Zahlungsplan zulässig sein solle, dafür ein, die diesbezügliche Regelung beim Sanierungsplan in (heute) § 141 Abs 2 Z 2 IO über § 193 Abs 1 Satz 2 IO auch für den Zahlungsplan anzuwenden. Der von König gewählte umgekehrte Weg, aus dem Fehlen einer (heute) § 141 Abs 2 Z 2 IO entsprechenden Bestimmung beim Zahlungsplan die Unanwendbarkeit des § 158 IO abzuleiten, sei zwar konsequent, aber mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht zu vereinbaren.

[30] II.7.2. In teilweiser Revidierung dessen nahm G. Kodek (Verfahrensrechtliche Fragen beim Zahlungsplan, ZIK 2004/142 [in FN 12]) hierauf die Ansicht ein, dass zwar die Zulässigkeitsvoraussetzungen in § 194 (heute) IO abschließend geregelt seien und daher – anders als beim (heute) Sanierungsplan (§ 141 Abs 2 Z 2 IO) – eine Verurteilung des Schuldners wegen § 156 StGB dem Abschluss eines Zahlungsplans nicht entgegenstehe. Dies begründete er damit, dass sonst für das Einleitungshindernis des § 201 Abs 1 Z 1 KO (IO) kein Anwendungsbereich bestünde, setze das Abschöpfungsverfahren doch einen zulässigen Zahlungsplan voraus. Daraus folge „aber wohl nicht zwingend, dass auch eine nachträgliche Verurteilung wegen § 156 StGB keine Nichtigkeit des Zahlungsplans (§ 158 KO iVm § 193 Abs 1 KO) zur Folge hat“.

[31] II.7.3. Später führte G. Kodek (Zivilprozess-, Exekutions- und Privatinsolvenzrecht – Praktische Fragen des Zahlungsplans, ÖRPfl 2006 H 1, 68 [72]) demgegenüber aus, dass § 196 Abs 2 KO (IO) richtigerweise wohl als abschließende Regelung anzusehen sei. Das Fehlen einer Nichtigkeitssanktion für den Fall, dass der Schuldner nachträglich wegen betrügerischer Krida verurteilt wird, entspreche dem Fehlen eines entsprechenden Unzulässigkeitsgrundes in § 194 KO (IO).

