OGH 8ObA5/21z

OGH8ObA5/21z3.5.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Dr. Stefula und die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Robert Hauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei C* B*, vertreten durch Mag. Fatma Islekoglu, Rechtsanwältin in Hard, gegen die beklagte Partei Dr. * als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der A* GmbH, *, vertreten durch Dr. Andreas Fritsch und Dr. Ralph Vetter, Rechtsanwälte in Lustenau, wegen 11.967,28 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 17. Dezember 2020, GZ 13 Ra 26/20a-23, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 30. Juni 2020, GZ 36 Cga 82/19s‑16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E132207

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Berufungsurteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt wird, dies mit der Maßgabe, dass Punkt 1. des Urteils des Erstgerichts zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen EUR 11.967,28 samt 8,58 % Zinsen seit 25. 7. 2019 zu bezahlen, dies bei sonstiger Exekution in den Rentenversicherungsvertrag (Pensionsrückdeckungsversicherung) bei der U* AG zu Pol.Nr. 3*.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.303,92 EUR (darin 217,32 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 2.370,29 EUR (darin 156,54 EUR USt und 1.431 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger war seit mindestens dem Jahr 2005 bei der A* GmbH (in der Folge: Arbeitgeberin) beschäftigt. Diese schloss mit ihm als Begünstigtem mit Wirkung vom 1. 1. 2006 eine unwiderrufliche Pensionszusage ab. Diese Pensionszusage ersetzten die Vertragsparteien mit dem – rückwirkend zum 1. 7. 2013 in Kraft getretenen – Betriebspensionsvertrag (Pensionszusage) vom 28. 1. 2014. Beide Pensionszusagen bzw ‑vereinbarungen verfasste die Arbeitgeberin in Zusammenarbeit und mit Unterstützung eines Versicherungsmaklerbüros. Die auf diese Weise fertig ausformulierten Verträge legte sie dem Kläger zur Unterschrift vor. Dieser akzeptierte jeweils die Verträge und unterschrieb sie. Die Vertragsparteien erörterten den Vertragsinhalt nicht miteinander.

[2] Zur Absicherung der Versorgungsansprüche des Klägers aus der betrieblichen Pensionsvereinbarung schloss die Arbeitgeberin als Versicherungsnehmerin im Juli 2014 mit der U* AG (in der Folge: Versicherungsanstalt) einen betrieblichen Lebensversicherungsvertrag (Rentenversicherungsvertrag [Pensionsrückdeckungsversicherung] bei der – exakt – U* G* AG zu Pol.Nr. 3*), in dem der Kläger als Versicherter aufscheint. Die Rechte und Ansprüche aus der Versicherung wurden bis zu einer Versicherungssumme von 36.400 EUR mit den erworbenen Gewinnanteilen zu Gunsten des Klägers verpfändet.

[3] Die im Lebensversicherungsvertrag vorgesehene jährliche Prämie in Höhe von rund 1.500 EUR hat die Arbeitgeberin laufend einbezahlt. Der Kläger selbst leistete keine Direkteinzahlungen an die Versicherungsanstalt. Er verzichtete aber gegenüber der Arbeitgeberin auf 50 EUR brutto (ca 35 EUR netto) monatlich an Gehalt bzw in diesem Umfang auf eine Lohnerhöhung ab 1. 4. 2006.

[4] Die Pensionsvereinbarung vom 28. 1. 2014 lautet auszugsweise wie folgt:

„[…]

Durch die folgende Vereinbarung erteilt die Firma A* GmbH […] im Folgenden Unternehmen genannt, Herrn C* B*, […] im Folgenden Versicherungsberechtigter genannt, unwiderruflich und rechtsverbindlich eine direkte Leistungszusage im Sinn des Betriebspensionsgesetzes (BPG).

§ 1 Zeitlicher Wirkungsbereich

Diese Vereinbarung tritt mit Wirkung vom 1. 7. 2013 in Kraft, sie ersetzt die bisherige Pensionszusage vom 1. 1. 2006, die bisher erworbenen Anwartschaften bleiben ungeschmälert erhalten.

[…]

§ 11 Höhe des Unverfallbarkeitsbetrages

Der Unverfallbarkeitsbetrag wird nach den Vorschriften des BPG errechnet. Sollte die Leistung des Rückdeckungsversicherers, zum Zeitpunkt der Errechnung des

Unverfallbarkeitsbetrages, höher sein als der Unverfallbarkeitsbetrag gem. BPG, kommt dieser zur Anwendung.

