OGH 4Ob108/20s

OGH4Ob108/20s10.12.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin Z***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gottfried Thiery, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beklagten 1. Josephinenhütte GmbH, *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. K***** Z*****, vertreten durch Dr. Andreas Nödl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 350.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Klägerin und jenen der Erstbeklagten jeweils gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 29. Mai 2020, GZ 2 R 32/20w, 2 R 33/20t‑35, womit die Beschlüsse des Landes- als Handelsgericht Krems an der Donau vom 4. März 2020, GZ 33 Cg 4/20a‑11, und vom 12. März 2020, GZ 33 Cg 4/20a‑13, abgeändert wurden, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00108.20S.1210.000

 

Spruch:

I. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Erstbeklagten wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

II. Dem Revisionsrekurs der Klägerin wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung (unter Einschluss der in Rechtskraft erwachsenen Antragsabweisung gegen den Zweitbeklagten) wie folgt lautet:

„Einstweilige Verfügung:

Zur Sicherung des Anspruchs der Klägerin auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen, worauf die Klage gerichtet ist, wird der Erstbeklagten aufgetragen, ab sofort und bis zur Rechtskraft des über den Unterlassungsanspruch ergehenden Urteils zu unterlassen:

d) Wein- und/oder Trinkgläser mit einer irreführenden alten Unternehmenstradition, insbesondere mit dem Hinweis auf ein Gründungsdatum im 19. Jahrhundert oder durch Zusatz Gründung 1842 oder durch Zusatz est 1842 oder mit sinngleichen irreführenden Angaben anzubieten und/oder zu vertreiben und/oder durch Dritte anbieten und/oder durch Dritte vertreiben und/oder durch Dritte bewerben zu lassen;

e) Wein- und/oder Trinkgläser durch Vortäuschen, eine eigene Glasproduktion oder Manufaktur zu haben oder zu betreiben, insbesondere durch Verwendung der Wörter Glashütte oder Manufaktur auf der Website www.j*****, anzubieten und/oder zu vertreiben und/oder durch Dritte anbieten und/oder durch Dritte vertreiben und/oder durch Dritte bewerben zu lassen;

f) Wein- und/oder Trinkgläser unter Verwendung von Videos oder Fotos, die eine eigene Glasproduktion der Erstbeklagten vortäuschen, mit oder ohne Bezugnahme auf Josephinenhütte, anzubieten und/oder zu vertreiben und/oder durch Dritte anbieten und/oder durch Dritte vertreiben und/oder durch Dritte bewerben zu lassen.

Das Sicherungsmehrbegehren,

1. der Erstbeklagten werde verboten,

a) Wein- und/oder Trinkgläser mit der irreführenden Herkunftsbezeichnung Josephinenhütte anzubieten und/oder zu vertreiben und/oder durch Dritte anbieten und/oder durch Dritte vertreiben und/oder durch Dritte bewerben zu lassen;

b) Wein- und/oder Trinkgläser mit der Verwendung der irreführenden grafischen Gestaltung

anzubieten und/oder zu vertreiben und/oder durch Dritte anbieten und/oder durch Dritte vertreiben und/oder durch Dritte bewerben zu lassen;

c) Wein- und/oder Trinkgläser mit Verwendung der Website www.j***** und dem keyword Josephinenhütte anzubieten und/oder zu vertreiben und/oder durch Dritte anbieten und/oder durch Dritte vertreiben und/oder durch Dritte bewerben zu lassen;

2. dem Zweitbeklagten werde verboten, Fotos oder Videos, die eine eigene Glasproduktion der Erstbeklagten vortäuschen, für die Website der Erstbeklagten sowie für andere Plattformen, wie insbesondere Youtube, zur Verfügung zu stellen oder bei der Herstellung derartiger täuschender Fotos oder Videos mitzuwirken, wird abgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, dem Zweitbeklagten an Äußerungskosten erster Instanz 335,64 EUR (darin 55,94 EUR USt) sowie an Rekurskosten 392,76 EUR (darin 65,46 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Klägerin hat im Verfahren gegen die Erstbeklagte die Hälfte ihrer Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen vorläufig und die andere Hälfte endgültig selbst zu tragen.

