European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00048.18V.0427.000
Spruch:
I. Der Revisionsrekurs des Treuhänders wird zurückgewiesen.
II. Dem Revisionsrekurs der Gläubigerin wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der abweisende Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Begründung:
Über das Vermögen des Schuldners wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 3. 12. 2004 das Konkursverfahren eröffnet und am 11. 4. 2006 nach Scheitern des angebotenen Zahlungsplans das Abschöpfungsverfahren eingeleitet. Während des Insolvenzverfahrens erhielten die Gläubiger eine Quote von 2,728 %, während des siebenjährigen Abschöpfungsverfahrens eine Quote von 3,50 % ihrer angemeldeten Forderungen.
Mit Beschluss vom 3. 3. 2015 verlängerte das Erstgericht das Abschöpfungsverfahren über Antrag des Schuldners gemäß § 213 Abs 4 IO (aF) um drei Jahre.
Am 25. 10. 2017 stellte der Schuldner den Antrag auf Beendigung des Abschöpfungsverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung nach § 280 IO idF des IRÄG 2017.
Das Erstgericht wies den Antrag mangels der Voraussetzungen des § 280 IO nF ab. Als Grund führte es unter anderem an, dass seit dem 1. 11. 2017 nicht fünf Jahre vergangen seien und eine „aufrechte Abtretungserklärung“ vorliege.
Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Schuldners Folge. Es erklärte das Abschöpfungsverfahren für beendet und sprach aus, dass der Schuldner von den im Verfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Konkursgläubigern befreit sei. Es vertrat dabei die Rechtsansicht, für die Anwendung der neuen – für die Schuldner günstigeren – Rechtslage sei nach der Übergangsbestimmung des § 280 IO (idF IRÄG 2017) das Ablaufen der ursprünglichen (siebenjährigen) Abtretungserklärung hinreichend. Zweck der gesamten Novellierung des Privatinsolvenzrechts durch das IRÄG 2017 sei, dass nach der fünfjährigen Laufzeit einer Abtretungserklärung einem Schuldner jedenfalls die Restschuldbefreiung erteilt werden solle, um damit natürlichen Personen binnen fünf Jahren eine völlige Entschuldung zu ermöglichen. Dieser Zweck und auch eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung einzelner Schuldner könne nur durch eine Gesetzesauslegung im dargelegten Sinne erreicht werden. Für diese Gesetzesauslegung spreche auch der im zweiten Satz des § 280 IO enthaltene Verweis auf die Anwendung des § 213 Abs 1 zweiter bis vierter Satz KO (IO) in der vor dem IRÄG 2017 vorgesehenen Fassung. Der vierte Satz in § 213 Abs 1 KO (IO) sehe mit Eintritt der Rechtskraft eines Beschlusses über die Restschuldbefreiung das automatische Ende des Amtes des Treuhänders und der Wirksamkeit der Abtretungserklärung vor. Letzteres könne sich bei einem Ausspruch nach § 280 IO nur auf die verlängerte (neue) Abtretungserklärung von weiteren drei Jahren beziehen.
Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 30.000 EUR und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob bei § 280 IO nF auf den Ablauf der ursprünglichen Abtretungserklärung oder der Abtretungserklärung im verlängerten Abschöpfungsverfahren abzustellen sei.
Rechtliche Beurteilung
Hiergegen richten sich die Revisionsrekurse des Treuhänders im Abschöpfungsverfahren und einer Gläubigerin, mit denen jeweils die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses begehrt wird.
Der Revisionsrekurs des Treuhänders ist nicht zulässig; jener der Gläubigerin ist zulässig und berechtigt.