[…]

§ 18 Pensionsrückdeckungsversicherung

Zur Finanzierung der Alterspension leistet das Unternehmen, solange das Arbeitsverhältnis aufrecht ist und Anspruch auf Vergütung aus diesem Arbeitsverhältnis besteht, eine jährliche Prämie gemäß § 3 (2).

Zu diesem Zweck hat das Unternehmen einen auf das Leben des Versorgungsberechtigten abgestellten Rentenversicherungsvertrag (Pensionsrückdeckungsversicherung) bei der U* AG […] abgeschlossen.

…“

 

[5] Mit Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 17. 1. 2019 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt. Mit Beschluss vom 29. 1. 2019 wurde die Schließung des Unternehmens angeordnet. Das Dienstverhältnis zwischen dem Kläger und der Schuldnerin endete am 28. 2. 2019 durch gerechtfertigten Austritt gemäß § 25 IO.

[6] Mit Antrag vom 31. 5. 2019 erteilte der Kläger seine Zustimmung zur Kündigung des betrieblichen Lebensversicherungsvertrags und begehrte die Auszahlung der Ansprüche.

[7] Die Schuldnerin stellte als Versicherungsnehmerin am 31. 5. 2019 den Auszahlungsantrag an die Versicherungsanstalt. Es erfolgten noch keine Auszahlungen aus diesem Versicherungsvertrag an die Versicherungsnehmerin.

[8] Die Arbeitgeberin schloss auch mit anderen Mitarbeitern im Betrieb Pensionszusagen ab. Vor Eröffnung des Konkurses zahlte sie jenen Mitarbeitern, deren Arbeitsverhältnisse sie kündigte, jeweils einen Betrag – nach Steuer – aus, den sie aus dem Lebensversicherungsvertrag von der Versicherungsanstalt für den jeweiligen Arbeitnehmer ausbezahlt erhielt. Dieser entsprach jeweils dem Rückkaufswert.

[9] Aufgrund eines vor dem Prozess eingeholten versicherungstechnischen Gutachtens steht unstrittig fest, dass der als Pensionsrückdeckungsversicherung eingesetzte Lebensversicherungsvertrag bei der Versicherungsanstalt einen Unverfallbarkeitsbetrag in Höhe von 10.047,23 EUR und einen Rückkaufswert von 22.014,51 EUR, ermittelt zum Stichtag 28. 2. 2019, ergibt. Die Differenz zwischen diesen beiden Werten beträgt 11.967,28 EUR.

[10] Der Beklagte hat außergerichtlich anerkannt, dem Kläger 10.047,23 EUR abzüglich 125,21 EUR (offene Prämie) zu schulden (nicht klagsgegenständlich).

[11] Der Kläger begehrt mit seiner Klage die – vom Beklagten nicht anerkannte – Differenz zum seiner Beurteilung nach ihm zustehenden Rückkaufswert. Bei der Auslegung des § 11 der Pensionsvereinbarung sei auf die Parteienabsicht abzustellen. Nach den Vorschriften des BPG gebühre dem jeweiligen Arbeitnehmer zwingend der Unverfallbarkeitsbetrag. Auf eine Leistung des Rückdeckungsversicherers komme es nach den gesetzlichen Bestimmungen des BPG nicht an. Hätte die Arbeitgeberin gewollt, dass der Unverfallbarkeitsbetrag zur Anwendung gelangte, hätte sie den zweiten Satz von § 11 der Pensionsvereinbarung weggelassen. Essei nicht möglich, dass der Unverfallbarkeitsbetrag die Leistung aus der Rückdeckungsversicherung jemals übersteige. Der Unverfallbarkeitsbetrag sei immer niedriger als die Leistung aus der Rückdeckungsversicherung. Der zweite Satz der Vertragsbestimmung sei sohin sinngemäß dahingehend zu verstehen, dass die Arbeitgeberin die unverschuldet aus ihrem Unternehmen ausscheidenden Arbeitnehmer besser stellen wollte, als dies nach den Bestimmungen des BPG der Fall sei. Er sei dahingehend zu verstehen, dass dem ausscheidenden Arbeitnehmer jedenfalls die Leistung aus der Rückdeckungsversicherung zustehe. Die Bestimmung in der Pensionszusage sei vor der Konkurseröffnung von der Arbeitgeberin selbst so verstanden worden, sodass jenen Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis gekündigt wurde, der Rückkaufswert aus dem Lebensversicherungsvertrag ausbezahlt wurde. Im Konkursverfahren zu behaupten, dass dem Kläger nur der (niedrigere) Unverfallbarkeitsbetrag zustehe, verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Es gebe keinen Grund, weshalb der Kläger nicht entsprechend der bisher bestandenen betrieblichen Übung den (höheren) Rückkaufswert ausbezahlt erhalten sollte.

