OGH 9ObA165/05p

OGH9ObA165/05p23.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Univ. Doz. Dr. Bydlinski sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Thomas Keppert und Gerhard Prochaska als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Arbeiterbetriebsrat der S***** AG, *****, gegen die beklagte Partei S***** AG, *****, vertreten durch Mag. Wolfgang Kleinhappel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. September 2005, GZ 10 Ra 37/05t-33, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 25. Juni 2004, GZ 18 Cga 26/02b-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Nach herrschender Judikatur kann eine vom Arbeitgeber durch regelmäßige, vorbehaltslose Gewährung bestimmter Leistungen an die Gesamtheit seiner Arbeitnehmer begründete betriebliche Übung zum Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge werden, soweit sie seinen Willen, sich diesbezüglich auf für die Zukunft zu verpflichten, iSd § 863 ABGB unzweideutig zum Ausdruck bringt (RIS-Justiz RS0014539, RS0014543). Entscheidend ist, was die Arbeitnehmer bei sorgfältiger Würdigung dem Erklärungsverhalten entnehmen kann, welchen Eindruck die Arbeitnehmer somit von dem (schlüssigen) Verhalten des Arbeitgebers haben mussten, nicht aber das tatsächliche Vorliegen eines Erklärungswillens auf Seiten des Arbeitgebers (RIS-Justiz RS0014154).

Die Frage, ob im dargestellten Sinne eine Betriebsübung vorliegt, die letztlich zum Inhalt der Dienstverträge der betroffenen Arbeitnehmer wird, und welchen Inhalt sie hat, kann stets nur anhand der konkreten Umstände beantwortet werden, weshalb eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO regelmäßig nicht vorliegt. Dem Berufungsgericht ist auch keine erhebliche Fehlbeurteilung vorzuwerfen, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste.

2. Nach den maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen haben sich im Zeitraum 1988 bis 1996 „rund" achtzehn Arbeiter der Fachprüfung unterzogen, acht davon allein im Jahr 1996, wobei alle von der Beklagten vorbehaltslos als Facharbeiter umgestuft wurden. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen der Auffassung war, die Arbeitnehmer hätten das Verhalten der Beklagten dahin verstehen dürfen, dass die Umstufung lediglich an das Absolvieren der Facharbeiterprüfung, nicht aber darüber hinaus an einen Bedarf an Facharbeitern, geknüpft werde, so kann darin keine bedenkliche Fehlbeurteilung erblickt werden.

Auch der Verweis auf die Formulierung in der im Jahr 1988 abgeschlossenen „freien Betriebsvereinbarung", nach Absolvierung der Facharbeiterprüfung werde im Einvernehmen zwischen Firmenleitung und Arbeiterbetriebsrat die weitere Verwendung der Mitarbeiter festgelegt, zeigt eine derartige Fehlbeurteilung nicht auf, zumal dort keine näheren Kriterien genannt wurden, die die Beklagte berechtigt hätten, im Einzelfall das Einvernehmen zu einer Übernahme als Facharbeiter zu verweigern. Derartige Kriterien (Facharbeiterbedarf) wurden erst für die - vom Feststellungsbegehren nicht erfassten - nach dem 1. 11. 1997 eingetretenen Arbeitnehmer im Zuge der Neuformulierung der entsprechenden Passage in der Betriebsvereinbarung festgelegt.

3. Im Rahmen ihrer Ausführungen zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision vermeint die Beklagte, das Berufungsgericht sei unter anderem auch von der Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Möglichkeit eines Widerrufs einer betrieblichen Übung abgewichen. Die Auffassung, durch die am 20. 11. 1997 vorgenommene Änderung der Betriebsvereinbarung sei ein solcher Widerruf gegenüber den vor dem 1. 11. 1997 in die Dienste der Beklagten getretenen Arbeitnehmer erklärt worden, ist schwer nachvollziehbar. Wenn dort formuliert wurde, Punkt 3 der Betriebsvereinbarung werde einvernehmlich „außer Kraft gesetzt" und durch die nachfolgende Regelung für Neueintritte mit Wirkung vom 1. 11. 1997 ersetzt, kann dies vernünftigerweise doch nur in dem Sinne verstanden werden, dass auch das Außerkraftsetzen der bisherigen Formulierung nur für die neueintretenden Arbeitnehmer Geltung haben solle. Es kann den Streitteilen nicht unterstellt werden, durch die zitierte Bestimmung eine Regelung angestrebt zu haben, die den vor dem genannten Stichtag bereits bei der Beklagten Beschäftigten den Aufstieg vom angelernten Arbeiter zum Facharbeiter überhaupt verwehrt.

Stichworte