Die Klägerin ist schuldig, der Erstbeklagten binnen 14 Tagen einen mit 2.543,80 EUR bestimmten Anteil an deren Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen.“

 

Begründung:

[1] Die Klägerin vertreibt im In- und Ausland Trinkgläser, insbesondere hochwertige Weingläser.

[2] Die Erstbeklagte hat die Bezeichnung Josephinenhütte im Firmenwortlaut. Sie ist eine im Jahr 2019 in Berlin registrierte GmbH, die ebenfalls solche Gläser unter anderem in Österreich, etwa auf ihrer Website, zum Verkauf anbietet. Der Zweitbeklagte ist zu 5 % an der Erstbeklagten beteiligt. Er agiert als deren „front man“ und künstlerischer Leiter. Er hat in Niederösterreich eine (relativ kleine) sogenannte Waldglashütte. Die Erstbeklagte verfügt über keine eigene Werkstätte, keine Produktionsmittel oder Werkzeuge für eine Manufaktur von Glas und kauft kein Rohmaterial für Glas ein. Sie beschäftigt keine Glasbläser.

[3] Josephinenhütte ist auch die Bezeichnung einer historischen Glashütte und Glasmanufaktur, die Mitte des 19. Jahrhunderts in Schlesien (heute Polen) gegründet wurde. Sie steht zur Erstbeklagten in keiner Verbindung. Dennoch wirbt die Erstbeklagte auf ihrer Website mit „Wiederbeleben einer Tradition“, „Josephinenhütte – est. 1842“, „Die spannende Vergangenheit der Josephinenhütte – Unsere Geschichte“.

[4] Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragte die Klägerin die Erlassung der einstweiligen Verfügung,

1. der Erstbeklagten werde verboten,

a. Wein- und/oder Trinkgläser mit der irreführenden Herkunftsbezeichnung „Josephinenhütte“ anzubieten und/oder zu vertreiben und/oder durch Dritte anbieten und/oder durch Dritte vertreiben und/oder durch Dritte bewerben zu lassen;

b. Wein- und/oder Trinkgläser mit der Verwendung der irreführenden graphischen Gestaltung

anzubieten und/oder zu vertreiben und/oder durch Dritte anbieten und/oder durch Dritte vertreiben und/oder durch Dritte bewerben zu lassen;

c. Wein- und/oder Trinkgläser mit Verwendung der Website www.j ***** und dem keyword „Josephinenhütte“ anzubieten und/oder zu vertreiben und/oder durch Dritte anbieten und/oder durch Dritte vertreiben und/oder durch Dritte bewerben zu lassen;

d. Wein- und/oder Trinkgläser mit einer irreführenden alten Unternehmenstradition, insbesondere mit dem Hinweis auf ein Gründungsdatum im 19. Jhdt. oder durch Zusatz „Gründung 1842“ oder durch Zusatz „est 1842“ oder mit sinngleichen irreführenden Angaben anzubieten und/oder zu vertreiben und/oder durch Dritte anbieten und/oder durch Dritte vertreiben und/oder durch Dritte bewerben zu lassen;

e. Wein- und/oder Trinkgläser durch Vortäuschen, eine eigene Glasproduktion oder Manufaktur zu haben oder zu betreiben, insbesondere durch Verwendung der Wörter „Josephinenhütte“, „Glashütte“ oder „Manufaktur“ auf der Website www.j*****, anzubieten und/oder zu vertreiben und/oder durch Dritte anbieten und/oder durch Dritte vertreiben und/oder durch Dritte bewerben zu lassen;

f. Wein- und/oder Trinkgläser unter Verwendung von Videos oder Fotos, die eine eigene Glasproduktion der Erstbeklagten vortäuschen, mit oder ohne Bezugnahme auf „Josephinenhütte“, anzubieten und/oder zu vertreiben und/oder durch Dritte anbieten und/oder durch Dritte vertreiben und/oder durch Dritte bewerben zu lassen;

2. dem Zweitbeklagten werde verboten, Fotos oder Videos, die eine eigene Glasproduktion der Erstbeklagten vortäuschen, für die Website der Erstbeklagten sowie für andere Plattformen, wie insbesondere youtube, zur Verfügung zu stellen oder bei der Herstellung derartiger täuschender Fotos oder Videos mitzuwirken.