[32] II.7.4. In neuerer Zeit argumentiert G. Kodek (Privatkonkurs2 [2015] Rz 363 f, 430; Zweifelsfragen beim Zahlungsplan, in Konecny [Hrsg], Insolvenzrecht und Kreditschutz 2015 [2015] 78 f)unter ausdrücklicher Aufgabe seiner gegenteiligen Ansicht in der Vorauflage seines Privatkonkurs-Handbuchs wie folgt: Gegen die Ansicht Königs (siehe oben) könnte eingewendet werden, es sei nicht einzusehen, warum die Verurteilung wegen betrügerischer Krida zwar einem Sanierungsplan (§ 158 IO) und einem Abschöpfungsverfahren entgegenstehen solle, nicht aber einem Zahlungsplan. Allerdings zeige gerade die Regelung im Abschöpfungsverfahren, dass nach dem Willen des Gesetzgebers nicht einmal eine Verurteilung wegen betrügerischer Krida in jedem Fall der Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens entgegenstehen solle, sondern nur dann, wenn ein Gläubiger sich darauf beruft. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass der Gesetzgeber den Zahlungsplan auch in diesem Punkt bewusst als flexibleres Instrument ausgestaltet hat. Die gezielte Übernahme nur einzelner Unzulässigkeitsgründe des § 141 Abs 2 IO für den Zahlungsplan spreche dafür, dass der Gesetzgeber hier für den Zahlungsplan eine „maßgeschneiderte“ Lösung entwickelt habe. Entscheidend sei hier der systematische Zusammenhang mit dem Abschöpfungsverfahren. Das Einleitungshindernis des § 201 Abs 1 Z 1 IO zeige nämlich, dass der Gesetzgeber prinzipiell die Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens trotz Verurteilung wegen betrügerischer Krida als möglich ansehe, sofern kein Gläubiger ein Einleitungshindernis geltend macht. Damit sehe der Gesetzgeber aber die Verurteilung wegen betrügerischer Krida offenbar nicht als Grund für die Unzulässigkeit des Zahlungsplans an, sei doch die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens nur nach Ablehnung eines zulässigen Zahlungsplans möglich. Würde die Verurteilung wegen betrügerischer Krida einen Unzulässigkeitsgrund darstellen, könnte der Schuldner nie die Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens erreichen. § 201 Abs 1 Z 1 IO wäre daher überflüssig. G. Kodek kommt zum Zwischenergebnis, dass die besseren Gründe dafür sprächen, § 141 Abs 2 Z 2 IO nicht auf den Zahlungsplan anzuwenden. Davon ausgehend sei nicht einzusehen, warum zwar eine bereits erfolgte Verurteilung dem Abschluss eines Zahlungsplans nicht entgegenstehe, eine nachträgliche Verurteilung ihn aber zwingend vernichte. Dass die Verurteilung wegen betrügerischer Krida im Abschöpfungsverfahren nur auf Antrag eines Gläubigers wahrzunehmen sei, spreche noch nicht zwingend gegen die Anwendung des § 141 Abs 2 Z 2 IO auf den Zahlungsplan, sondern könnte auch damit zusammenhängen, dass im Zahlungsplan eine Restschuldbefreiung nur mit Zustimmung der Mehrheit der Gläubiger möglich ist und der Gesetzgeber die Restschuldbefreiung mit Zustimmung der Gläubiger geringeren Einschränkungen unterwerfen wollte als diejenige im Abschöpfungsverfahren. Das Fehlen eines Pendants zu § 141 Abs 2 Z 2 IO beim Zahlungsplan könne auch nicht damit erklärt werden, dass der Gesetzgeber die Restschuldbefreiung ermöglichen wollte, wenn die Gläubiger in Kenntnis einer Verurteilung nach § 156 StGB einem Zahlungsplan zustimmen, hingegen bei einer nachträglichen Verurteilung dem mutmaßlichen Willen der Gläubiger durch die Nichtigkeitssanktion Rechnung tragen wollte. Anders als im Abschöpfungsverfahren (§ 200 Abs 2 IO) bestünden beim Zahlungsplan nämlich keine diesbezüglichen Berichtspflichten, sodass die Gläubiger nicht zwingend von der Verurteilung des Schuldners wissen müssten. G. Kodek gelangt zum Ergebnis, dass § 158 IO auf den Zahlungsplan nicht anzuwenden sei. Letztlich sei die Unklarheit Folge der sehr punktuellen und knappen Regelungstechnik des Gesetzes; eine Klarstellung wäre seines Erachtens hier wünschenswert.

[33] II.8. I. Faber (in KLS [2019] § 196 IO Rz 9) schließt sich dieser Ansicht G. Kodeks an. Gegen die Anwendung des § 158 IO beim Zahlungsplan spreche, dass der Unzulässigkeitsgrund des § 141 Abs 2 Z 2 IO (rechtskräftige Verurteilung des Schuldners wegen betrügerischer Krida nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit) im Zahlungsplan nicht zur Anwendung komme, sodass nicht einzusehen wäre, dass zwar eine bereits erfolgte Verurteilung dem Abschluss eines Zahlungsplans nicht entgegenstehe, eine nachträgliche Verurteilung ihn aber zwingend vernichte.

