OGH 7Ob7/20k

OGH7Ob7/20k24.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* S*, vertreten durch Dr. Christoph Naske, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S* S*, vertreten durch die Hornek Hubacek Lichtenstrasser Epler Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 29. Oktober 2019, GZ 48 R 194/19p‑60, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E128482

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Nach § 49 Satz 3 EheG kann derjenige, der selbst eine Verfehlung begangen hat, die Scheidung nach § 49 EheG nicht begehren, wenn nach der Art seiner Verfehlung, insbesondere wegen des Zusammenhangs der Verfehlung des anderen Ehegatten mit seinem eigenen Verschulden sein Scheidungsbegehren bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe sittlich nicht gerechtfertigt ist.

Bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 49 Satz 3 EheG vorliegen, ist das gesamte Verhalten der Ehegatten zu berücksichtigen (9 Ob 110/02w). Es kommt auf die besonderen Umstände des Einzelfalls an (RS0057058, RS0057246).

Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Beurteilung der sittlichen Rechtfertigung eines Scheidungsbegehrens insbesondere darauf Bedacht zu nehmen, ob sich aus dem Verhalten der Beklagten ergibt, dass sie trotz der Eheverfehlungen des Klägers an der Ehe festhält (RS0057058 und RS0057246).

Die Beurteilung des Scheidungsbegehrens als sittlich gerechtfertigt ist nicht schon deshalb unvertretbar, weil die vom Kläger gesetzten Eheverfehlungen – wie hier – überwiegen (vgl 4 Ob 47/19v; 6 Ob 177/16x = RS0057246 [T2]; 7 Ob 112/11p); dies hat das Berufungsgericht durch den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Klägers an der Zerrüttung entsprechend berücksichtigt. Zudem war die Beklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt der Klagseinbringung (RS0057296) nach den Feststellungen selbst bereits eine neue Partnerschaft eingegangen.

Die Revision geht darauf gar nicht ein und zeigt damit nicht auf, wie dennoch zu erschließen wäre, dass sie an der Ehe festhält.

Soweit die Revisionswerberin meint, das ihr unter anderem als Ehewidrigkeit vorgeworfene Verhalten, im Zuge von Streitigkeiten den Kläger beschimpft zu haben, sei bloße Reaktionshandlung gewesen, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

Warum das festgestellte (beidseitige) lieb- und interesselose Verhalten keine Eheverfehlung sein soll, ist nicht nachvollziehbar.

Dass es für das Vorliegen einer Eheverfehlung nicht darauf ankommt, dass der Kläger ein anderes Verhalten gefordert hätte, hat schon das Berufungsgericht aufgezeigt, ohne dass die Revision dem Stichhältiges entgegensetzt.

Insgesamt hält sich die Beurteilung der Vorinstanzen, in einer Gesamtbetrachtung habe auch die Beklagte mit ihren Eheverfehlungen zur Zerrüttung beigetragen, im Rahmen des den Gerichten im Einzelfall zukommenden Beurteilungsspielraums.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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