OGH 9Ob65/16y

OGH9Ob65/16y26.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. B* R*, vertreten durch die ANWALTGMBH Rinner Teuchtmann in Linz, gegen die beklagte Partei H* H*, vertreten durch Dr. Thomas C. Mair, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wegen Löschung von Pfandrechten (Streitwert: 35.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 19. August 2016, GZ 3 R 90/16z‑19, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichts Wels vom 26. April 2016, GZ 26 Cg 193/15h‑12, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E117335

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wie folgt zu lauten hat:

„Die aufgrund der Beschlüsse des Bezirksgerichts Bad Ischl, jeweils vom 28. August 2013 zu TZ * und TZ * erfolgten Eintragungen im Grundbuch, nämlich ob der der klagenden Partei Dr. B* R*, geboren am *, gehörigen Liegenschaft EZ * Grundbuch * Bezirksgericht *, die Einverleibung der Pfandrechte je für H* H*, geboren am * zu C‑LNR 11 im Betrag von 260.000 EUR samt 3 % Zinsen seit 10. Mai 2013 und Nebengebührensicherstellung in Höhe von 26.000 EUR und zu C‑LNR 12 im Betrag von 150.000 EUR samt 3 % Zinsen seit 10. Mai 2013 und Nebengebührensicherstellung in Höhe von 10.000 EUR, sind unwirksam und zu löschen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 9.294,20 EUR (darin 1.431,20 EUR USt und 707 EUR Barauslagen) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 3.973,24 EUR (darin 571,54 EUR USt und 544 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 3.559,80 EUR (darin 366,30 EUR USt und 1.362 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Auf einer näher bezeichneten Liegenschaft der Klägerin sind zugunsten des Beklagten zwei Pfandrechte einverleibt. Diese fanden ihre Grundlage in zwei zwischen den Parteien abgeschlossenen Pfandbestellungsverträgen vom 10. 5. 2013 und 6. 8. 2013.

Im Pfandbestellungsvertrag vom 10. 5. 2013 ist festgehalten, dass der Beklagte der Klägerin ein Darlehen von 260.000 EUR zugezählt habe, dessen Rückzahlung bereits fällig sei. Zur Sicherstellung dieser Forderungen samt 3 % Zinsen seit 10. 5. 2013 sowie aller Nebenverbindlichkeiten, aller wie immer gearteten Auslagen sowie für die Deckung der übrigen, das gesetzliche Pfandrecht nicht genießenden Verbindlichkeiten bis zum Höchstbetrag von 26.000 EUR bestelle die Klägerin ihre Liegenschaft zum Pfand und stimme der Einverleibung zu. Der zweite Pfandbestellungsvertrag vom 6. 8. 2013 hat einen im Wesentlichen gleichen Inhalt. Er nimmt Bezug auf ein der Klägerin vom Beklagten zugezähltes Darlehen von 150.000 EUR, zu dessen Sicherstellung samt 3 % Zinsen seit 7. 6. 2013 sowie aller Nebenverbindlichkeiten, aller wie immer gearteten Auslagen sowie für die Deckung der übrigen, das gesetzliche Pfandrecht nicht genießenden Verbindlichkeiten bis zum Höchstbetrag von 10.000 EUR die Liegenschaft der Klägerin zum Pfand bestellt wird.

In Wahrheit wollten die Parteien mit diesen Pfandbestellungsverträgen jedoch zum einen nicht Pfandrechte für 260.000 EUR bzw 150.000 EUR, sondern nur für die tatsächlich vom Beklagten bzw einem Dritten als Darlehen übergebenen Beträge vereinbaren, und zum anderen wollten die Parteien die Pfandrechte nicht für zwei Darlehen vereinbaren, die vom Beklagten der Klägerin gewährt, sondern für Geldbeträge, die dem Ehegatten der Klägerin vom Beklagten bzw einem Dritten geliehen worden waren. Dass dem Ehegatten der Klägerin vom Beklagten mehr als 64.000 EUR als Darlehen gegeben wurden, kann nicht festgestellt werden. Ebenso kann nicht festgestellt werden, in welcher Höhe dem Ehegatten der Klägerin von einem Dritten Darlehen gegeben wurden.

Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage die Löschung der im Grundbuch ob ihrer Liegenschaft eingetragenen Pfandrechte. Diese seien unwirksam bzw nichtig, weil die Grundschuld, nämlich Darlehen an die Klägerin, tatsächlich nicht existiere. Eine Geschäftsbeziehung habe zwischen ihr und dem Beklagten nie bestanden.