 

[5] Die Erstbeklagte verfüge über keine eigene Glaserzeugung in Form einer Glashütte oder Glasmanufaktur, sie täusche durch einen Bezug auf eine im Jahr 1842 in Schlesien gegründete Glashütte. Sie verfüge auch über keine Infrastruktur zur Herstellung von Weingläsern, schon gar nicht von mundgeblasenen Weingläsern, sie habe keine eigene Werkstätte, keine Produktionsmittel oder Werkzeuge für eine Manufaktur von Glas. Die Erstbeklagte verwende somit irreführende Angaben über geschäftliche Verhältnisse, indem sie eine irreführende Marke sowie eine irreführende Herkunftsbezeichnung verwende, und zwar durch Bezugnahme auf das ehemals in Schlesien gelegene Unternehmen „Glashütte Josephinenglas von 1842“, das Glas erzeugt habe. Sie verweise irreführend auf eine alte Unternehmenstradition, obwohl es sich um eine erst kürzlich gegründete GmbH handle. Mit ihren Videos und Fotos täusche sie eine eigene Glasproduktion vor. In Wahrheit sei die vom Zweitbeklagten unterstützte Erstbeklagte nicht Betreiberin einer Glashütte, sondern handle bloß mit Gläsern, ohne sie auch zu erzeugen.

[6] Die Beklagten wendeten ein, die Bezeichnung Josephinenhütte werde nicht irreführend verwendet. Die Erstbeklagte sei Berechtigte der eingetragenen Firma dieses Namens, einer (oben abgebildeten) entsprechenden Wortbildmarke sowie der Nutzung des Glashüttenbetriebs des Zweitbeklagten, wobei die Serienfertigung der beworbenen, handgefertigten und mundgeblasenen Weingläser allerdings andernorts erfolge. Die an Trinkgläsern interessierten Verkehrskreise legten keinen Wert darauf, an welchem Ort die Glaserzeugung stattfinde. Josephinenhütte sei auch keine geografische Bezeichnung. Es gehe um die Wiederbelebung einer alten Tradition, die in Schlesien mit der historischen Josephinenhütte ihren Anfang genommen habe. Die Erstbeklagte stelle sich nicht als Nachfolgerin der ursprünglichen Josephinenhütte dar. Weder im Gesamtzusammenhang noch bei isolierter Betrachtung bestehe eine Irreführungseignung.

[7] Das Erstgericht erließ gegen beide Beklagten die beantragten einstweiligen Verfügungen. Es nahm folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Die Erstbeklagte verwendet die Wortbildmarke und das Schlagwort Josephinenhütte auf der Website. Sie beschreibt darin, dass jedes Glas in einer Vielzahl von Arbeitsschritten in Handfertigung entstehe. Sie verwendet auf der Website alte, vergilbte Fotos mit arbeitenden Männern in einem Betrieb unterhalb des Textes „Josephinenhütte – est. 1842“. Der Zweitbeklagte unterstützt die Erstbeklagte durch die Erstellung von Fotos und Videos, angefertigt in dem von ihm betriebenen Unternehmen Waldglashütte, wodurch der Eindruck einer eigenen Glasproduktion in Form von handgefertigten und mundgeblasenen Gläsern durch die Erstbeklagte erweckt wird, obwohl sie bloß mit trinkrelevanten Gläsern handelt. Der Zweitbeklagte wirkt an der Herstellung derartiger Gläser mit. Die Erstbeklagte verfügt über keine eigene Werkstätte, keine Produktionsmittel oder Werkzeuge für eine Manufaktur von Glas und kauft kein Rohmaterial für Glas ein. Sie beschäftigt keine Glasbläser. Mit der Waldglashütte des Zweitbeklagten kann keine Serienfertigung von handgefertigten und mundgeblasenen Gläsern vorgenommen werden.