[12] Der Beklagte bestritt und beantragte die Abweisung der Klage. Die Textierung der Vertragsbestimmung dass für den Fall, dass die Leistung der Rückdeckungsversicherung höher sein sollte als der Unverfallbarkeitsbetrag, der Unverfallbarkeitsbetrag zum Tragen komme, sei für den Fall formuliert, dass die Leistung des Rückversicherers höher ist als der Unverfallbarkeitsbetrag. Der Umkehrschluss, dass, sollte die Leistung des Rückversicherers niedriger sein als der Unverfallbarkeitsbetrag, die Leistung des Rückversicherers auch zum Tragen kommen sollte, lasse sich aus dem Text der Betriebspensionszusage nicht ableiten. In § 11 der Betriebspensionszusage werde die „Leistung“ des Rückversicherers angeführt und auf den Unverfallbarkeitsbetrag Bezug genommen. Grammatikalisch sei eindeutig der Unverfallbarkeitsbetrag gemeint. Der Begriff Rückkaufswert komme in § 11 nicht vor. Der Vertrag sei von den Versicherungsvertretern verfasst worden, die Bestimmung sei klar. Der Gleichheitsgrundsatz werde durch die richtige Auslegung des Vertragstextes nicht verletzt. Sollten die Rückkaufswerte in früheren Fällen ausbezahlt worden sein, entspreche dies nicht der Vereinbarung. Dem Kläger stehe zusätzlich zum Unverfallbarkeitsbetrag kein weiterer Betrag zu. Die einbezahlten Prämien seien im Unverfallbarkeitsbetrag enthalten. Der Vertragsinhalt der Pensionszusage sei von den Geschäftsführern der Arbeitgeberin mit dem Kläger nicht besprochen worden. Dass der Rückkaufswert maßgeblich sein solle, sei nicht besprochen worden. Vertragsinhalt sei daher der Text der Betriebspensionszusage, der lediglich die Auszahlung des Unverfallbarkeitsbetrags vorgebe.

[13] Das Erstgericht gab der Klage statt. Es ging vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt sowie von folgenden Feststellungen aus: „Mit der Formulierung in § 11 der Pensionszusage wollte die Arbeitgeberin, A* GmbH, klarstellen und zum Ausdruck bringen und war es auch ihr eigenes Verständnis, dass in jenen Fällen, in denen der Rückkaufswert aus dem betrieblichen Lebensversicherungsvertrag höher sein sollte als jener nach den Vorschriften des BPG errechnete Unverfallbarkeitsbetrag, dass dann dem ausscheidenden Arbeitnehmer die Leistung aus dem Rückdeckungsversicherungsvertrag, sohin jener Betrag, den die Versicherung bei vorzeitiger Auflösung an den Versicherungsnehmer ausbezahlt (Rückkaufswert), gebührt und nicht der (niedrigere) Unverfallbarkeitsbetrag.“

[14] Rechtlichführte das Erstgericht aus, aus der Pensionszusage ergebe sich in Verbindung mit dem Umstand, dass Verfasserin des Vertrags die Arbeitgeberin war, sowie deren festgestellten wahren Willen und dem Zweck der Pensionszusage, dass der Kläger Anspruch auf die Leistung des Rückdeckungsversicherers und somit auf die Auszahlung des Rückkaufswerts (22.014,51 EUR brutto) habe.