Der Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass den Pfandbestellungsverträgen offene Forderungen des Beklagten bzw eines Dritten gegenüber dem Ehegatten der Klägerin bzw der Klägerin zugrunde gelegen seien.

Das Erstgericht gab dem Löschungsbegehren teilweise, nämlich beim Pfandrecht C‑LNR 11 im Ausmaß von 196.000 EUR und beim Pfandrecht C‑LNR 12 zur Gänze statt. Das Löschungsmehrbegehren der Klägerin wies es ab. Es vertrat die Auffassung, dass die Pfandbestellungsverträge entsprechend dem festgestellten übereinstimmenden wahren Parteiwillen mit einem vom schriftlichen Text abweichenden Inhalt gültig zustande gekommen seien. Da der dafür beweispflichtige Beklagte das Entstehen einer Forderung aus dem gesicherten Grundverhältnis jedoch nur hinsichtlich des Pfandbestellungsvertrags vom 10. 5. 2013 und nur in Höhe von 64.000 EUR nachweisen habe können, sei das Löschungsbegehren der Klägerin im darüber hinausgehenden Umfang berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht, jener des Beklagten hingegen Folge und wies das gesamte Klagebegehren ab. Den intabulierten Pfandrechten lägen gesicherte Forderungen zugrunde, weil Pfandschuldner und persönlicher Schuldner nicht ident sein müssten. Die hier rechtsgeschäftlich vereinbarte Sachhaftung der Klägerin sei daher zulässig. Die nicht klärbare Höhe der Zahlungsflüsse schlage im Verfahren über die Löschungsklage zum Nachteil der Klägerin aus.

In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision beantragt die Klägerin die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsstattgabe, hilfsweise die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in seiner vom Senat freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision der Klägerin mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision der Klägerin zulässig, weil sich die Beurteilung des Berufungsgerichts als korrekturbedürftig erweist. Dementsprechend ist die Revision der Klägerin auch berechtigt.

1. Voraussetzung für eine Löschungsklage nach §§ 61 ff GBG ist die Verletzung eines im Grundbuch eingetragenen dinglichen Rechts des Klägers (RIS‑Justiz RS0126087; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht 2 § 61 GBG Rz 3 mwN). Materiell unrichtige Einverleibungen, etwa auch des Pfandrechts, berechtigen den eingetragenen Eigentümer daher zur Löschungsklage (RIS‑Justiz RS0124445 [T1]; Rassi, Grundbuchsrecht² Rz 494).

2. Aus § 449 ABGB wird der Grundsatz der Akzessorietät des Pfandrechts abgeleitet. Dies bedeutet, dass ein Pfandrecht ohne Forderung nicht entstehen und fortbestehen kann (RIS‑Justiz RS0011343; Wolkerstorfer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 449 Rz 2). Ist die Forderung nichtig oder anfechtbar, so ist es auch das Pfandrecht (1 Ob 28/15x mwN; Hinteregger in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 449 Rz 2; Koch in KBB4 § 449 ABGB Rz 2).

Wurde eine Hypothek aufgrund eines tatsächlich nicht bestandenen Schuldverhältnisses eingetragen, fehlt es demnach an einem wirksamen Schuldtitel, es besteht daher ein Löschungsanspruch (RIS‑Justiz RS0011340; RS0011336 [T3]; Oberhammer/Domej in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 §§ 449, 450 Rz 5 mwN; Wolkerstorfer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 449 Rz 2; Koch in KBB4 § 449 ABGB Rz 2; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht 2 § 61 GBG Rz 3).

3. Der sogenannte Pfandbestellungs- oder Verpfändungsvertrag (§ 1368 Satz 2 ABGB) hat zum Inhalt, dass der Pfandgeber erklärt, zur Sicherung einer Forderung ein Pfand bestellen zu wollen, und der Pfandnehmer damit übereinstimmend erklärt, dieses als Sicherheit annehmen zu wollen (RIS‑Justiz RS0011356). Der Titel besteht beim rechtsgeschäftlichen Pfandrechtserwerb im sogenannten Pfandbestellungsvertrag (RIS‑Justiz RS0011353). Mit dem Pfandvertrag, der dinglichen Einigung von Pfandbesteller und Pfandnehmer über den Pfanderwerb als Teil ihres Verfügungsgeschäfts, räumt der Schuldner dem Gläubiger das Pfandrecht wirklich ein, was bei unbeweglichen Sachen regelmäßig mit der Eintragung der Hypothek im Grundbuch erfolgt (vgl RIS‑Justiz RS0110559; RS0011353; Koch in KBB4 § 1368 ABGB Rz 2; Oberhammer/Domej in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1369 Rz 2; Mader/W. Faber in Schwimann/Kodek, ABGB4 §§ 1368, 1369 ABGB Rz 8). Auch wenn Pfandbestellungsvertrag und Pfandvertrag in einer Urkunde zusammenfallen, ist der Rechtsgrund der Eintragung der Pfandbestellungsvertrag (RIS‑Justiz RS0060430; Hagleitner in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 26 GBG Rz 40).