[34] II.9. In der höchstgerichtlichen Rechtsprechung wurde die Auswirkung einer (nachträglichen) Verurteilung wegen betrügerischer Krida bislang allein in der Entscheidung 8 Ob 23/16i behandelt. Diese betraf einen Fall, in welchem gegen die Stimme der späteren dortigen Revisionsrekurswerberin ein Zahlungsplan mit der nötigen Kopf- und Summenmehrheit angenommen und der Zahlungsplan hierauf von der ersten Instanz bestätigt wurde. Die zweite Instanz änderte diesen Beschluss in eine Versagung der Bestätigung ab. Wegen der Unüberschaubarkeit der Vermögensverhältnisse des Schuldners hätte nach deren Beurteilung die Eigenverwaltung entzogen werden müssen. Auch seien einige Forderungsanmeldungen dubios und hätten einer genaueren Prüfung bedurft. Die Nichtbestellung eines Insolvenzverwalters sei unter diesen Umständen ein wesentlicher und nicht behebbarer Verfahrensmangel iSd § 195 Z 2 IO, der zur Versagung der Bestätigung des Zahlungsplans führen müsse.

[35] Der Oberste Gerichtshof stellte den erstinstanzlichen Beschluss mit der Begründung wieder her, dass die von der zweiten Instanz gerügten Mängel nicht rechtzeitig geltend gemacht worden und damit geheilt seien. Der Senat merkte gleichwohl an, dass tatsächlich einige Forderungsanmeldungen den Verdacht einer Manipulation rechtfertigten. Das Erstgericht werde zu entscheiden haben, ob der Verdacht einer vom Schuldner begangenen strafbaren Handlung vorliege und bejahendenfalls nach § 261 Z 3 IO Strafanzeige zu erstatten haben. Dabei verwies der Senat auf die Vorschrift des § 158 Abs 1 IO. Er ließ damit die Ansicht erkennen, dass diese auch im Falle eines Zahlungsplans anwendbar sei.

[36] III. Der Senat hat erwogen:

[37] III.1. Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei § 194 IO um eine „andere Anordnung“ iSd § 193 Abs 1 Satz 2 IO gegenüber den ähnlichen, jedoch – zB in puncto Zulässigkeit eines einerseits Sanierungsplan-, andererseits Zahlungsplanantrags bei Vorliegen einer Verurteilung wegen betrügerischer Krida – nicht inhaltsgleichen Vorschriften in § 141 IO. Folglich gelangt § 141 IO beim Zahlungsplan nicht zur Anwendung (8 Ob 25/11a [Punk 5.2.] = ÖBA 2011/1733 [Kellner]; insofern der E zustimmend Schneider, Bestätigungsvoraussetzungen und Zahlungsplan, ZIK 2011/126 [90]).

[38] Das Vorliegen einer Verurteilung nach § 156 StGB stellt e silentio § 194 Abs 2 IO somit kein Hindernis für die Stellung eines Zahlungsplanantrags dar (dies im Unterschied zu § 141 Abs 2 Z 2 IO beim Sanierungsplan). Diese Ansicht wird soweit ersichtlich nunmehr einhellig auch in der Literatur vertreten (König, ecolex 1995, 253; Mohr, Privatinsolvenz3 Rz 407; G. Kodek, Privatkonkurs2 Rz 363/1 [unter Aufgabe seiner vorherigen abweichenden Ansicht]; I. Faber in KLS § 194 IO Rz 11); an ihr ist festzuhalten.

[39] III.2. Grundlegend anders stellt sich die Frage, ob es sich bei § 196 Abs 2 IO um eine „andere Anordnung“ handelt, die iSd § 193 Abs 1 Satz 2 IO die Vorschrift des § 158 IO ausschließt. Während § 194 Abs 2 IO offensichtlich das Pendant zu § 141 Abs 2 IO darstellt, somit eine „andere Anordnung“ iSd § 193 Abs 1 Satz 2 IO ist, kann dies von § 196 Abs 2 IO in Relation zu § 158 IO nicht gesagt werden. § 196 Abs 2 IO statuiert für einen bestimmten Fall (Nichtzahlung der Masseforderungen) die „Nichtigkeit des Zahlungsplans“, ohne erkennen zu lassen, dass dieser Fall eine „andere Anordnung“ darstellen und deshalb der Nichtigkeitsgrund des § 158 IO (nachträgliche Verurteilung wegen betrügerischer Krida) nicht zur Anwendung gelangen soll. Auch aus der (Teil-)Überschrift des § 196 IO „Nichtigkeit des Zahlungsplans“ kann nicht abgeleitet werden, dass es sich beim Nichtigkeitsgrund nach § 196 Abs 2 IO um den einzigen handeln soll.