Zur Einseitigkeit des Revisionsrekursverfahrens:
Das Rechtsmittelverfahren in Insolvenzsachen ist nach ständiger Rechtsprechung – mit Ausnahme insbesondere des Eröffnungsverfahrens (dazu 8 Ob 282/01f) sowie im Gesetz genannter Spezialfälle, etwa jenem nach § 125 Abs 2 Satz 5 und 6 IO – grundsätzlich einseitig (§ 260 Abs 4 IO; RIS-Justiz RS0116129). Dies gilt auch im Abschöpfungsverfahren (8 Ob 136/12a; 8 Ob 145/15d; 8 Ob 1/17f; 8 Ob 6/18t). Eine Veranlassung, dem Schuldner dennoch die Möglichkeit einer Revisionsrekursbeantwortung einzuräumen (vgl RIS‑Justiz RS0118686), bestand im konkreten Fall nicht, hatte er doch seinen Rechtsstandpunkt bereits in seinem Antrag vom 25. 10. 2017 und in seinem Rekurs gegen den den Antrag abweisenden erstinstanzlichen Beschluss dargelegt (vgl 8 Ob 136/12a).
Zur Zulässigkeit der Revisionsrekurse:
Nach ständiger Rechtsprechung ist im Insolvenzverfahren grundsätzlich jeder zum Rekurs befugt, der sich in seinem Recht gekränkt
zu sein erachtet. Voraussetzung der Rekurslegitimation ist, dass der Rekurswerber in seinem Recht verletzt sein kann; ein bloß wirtschaftliches Interesse genügt hingegen nicht (RIS-Justiz RS0065135; 8 Ob 83/11f [in Punkt 2.]). Es muss ein Eingriff in eine geschützte Rechtssphäre (eine erworbene Rechtsposition) des Rechtsmittelwerbers vorliegen (RIS‑Justiz RS0006497; 8 Ob 12/14v).
Dass die geschützte Rechtsposition eines Insolvenzgläubigers durch die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens und die Gewährung der Restschuldbefreiung beeinträchtigt und dieser damit legitimiert ist, einen solchen Beschluss anzufechten, bedarf keiner weiteren Erklärung, zumal die erteilte Restschuldbefreiung nach § 214 Abs 1 IO gegen alle Insolvenzgläubiger wirkt. An der Rechtsmittellegitimation der Insolvenzgläubigerin T*****aktiengesellschaft ***** ist daher nicht zu zweifeln.
Anderes gilt für den Revisionsrekurs des Treuhänders. Sollte der angefochtene Beschluss in Rechtskraft erwachsen, würde das Amt als Treuhänder ex lege enden (vgl § 211 Abs 5 IO aF und nF sowie § 213 Abs 1 letzter Satz IO aF). Dies stellte aber keinen Eingriff in eine geschützte Rechtsposition des Revisionsrekurswerbers dar, zumal auf das Amt eines Treuhänders kein Rechtsanspruch besteht. Der Amtsverlust des Treuhänders bei Fassung eines Beschlusses wie dem hier angefochtenen unterscheidet sich nicht von jenem eines Insolvenzverwalters bei Insolvenzaufhebung. Dass einem Insolvenzverwalter als solchen kein Rechtsmittel gegen einen Beschluss offensteht, mit dem die Aufhebung des Insolvenzverfahrens ausgesprochen wird (§§ 123 ff IO) oder mit dem ex lege die Insolvenzaufhebung einhergeht (§ 152b Abs 2 IO), ist allgemein anerkannt (vgl RIS‑Justiz RS0065224; RS0065305; 8 Ob 327/98s; Mohr in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 155 KO Rz 7; Kodek, Privatkonkurs2 Rz 401). Einem Insolvenzverwalter steht zwar nach der Rechtsprechung als solchen jedenfalls ein Rekursrecht zu, soweit er konkret gemeinsame Interessen der Insolvenzgläubiger gegenüber Einzelinteressen eines Gläubigers zu vertreten hat (RIS-Justiz RS0065135 [T34]; RS0111422). Ob dies auch für den Treuhänder gilt, obgleich für diesen § 203 Abs 4 IO nicht auf § 81 Abs 2 IO, wonach der Insolvenzverwalter gegenüber den Sonderinteressen einzelner Beteiligter die gemeinsamen Interessen zu wahren hat, verweist, bedarf hier keiner Erörterung. Der angefochtene Beschluss beeinträchtigt die Rechtsstellung aller Insolvenzgläubiger nämlich in gleicher Weise.
