OGH 9ObA108/16x

OGH9ObA108/16x29.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon.‑Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martina Rosenmayr‑Khoshideh und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. J*****, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei B*****verein *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 16.724,15 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 7.978,75 EUR brutto) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 23. Juni 2016, GZ 10 Ra 23/16z‑27 , den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00108.16X.0929.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Eine vom Arbeitgeber durch regelmäßige, vorbehaltlose Gewährung bestimmter Leistungen an die Arbeitnehmer begründete betriebliche Übung führt – soweit sie seinen Willen, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringt, durch die – gleichfalls schlüssige (§ 863 ABGB) – Zustimmung der Arbeitnehmer zur schlüssigen Ergänzung des Einzelvertrags jedes begünstigten Arbeitnehmers und damit zu einzelvertraglichen Ansprüchen (RIS-Justiz RS0014539). Betrifft das wiederholte Verhalten nur einen (oder wenige individualisierte Arbeitnehmer), so spricht man von einer Individualübung.

Auf das tatsächliche Vorhandensein eines Erklärungswillens auf Seiten des Arbeitgebers kommt es dabei nicht an; entscheidend ist, was die Arbeitnehmer bei sorgfältiger Würdigung seinem Erklärungsverhalten entnehmen können bzw welchen Eindruck sie von seinem schlüssigen Verhalten haben durften (RIS-Justiz RS0014154). Hiebei darf der Kollektivbezug der Verpflichtung des Arbeitgebers, dem zu unterstellen ist, dass er die betroffenen Arbeitnehmer bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen auch gleich behandeln wollte, nicht übersehen werden. Es ist daher nur objektiv zu prüfen, ob die Arbeitnehmer auf die Verbindlichkeit der Vergünstigung vertrauen durften. Ob jeder einzelne Arbeitnehmer darauf vertraut hat, ist nicht zu prüfen (RIS-Justiz RS0014489).

2. Eine stillschweigende Erklärung im Sinne des § 863 ABGB besteht in einem Verhalten, das primär etwas anderes als eine Erklärung bezweckt, dem aber dennoch auch ein Erklärungswert zukommt, der vornehmlich aus diesem Verhalten und den Begleitumständen geschlossen wird. Nach den von Lehre und Rechtsprechung geforderten Kriterien muss die Handlung – oder Unterlassung – nach der Verkehrssitte und nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer Richtung zu verstehen sein, also den zwingenden Schluss zulassen, dass die Parteien einen Vertrag schließen, ändern oder aufheben wollten. Es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein ganz bestimmter Rechtsfolgewille vorliegt (RIS-Justiz RS0109021).

Die Frage, ob ein eine Betriebs- oder Individualübung begründendes schlüssiges Verhalten vorliegt, kann dementsprechend ebenfalls nur anhand der konkreten Umstände beurteilt werden, weshalb eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO regelmäßig nicht vorliegt (8 ObA 39/07v; 9 ObA 165/05p; 9 ObA 70/04s).

3. Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass die Klägerin Ansprüche auf Sonderzahlungen nicht aus dem Gesetz oder einem Kollektivvertrag ableiten kann. Zur Annahme einer Betriebsübung fehlt es aber schon an einem konkreten Vorbringen zu den Umständen, aus denen eine solche abgeleitet werden könnte, nämlich dass eine Gruppe von Arbeitnehmern, deren Situation mit der der Klägerin vergleichbar ist, Sonderzahlungen ausschließlich auf Grundlage einer betrieblichen Übung erhalten, weshalb die Arbeitnehmer auf die Verbindlichkeit der Vergünstigung vertrauen durften. Tatsächlich ergibt sich aus den Feststellungen, dass die Beklagte Mitarbeiter auf Basis von zwei unterschiedlichen Vertragsgestaltungen beschäftigte, von denen der überwiegende Teil (die Klägerin selbst geht in ihrem Vorbringen von 40 vergleichbaren Fällen aus) keine Sonderzahlungen erhielten. Dass die Zahlungen bei den übrigen nicht auf einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung beruhten, wurde nicht behauptet. Auf eine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungs-grundsatzes beruft sich die Klägerin auch in der Revision ausdrücklich nicht.

Dass das Berufungsgericht vor diesem Hintergrund das Vorliegen einer Betriebsübung verneint hat, ist nicht korrekturbedürftig.

4. Die außerordentliche Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Stichworte