OGH 8ObA33/21t

OGH8ObA33/21t25.6.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Mag. Bianca Hammer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Josef Putz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M* K*, vertreten durch Mag. Martin Wakolbinger, Rechtsanwalt in Enns, gegen die beklagte Partei V* Gesellschaft m.b.H. & Co. KG., *, vertreten durch die Edthaler Leitner‑Bommer Schmieder & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen restlich 2.280,19 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. März 2021, GZ 11 Ra 17/21f‑10, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132394

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte teilte in den letzten Jahren jeweils mittels einer Betriebsmitteilung mit, dass das vorangegangene Geschäftsjahr – allenfalls sehr – zufriedenstellend oder positiv gewesen sei und sie sich bei ihrem Personal mit einer Prämie bedanken wolle. Deren Auszahlung erfolge „unverbindlich, einmalig und auf freiwilliger Basis, ohne wie immer geartete Rechtsansprüche für die Zukunft“. Sie stehe nur jenen Mitarbeitern zu, „welche zum Zeitpunkt der Auszahlung in einem aufrechten, ungekündigten Dienstverhältnis stehen und mindestens 6 Monate im vergangenen Geschäftsjahr mitgewirkt haben“. Am 1. 10. 2020 erfolgte eine solche Betriebsmitteilung für das Geschäftsjahr 2019, dies unter Ankündigung, dass die Auszahlung gemeinsam mit dem November‑Entgelt erfolge.

[2] Der Kläger war vom 1. 2. 2019 bis zum 31. 1. 2020 bei der Beklagten angestellt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Arbeitnehmerkündigung. Die Beklagte verweigerte dem Kläger die Auszahlung der Prämie unter Hinweis darauf, dass es an einem unaufgekündigten Dienstverhältnis fehle.

[3] Die Vorinstanzen bestätigten diesen Rechtsstandpunkt. In seiner außerordentlichen Revision bringt der Kläger keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zur Darstellung.

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Ein Arbeitgeber, der sich bei wiederkehrenden Leistungen an seine Arbeitnehmer für die Zukunft nicht binden will, muss einen entsprechenden Vorbehalt erklären (jüngst 8 ObA 5/21z [Rz 24 mwN]). Ein solcher Unverbindlichkeitsvorbehalt weist darauf hin, dass eine Leistung freiwillig und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bzw ohne Einräumung eines Anspruchs auf eine zukünftige Leistungserbringung gewährt wird. Auch durch die wiederholte Gewährung soll kein Rechtsanspruch für die Zukunft entstehen. Es soll dem Arbeitgeber von Fall zu Fall überlassen bleiben, neu zu entscheiden, ob und in welcher Höhe er die Leistung weiter gewähren will (vgl RIS‑Justiz RS0014154 [T31, T36]). Der Unverbindlichkeitsvorbehalt muss ausdrücklich und unmissverständlich erklärt werden (9 ObA 113/08w = DRdA 2011/7 [Schindler] = wbl 2009/178 [Grillberger] = ZAS 2010/51 [Risak]).

[5] Ein solcher Unverbindlichkeitsvorbehalt liegt hier mit aller Deutlichkeit vor. Der Oberste Gerichtshof hat etwa bereits entschieden, dass durch den Vorbehalt, dass eine Prämie freiwillig und unpräjudiziell für die Folgejahre sowie „je nach Lage des Unternehmens“ ausgezahlt werde, das Zustandekommen einer stillschweigenden Vereinbarung über die Auszahlung der Prämie für die Zukunft ausgeschlossen wird (4 Ob 13/81 = Arb 9942; ebenso Marhold in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 16 Rz 26). Die Entscheidungen der Vorinstanzen halten sich auch im Rahmen dieser Rechtsprechung.

[6] 2.1. Nach 9 ObA 101/90 (= ZAS 1992/4 [Pircher]) berechtigt die Freiwilligkeit und Widerruflichkeit der Prämienleistung den Arbeitgeber, für künftige Zeiträume von der Prämiengewährung abzugehen. Bei Zusage einer Prämie für die Erreichung eines Erfolgs in einem bestimmten Zeitabschnitt dürfe er die Prämie aber nach Beginn dieses Zeitraums weder einseitig widerrufen noch die Zahlung von Bedingungen abhängig machen, deren Eintritt ausschließlich in seinem Einflussbereich liege.