 

[8] Rechtlich beurteilte das Erstgericht das Handeln der Beklagten als unlautere Irreführung. Mit den auf der Website vorhandenen Bildern, den Schlagworten Josephinenhütte, Glashütte, Manufakturware und est. 1842 täusche die Erstbeklagte die Fortsetzung der Produktion einer Glashütte vor, obwohl keine Fortsetzung des Unternehmens vorliege, sondern ein völlig neu gegründetes Unternehmen, das im Wesentlichen nur mit Glaserzeugnissen handle.

[9] Das Rekursgericht wies das Sicherungsbegehren gegen den Zweitbeklagten ab. Der Erstklägerin trug es – unter Umformulierung und Zusammenfassung der Begehren – auf,

ab sofort und bis zur Rechtskraft des über den Unterlassungsanspruch ergehenden Urteils zu unterlassen, sei es selbst oder durch einen Dritten, beim Bewerben, Anbieten und Vertreiben von Wein- und/oder Trinkgläsern durch Bezugnahme auf das historische schlesische Unternehmen „Josephinenhütte“ oder auf sinngleiche Weise den irrigen Eindruck zu erwecken, bei der Erstbeklagten bestünde eine langjährige Glashütten- und/oder Glasmanufaktur-Tradition, insbesondere die Erstbeklagte stünde im Zusammenhang mit der Historie (Gründungsjahr 1842) und/oder dem Produktionsbetrieb (Glashütte/Manufaktur) jener schlesischen „Josephinenhütte“.

 

und wies das Mehrbegehren,

insbesondere der Erstbeklagten werde beim Bewerben, Anbieten und Vertreiben von Wein- und/oder Trinkgläsern ganz allgemein verboten, „Josephinenhütte“ als Herkunftsbezeichnung, die grafische Gestaltung

und die Website „www.j*****“ samt keyword „Josephinenhütte“ zu verwenden,

 

ab. Den Wert des Entscheidungsgegenstands bemaß das Rekursgericht mit 30.000 EUR übersteigend und den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für nicht zulässig.

[10] Die Ausführungen auf der Website über ein „Wiederbeleben einer Tradition“ bewirkten keine ausreichend wahrnehmbare Richtigstellung des geradezu ins Auge springenden Gesamteindrucks, dass ein unmittelbarer Bezug zu jenem historischen schlesischen Unternehmen bestehe, an das die Erstbeklagte wie auch immer auf eine modernisierte Weise unternehmerisch anknüpfe. Die Erstbeklagte erwecke mit ihren Texten und Gestaltungsmerkmalen den täuschenden Eindruck, sie verfüge über einen von der historischen schlesischen Josephinenhütte herleitbaren traditionellen Glashütten- und Glasmanufakturbetrieb. Dies führe zur grundsätzlichen Berechtigung der Verbote zu den Punkten d. (Vortäuschen einer alten Unternehmenstradition) und e. (Vortäuschen einer eigenen Glasproduktion oder Manufaktur). Allerdings habe eine zergliedernde Betrachtung zu unterbleiben. Hier gehe es nicht um zwei unterschiedliche Werbebotschaften, wonach die Erstbeklagte einerseits eine Art Nachfolgerin des historischen Unternehmens sei, und andererseits – davon gänzlich unabhängig – über eine gleichartige eigene Glasproduktion oder Manufaktur verfüge. Der Leser entnehme dem Werbeauftritt vielmehr die einheitliche Botschaft, dass die Erstbeklagte ganz generell an jenes historische Unternehmen, also an dessen Unternehmenstradition einschließlich gerade auch dessen Produktions-Infrastruktur, anknüpfe. Ein Aufsplitten des daraus resultierenden einheitlichen Unterlassungsanspruchs auf zwei Teilgebote finde daher nicht statt; die Begehren zu lit d. bis f. seien zu einem einheitlichen Verbot zusammenzufassen. Abzuweisen seien jedoch die Unterlassungsbegehren lit a. bis c. Danach solle der Erstbeklagten jeweils ganz allgemein die Verwendung der BezeichnungJosephinenhütte in unterschiedlichen Ausformungen (Wort, Grafik und Website-keyword) im Zusammenhang mit ihrer einschlägigen geschäftlichen Tätigkeit verboten werden. Allerdings fehle dem Begehren insoweit eine nähere Konkretisierung, worin eine Irreführung oder sonstige Gesetzwidrigkeit liegen solle. Für eine Sicherheitsleistung bestehe kein Anlass.