[15] Das Berufungsgericht änderte das Urteil im klageabweisenden Sinn ab. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen. Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, das drittletzte Wort des zweiten Satzes von § 11 „dieser“ könne grammatikalisch sinnzusammenhängend nur auf den Unverfallbarkeitsbetrag bezogen sein. Der Rückkaufswert bleibe für die meiste Zeit des Bestehens der Versicherung hinter den eingezahlten Prämien zurück. Erst am Ende des Bestehens der Versicherung übersteige der Rückkaufswert den Unverfallbarkeitsbetrag. Bei länger dauernden Vertragsverhältnissen wie jenem des Klägers übersteige daher schon ganz allgemein der Unverfallbarkeitsbetrag den Rückkaufswert der Rückdeckungsversicherung während des längeren Zeitraums der [gemeint:] Laufzeit, wenn sie – wie hier – eine Lebensversicherung darstelle. Daher habe entgegen dem Standpunkt des Klägers der Text der Regelung des § 11 durchaus einen nicht seltenen und auch hier zum Tragen kommenden Anwendungsbereich. Es könne daher nicht damit argumentiert werden, die vorliegende Textierung „dieser“ widerspreche dem BPG bzw dem System der Rückdeckungsversicherung mit einer Lebensversicherung wie im vorliegenden Fall. Für die Auslegung des § 11 komme es nicht darauf an, was die Arbeitgeberin damit zum Ausdruck bringen wollte, sondern darauf, wie diese Formulierung objektiv zu verstehen sei. Ein vom objektiven Erklärungswert des § 11 abweichender natürlicher Konsens liege nicht vor, weil die Arbeitgeberin ihren – vom Erstgericht festgestellten – wahren Willen gegenüber dem Kläger nicht geäußert habe und auch eine Zustimmung des Klägers zu ebendiesem abweichenden Verständnis fehle. Eine Verletzung des vom Kläger angezogenen Gleichbehandlungsgrundsatzes liege nicht vor. Nach 8 ObA 36/10t liege keine solche vor, wenn Arbeitnehmer, die einer einvernehmlichen Regelung vor einem Prozess zugestimmt haben, anders behandelt werden als solche, die den Prozessweg beschritten haben. Daher liege auch im vorliegenden Fall keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vor, wenn Dienstnehmer durch den Arbeitgeber zu Lasten seines Gewinns vor der Insolvenzverfahrenseröffnung anders behandelt werden als durch den Masseverwalter in der Insolvenz, wo der Überschuss aus der Sondermasse des Rückkaufswerts der Pensionsrückdeckungsversicherung in die allgemeine Masse falle. Vielmehr sei eine solche unterschiedliche Behandlung in den unterschiedlichen rechtlichen Regelungen und Konsequenzen außerhalb und während eines Insolvenzverfahrens sachlich gerechtfertigt.

[16] Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu.

[17] Gegen das Berufungsurteil richtet sich die aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene außerordentliche Revision des Klägers mit einem auf Wiederherstellung des Ersturteils gerichteten Abänderungsantrag.

[18] Der Beklagte beantragt in der ihm vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die außerordentliche Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[19] Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil sich das Berufungsgericht mit der vom Kläger in erster Instanz zur Begründung seines Anspruchs auch angezogenen und in der außerordentlichen Revision aufrechterhaltenen betrieblichen Übung nicht befasst hat. Sie ist auch berechtigt.

[20] 1. Eine Pensionszusage ist nach den §§ 914, 915 zweiter Halbsatz ABGB auszulegen (RIS‑Justiz RS0108884 [T3, T4]). Danach sind der Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung und die Absicht der Parteien maßgeblich. Unter der „Absicht der Parteien“ ist die dem Erklärungsgegner erkennbare und von ihm widerspruchslos zur Kenntnis genommene Absicht des Erklärenden zu verstehen (RS0017915 [T27, T31]; 8 ObA 62/09i [Pkt II.1.] mwN).

[21] Der Kläger hatte kein vom Inhalt der Pensionszusage abweichendes Verständnis, die Arbeitgeberin – wie festgestellt – zwar in Hinsicht auf § 11 der Pensionszusage, allein tat sie dieses aber nicht nach außen kund. Damit ist dem Berufungsgericht beizupflichten, dass es hier für die Frage, was vertraglich vereinbart wurde, maßgeblich auf den Wortlaut der Pensionszusage ankommt. Wie ebenso bereits vom Berufungsgericht erkannt ist § 11 Satz 2 der Pensionszusage („Sollte die Leistung des Rückdeckungsversicherers, zum Zeitpunkt der Errechnung des Unverfallbarkeitsbetrages, höher sein als der Unverfallbarkeitsbetrag gemäß BPG, kommt dieser zur Anwendung.“) grammatikalisch eindeutig. „Dieser“ ist maskulin, kann sich damit einzig auf den Unverfallbarkeitsbetrag beziehen. Nach dem objektiven Erklärungswert der Klausel kommt demnach im hier vorliegenden Fall, in dem die Leistung des Rückdeckungsversicherers („Rückkaufswert“) den Unverfallbarkeitsbetrag übersteigt, der Unverfallbarkeitsbetrag zur Anwendung. Allein er wäre nach dem Inhalt der Pensionszusage von der Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer geschuldet. Wie vom Berufungsgericht unter Übernahme der Ausführungen von Schrammel/Kietaibl (BPG2 § 13 Rz 14) dargelegt, ist eine Klausel wie die hier vorliegende auch nicht abwegig.

