OGH 8Ob327/98s

OGH8Ob327/98s28.1.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Spenling als weitere Richter im Schuldenregulierungsverfahren der Schuldnerin Jutta B*****, infolge Revisionsrekurses des Masseverwalters Mag. Wilhelm Kuri, Rechtsanwalt in Traun, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 16. Oktober 1998, GZ 15 R 174/98h-20, womit der Rekurs des Masseverwalters gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 19. August 1998, GZ 26 S 47/98d-14 zurückgewiesen und aus Anlaß des Rekurses der Schuldnerin dieser Beschluß als nichtig aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs des Masseverwalters wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit ihren Anträgen vom 8. 4. bzw 8. 5. 1998 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens, die Annahme eines Zahlungsplans und die Durchführung des Abschöpfungsverfahrens mit Restschuldbefreiung. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 12. 5. 1998 wurde über ihr Vermögen das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und ein Masseverwalter bestellt. In diesem Beschluß wurde auch die allgemeine Prüfungstagsatzung für den 4. 8. 1998 anberaumt und darauf hingewiesen, daß ein Antrag auf Annahme eines Zahlungsplans und die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens vorliege, worüber jedoch noch nicht anläßlich der Prüfungstagsatzung, sondern in einer gesonderten Tagsatzung verhandelt werde.

Die Hauptgläubigerin Raiffeisenkasse P***** reg. GenmbH meldete aufgrund eines rechtskräftigen Versäumungsurteils eine Konkursforderung in Höhe von S 425.630,- an und beantragte mit Schriftsatz vom 24. 7. 1998, den Antrag der Schuldnerin auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens abzuweisen, weil diese vor der Kreditvergabe falsche Angaben über ihre Verbindlichkeiten gemacht habe, weshalb das Einleitungshindernis des § 201 Abs 1 Z 4 KO vorliege.

Am 4. 8. 1998 wurde beim Erstgericht die anläßlich der Konkurseröffnung ausgeschriebene "Allgemeine Prüfungstagsatzung und Gläubigerversammlung" abgehalten. Dort erklärte die einzige anwesende Hauptgläubigerin, daß sie gegen den Zahlungsplan stimme. Im Hinblick darauf, daß deren Konkursforderung unbestritten blieb und diese dem Großteil (ca 73 %) der angemeldeten Konkursforderungen ausmacht, hielt das Erstgericht im Tagsatzungsprotokoll fest, daß aufgrund der Höhe der Forderung dieser Gläubigerin eine gesonderte Anberaumung einer Tagsatzung zur Abstimmung (über den Zahlungsplan) nicht mehr erforderlich sei.

Die Schuldnerin gab in dieser Tagsatzung zu dem von der Hauptgläubigerin geltend gemachten Einleitungshindernis an, sie hätte zum damaligen Zeitpunkt keinen genauen Überblick über ihre finanzielle Situation gehabt, jedoch dem Kreditvermittler mitgeteilt, daß der Kredit zur Abstattung von Verbindlichkeiten in Höhe von S 170.000,- verwendet werden solle. Warum letztlich in die Selbstauskunft die Forderungen unvollständig aufgenommen worden seien, wisse sie nicht.

Das Erstgericht wies hierauf den Antrag der Schuldnerin auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens ab, weil die Schuldnerin vor der Kreditvergabe falsche Angaben über ihre Verbindlichkeiten gemacht habe, weshalb das Einleitungshindernis des § 201 Abs 1 Z 4 KO vorliege.

Gegen diesen Beschluß erhoben der Masseverwalter und die Schuldnerin Rekurs.

Das Rekursgericht wies den Rekurs des Masseverwalters mangels Rekurslegitimation als unzulässig zurück und hob aus Anlaß des zulässigen Rekurses der Schuldnerin den angefochtenen Beschluß als nichtig auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; es erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof in beiden Fällen für zulässig und bewertete den Entscheidungsgegenstand jeweils mit einem S 260.000,- übersteigenden Betrag. Der Rekurs sei im erstgenannten Fall zulässig, weil zu der hier relevanten Rechtsfrage, ob einem Masseverwalter im Schuldenregulierungsverfahren gegen den Beschluß, womit ein Antrag des Schuldners auf Durchführung des Abschöpfungsverfahrens abgewiesen werde, Rechtsmittellegitimation zukomme, oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle. Es verneinte eine solche Rechtsmittellegitimation, weil nach seiner Ansicht der Masseverwalter - ähnlich wie bei der Frage der Konkurseröffnung oder Bestätigung eines Zwangsausgleichs (SZ 64/25 ua) - nicht in seiner Rechtsposition verletzt sein könne.