[11] Die Abweisung des Sicherungsantrags gegen den Zweitbeklagten blieb unbekämpft.

[12] Gegen den stattgebenden Teil dieser Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Erstbeklagten, gegen den abweisenden Teil gegenüber der Erstbeklagten sowie auch dahingehend, dass das Rekursgericht seine Berechtigung zur Modifizierung des Sicherungsantrags überschritten habe und die Sicherungsbegehren nicht vollständig erledigt habe, richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin.

[13] Der Revisionsrekurs der Erstbeklagten ist in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen nicht zulässig, jener der Klägerin ist zulässig und teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[14] I. Zum Revisionsrekurs der Erstbeklagten

[15] 1. Die Erstbeklagte macht im Wesentlichen geltend, es liege keine Irreführung bei Bezugnahme auf ein ehemaliges Unternehmen vor, dessenGeschäftswert (Goodwill) untergegangen sei. Die Josephinenhütte aus Schlesien sei in den 1950er Jahren in Huta Szkla Julia umbenannt worden, und seit der Umbenennung seien keine handgefertigten und mundgeblasenen Glaswaren unter der Bezeichnung Josephinenhütte hergestellt worden. Es sei daher ausgeschlossen, dass die beteiligten Verkehrskreise rund 70 Jahre später noch einen Zusammenhang zwischen der Bezeichnung Josephinenhütte und der ursprünglichen Glasmanufaktur herstellen.

[16] 2.1. Damit zeigt die Erstbeklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf. Es kommt nicht darauf an, ob der Geschäftswert des historischen Unternehmens Josephinenhütte noch besteht oder bereits untergegangen ist. Die beanstandete Irreführung beruht vielmehr im Wesentlichen darauf, dass sich die Erstbeklagte wahrheitswidrig einer langjährigen Tradition und einer unmittelbaren Anknüpfung an ein historisches Unternehmen berühmt.

[17] 2.2. Nach der Rechtsprechung fällt das Vortäuschen einer langjährigen Tradition, aus der das Publikum besondere Erfahrungen, wirtschaftliche Leistungskraft, Qualität, Zuverlässigkeit, Solidität und eine langjährige Wertschätzung innerhalb des Kundenkreises ableitet, unter den Tatbestand der unlauteren Irreführung nach § 2 UWG (RIS‑Justiz RS0078638; RS0078473). Die Vorinstanzen sind daher bei ihrer Entscheidung zu Punkt d. des Sicherungsbegehrens nicht von dieser Rechtsprechung abgewichen.

[18] II. Zum Revisionsrekurs der Klägerin.

[19] 1. Die Klägerin wendet sich zunächst gegen die Abweisung der Begehren a. bis c., die die irreführende Verwendung der Bezeichnung Josephinenhütte losgelöst vom historischen Kontext der gleichnamigen schlesischen Glashüttezum Gegenstand haben, sei es im Zusammenhang mit dem Firmenwortlaut der Erstbeklagten, ihrer Wortbildmarke oder mit ihrer Website. Die Irreführung liege darin, dass die Erstbeklagte den unrichtigen Eindruck hervorrufe, die mit dem beanstandeten Zeichen markierten Waren selbst herzustellen.

[20] 1.1. Mit diesem Verständnis unterstellt die Klägerin, dass die angesprochenen Verkehrskreise einerseits das Kennzeichen „Josephinenhütte“ als Namen einer Glashütte im Sinne einer Glasmanufaktur verstehen und andererseits auch davon ausgehen, dass ein mit diesem Namen werbendes Unternehmen die betreffenden Gläser selbst hergestellt hat, also nicht bloß Händlerin ist. Beides ist unzutreffend.

[21] Nach der Rechtsprechung des Senats entspricht das Verständnis des Durchschnittsinteressenten demjenigen eines nicht unerheblichen Teils der angesprochenen Kreise (17 Ob 14/10y).

