Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger war ab 1. 10. 1986 bei der beklagten Partei als Außendienstmitarbeiter beschäftigt und wurde mit Schreiben vom 5. 9. 1988 unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 31. 12. 1988 gekündigt. Im Jänner 1988 wurde von der beklagten Partei die Erfolgsprämienregelung für Gruppenleiter 1988 wie folgt festgesetzt:
1. Dauer 4. 1. 1988 bis 31. 12. 1988
2. Ziele
a) LD Ziele
2. 1. NKS-Bestandszuwachs o.U. S 4,100.000,-
2.5. Ablaufquote maximal 15 %
b) ihre Gruppenziele
2.1. NKS-Bestandszuwachs o.U. S 640.000,-
2.5. maximal Ablaufquote 15 %
3. Honorierung:
3.1. bei Erfüllung Ihres Gruppenzieles gemäß Punkt 2.1,
2.2. und 2.3. S 45.000,-
und zu Punkt 2.5. S 30.000,-
4. Abrechnung: Sie erfolgt aufgrund der zentralen Statistiken und den Auswertungen der LD-Innenorga. Voraussetzung für die Honorierung ist Ihr aufrechtes Dienstverhältnis zum 31. 12. 1988 in ungekündigtem Zustand. Akontierungen werden gegengerechnet. Über die Zuerkennung entscheidet die Landesleitung unter Ausschluß des Rechtsweges.
Die Abrechnung der Erfolgsprämienregelung für Gebietsverkaufsleiter 1987 betreffend den Kläger erfolgte aufgrund der zentralen Statistiken, Ausgangspunkt 31. 12. 1986 bzw. 1. 1. 1987 sowie 31. 12. 1987 und den Auswertungen LD-Innenorga. Der Kläger begehrt die Zahlung einer Erfolgsprämie von 30.000 S sA gemäß der Erfolgsprämienregelung für Gruppenleiter. Er habe das Ziel einer Ablaufquote von maximal 15 % für das Jahr 1988 erreicht und damit die Voraussetzungen für die Gewährung einer Prämie in dieser Höhe erfüllt. Die Beendigung des Dienstverhältnisses durch den Dienstgeber könne diesen Anspruch nicht beeinträchtigen.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Voraussetzung für die Prämie sei nach der Erfolgsprämienregelung der Bestand des ungekündigten Dienstverhältnisses zum 31. 12. 1988. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, da der Kläger bereits am 5. 9. 1988 gekündigt worden sei.
Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers statt. Der Punkt 4 der Erfolgsprämienregelung der beklagten Partei stelle es in das Belieben des Dienstgebers, ob der Anspruch auf Erfolgsprämie tatsächlich entstehe oder ob dies durch die Kündigung des Dienstverhältnisses verhindert werde. Beliebiges Ermessen eines Vertragspartners könne aber nur hinsichtlich nebensächlicher Punkte wirksam vereinbart werden. Als solcher könne die gegenständliche Erfolgsprämienregelung schon angesichts der Höhe des Betrages nicht betrachtet werden. Der Punkt 4 der Erfolgsprämienregelung sei daher gemäß § 879 Abs 1 ABGB nichtig, sodaß dem Kläger der geltend gemachte Betrag zustehe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren ab. Nach der herrschenden Rechtsprechung stehe es dem Dienstgeber grundsätzlich frei, freiwillige Zuwendungen an seine Dienstnehmer an bestimmte Bedingungen zu knüpfen oder auf bestimmte Gruppen von Dienstnehmern zu beschränken, solange er dabei nicht willkürlich und sachfremd unterscheide und damit gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße. Er könne auch Angestellte, die an einem bestimmten Richttag seinem Betrieb nicht mehr angehörten oder bereits in gekündigter Stellung seien, durch eine allgemeine im voraus erlassene Regelung vom Genuß freiwilliger Zuwendungen ausschließen. Auch ein mangels Betonung der Freiwilligkeit der Leistung begründeter Rechtsanspruch der Dienstnehmer auf eine bestimmte Leistung könne nicht über die bisherige Leistung hinausgehen und sei den für freiwillig gewährte Zuwendungen geltenden Beschränkungen unterworfen. Die gegenständliche Erfolgsprämie sei eine freiwillige Leistung, da sie den Gruppenleitern nicht jährlich in gleicher Höhe zuerkannt wurde, sondern für das Jahr 1988 von der Landesdirektion festgelegt worden sei. Da es dem Dienstgeber freistehe, die Bedingungen, unter denen freiwillige Leistungen gewährt würden, festzulegen, sei Punkt 4 der Erfolgsprämienregelung nicht sittenwidrig. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Prämie seien dem Kläger zur Kenntnis gebracht worden. Er habe von vornherein gewußt, daß er mit der Prämie nur rechnen könne, wenn er den Prämienzeitraum in ungekündigtem Zustand hinter sich bringe. Da der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt bereits gekündigt gewesen sei, bestehe das erhobene Begehren nicht zu Recht. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Sinne einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung berechtigt.
Die Frage, ob der Anspruch auf eine leistungsbezogene Prämie durch den Ausspruch einer dienstgeberseitigen Kündigung beseitigt werden kann, ist von erheblicher Bedeutung (§ 46 Abs 1 Z 1 ASGG); die Begründung des Berufungsgerichtes ist durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht gedeckt. Die Revision ist daher zulässig.