Auch zur Frage, ob eine Entscheidung über den Antrag auf Durchführung des Abschöpfungsverfahrens nichtig sei, wenn zuvor keine Verhandlung und Abstimmung über den Zahlungsplan stattgefunden habe, fehle oberstgerichtliche Rechtsprechung. Das Rekursgericht war der Ansicht, daß durch die Vorgangsweise des Erstgerichts zwingende Vorschriften des § 200 Abs 1 KO verletzt worden seien, die von Amts wegen aufzugreifen seien. Nach § 200 Abs 1 KO sei über den Antrag auf Durchführung des Abschöpfungsverfahrens erst zu entscheiden, wenn einem Zahlungsplan, obwohl er zulässig gewesen sei und die für das Verfahren geltenden Vorschriften beachtet worden seien, die Bestätigung versagt worden sei. Gemäß § 200 Abs 2 KO sei unmittelbar vor Beschlußfassung eine Tagsatzung abzuhalten, die durch Anschlag an der Gerichtstafel bekanntzumachen sei und zu der der Masseverwalter, die Mitglieder des Gläubigerausschusses, die Konkursgläubiger und der Schuldner zu laden seien. Diese Tagsatzung solle mit der Tagsatzung zur Verhandlung und Beschlußfassung über den Zahlungsplan verbunden werden. Im vorliegenden Fall sei im Konkurseröffnungsbeschluß und in dem an der Gerichtstafel angeschlagenen Konkursedikt lediglich eine allgemeine Prüfungstagssatzung und Gläubigerversammlung anberaumt und ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß über den Antrag auf Annahme des Zahlungsplans und Einleitung des Abschöpfungsverfahrens nicht in dieser Tagssatzung, sondern in einer gesonderten Tagssatzung verhandelt werden würde. Es sei tatsächlich weder eine Tagssatzung zur Verhandlung und Beschlußfassung über den Zahlungsplan noch eine im Sinne des § 200 Abs 2 erster Satz KO ordnungsgemäß bekanntgemachte Tagssatzung unmittelbar vor Beschlußfassung über den Antrag auf Durchführung des Abschöpfungsverfahrens anberaumt und abgehalten worden. Durch diesen ungesetzlichen Vorgang sei sowohl der Schuldnerin als auch den übrigen Gläubigern iSd § 477 Abs 1 Z 4 ZPO die Möglichkeit vor Gericht zu verhandeln, entzogen worden. Im vorliegenden Fall habe zwar die einzige bei der allgemeinen Prüfungstagssatzung anwesende Gläubigerin, deren angemeldete Konkursforderung 73 % der gesamten Konkursforderungen betrage, erklärt, daß sie gegen den Zahlungsplan stimme. Eine ordnungsgemäße Anberaumung einer Tagssatzung zur Verhandlung und Beschlußfassung über den Zahlungsplan (§ 193 Abs 1 iVm § 145 Abs 2 KO) sei jedoch nie erfolgt. Es könne daher in der Erklärung der Hauptgläubigerin in der allgemeinen Prüfungstagssatzung keine ordnungsgemäße Abstimmung über den Zahlungsplan, wie sie iSd § 200 Abs 1 KO vor der Entscheidung über den Antrag auf Durchführung des Abschöpfungsverfahrens erforderlich gewesen wäre, erblickt werden. Es sei nicht auszuschließen, daß es bei einer ordnungsgemäßen Tagssatzung zur Verhandlung und Beschlußfassung über den Zahlungsplan, wo etwa auch die Standpunkte anderer Gläubiger eingebracht und dargelegt werden hätten können, auch zu einem anderen Abstimmungsverhalten der Hauptgläubigerin hätte kommen können. Der angefochtene Beschluß sei daher aus Anlaß des zulässigen Rekurses der Schuldnerin von Amts wegen als nichtig aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Durchführung der erforderlichen Verfahrensschritte aufzutragen. Für das fortgesetzte Verfahren wies das Rekursgericht darauf hin, daß die Sache noch nicht spruchreif sei, weil noch ergänzende Feststellungen nötig seien um beurteilen zu können, ob das Einleitungshindernis nach § 201 Abs 1 Z 4 KO vorliege (näheres S 8 des angefochtenen Beschlusses).

Während die Schuldnerin gegen den Aufhebungsbeschluß kein Rechtsmittel einbrachte, erhob der Masseverwalter gegen die Zurückweisung seines Rekurses Revisionsrekus an den Obersten Gerichtshof, begründete die Zulässigkeit seines Rechtsmittels auch näher, stellte aber den an sich verfehlten Antrag, gleich eine Sachentscheidung dahingehend zu treffen, daß der angefochtene Beschluß dahin abgeändert werde, daß dem Antrag der Schuldnerin auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens stattgegeben werde; hilfsweise stellt er auch einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Masseverwalters ist mangels Beschwer im derzeitigen Stand des Verfahrens zurückzuweisen (zur Frage der Zurück- oder Abweisung mangels Beschwer für alle Fasching, ZPR2 Rz 1709 ff mwN); er ist nämlich zwischenzeitig prozessual überholt.