[22] Legt man diesen Maßstab zugrunde, ist die Irreführungseignung zu verneinen. Der in Rede stehende Begriff Josephinenhütte wird vom heutigen Durchschnittsverbraucher (das sind alle Interessenten für Wein- und/oder Trinkgläser, nicht hingegen an der Geschichte der Glasproduktion interessierte Spezialisten) in erster Linie als Phantasiebezeichnung, nicht hingegen als Bezeichnung einer bestehenden Glashütte aufgefasst (zur markenrechtlichen Schutzfähigkeit derartiger Kennzeichen mit überwiegenden Phantasieelementen vgl 4 Ob 152/19k, Sophienwald II). Aber selbst wenn der Verkehr das strittige Zeichen gedanklich mit dem Ort einer Glasproduktion in Verbindung brächte, bewirkte dies noch nicht die Überzeugung beim Publikum, dass die derart gekennzeichneten Produkte vom werbenden Unternehmen auch selbst hergestellt worden sind, fallen doch im heutigen arbeitsteiligen Marktgeschehen häufig die Rollen von Produzent und Händler auseinander.

[23] 1.2. Die von der Klägerin zu ihrem gegenteiligen Standpunkt zitierte Rechtsprechung (4 Ob 42/08t, Klavierhersteller;4 Ob 1/02d, Verkauf ab Fabrik;4 Ob 312/77, Eigenerzeugung von Kleidung;4 Ob 404/76, Möbelfabrik;4 Ob 324/69, Weberei) betrifft allesamt Fälle eindeutigen Fehlverständnisses, die mit dem Anlassfall nicht vergleichbar sind. Die vom historischen Kontext losgelöste Verwendung des Kennzeichens im Zusammenhang mit Gläsern bewirkt daher keine Irreführung, weshalb das Berufungsgericht die Sicherungsbegehren zu a. bis c. zu Recht abgewiesen hat.

[24] 2. Die Klägerin sieht in der Umformulierung der weiteren Sicherungsbegehren durch das Rekursgericht einen Verstoß gegen § 405 ZPO, wonach das Gericht nicht befugt ist, einer Partei etwas zuzusprechen, was sie nicht beantragt hat.

[25] 2.1. Das Gericht ist zur Modifizierung und Neufassung eines Begehrens nur berechtigt, wenn es dem Begehren eine klarere und deutlichere, dem tatsächlichen Rechtsschutzziel und Vorbringen des Klägers entsprechende Fassung gibt (4 Ob 206/19a, 3.2). Gegen § 405 ZPO wird somit dann verstoßen, wenn ein plus oder aliud zugesprochen wird, nicht hingegen, wenn im Spruch nur verdeutlicht wird, was nach dem Vorbringen ohnedies begehrt ist (RS0039357 [T27]; RS0041254 [T15]; 4 Ob 239/01b; 4 Ob 93/10w). Auch im Provisorialverfahren begründet ein Verstoß gegen § 405 ZPO eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens (RS0041089; 4 Ob 83/17k).

[26] 2.2. Das Rekursgericht führte im Punkt 6.2 aus, dass (neben dem Verbot zu Punkt d. des Sicherungsbegehrens, dazu siehe zuvor zum Revisionsrekurs der Erstbeklagten) auch dem Verbot zu Punkt e. (Vortäuschen einer eigenen Glasproduktion oder Manufaktur) grundsätzlich Berechtigung zukomme. Es gehe allerdings um eine einheitliche Werbebotschaft, die sowohl die Anknüpfung an die Tradition des historischen Unternehmens als auch an dessen Produktions-Infrastruktur umfasse, weshalb der Unterlassungsanspruch nicht aufzusplitten, sondern ein einheitliches Verbot auszusprechen sei.