Das Berufungsgericht ging bei seiner Entscheidung im
wesentlichen davon aus, daß es sich bei der vom Kläger geltend
gemachten Prämie um eine freiwillige und jederzeit widerrufliche
Leistung des Dienstgebers handelte, auf die kein Rechtsanspruch
bestanden habe. Dafür fehlt jedoch jede Grundlage. Weder aus den
Feststellungen noch aus den vorgelegten Urkunden ergibt sich ein
Anhaltspunkt in dieser Richtung und auch die beklagte Partei hat
sich im Verfahren nicht auf den freiwilligen und widerruflichen
Charakter dieser Leistung berufen. Auch aus dem Parteienvorbringen
kann derartiges nicht abgeleitet werden. Der Inhalt des
Dienstvertrages des Klägers steht nicht fest und es ist ungeklärt,
wie die Prämie in den Dienstvertrag eingebunden war.
Wäre der Anspruch auf die Prämie Gegenstand des Dienstvertrages des Klägers - die jährliche Festlegung der Vorgaberichtlinien stünde einer grundsätzlichen Vereinbarung der Prämienregelung im Dienstvertrag nicht entgegen -, so handelte es sich dabei um ein nach dem Dienstvertrag gebührendes Entgelt, das der Kläger durch seine Tätigkeit während des gesamten Abrechnungszeitraumes verdient hätte. Durch die in den Richtlinien vorgesehene Möglichkeit, durch eine Kündigung des Klägers - unter Umständen auch nach Ablauf eines wesentlichen Teiles eines Kalenderjahres - den Prämienanspruch für das ganze Kalenderjahr zu beseitigen, wäre der beklagten Partei eine einseitige Einflußnahme auf vom Kläger im Rahmen des Dienstverhältnisses bereits erworbene Rechte eingeräumt worden. Wie der Oberste Gerichtshof bereits mit ausführlicher Begründung ausgesprochen hat (9 Ob A 268/89), bewirkt eine Vereinbarung, derzufolge der Dienstgeber durch Ausspruch einer Kündigung den Anspruch des Dienstnehmers auf bereits verdientes Entgelt vernichten kann, eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen des Dienstnehmers, sodaß die Voraussetzungen für die Bejahung der Sittenwidrigkeit erfüllt sind. Eine solche Vereinbarung würde im übrigen auch gegen die gemäß § 40 AngG zwingende Norm des § 16 AngG verstoßen und könnte schon deshalb nicht wirksam vereinbart werden (9 Ob A 177/89; 9 Ob A 268/89).
Diese Grundsätze könnten aber selbst dann nicht unbeachtet bleiben, wenn die Prämie eine freiwillige und widerrufliche Leistung des Dienstgebers gewesen sein sollte, soferne die Prämie als Gratifikation für die Erreichung eines bestimmten Geschäftserfolges durch den Kläger zugesagt worden wäre. Insofern würde sich dieser Fall dann von den vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen Arb. 8806, 9427, 9579 und 9625 unterscheiden, wo die Gewährung der Prämie nicht von der Erfüllung eines bestimmten Leistungszieles durch den Dienstnehmer abhängig war. Voraussetzung für die Gewährung der Prämie war hier nach den Feststellungen, daß eine Ablaufquote von 15 % nicht überschritten werde; die näheren Einzelheiten dieser Regelung stehen nicht fest.
Eine erfolgsorientierte Prämiengewährung verfolgt das Ziel, den Dienstnehmer zu einer höheren Leistung anzuspornen und seine Motivation zu einem besonderen Einsatz zu unterstützen. Wird die Prämie für die Erreichung eines für ein ganzes Geschäftsjahr vorgegebenen Zieles zugesagt, so wird der Dienstnehmer dadurch veranlaßt, seine Kräfte bereits ab Beginn des Jahres in verstärktem Maß einzusetzen, um dieses Ergebnis zu erreichen. Durch die im Dienstvertrag dem Dienstgeber eingeräumte Möglichkeit, durch Kündigung des Dienstnehmers - wie im vorliegenden Fall nach Ablauf eines wesentlichen Teiles dieses Zeitraumes - den Anspruch auf die Prämie für das ganze Jahr zu vernichten, wird dem Dienstgeber eine einseitige Einflußnahme auf den Bezug von vom Dienstgeber bereits erworbenen Rechten eingeräumt, auf die dieser schon die wesentlichen Leistungen erbracht hat. eine solche Gestaltungsmöglichkeit des Dienstgebers ist wegen grober Verletzung rechtlich geschützter Interessen des Dienstnehmers sittenwidrig (§ 879 ABGB). Die Freiwilligkeit und Widerruflichkeit der Prämienleistung berechtigt den Dienstgeber wohl, für künftige Zeiträume von der Prämiengewährung abzugehen. Ist diese jedoch für die Erreichung eines Erfolges in einem bestimmten Zeitabschnitt zugesagt, so darf sie nach Beginn dieses Zeitraumes vom Dienstgeber weder einseitig widerrufen werden noch darf die Zahlung von Bedingungen abhängig gemacht werden, deren Eintritt ausschließlich im Einflußbereich des Dienstgebers liegt.
Im weiteren Verfahren werden die Grundlagen der Prämiengewährung festzustellen und wird zu klären sein, ob der Kläger die Bedingungen der Prämienregelung erfüllt hat.
Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO.
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