Zur Berechtigung des Revisionsrekurses der Gläubigerin:
1. Vorauszuschicken ist, dass bei einer Fristverlängerung nach § 213 Abs 4 IO der Verlängerungszeitraum nicht zwingend nahtlos an die Laufzeit der ursprünglichen Abtretungserklärung anschließt, weil bei Beschuss der Fristverlängerung die Laufzeit der ursprünglichen Abtretungserklärung regelmäßig bereits abgelaufen ist (Mohr in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 213 KO Rz 26; Kodek, Privatkonkurs2 Rz 698). Dies ist auch hier der Fall. Gleichgültig, ob die dreijährige Frist mit Fassung des Verlängerungsbeschlusses oder mit Eintritt von dessen Rechtskraft zu laufen beginnen sollte (vgl Kodek, Privatkonkurs2 Rz 698), war im Zeitpunkt der Fassung der Beschlüsse erster und zweiter Instanz der neue (dreijährige) Abtretungszeitraum noch nicht abgelaufen.
2. Die für das Schuldenregulierungsverfahren maßgeblichen Änderungen der IO durch das IRÄG 2017 traten grundsätzlich mit 1. 11. 2017 in Kraft. Sie sind anzuwenden, wenn das Insolvenzverfahren nach dem 31. 10. 2017 eröffnet wurde oder der Antrag auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens nach diesem Datum bei Gericht eingelangt ist.
Für Abschöpfungsverfahren, die bei Inkrafttreten des Geetzes anhängig waren, gilt nach § 280 IO idF IRÄG 2017 folgende Übergangsreglung:
„Nach Einleitung des Abschöpfungsverfahrens bis zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung ist auf Antrag des Schuldners das Abschöpfungsverfahren zu beenden, wenn die Abtretungserklärung abgelaufen ist oder seit dem 1. November 2017 fünf Jahre der Abtretungserklärung abgelaufen sind. § 213 Abs 1 zweiter bis vierter Satz in der vor dem IRÄG 2017 vorgesehenen Fassung sind anzuwenden.“
3. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats (RIS‑Justiz RS0131932; 8 Ob 6/18t; 8 Ob 5/18w; 8 Ob 20/18t ua) ist eine vorzeitige Beendigung jener anhängigen Verfahren, die vor dem Stichtag nach § 213 Abs 4 IO aF aus Billigkeitsgründen verlängert wurden, in der Übergangsregelung des § 280 IO nicht vorgesehen. Der Antrag nach § 280 IO setzt vielmehr voraus, dass die Abtretungserklärung auch für das verlängerte Verfahren abgelaufen ist (8 Ob 6/18t; 8 Ob 5/18w; 8 Ob 20/18t ua).
4. Nichts anderes ergibt sich aus dem zweiten Satz des § 280 IO nF, der (unter anderem) auf die Anwendung des vierten Satzes des § 213 Abs 1 IO in der vor dem IRÄG 2017 vorgesehenen Fassung verweist, wonach mit Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung die Wirksamkeit der Abtretungserklärung und das Amt des Treuhänders enden. Da es in den Altverfahren, in denen der Abschöpfungszeitraum erst nach dem 1. 11. 2015 begonnen hat, sukzessive zu einer Verkürzung der siebenjährigen Laufzeit der (ursprünglichen) Abtretungserklärung kommt, ist dieser Verweis entgegen der Ansicht des Rekursgerichts keineswegs zwingend auf die für drei Jahre verlängerte (neue) Abtretungserklärung zu beziehen.
Es war daher dem Revisionsrekurs der Insolvenzgläubigerin Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.
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