[27] 2.3. Diese Ausführungen lassen nicht klar erkennen, ob das Rekursgericht das vom Sicherungsbegehren umfasste Vortäuschen einer eigenen Glasproduktion im Spruch versehentlich weggelassen hat (dann läge ein Mangel nach § 496 Abs 1 Z 1 ZPO vor), oder ob es vom Begehren abgewichen ist (dann wäre ein Verstoß gegen § 405 ZPO anzunehmen). In beiden Fällen liegt jedoch ein Verfahrensmangel vor, den die Klägerin zu Recht beanstandet. Bei richtigem Verständnis richtet sich der Sicherungsantrag gegen drei Arten von unzulässigen Geschäftspraktiken, und zwar gegen die Verwendung der Bezeichnung Josephinenhütte (Punkte a., b. und c.), das Vortäuschen einer Unternehmenstradition (Punkt d.) und das Vortäuschen einer eigenen Glasproduktion (Punkte e. und f.). Der modifizierte Spruch führte daher nicht zu einer zulässigen Verdeutlichung der Begehren d.–f., sondern verändert– gerade auch im Zusammenhalt mit dem Antragsvorbringen (vgl RS0037440) – deren Sinngehalt; er weicht damit von den Begehren in qualitativer Hinsicht ab und ist daher als unzulässiges aliud zu qualifizieren.

[28] 3. Zur inhaltlichen Berechtigung der Begehren e. und f.:

[29] 3.1. Die Tatsacheninstanzen nahmen als bescheinigt an, dass die Erstbeklagte über keine eigene Werkstätte und über keine Produktionsmittel oder Werkzeuge für eine Manufaktur von Glas verfügt, dass sie kein Rohmaterial für Glas einkauft und keine Glasbläser beschäftigt. Der Text auf ihrer Website unter dem Titel Manufaktur, dass jedes Glas in einer Vielzahl von Arbeitsschritten entsteht, die lange Erfahrung, Geschick und höchste Konzentration erfordern, lässt jedoch in Kombination mit den dort abrufbaren Videos und Fotos betreffend die Handfertigung von Weingläsern für den Adressaten dieser Werbung den – unrichtigen – Eindruck entstehen, die Erstbeklagte betreibe eine eigene Glasmanufaktur.

[30] 3.2. Unrichtige Angaben über die Herstellung eines Produkts können eine zur Irreführung geeignete Angabe über die wesentlichen Merkmale des Produkts iSv § 2 Abs 1 Z 2 UWG idF der UWG‑Novelle 2007 sein (RS0078410 [T3] = 4 Ob 42/08t). Angaben, die bei einem nicht unerheblichen Teil der Verbraucher den falschen Eindruck erwecken, direkt vom Hersteller zu kaufen, verstoßen gegen den § 2 UWG. Entscheidend ist, dass der Kunde durch die Irreführung über die Bezugsquelle zum Kauf verlockt werden kann (RS0078426; RS0078406).

[31] 3.3. Im vorliegenden Fall erweckt der Werbeauftritt der Erstbeklagten den unrichtigen Eindruck, die von ihr vertriebenen Wein- und/oder Trinkgläser stammten aus eigener Glasproduktion oder Manufaktur. Dies ist geeignet, die Kunden derart über die angebotenen Produkte zu täuschen, dass sie dazu veranlasst werden, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten (§ 2 UWG).

[32] 3.4. Folglich ist auf Basis des bescheinigten Sachverhalts auch den Sicherungsbegehren zu den Punkten e. und f. stattzugeben, allerdings zu Punkt e. mit Ausnahme der Untersagung der Verwendung des Wortes Josephinenhütte, da – wie oben zu 1.1. ausgeführt – die bloße Verwendung dieses Kennzeichens noch keine Irreführung in Bezug auf die angebotenen Produkte bewirkt.

[33] Dem Revisionsrekurs der Klägerin ist daher teilweise Folge zu geben und die einstweilige Verfügung in diesem Sinne zu modifizieren.

[34] 4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 43 Abs 1, 50 ZPO. Die Klägerin ist mit ihrem Sicherungsantrag gegen die Erstbeklagte (nur) etwa zur Hälfte durchgedrungen und hat daher der Erstbeklagten die Hälfte ihrer Kosten des Provisorialverfahrens zu ersetzen, und zwar die bereits vom Rekursgericht bestimmten 1.387,68 EUR für das Verfahren erster und zweiter Instanz und 1.156,12 EUR für die Revisionsrekursbeantwortung. Ein Streitgenossenzuschlag ist nicht zuzusprechen, weil sich der Revisionsrekurs nicht gegen die Rekursentscheidung im Zusammenhang mit Ansprüchen gegen den Zweitbeklagten richtete.

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