4. Neben dem Pfandbestellungsvertrag unterliegt auch der Pfandvertrag grundsätzlich dem allgemeinen Vertragsrecht des ABGB (§ 1369 erster Halbsatz ABGB; Hofmann in Rummel, ABGB3 § 1369 Rz 1; Koch in KBB4 § 1369 ABGB Rz 1; Oberhammer/Domej in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 §§ 1368, 1369 Rz 3). Dementsprechend werden auch die Willenserklärungen, die zum Pfandbestellungsvertrag bzw Pfandvertrag führen, nach den allgemein anerkannten Prinzipien ausgelegt, sodass der natürliche Konsens der Parteien dem objektiven Erklärungswert (also auch dem allfälligen Urkundeninhalt) vorgeht (RIS‑Justiz RS0017811; RS0014005).

Zutreffend haben die Vorinstanzen daher die Rechtsauffassung vertreten, dass die (schuldrechtlichen) Pfandbestellungsverträge keine Darlehen der Klägerin, sondern Darlehen ihres Ehegatten besichern sollten. Es handelt sich somit aus schuldrechtlicher Sicht in Wahrheit um zwei Drittpfandbestellungsverträge, aufgrund derer eine reine Sachhaftung ohne persönliche Haftung besteht (Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 13 GBG Rz 8).

5. Nach ständiger Rechtsprechung wird der Inhalt und Umfang einer Hypothek (§ 448 Satz 2 zweiter Halbsatz ABGB) „objektiv“ ausgelegt (6 Ob 625/93; 3 Ob 285/05s; 7 Ob 6/06t; 3 Ob 48/10w; 3 Ob 96/11f; RIS‑Justiz RS0011353 [T1]; Iro in Apathy/Iro/Koziol, BVR II2 Rz 2/82). Für den Inhalt und Umfang einer Hypothek ist nämlich nur die bücherliche Eintragung in Verbindung mit der Grundbuchsurkunde (§ 26 GBG 1955), regelmäßig der Pfandbestellungsurkunde, maßgeblich. Das Pfandrecht besteht demnach nur zugunsten der im Grundbuch eingetragenen Forderung (RIS‑Justiz RS0060423).

6. Nach dem objektiv auszulegenden Wortlaut der den streitgegenständlichen Pfandrechtseintragungen zugrundeliegenden Pfandbestellungsurkunden umfasst die Hypothek auf der Liegenschaft der Klägerin nur die Besicherung der Rückzahlung (samt Zinsen und Nebengebühren) von Darlehen, die der Klägerin vom Beklagten gegeben wurden. Tatsächlich sollte mit den Pfandbestellungsverträgen vom 10. 5. 2013 und 6. 8. 2013 aber nur die Rückzahlung von Darlehen des Ehegatten der Klägerin gesichert werden. Da aber für den Umfang des erworbenen dinglichen Pfandrechts an der Liegenschaft der Klägerin ausschließlich die dem Intabulationsakt zugrunde liegenden Pfandbestellungsurkunden maßgebend sind, fehlt es an einem – für die materiell richtige Pfandrechtseintragung erforderlichen – korrespondierenden schuldrechtlichen Pfandbestellungsvertrag. Zu einem wirksamen Pfandrechtserwerb des Beklagten war es daher nie gekommen. Da somit bereits im Zeitpunkt der Eintragung der Hypotheken eine materielle Fehlerhaftigkeit der gegenständlichen Pfandrechtseintragungen vorlag, ist das Löschungsbegehren der Klägerin berechtigt.

Der Revision der Klägerin war daher Folge zu geben und dem Klagebegehren – in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen – zur Gänze stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Klägerin gebühren die Kosten ihrer Berufung nur auf Basis eines aliquoten Streitwerts von 5.460 EUR, mit dem sie im erstinstanzlichen Verfahren unterlegen war.

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