[22] 2. Ein natürlicher Konsens der Parteien geht dem objektiven Erklärungswert, also auch dem abweichenden Inhalt einer schriftlichen Vertragsurkunde, vor (9 Ob 65/16y [Pkt 4.]). Ein solcher natürlicher Konsens liegt bereits bei übereinstimmendem Verständnis der Parteien vor (4 Ob 143/18k [Pkt 3.2.]). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht der Annahme eines natürlichen Konsenses noch nicht entgegen, dass die Arbeitgeberin ihren vom Erstgericht festgestellten „wahren Willen“ nicht geäußert hat.

[23] Der Kläger hatte kein von der schriftlichen Pensionszusage abweichendes Verständnis. Der vom Urkundeninhalt abweichende „wahre Wille“ der Arbeitgeberin ist nun für ihn freilich einzig vorteilhaft. Wäre das vom Vertragstext abweichende Verständnis der Arbeitgeberin beim Vertragsschluss zur Sprache gekommen, hätte sich der Kläger wohl diesem Verständnis angeschlossen und mit einer entsprechenden Abänderung des Urkundentextes einverstanden erklärt. Daher könnte in Erwägung gezogen werden, hier einen deckungsgleichen wahren Willen des Klägers und damit einen natürlichen Konsens zu fingieren. Die vorliegende Konstellation wurde soweit ersichtlich von Rechtsprechung und Lehre noch nicht behandelt. Sie bedarf aber keiner Vertiefung, weil sich der Anspruch des Klägers auch dann als berechtigt erweist, wenn man mit dem Berufungsgericht einen natürlichen Konsens verneint.

[24] 3.1. Eine vom Arbeitgeber durch regelmäßige, vorbehaltlose Gewährung bestimmter Leistungen an die Arbeitnehmer begründete betriebliche Übung führt, soweit sie seinen Willen, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringt, durch die – gleichfalls schlüssige (§ 863 ABGB) – Zustimmung der Arbeitnehmer zur schlüssigen Ergänzung des Einzelvertrags begünstigter Arbeitnehmer und damit zu einzelvertraglichen Ansprüchen (RS0014539). Ein Arbeitgeber, der sich bei wiederkehrenden Leistungen an seine Arbeitnehmer für die Zukunft nicht binden will, muss einen entsprechenden Vorbehalt erklären (9 ObA 265/93 = DRdA 1994/26 [Kerschner]; Rebhahn in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 §§ 861–864a ABGB Rz 65, 87; Kietaibl, Arbeitsrecht I11 327 ua). Folglich kommt es – bei Fehlen eines solchen Vorbehalts (zu diesem zB Rebhahn aaO Rz 96) – auf das tatsächliche Vorhandensein eines Erklärungswillens auf Seiten des Arbeitgebers nicht an; entscheidend ist, was die Arbeitnehmer bei sorgfältiger Würdigung seinem Erklärungsverhalten entnehmen können bzw welchen Eindruck sie von seinem schlüssigen Verhalten haben durften (RS0014154 [T3]; 9 ObA 108/16x [Pkt 1.]; Schrammel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1152 Rz 33). Hiebei darf der Kollektivbezug der Verpflichtung des Arbeitgebers, bei dem davon auszugehen ist, dass er die betroffenen Arbeitnehmer bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen auch gleich behandeln wollte, nicht übersehen werden. Es ist daher nur objektiv zu prüfen, ob die Arbeitnehmer auf die Verbindlichkeit der Vergünstigung vertrauen durften. Ob jeder einzelne Arbeitnehmer darauf vertraut hat, ist nicht zu prüfen (RS0014489; Obereder in Kozak, ABGB und Arbeitsrecht [2019] §§ 861–864a Rz 26 ua).