[40] Dass im Zahlungsplanverfahren eine bereits vorliegende Verurteilung wegen § 156 StGB die Stellung eines Zahlungsplanantrags nicht hindert, eine nachträgliche solche Verurteilung demgegenüber (aufgrund der über § 193 Abs 1 Satz 2 IO heranzuziehenden Vorschrift des § 158 IO) die Nichtigkeit (iSd § 158 Abs 1 IO) des Zahlungsplans zur Folge hat, stellt keinen Wertungswiderspruch dar. Während eine bereits vorliegende Verurteilung von der Gläubigerschaft bei ihrer Entscheidung, ob sie dem Schuldner den von ihm angestrebten Zahlungsplan gewährt, ins Kalkül gezogen werden kann, ist dies bei einem erst nach Annahme des Zahlungsplans ergehenden Strafurteil nicht möglich. Es ist aber jener demokratische Entschluss der (doppelten) Gläubigermehrheit (Kopf- und Summenmehrheit), der es sachlich rechtfertigt, trotz einer – massiv den Interessen der Gläubiger entgegenstehenden – Verurteilung wegen betrügerischer Krida dem Schuldner die Möglichkeit einer Restschuldbefreiung zu gewähren. Dies ergibt sich aus den Bestimmungen zur betrügerischen Krida im Abschöpfungs‑verfahren, nach denen eine bereits vorliegende Verurteilung der Einleitung des Verfahrens entgegensteht und – wenn nur ein Gläubiger dies beantragt – eine nachträgliche Verurteilung zur vorzeitigen Einstellung des Verfahrens führt. Dadurch wird sichergestellt, dass eine Restschuldbefreiung– abseits des besonderen Falls, dass die Gläubigerschaft sich trotz einer bereits vorliegenden Verurteilung wegen betrügerischer Krida für eine Restschuldbefreiung qua Zahlungsplan entschließt – nur dem redlichen Schuldner zuteil wird (vgl 8 Ob 135/12d [Punkt 2.1.] = EvBl 2013/87 [Posani]; 8 Ob 83/19t [Punkt II.3.2.]; vgl auch Posani, Die Würdigkeit im Abschöpfungsverfahren [2019] 17). Wenn es schon ohne Gläubigerzustimmung zu einer Restschuldbefreiung kommen soll, dann nicht noch unter solchen Bedingungen (so prägnant Posani in EvBl 2013/87).

[41] Die für gerichtliche Verhandlungen im Haupt- und Rechtsmittelverfahren in § 12 Abs 1 StPO vorgesehene Öffentlichkeit ermöglicht, dass Verurteilungen wegen § 156 StGB den Gläubigern nicht verborgen bleiben. Solche Strafverfahren werden wohl auch von den Gläubigerschutzverbänden genau beobachtet. Es ist deshalb naheliegend, dass Gläubiger von einer bereits vorliegenden Verurteilung in der Zahlungsplantagsatzung wissen oder von einer nachträglichen Verurteilung – was auch der vorliegende Fall zeigt – oft innerhalb der zweijährigen Frist des § 158 IO Kenntnis erlangen. Aus dem Fehlen von Berichtspflichten kann nicht abgeleitet werden, das Gesetz nähme es in Kauf, dass im Falle einer erst nachträglichen Verurteilung wegen § 156 StGB der bereits angenommene Zahlungsplan wirksam sei.

[42] III.3. Der Senat schließt sich daher jenen Lehrmeinungen an, nach denen § 158 IO im Wege des § 193 Abs 1 Satz 2 IO auch im Zahlungsplanverfahren gilt.

[43] Es war damit dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der erstinstanzliche Beschluss wiederherzustellen.

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