[7] 2.2. Ähnlich entschied der Oberste Gerichtshof in 9 ObA 94/91 (= JBl 1992, 737 [Jabornegg]), dass bei einer das Ziel, den Arbeitnehmer zu einer höheren Leistung anzuspornen und seine Motivation zu einem besonderen Einsatz zu unterstützen, verfolgenden erfolgsorientierten Provisionsgewährung eine Vereinbarung, derzufolge der Arbeitgeber durch Ausspruch einer Kündigung den Anspruch des Arbeitnehmers auf bereits verdientes Entgelt vernichten kann, eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen des Arbeitnehmers bewirke.

[8] 2.3. Auch in der zum Fall eines Handelsvertreters, bei dem nach der vertraglichen Regelung die Mandanten‑Bonifikation vom Erreichen bestimmter Mindesteinheiten abhing, ergangenen Entscheidung 8 ObA 72/14t hielt der Oberste Gerichtshof unter Hinweis auf den mit der Entscheidung 9 ObA 101/90 begründeten Rechtssatz RS0028206 fest, es wäre nicht erlaubt, im Fall der Kündigung durch den Agenten das Entstehen der Prämie zusätzlich vom aufrechten Bestand des Vertragsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag abhängig zu machen.

[9] 2.4. Im Unterschied zu diesen Fällen hat – wie vom Berufungsgericht zutreffend erkannt – hier die beklagte Arbeitgeberin nicht – um die Belegschaft bzw konkret den Kläger anzuspornen – vor Beginn eines bestimmten Zeitraums kundgetan, bei Erreichung etwa ganz bestimmter wirtschaftlicher Kennzahlen in diesem eine Prämie oder Provision oder Bonifikation auszuzahlen. Sie hat vielmehr immer erst im Nachhinein – nach einer von ihr pauschal vorgenommenen Beurteilung – das vergangene Geschäftsjahr als zufriedenstellend oder positiv bezeichnet und unter Hinweis darauf erklärt, sich mit der Prämie beim Firmenpersonal zu bedanken, und dies jeweils mit einem Unverbindlichkeitsvorbehalt. Die vorgenannten Entscheidungen sind damit nicht einschlägig.

[10] 3. Soweit sich der Kläger auf den Rechtssatz RS0016661 [T2] beruft, wonach eine Vereinbarung, durch die der Anspruch auf die Treueprämie für das abgelaufene Dienstjahr vom ungekündigten Bestand des Dienstverhältnisses am darauf folgenden Stichtag abhängig gemacht wird, nichtig ist, so unterlässt er eine Auseinandersetzung mit dem von den Vorinstanzen ins Treffen geführten Argument, ihm fehle es gerade an einem „Anspruch“ (vgl auch RS0028232). Die Zulassungsbeschwerde erschöpft sich insoweit unzulässigerweise in der unsubstantiierten Behauptung, die angefochtene Entscheidung weiche von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ab (vgl RS0043654).

[11] 4. Ob ein Vorbringen als erstattet anzusehen ist, hängt nach ständiger Rechtsprechung von den Umständen des Einzelfalls ab und stellt, soweit es sich um keine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung handelt, regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0042828 [T23]). Damit geht auch die Beantwortung der Frage, ob eine im Berufungsverfahren unzulässige Neuerung vorliegt, in ihrer Bedeutung grundsätzlich über den Einzelfall nicht hinaus (RS0042828 [T35]). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe in der ersten Instanz nur behauptet, die Beklagte habe beim Einstellungsgespräch „mit der jährlichen Prämie geworben“, nicht aber, dass es ihm gegenüber eine verbindliche Zusage oder Vereinbarung einer Prämie gegeben hätte, ist vertretbar. Es muss den Parteien selbst überlassen bleiben, die Anspruchsgrundlagen für ihr Begehren darzutun. Da der Kläger sein Begehren auf den – vorausgesetzt, es liegt kein hinreichender Unverbindlichkeitsvorbehalt vor – an sich tragfähigen Rechtsgrund einer betrieblichen Übung stützte, war hier auch keine gerichtliche Erörterung erforderlich, ob sich der anwaltlich vertretene Kläger zusätzlich auf eine individuelle Vereinbarung oder eine verbindliche individuelle Zusage stützen und dazu entsprechend vortragen könnte (4 Ob 2362/96y = RS0037254 [T3]; RS0037052 [T4]; Rassi in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 §§ 182, 182a ZPO Rz 67).

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