[25] Betriebsübungen bedürfen insoweit für ihre einzelvertragliche Wirkung eines erkennbar generalisierenden Prinzips (RS0014539 [T22]). Zu einem konkludenten Anspruchserwerb kann es auch kommen, wenn die Leistung (noch) nicht jedem einzelnen Arbeitnehmer gewährt wurde, sofern dieser nur damit rechnen durfte, die Leistung insbesondere aufgrund der bestehenden „betrieblichen Übung“ unter den gleichen Voraussetzungen zu erhalten wie seine Kollegen (Pfeil in Schwimann/Kodek, ABGB4 V § 1152 Rz 18 mN zur Rspr). So kann eine zu einem konkludenten Anspruchserwerb führende betriebliche Übung vorliegen, wenn der Arbeitgeber Arbeitnehmer nach Erlangung einer bestimmten Qualifikation automatisch besserstellt, etwa wenn bei ihm die Absolvierung einer Fachprüfung ohne Weiteres zur Einstufung als Facharbeiter führt (9 ObA 165/05p). Zu einer betrieblichen Übung kann auch führen, wenn der Arbeitgeber etwa über längere Zeit den Arbeitnehmern eine Leistung in der irrigen Annahme, zu ihr rechtlich verpflichtet zu sein, erbringt, den Arbeitnehmern der Irrtum aber auch bei sorgfältiger Prüfung nicht erkennbar ist (vgl RS0014505 [T1, T4]; Eypeltauer, Vertrauenstheorie und Arbeitsleben, DRdA 1983, 299 f).

[26] 3.2. Damit ist für die Annahme einer betrieblichen Übung im zu entscheidenden Fall zwar ohne Relevanz, dass die Arbeitgeberin bei Eingehen der Pensionszusage gegenüber dem Kläger bzw allenfalls auch anderen Arbeitnehmern den Willen hatte, bei Überschreitung des Unverfallbarkeitsbetrags durch den Rückkaufswert automatisch den letzteren zur Auszahlung zu bringen. Sehr wohl aber kommt es darauf an, dass die Arbeitgeberin ebendieses in der Vergangenheit gegenüber anderen Arbeitnehmern, denen sie eine offenkundig gleiche Pensionszusage gegeben hatte, wiederholt praktizierte. Den Feststellungen ist zwar nicht zu entnehmen, bei wie vielen Arbeitnehmern dies der Fall war. Es kann aber zwanglos von mehreren und von einer generellen Praxis der Arbeitgeberin ausgegangen werden. Diese Praxis durften die Arbeitnehmer in ihrer Gesamtheit – auf das Verständnis eines einzelnen Arbeitnehmers kommt es wie bereits dargestellt nicht an – dahin verstehen, dass die Arbeitgeberin gekündigten Arbeitnehmern stets zumindest jenen Betrag zubilligen will, den sie anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Versicherungsanstalt aus dem jeweils abgeschlossenen Versicherungsvertrag erhält (Rückkaufswert).

[27] Damit hat auch der Kläger wegen einer im Wege des § 863 ABGB (auch) sein Vertragsverhältnis abändernden betrieblichen Übung Anspruch auf den den Unverfallbarkeitsbetrag übersteigenden Rückkaufswert.

[28] Weil sich der Klagsanspruch bereits unter Zugrundelegung der vorliegenden betrieblichen Übung als berechtigt erweist, ist auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsanspruch nicht mehr einzugehen.

[29] 3.3. Nach den Feststellungen wurden die Rechte und Ansprüche aus der Versicherung bis zu einer Versicherungssumme von 36.400 EUR mit den erworbenen Gewinnanteilen zu Gunsten des Klägers verpfändet. Es ist damit von einem wirksamen vertraglich begründeten Absonderungsrecht des Klägers iSd § 48 IO auszugehen. Auf die Frage der Reichweite des von der Rechtsprechung (9 ObA 67/04z; vgl ferner 8 ObA 14/10g = DRdA 2012/38 [Resch]; aus der Literatur zB Maschke/Schneider in Konecny, Insolvenzgesetze [2020] § 48 IO Rz 20 f mwN) in Analogie zu § 11 Abs 1 BPG angenommenen gesetzlichen Absonderungsrechts an der Rückdeckungsversicherung kommt es damit nicht an.

[30] 3.4. Das Klagebegehren ist durch den Zusatz „dies bei sonstiger Exekution in den Rentenversicherungsvertrag (Pensionsrückdeckungsversicherung) bei der U* AG zu Pol.Nr. 3*“ zu verdeutlichen (vgl RS0064068).

[31] 3.5. Das Berufungsurteil war daher dahin abzuändern, dass das – im Ergebnis richtige – klagstattgebende Ersturteil – mit der genannten Maßgabe – wiederhergestellt wird.

[32] Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Der Einheitssatz für die Revision beträgt 50 % (§ 23 RATG).

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