Das Argument des Masseverwalters, daß er die gemeinsamen Interessen der Konkursgläubiger gegenüber Einzelinteressen eines Gläubigers zu wahren habe (§ 81 Abs 2 KO), weshalb ihm bei Verletzung solcher Interessen durch einen gerichtlichen Beschluß ein Rekursrecht zustehe, ist grundsätzlich zutreffend. Den vom Rekursgericht zitierten Fällen, wonach dem Masseverwalter weder gegen den Konkurseröffnungsbeschluß, noch gegen einen Beschluß, womit die Aufhebung des Konkurses ausgesprochen wird, einem Zwangsausgleich die Bestätigung erteilt oder versagt wird, Rekurslegitimation zukommt, ist gemeinsam, daß der Beschluß zu keiner Ungleichbehandlung der Gläubiger führt. Der Masseverwalter brachte aber bereits in seinem - als unzulässig zurückgewiesenen - Rekurs vor, daß die genannte Hauptgläubigerin durch ihren Antrag auf Abweisung der Einleitung des Abschöpfungsverfahrens die Möglichkeit der übrigen Konkursgläubiger auf zumindest teilweise Befriedigung geschmälert habe, weil im Falle exekutiver Verwertung des Einkommens der Gemeinschuldnerin sämtliche im Rang hinter der Hauptgläubigerin stehende Gläubiger keine Befriedigung finden würden. Dem Masseverwalter ist daher zwecks Wahrung der gemeinsamen Interessen der Konkursgläubiger gegen die Abweisung des Antrages der Schuldnerin auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens grundsätzlich Rekurslegitimation zuzuerkennen.

Dennoch muß in der vorliegenden Fallkonstellation der nunmehr erhobene Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zurückgewiesen werden. Dem Masseverwalter fehlt nämlich nunmehr - im Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Revisionsrekurs gegen die Zurückweisung seines Rekurses - die Beschwer, weil zwischenzeitig der angefochtene Beschluß aus Anlaß des Rekurses der Schuldnerin über die Abweisung ihres Antrages auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens und - wie aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses eindeutig hervorgeht - auch das vorangegangene Verfahren über die Abstimmung über den Zahlungsplan (sofern man die Vorgangsweise des Erstgerichts in der Tagssatzung vom 4. 8. 1998 überhaupt als Abstimmung über den Zahlungsplan werten will) von Amts wegen als nichtig aufgehoben und die Insolvenzsache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Durchführung der erforderlichen Verfahrensschritte zurückverwiesen wurde, und dieser Beschluß von der Schuldnerin nicht angefochten wurde und insoweit in Rechtskraft erwachsen ist.

Auch wenn man dem Revisionsrekurs des Masseverwalters Folge gäbe, die Zurückweisung seines Rekurses behöbe und dem Rekursgericht die meritorische Entscheidung über den Rekurs des Masseverwalters auftragen würde, müßte das Rekursgericht aus Anlaß dieses Rekurses das Verfahren auch hinsichtlich des Masseverwalters, der die gemeinsamen Interessen der Konkursgläubiger zu vertreten hat (hinsichtlich des mehrpersonalen Konkursverfahrens und der sich hieraus ergebenden mangelnden Bindungswirkung vgl 8 Ob 139/98v), von Amts wegen als nichtig im oben aufgezeigten Umfang beheben, weil die Ansicht des Rekursgerichtes, es liege wegen Mißachtung der zwingenden Vorschriften des § 200 KO sowie des § 193 Abs 1 iVm § 145 Abs 2 KO eine Verletzung des rechtlichen Gehörs aller nicht ordnungsgemäß zur Tagssatzung geladenen Personen über die Abstimmung über den Zahlungsplan und die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens vor, die eine von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens bewirke, zutreffend ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Masseverwalter die Anberaumung einer Abstimmungstagssatzung wegen der Stimmverhältnisse der Gläubiger für einen unnötigen Verfahrensaufwand hält.

Da es somit im vorliegenden Fall, auch wenn über den Rekurs des Masseverwalters meritorisch entschieden würde, es zu dem ohnedies bereits vorliegenden Ergebnis kommen müßte, ist der Rekurs des Masseverwalters an den Obersten Gerichtshof als nunmehr prozessual überholt zurückzuweisen.

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